Diese Seminararbeit versucht, den (die) Schnittpunkt(e) zwischen Musik und Lernen und Lehren im Mittelalter in übersichtlicher, nichtsdestotrotz umfassender Form zu präsentieren. Im speziellen befasst sich dieser Text mit dem Stellenwert und der Vermittlung von Musik in der mittelalterlichen Schule beziehungsweise in schulähnlichen – im Sinne von Orten der musikalischen Überlieferung und Weiterabe musikspezifischen Könnens und Wissens – Institutionen. Um diesen Zweck möglichst umfassend gerecht werden zu können, ist diese Seminararbeit im Wesentlichen drei geteilt. Zuerst wird allgemein auf die Schule als Ort der Überlieferung von Musik – eingebunden in einen Abriss der mittelalterlichen Entwicklung der Institution Schule generell – eingegangen. Danach wendet sich dieser Text schwerpunktmäßig der Vokalmusik beziehungsweise der mittelalterlichen (und frühneuzeitlichen) Singschule zu. In einem dritten Teil wird abschließend über Instrumentalmusik im Mittelalter geschrieben, wobei neben der Frage nach der Weitergabe instrumentaler Fähigkeiten auch ein Querschnitt über die im Mittelalter gebräuchlichen Musikinstrumente gegeben werden soll. Im Anhang werden schließlich noch Möglichkeiten, wie das Seminararbeitsthema im heutigen Schulunterricht didaktisch und methodisch aufbereitet werden könnte, präsentiert. Räumlich ist diese Seminararbeit auf – grob gesprochen – Europa eingeschränkt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Schule als Ort musikalischer Überlieferung
2.1. Historische Entwicklung im Abendland
2.1.1. Klosterschulen
2.1.2. Dom- oder Kathedralschulen
2.1.3. Weitere Entwicklungen
2.2. Unterrichtsmethoden
3. Vokalmusik
3.1. Die Singschule
3.1.1. Entstehung und Charakteristik
3.1.2. Polyphonie
3.1.3. Lehr- und Lernmethoden
3.1.4. Minne- und Meistersang
4. Instrumentalmusik
4.1. Einleitung
4.2. Musikinstrumente des Mittelalters im europäischen Raum
4.2.1. Blasinstrumente
4.2.2. Schlaginstrumente
4.2.3. Saiteninstrumente
4.2.4. Tasteninstrumente
4.3. Unterrichtsmethoden
5. Resümee
6. Bibliographie
7. Anhang
7.1. (Mögliche) Didaktische Aufarbeitung des Seminararbeitsthemas im Geschichte Unterricht
1. Einleitung
Wird über Musik im Mittelalter gesprochen, ist es wohl zu Beginn notwendig sich ins Bewusstsein zu rufen, dass der Terminus der Musikästhetik aus heutiger Sicht im Mittelalter nicht beziehungsweise anders zu definieren ist. Das wird auch durch folgendes Zitat aus Die Musik des Mittelalters herausgegeben von Hartmut Möller und Rudolf Stephan verdeutlicht.
Wir heute können uns in die damaligen extremen Gegensätze zwischen Wärme und Kälte, zwischen Licht und Dunkel, zwischen Stille und Geräusch kaum mehr hineinversetzen, wir können kaum ermessen, wie Musik auf das menschliche Publikum gewirkt haben mag. Unsere heutigen Städte kennen kaum noch wahre Dunkelheit und wirkliche Stille. […] Und erst die Musik! Im Mittelalter gab es nur selten Gelegenheit Musik zu hören.
