Diese Hausarbeit geht auf das Thema der Einsatzmöglichkeiten graduierter Pfleger näher ein und beschreibt hierzu die Position eines „Pflegeprozessmanagers“. Es werden hierzu im Kapitel 5 unter anderem die Tätigkeit selbst und damit verbundene Aufgaben, das Über- und Unterordnungsverhältnis, die gestellten Anforderungen und Kompetenzen sowie im Kapitel 7 praxisnahe Erfahrungen innerhalb der stationären Altenhilfe aufgezeigt. Kapitel 6 analysiert die Stellenbeschreibungen und vergleicht diese mit der vorhandenen Literatur. Die Forschungsfrage lautet daher: „Wie lässt sich ein Pflegeprozessmanager in die bisherige Pflegeorganisation integrieren?“
2 Problemdarstellung, Fragestellung und Zielsetzung
2.2 Fragestellung und Zielsetzung
3.1 Datenerhebung im Rahmen der Literaturrecherche
3.2 Feldzugang / Abgrenzung des Forschungsfeldes für die Empirie
4 Auswertung der ermittelten Daten
4.1 Datenauswertung im Rahmen der Literaturrecherche
4.2 Datenauswertung im Rahmen der Empirie
5 „Pflegeprozessmanager“ als Stelle
5.1 Herleitung und Bezeichnung der Stelle
5.2 Über- und Unterordnungsverhältnis
5.3 Anforderungen an die Stelle
5.5 Dienstplangestaltung
5.6 Zielsetzung an die Stelle
5.7 Gehaltsstruktur
5.8 Besondere Pflichten
6 Analyse der Stellenausschreibungen und deren Literaturvergleich
7 Erfahrungen von Pflegeprozessmanagern aus der Praxis
7.1 Welche Vorteile sehen Sie in Ihrer Tätigkeit?
7.2 Vor welchen Hürden und Herausforderungen stehen Sie?
7.3 Wie können Sie diese Hürden und Herausforderungen meistern?
8 Diskussion
Literaturverzeichnis
Anlagen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Suchhilfe, Suchbegriffe und Treffer
Tabelle 2: Nicht repräsentative Befragung von Pflegefachkräften
Tabelle 3: Stellenausschreibungen der beiden Alten- und Pflegeheime
1 Einleitung
Die rasch wachsende Zahl von älteren Menschen in den nächsten Jahren wird dazu führen, dass die Nachfrage nach personalintensiven und sozialen Dienstleistungen weiter stark zunehmen wird. Wohl am offensichtlichsten werden davon die Dienstleistungen der stationären Altenhilfe betroffen sein. Darüber hinaus unterliegt die stationäre Altenhilfe einem Anforderungswandel (Jacobs et al., 2019, S. 66, 168). Hierzu zählen ständig zunehmende Qualitätsanforderungen und -prüfungen bzw. seit November 2019 nun auch die neuen und sehr komplexen Qualitätsprüfungsrichtlinien (MDS, 2020, S. 11). Primär in Anspruch genommen werden Alten- und Pflegeheime von überwiegend multimorbiden Menschen, die in technischer Abhängigkeit bei komplexen Versorgungslagen stehen und die aufgrund alters- und krankheitsbedingter Beeinträchtigungen auf mehr oder weniger umfangreiche Hilfen in der Verrichtung ihrer Alltagshandlungen angewiesen sind. Darunter fallen auch Menschen mit hohem, ebenfalls sehr komplexem Pflegebedarf, die periodisch oder dauerhaft ein qualifiziertes Monitoring und flexibel angepasste medizinisch-pflegerische Leistungen benötigen (Jacobs et al., 2019, S. 138, 168). Nach der Einführung der neuen Qualitätsprüfungsrichtlinien im Jahr 2019 untersuchte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) u. a. auch den bedarfsübergreifenden Qualitätsaspekt „Abwehr von Risiken und Gefährdungen“. Bei 54,8 % der Pflegeeinrichtungen (N = 2.126 Alten- und Pflegeheime) wurde mindestens bei einem Bewohner zumindest ein Qualitätsdefizit festgestellt. Betroffen sind hierbei meist bedarfsübergreifende Defizite in den Qualitätsaspekten, bei denen oft wiederum eine Vielzahl weiterer Qualitätsaspekte mit einfließen (MDS, 2020, S. 12f). Pflegefachkräfte sind teilweise oft bereits bei der Dokumentation eines Pflegeprozesses unter Beachtung der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse überfordert. Darüber hinaus ist die stationäre Altenhilfe schon heute von einem eklatanten Mangel an qualifizierten und motivierten Pflegefachkräften geprägt (Jacobs et al., 2019, S. 67, 86; Pews et al., 2013a, Rn. 1, 3, 20). Der flächendeckende Engpass und anhaltende Rekrutierungsprobleme machen sich immer deutlicher bemerkbar, denn es fehlt an Experten, Spezialisten und Fachkräften in der stationären Altenhilfe (Jacobs et al., 2019, S. 62). Die Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit ergab im Sommer 2018, dass mit einer mittleren Besetzungsdauer von 175 Tagen examinierte Fachkräfte und Spezialisten in der Altenpflege einen traurigen Spitzenplatz unter den Mangelberufen einnehmen (BAA, 2018, S. 8). Auf 100 offene Stellenangebote kommen nur 12 arbeitslose Altenpfleger. Mit dem Stichtag 30.06.2020 waren in Deutschland 20.282 Stellen unbesetzt und das mit steigender Tendenz (Burstedde et al., 2020, S. 40; Jacobs et al., 2019, S. 138). Eine Bewerberauswahl ist deswegen nahezu überhaupt nicht mehr möglich. Die Pflegeeinrichtungen selbst sehen sich mit all dieser Problematik immer stärker überfordert. Sie sind froh um jede Pflegefachkraft, die sich mit ihrer Urkunde bei ihnen bewirbt. Nach dem Abschlusszeugnis wird inzwischen meist überhaupt nicht mehr gefragt (Anonym, 2022f; Anonym, 2022g). Der Ansatz zur Absenkung der Fachkraftquote von 50,0 % in der stationären Altenhilfe, die kaum noch zu erfüllen ist, um dafür mehr un- und angelerntes und damit kostengünstigeres Pflegepersonal beschäftigen zu können, wird daher von Seiten der Arbeitgeberverbände immer lauter gefordert. Ein nachhaltiger Lösungsansatz wäre eine stärkere Zuwanderung in den deutschen Pflegemarkt über das Fachkräftezuwanderungsgesetz. Die Anwerbung durch die Arbeitsvermittlung erfolgt inzwischen aus vielen osteuropäischen, afrikanischen, asiatischen, süd- und mittelamerikanischen Staaten. Im pflegerischen Alltag wird zudem immer häufiger von Spannungen und Konflikten berichtet. Zu nennen sind an dieser Stelle vorwiegend sprachliche und kulturelle Herausforderungen sowie unterschiedliche Studien- und Ausbildungsinhalte bei Berufsabschlüssen im Ausland. Vor allem die Kommunikation und das Verstehen in der Fachsprache sind in der Pflege von zentraler Bedeutung. Aber auch das kulturelle Verständnis, das insbesondere in der stationären Altenhilfe eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Im Hinblick auf die Praxis der pflegerischen Tätigkeiten sind aus dem Ausland rekrutierte Fachkräfte gegenüber den deutschen Fachkräften klar im Nachteil. Denn eine pflegerische Ausbildung ist im Ausland überwiegend akademisch ausgerichtet, die meist geringe Praxisanteile aufweist. Gerade in Deutschland ausgebildete Pflegefachkräfte kritisieren, dass ausländische Kollegen im verantwortungsvollen, eng getakteten und stressigen Alltag nicht voll einsetzbar wären. Denn es fehlen häufig grundsätzliche Kompetenzen, d. h. wie etwa die Anwendung einer bedürfnis- und ressourcenorientierten Pflege durchzuführen ist, aber auch das soziale Verhalten beim Umgang miteinander (Jacobs et al., 2019, S. 67, 87f, 94-97, 99, 138). Fraglich ist zudem wie Alten- und Pflegeheime die vorgesehenen Anforderungen in der Pflegeprozesssteuerung und -dokumentation an die von der Politik gewünschten ausländischen Fachkräfte mit einem vertretbaren Aufwand vermitteln sollen, um diese qualifizieren zu können (Pews et al., 2013a, Rn. 3). Im Jahr 2010 lag der Anteil der Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund bei den Altenpflegern bereits bei 28,7 % (Afentakis et al., 2014, S. 175). Eine eigene am 15.03.2022 durchgeführte Befragung von acht Pflegefachkräften, die unabhängig voneinander in Alten- und Pflegeheimen im Rhein-Main-Gebiet beschäftigt sind, ergab in den acht Alten- und Pflegeheimen, dass bis Ende des Jahres 2021 ca. 53,5 % der dort beschäftigten Pflegefachkräfte einen Migrationshintergrund hatten (vgl. Anlage 1). Die Befragung ist zwar nicht repräsentativ, sie macht aber deutlich, dass es in manchen Regionen in Deutschland kaum noch möglich ist, eine stationäre Pflegeeinrichtung ohne ausländische Pflegekräfte zu betreiben.