Diese Seminararbeit versucht nun, allgemein gesagt, den (die) Schnittpunkt(e) zwischen Musik und Lehren und Lehren im Mittelalter in übersichtlicher, nichtsdestotrotz umfassender Form zu präsentieren. Im speziellen befasst sich nun dieser Text mit dem Stellenwert und der Vermittlung von Musik in der mittelalterlichen Schule beziehungsweise in schulähnlichen – im Sinne von Orten der musikalischen Überlieferung und Weiterabe musikspezifischen Könnens und Wissens – Institutionen. Um diesen Zweck möglichst umfassend gerecht werden zu können, ist diese Seminararbeit im Wesentlichen drei geteilt. Zuerst wird allgemein auf die Schule als Ort der Überlieferung von Musik – eingebunden in einen Abriss der mittelalterlichen Entwicklung der Institution Schule generell – eingegangen. Danach wendet sich dieser Text schwerpunktmäßig der Vokalmusik beziehungsweise der mittelalterlichen (und frühneuzeitlichen) Singschule zu. In einem dritten Teil wird abschließend über Instrumentalmusik im Mittelalter geschrieben, wobei neben der Frage nach der Weitergabe instrumentaler Fähigkeiten auch ein Querschnitt über die im Mittelalter gebräuchlichen Musikinstrumente gegeben werden soll. Im Anhang werden schließlich noch Möglichkeiten, wie das Seminararbeitsthema im heutigen Schulunterricht didaktisch und methodisch aufbereitet werden könnte, präsentiert. Räumlich ist diese Seminararbeit auf – grob gesprochen – den europäischen Raum eingeschränkt, wobei auch „die Funktion des Religiösen als absoluter Bezugsrahmen in allen Lebensbereichen des mittelalterlichen Europas“ (Boehm, 295) nicht unerwähnt bleiben soll.
2. Die Schule als Ort musikalischer Überlieferung
2.1. Historische Entwicklung im Abendland
Kirchliche Schulen können ehest durch die Kanonen des Konzils von Toledo von 527 belegt werden. Dort wurden vor allem Grammatik, Komputistik[1] und liturgischer Gesang unterrichtet. Obwohl diese Schulen sowohl für Kleriker als auch für Laien zugänglich waren, wurden Zweitere – hier ist vor allem der Adel gemeint – hauptsächlich häuslich unterrichtet.[2] Nichtsdestotrotz wird „die Frage, ob es vor der Karolingerzeit Schulen gab“ (Boehm, 321) in der Forschung oft als nicht eindeutig beantwortbar kategorisiert.[3] Deshalb kann für die erstmalige Entstehung einer ‚institutionalisieren’ Schule die Zeit Karls des Großen als grundlegender Referenzpunkt angegeben werden. Unter dessen Herrschaft kam es zu einer Bildungsreform im Zuge derer die Schulen innerhalb des Frankenreichs einen wesentlichen Aufschwung erlebten.
In einer Reihe von Verfügungen Karls des Großen wird betont, dass der Klerus die römische Liturgie und deren gottesdienstliche Gesänge erlernen und ordnungsgemäß singen solle; mittels Umfragen sollten die Kenntnisse der Priester in Fragen der Liturgie und des Gesangs geprüft werden. Allerdings stehen in allen Verfügungen Fragen der liturgischen Ordnung im Vordergrund, von den Melodien selbst ist nicht die Rede. (Steiner, 40; zit. n.: Villani)
Im Jahre 789 hatte Karl in seiner programmatischen Admonitio generalis bestimmt, dass Schulen zu gründen seien, an denen das Lesen gelernt werden solle; in jedem Kloster und in jedem Bischofssitz sollten die Mönche und Kleriker die Psalmen (und die Psalmodie), den Kirchengesang sowie Kalender und Grammatiklehre beherrschen. (Möller, 139-140)
Der Inhalt dieses Erlasses bildete den Lehrstoff auch für später entstehende Bildungsstätten und war somit eine Vorstufe der Konzeptualisierung zur mittelalterlichen Universität. Zurückführend auf Alkuin, dem engsten wissenschaftlichen Berater Karl des Großen, wurden an den Schulen die sieben freien Künste, also das Trivium (Grammatik, Rhetorik und Dialektik) und das Quadrivium (Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie) gelehrt.[4] Diese auf sieben abgestuften Säulen ruhenden artes liberales galten als Inbegriff der Wissenschaft und erkannten auch der Musik einen hohen Stellenwert zu. Prinzipiell kann als geltend angesehen werden, dass