2 Problemdarstellung, Fragestellung und Zielsetzung
2.1 Problemdarstellung
Die Akademisierung der qualifizierten Pflegeberufe kann zu einem Mittel zur Aufwertung von Berufen mit bisher geringen Qualifizierungs- und Aufstiegsperspektiven beitragen und dadurch das Interesse auf deren Tätigkeitsfelder signifikant erhöhen. Zugleich sind damit in der Gesamtbetrachtung aber auch wachsende Probleme bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen verbunden, die in Zukunft dann zu länger anhaltenden Engpässen bei der Rekrutierung von Fachkräften mit einem beruflichen Abschluss führen könnten. Jedoch ist auch die Zahl der Akademiker, die in der Versorgungspraxis arbeiten, weiterhin gering. Im Jahr 2015 wurde geschätzt, dass 3.727 Vollzeitäquivalente mit abgeschlossenem pflegebezogenem Studium in Einrichtungen des deutschen Gesundheitswesens tätig sind. Für die stationäre Altenhilfe sind dies gerade einmal 0,2 % des Gesamtpersonals. Hinzu kommt, dass lediglich ein Drittel der Hochschulabsolventen in der direkten Pflege und Betreuung oder als Pflegedienstleitung eingesetzt werden. Hochschulabsolventen sind überwiegend im Management tätig. Die Gründe für die geringe Präsenz von Akademikern in der stationären Altenhilfe sind vielfältig. Einerseits kann der Bedarf an wissenschaftlichen Nachwuchs in Forschung und Lehre einige von ihnen motiviert haben, eher dorthin zu wechseln, anderseits fehlt es aber auch an Konzepten für die Personaleinsatzplanung und die Berufseinmündung der Anstellungsträger. Diese haben meist nur sehr vage Vorstellungen zu den Einsatzmöglichkeiten graduierter Pfleger (Jacobs et al., 2019, S. 66, 89, 169f). Um die berufliche Einmündung graduierter Pfleger in die Pflegeorganisation zu verbessern, sollten Alten- und Pflegeheime kompetenzorientierte und arbeitsmarktrelevante Einsatzfelder für Hochschulabsolventen entwickeln (Pews, 2016, S. 25).
2.2 Fragestellung und Zielsetzung
Diese Hausarbeit geht auf das Thema der Einsatzmöglichkeiten graduierter Pfleger näher ein und beschreibt hierzu die Position eines „Pflegeprozessmanagers“. Es werden hierzu im Kapitel 5 u. a. die Tätigkeit selbst und damit verbundene Aufgaben, das Über- und Unterordnungsverhältnis, die gestellten Anforderungen und Kompetenzen sowie im Kapitel 7 praxisnahe Erfahrungen innerhalb der stationären Altenhilfe aufgezeigt. Kapitel 6 analysiert die Stellenbeschreibungen und vergleicht diese mit der vorhandenen Literatur. Die Forschungsfrage lautet daher: „Wie lässt sich ein Pflegeprozessmanager in die bisherige Pflegeorganisation integrieren?“
3 Methodisches Vorgehen
3.1 Datenerhebung im Rahmen der Literaturrecherche
Für die vorliegende Hausarbeit wurden verschiedene Datenbanken sowie Fachpublikationen von „CareLit Complete“ systematisch nach den Suchbegriffen Pflegeprozessmanag* und Pflegeprozessmanager durchsucht. Auch wurde hierbei das Literaturrechercheprogramm von der „medhochzwei Verlag GmbH“ und die Suchmaschine von „Google Scholar“ genutzt. Um auch weitere relevante Publikationen anderer Medienwerke in deutscher Sprache in die Recherche mit einzubeziehen, wurde zudem im Katalog der „Deutschen Nationalbibliothek“ recherchiert. Die Suche wurde auf deutschsprachige Publikationen, die das Thema betreffen, ausgedehnt und diese dabei zeitlich nicht begrenzt. Die Tabelle 1 zeigt die Suchbegriffe und die jeweilige Anzahl der ermittelten sowie relevanten Treffer auf.
Tabelle 1: Suchhilfe, Suchbegriffe und Treffer
Um eine bessere Betrachtungsweise zum Stellenprofil eines Pflegeprozessmanagers zu erlangen, wurde eine Analyse von zwei Stellenausschreibungen der Alten- und Pflegeheime in Frankfurt am Main durchgeführt, da nur diese Häuser eine solche Position besetzen (vgl. Anlage 2). Im Anschluss daran wurden diese Stellenausschreibungen mit den Ergebnissen der Stellenanforderungen aus der Literatur verglichen (vgl. Kapitel 5.4).
3.2 Feldzugang / Abgrenzung des Forschungsfeldes für die Empirie
Für die Heimsuche wurden über https://heimverzeichnis.de alle Alten- und Pflegeheime der Stadt Frankfurt am Main (N = 46 mit insgesamt 4.903 Pflegebetten) und der Stadt Offenbach am Main (N = 9 mit insgesamt 918 Pflegebetten) in einer Excel-Tabelle nach Bettenzahl chronologisch sortiert hinterlegt (Heimverzeichnis, 2022). Im Anschluss daran wurden diese Häuser telefonisch kontaktiert. Es wurde abgefragt, ob diese in ihrem Hause einen Pflegeprozessmanager beschäftigen und hierzu auch über eine Stellenausschreibung verfügen. Die telefonischen Befragungen fanden am 16.03.2022 und 17.03.2022, jeweils in der Zeit von 09:00 Uhr bis 16:00 Uhr, statt. Im Anschluss erfolgte eine qualitative Befragung zu drei Fragestellungen, die an den dort beschäftigten Pflegeprozessmanager bzw. direkt an die jeweilige Pflegeeinrichtung gerichtet waren. Insgesamt wurden fünf Interviews durchgeführt (vgl. Anlagen 3 bis 7).
4 Auswertung der ermittelten Daten
4.1 Datenauswertung im Rahmen der Literaturrecherche
Im Rahmen der Literaturrecherche wurden 74 Fundstellen ausgewertet und von diesen zunächst 10 als für diese Hausarbeit relevant eingestuft. Nach der Bereinigung redundanter Fundstellen blieben hiervon insgesamt neun Publikationen übrig, die in Kapitel 5 näher erörtert werden. Diese skizzierten die Position bzw. die Stelle eines Pflegeprozessmanagers und beinhalteten u. a. deren Anforderungs- und Aufgabenprofil im Pflegeorganisationsmodell innerhalb der stationären Altenhilfe. Das Ergebnis der Literaturrecherche zeigte ein sehr moderates Bild zu dem Thema „Pflegeprozessmanager in Alten- und Pflegeheimen“. Zwar sind zum Thema Pflegeprozessmanager Publikationen verfügbar, wie in Kapitel 5 beschrieben, aber es befanden sich nur fünf darunter, die sich direkt mit dem Thema im Zusammenhang mit einem Pflegeorganisationsmodell auseinandersetzten. Für die Darstellung der Ergebnisse der Literaturrecherche in Kapitel 5 wurde das Führungsinstrument „Stellenbeschreibung“, aus der Publikation „Management-Handbuch Pflege“ von Hoffmann (2004) als Grundlage genommen (Hoffmann, 2004, S. 1, 4-8). Diese wurde ergänzt u. a. mit den Abschnitten zur Dienstplangestaltung und Gehaltsstruktur (vgl. Kapitel 5.5 und 5.7).
Von zwei Frankfurter Alten- und Pflegeheimen liegen die Stellenausschreibungen zum Pflegeprozessmanager vor (vgl. Anlage 2). In Kapitel 6 werden diese mit den Aufgaben und Pflichten aus Kapitel 5.4 miteinander verglichen.
4.2 Datenauswertung im Rahmen der Empirie
Die telefonische Befragung ergab dann, dass lediglich zwei Alten- und Pflegeheime in Frankfurt am Main, aber keines der Alten- und Pflegeheime in Offenbach am Main einen Pflegeprozessmanager beschäftigten. Ein Alten- und Pflegeheim mit mehr als 170 Pflegebetten beschäftigte vier Pflegeprozessmanager (Anonym, 2022f). Dieses Haus belegt Platz zwei von der Bettenzahl unter den Alten- und Pflegeheimen Frankfurts (Heimverzeichnis, 2022) und wird im Folgenden als Alten- und Pflegeheim 1 bezeichnet. Das zweite Alten- und Pflegeheim, das über mehr als 150 Pflegebetten verfügt, hatte bereits im Jahr 2021 eine Stelle als Pflegeprozessmanager besetzt (Anonym, 2022g). Aufgrund der Bettenzahl belegt es Platz acht in Frankfurt (Heimverzeichnis, 2022). Es wird im Folgenden als Alten- und Pflegeheim 2 genannt.
Die Antworten auf die Befragung der fünf Pflegeprozessmanager zu ihrer beruflichen Tätigkeit und ihren Erfahrungen aus der Praxis und den damit verbundenen Vorteilen, Hürden und Herausforderungen sowie Bewältigungsstrategien erwiesen sich als sehr heterogen. Die Auswertung des Interviewmaterials erfolgte im Rahmen einer theoretischen Analyse. Bei der Transkription wurden die nebensächlichen Passagen des Interviews gekürzt, um prägnante Textteile herauszunehmen (Mayer, 2020, S. 43f). Diese Transkriptionen wurden als Einzelfalldarstellung in den Anlagen 3 bis 7 der Hausarbeit abgebildet. Jedes Transkript wurde ferner in die jeweilige Projektdatei von MAXQDA eingelesen. Die MAXQDA-Software visualisiert die Projektdatei in einer Benutzeroberfläche mittels drei Fenster, d. h. eines zeigt die transkribierte Textdatei selbst an, eines die Codes und ein weiteres dann die jeweils dazugehörigen Dokumente, d. h. die Interviews selbst. Anschließend erfolgte das analytische Kategorisieren mit den Hauptkodierungen mithilfe von Verknüpfungen zwischen konkreten Textpassagen und den danach selbst erstellten Unterkodierungen (VERBI, 2022, S. 20). Im Rahmen der Strukturierung wurden dabei die Kategorien „Vorteile“, „Hürden und Herausforderungen“ sowie „Bewältigungsstrategien“ gewählt. Die Unterkodierungen sind z. B. „abwechslungsreiches Aufgabengebiet“, „lösungsorientiert sein“, „Personalmangel“ etc. Dieses Vorgehen beinhaltet nicht nur den eigentlichen Prozess des Codings, sondern auch das Analysieren der bereits vorgegebenen Verknüpfungen mit der dazugehörigen Textpassage. Dabei wurden die jeweiligen Interviewaussagen in Kapitel 7 der Hausarbeit über die Verknüpfung zusammenfassend dargelegt.
5 „Pflegeprozessmanager“ als Stelle
5.1 Herleitung und Bezeichnung der Stelle
In anderen Staaten soll es schon zur Praxis gehören, dass es verschiedene Qualifikationsstufen für unterschiedliche Tätigkeiten in der Pflege gibt. Pflegefachkräfte arbeiten ihrer Qualifikation entsprechend und das gilt ebenso für die Hilfskräfte. Aus der höheren Hierarchieebene kommen dann die hochqualifizierten Pflegekräfte hinzu, die überwiegend über einen Hochschulabschluss verfügen. Sie arbeiten als Pflegeprozessmanager sowohl administrativ als auch „am Pflegebett“ (Sozialreferat München, 2011, S. 1). Hochkomplexe Pflegeaufgaben ergeben sich u. a. aus den veränderten Pflegebedarfen, aus den spezifischen Anforderungen an die pflegerische Versorgung und durch den pflegewissenschaftlichen Fortschritt (Pews, 2016, S. 24). Das Pflegeorganisationsmodell „Pflegeprozessmanager“ basiert nach Pews & Mayeres (2013a) ursprünglich auf die konzeptionelle Überlegung und den Erkenntnissen einer unveröffentlichten und nicht archivierten Diplomarbeit von Buchholz / Wiesecke aus dem Jahr 2003 mit dem Titel „Organisation und Steuerung qualifikationsgemischter Pflegeteams“. Sie wurde an der Evangelischen Hochschule zu Berlin verfasst (Pews et al., 2013a, Rn. 9; Jahn, 2022). Der Stelleninhaber heißt „Pflegeprozessmanager“ oder auch geschrieben „Pflegeprozess-Manager“. Das Berufsbild selbst wird als „Pflegeprozessmanagement“ bezeichnet (Pews, 2016, S. 25; Becker, 2014, S. 1). Das KoPM®-Zentrum an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg integriert den Manager des Pflegeprozesses gemeinsam mit dem Prozessmitarbeiter für Medizinprodukte als auch den operativen Manager des Behandlungsprozesses in den „Primary Nurse Case Management“, d. h. Fallmanager. Das Berufsbild nennt sich Primary Nurse Case Management (KoPM®-Zentrum, 2009, S. 10). Dem Ansatz von Primary Nursing folgte auch das Sozialreferat München. Der dort anfangs genannte Pflegeprozessmanager wurde im weiteren Projektverlauf dann analog zum US-amerikanischen Arbeitsorganisationsmodell von Marie Manthey zum Primary Nursing umbenannt (Kriegisch, 2022).
5.2 Über- und Unterordnungsverhältnis
Laut Becker (2014) soll der Pflegeprozessmanager im Organigramm der Einrichtung als Stabsstelle der Pflegedienstleitung fungieren. Organigramme zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass in ihnen die Hierarchien klar zu erkennen sind. An oberster Stelle steht nach Becker (2014) der Geschäftsführer und / oder Inhaber, dann folgt die Heimleitung oder Einrichtungsleitung. Als nächste Hierarchieebene kommt die Pflegedienstleitung, darunter dann die Wohnbereichsleitung bzw. Teamleitung und danach die Pflegefachkräfte. An unterster Stelle sind die Hilfskräfte zu nennen. Der Pflegeprozessmanager hat in dem Bereich des dokumentierten Pflegeprozesses eine Weisungsbefugnis gegenüber den Pflegefach- und -hilfskräften (Becker, 2014, S. 2). Pews & Mayeres (2013a) betrachten die Integration des Pflegeprozessmanagers jedoch dann als kritisch, wenn eine Person Pflegeprozessmanager und zugleich Wohnbereichsleitung ist. Denn hier entstünden Rollenkonflikte. Sowohl zeitlich als auch inhaltlich wäre eine effektive Ausübung der Aufgabenbereiche dann beeinträchtigt. Pews & Mayeres (2013a) weisen deshalb darauf hin, dass Pflegeprozessmanager den Pflegefachkräften gleichgestellte und der Wohnbereichsleitung nachgeordnete Mitarbeiter des Alten- und Pflegeheims sein sollten. Somit fungiert der Pflegeprozessmanager nicht als Vorgesetzter der Pflegefachkräfte. Im Vertretungsfall sollte dann auch eine Pflegefachkraft die Aufgaben des Pflegeprozessmanagers zeitlich befristet übernehmen. Gibt es jedoch mehrere Pflegeprozessmanager im Hause, vertreten diese sich gegenseitig (Pews et al., 2013a, Rn. 25, 28, 34). In der Praxis hat sich jedoch ein weiteres Über- und Unterordnungsverhältnis bewährt. Die Alten- und Pflegeheime 1 und 2 integrierten den Pflegeprozessmanager in ihre Pflegeorganisation jedoch anders. Beide Häuser haben die Stellen der Wohnbereichsleitungen gänzlich abgeschafft. Im Alten- und Pflegeheim 1 übernimmt der Pflegeprozessmanager eine rein pflegefachliche Aufgabe. Im Alten- und Pflegeheim 2 dagegen fungiert der Pflegeprozessmanager zusätzlich auch noch als Vorgesetzter der Pflegefach- und Hilfskräfte und übernimmt so eine Teamleiterrolle. Pflegeprozessmanager sind der Pflegedienstleitung im Organigramm somit nachrangig zugeordnet. Da es im Alten- und Pflegeheim 1 mehrere Pflegeprozessmanager gibt, vertreten diese sich dort gegenseitig (Anonym, 2022f; Anonym, 2022g).
5.3 Anforderungen an die Stelle
Pews (2016) betont dabei ausdrücklich den Einsatz graduierter Pfleger in dieser Position. Wichtig für den Job des Pflegeprozessmanagers ist die Problemlösungs- und Steuerungskompetenz im Sinne des individuellen Fallverstehens, wie z. B. die Steuerung immer komplexer werdender Prozesse in der Behandlungspflege. Die Qualitätssicherung und -entwicklung kann im Sinne eines kontinuierlichen Transfers von Wissen und Evidenz mithilfe der akademischen Qualifikation noch näher an die Dienstleistungserbringung ansetzen und somit seine Wirkung auf die Pflegequalität und Kundenzufriedenheit sehr viel besser entfalten. Pflegeprozessmanager können Pflegeinterventionen stärker reflektieren (Pews, 2016, S. 23ff). Auch die Methoden- und Fachkompetenzen, die für eine adäquate Prozesssteuerung des Pflegeprozesses benötigt werden, sind beim Pflegeprozess-manager sehr viel stärker ausgeprägt. Nach Pews & Mayeres (2013a) soll der Pflegeprozessmanager, der über einen Hochschulabschluss, z. B. Diplom, Master oder Bachelor eines akkreditierten Studiengangs verfügt, innerhalb der Pflegeorganisation mit einer Pflegefachkraft gleichgestellt sein. Ersatzweise kann aber auch eine mehrjährige Berufserfahrung in der Altenhilfe ausreichend sein, jeweils verbunden mit einer Weiterbildung zum Pflegeprozessmanager (Pews et al., 2013a, Rn. 4, 27). Da die Position eines Pflegeprozessmanagers den Bewerbern damals noch durchgehend neu war, entwickelte die CURA Unternehmensgruppe für ihre Personalakquise extra ein Assessment-Center für Pflegeprozessmanager, um so ihre offenen Stellen besetzen zu können (Pews et al., 2013b, S. 9). Pews & Mayeres (2013a) stellten zudem fest, dass je vertiefter die Fachkenntnisse vorhanden sind, umso größer wäre dann der Wirkungsgrad des Pflegeprozessmanagers bei der Steuerung von komplexen Pflegesituationen, wie z. B. im Ernährungsmanagement oder bei den Prophylaxen etc. Die zum Pflegeprozessmanager intern qualifizierten Mitarbeiter, die in den Alten- und Pflegeheimen der CURA Unternehmensgruppe eingesetzt wurden, sahen sich aufgrund ihrer Qualifikation befähigt, die gestellten Anforderungen erfüllen zu können (Pews et al., 2013a, Rn. 20). Inzwischen bildet die CURA Unternehmensgruppe intern keine Pflegeprozessmanager mehr aus (Block, 2022). Die PPM Akademie Bonn bot bis vor wenigen Jahren noch einen Fernkurs „Pflegeprozess-Manager“ an. Dieser wurde jedoch bereits Anfang 2019 aus dem Programm ersatzlos gestrichen. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, sich im Rahmen einer Zertifikatsprüfung zum „Pflegeprozess-Manager“ (IHK) über die IHK-Akademie Koblenz e. V. zu qualifizieren (Schönrath, 2022). Um hieran teilnehmen zu können, war jedoch eine abgeschlossene Berufsausbildung zur Pflegefachkraft erforderlich (PPM Akademie, 2015, S. 8).
Dagegen stellte das Alten- und Pflegeheim 2 bestimmte persönliche und fachliche Anforderungen an die Stelle. So musste der Bewerber ein Studium an einer Hochschule im Bereich der Pflege vorweisen können. Darüber hinaus wurden Kenntnisse bezüglich der Sozialgesetzbücher in SGB V, XI und XIII, sehr gute EDV-Kenntnisse sowie Deutschkenntnisse in Wort und Schrift vorausgesetzt. Von besonderer Bedeutung für die Position des Pflegeprozessmanagers sind dessen soziale Kompetenzen. Hierzu gehören Einfühlungsvermögen, das Verständnis für die besondere Lebenssituation von älteren Menschen im Alten- und Pflegeheim, Verantwortungsbereitschaft und Vertraulichkeit, kollegiales und teamorientiertes Arbeiten, sicheres und repräsentatives Auftreten sowie ein professioneller Umgang mit Stress und Belastung. Eine weitere wichtige Voraussetzung besteht darin, dass der Pflegeprozessmanager auch über gute kommunikative Fähigkeiten verfügen muss (Anonym, 2022g).
5.4 Aufgaben und Pflichten
Der Pflegeprozessmanager übernimmt mit seinen Aufgaben eine Schlüsselposition in der Pflegeeinrichtung. Mit seiner umfassenden Sichtweise ist er über alle Pflegeprozesse informiert und steht insbesondere, was die Kommunikation angeht, vor allen anderen an der Versorgung beteiligten Stakeholdern (Becker, 2014, S. 3).
Seine Aufgaben bzw. die Beschreibung seiner Funktion im Alten- und Pflegeheim unterscheidet sich dabei wesentlich von den unter Kapitel 5.6 erläuterten üblichen Pflegestellen. Der Aufgabenschwerpunkt eines Pflegeprozessmanagers liegt in der Steuerung des pflegediagnostischen Prozesses sowie in der Steuerung und Begleitung hochkomplexer Pflegesituationen. Ebenso auch in der supervidierenden Begleitung bei der Durchführung der Pflege und auch deren Evaluation. Im Vergleich hierzu ist die Pflegefachkraft für die Durchführung hochkomplexer Pflegemaßnahmen und behandlungspflegerischer Maßnahmen zuständig. Pflegehilfskräfte dagegen üben die grundpflegerischen Maßnahmen aus. Eine Pflegeorganisation mit Pflegeprozessmanager führt folglich zu einer grundlegenden Veränderung der Aufbauorganisation (Pews, 2016, S. 25).
Reflektierend aus der Fachliteratur lassen sich die Aufgaben eines Pflegeprozessmanagers wie folgt resümieren:
· Analyse und Zusammenfassung bestehender Prozessstrukturen und Analyse der Pflegedokumentation auf inhaltliche und formale Richtigkeit. Anwendung gesetzlicher Regularien und Bestimmungen sowie die Gewährleistung interner Qualitätsanforderungen. Fachgerechte und transparente Steuerung sowie sichere Umsetzung des Pflegeprozesses und dessen Fortführung
· Anwendung aktueller pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse und der Transfer pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse in die Arbeit.
· Überprüfung der Wirksamkeit der geplanten Pflege auf interne und externe Evidenzkriterien.
· Unterstützung der Pflegedienstleitung und der Qualitätsbeauftragten bei der Weiterentwicklung der Pflegedokumentation sowie Berichterstattung an diese mit Darstellung der Stärken und Schwächen des Pflegeprozesses.
· Beratung des Pflegebedürftigen und seiner Angehörigen sowie die Integration des Bewohners in die Konzeption einer individuell passenden pflegerischen Strategie (Aushandlungsprozess). Erhaltung einer möglichst selbstbestimmten und nach den Vorstellungen des Bewohners entsprechenden Lebensgestaltung in Bezug auf den dokumentierten Pflegeprozess. Dies geschieht unter Beachtung der Konzepte Selbstbestimmung und Teilhabe zur individuellen und aktivierenden Pflege und Betreuung.
· Mithilfe bei ärztlicher Therapie und Diagnose, im Rahmen der Sicherstellung von Schnittstellen zu extern an der Versorgung beteiligter Berufsgruppen, wie Ärzten, Therapeuten, Berufsbetreuern und anderen Versorgungsformen (z. B. Krankenhäuser, Rehakliniken etc.).
- Quote paper
- Anja Luther (Author), 2022, Die Integration von Pflegeprozessmanagern in die bisherige Organisation stationärer Pflegeeinrichtungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1256556
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