die Entstehung schulischen Lektürekanons nach Nikolaus Henkel abhängig von historischen Situationen in denen sie stattfand [war] und […] in ihren Wandlungen denjenigen des gesellschaftlich anerkannten Wertesystems [folgte]. (Kintzinger, 6-7; zit. n. Henkel, 1)
Des Weiteren führte
die musikgeschichtlichen Weichenstellungen und Entscheidungen in der Karolingerzeit […] auch zu einem intensiven Nachdenken über Musik, darüber, welche Rolle ihr im intellektuellen Selbstverständnis der Zeit zugedacht war, welche Aufgaben sie im sozialen Leben übernehmen konnte und sollte. (Möller 133)
Führ Jahrhunderte prägte der Gregorianische Choral die Vorstellung vom Kirchengesang und zugleich von der Musik hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und Wirkung; Hunderte von Melodien wurden im Gedächtnis bewahrt, waren Grundlage der musikalischen Ausbildung, aber auch Anstoß, Anknüpfungspunkt und Maßstab für das Neuschaffen und Ausgangspunkt für das Nachdenken über Musik. Und bei diesem Nachdenken wurden von Anfang an sehr unterschiedliche Erwartungen und Überzeugungen an die Musik herangetragen, die das Denken, Reden und Schreiben über Musik wie das Komponieren seitdem bestimmten. (Möller, 133-134)
Unter dem gregorianischen Choral – benannt nach dem heiligen Papst Gregor dem Großen wird der einstimmige, lateinische, unbegleitete, rhythmisch freie, liturgische Gesang in der Kirche, der im frühen Mittelalter entstand, verstanden. Hierzu muss allerdings auch angemerkt werden, dass der Namensbestandteil Gregorianisch irreführend auf die Entstehungszeit und den Entstehungsort sein kann. Wahrscheinlicher ist, dass die den Gregorianischen Choral formenden Kompositionen in ihrer Entstehung sowohl örtlich zerstreuter und großteils auch zeitlich erst nach 600 anzusiedeln sind.[5]
2.1.1. Klosterschulen
Seit der Schulreform Karls des Großen konnten neben angehenden Geistlichen in internen Klosterschulen (interiores) nun auch die Kinder der laikalen Bevölkerung in externen Klosterschulen (exteriores), bezogen auf deren Nichtleben im Kloster, Bildung erfahren.[6][7] Die ältesten Klosterschulen im deutschen Raum sind die Klosterschule Reichenau (724), St. Gallen (Mitte des 7. Jahrhunderts), Fulda (744), Kremsmünster (777) und St. Florian (1071).[8] Für die Existenz der Klosterschule Melk an der Donau gibt es gesicherte Belege ab dem ausgehenden 11. Jahrhundert.
2.1.2. Dom- oder Kathedralschulen
Seit dem 9. Jahrhundert waren viele Bischöfe dazu verpflichtet, in ihren Diozösen Schulen zu gründen. Diese Dom- oder Kathedralschulen sollten Klerikern und Laien offen stehen und entwickelten sich sowohl parallel zu Klosterschulen als auch als deren Nachfolger, waren allerdings tendenziell weniger stark verbreitet[9]. Auch an Domschulen wurden die sieben artes liberales gelehrt.[10]
2.1.3. Weitere Entwicklungen
In den Städten entstanden etwa gleichzeitig auch Stiftsschulen, als Sammelbegriff für alle städtischen Schulen etablierte sich Lateinschule, bezogen auf die Unterrichtssprache und die Vorbereitung auf die Universität.[11]
Im Spätmittelalter stellt ein weit verbreiteter Kritikpunkt seitens der laikalen Gesellschaft an kirchlichen Schulen dar, dass der Unterricht zunehmend zu Gunsten des Gesangs, mit dem Zweck der praktischen Aufführung bei Messfeiern, vernachlässigt wurde. Die Übung des Kirchengesangs im schulischen Kontext an sich war jedoch auch eine von der Weltlichkeit befürwortete Herangehensweise an ein Schulcurriculum.[12]
[...]
[1] Die Wissenschaft der Kalenderberechnung
[2] vgl. Browning, 1582
[3] vgl. Boehm 321
[4] vgl. Möller, 136
[5] vgl. Apel, 91
[6] vgl. u.a. Boehm, 326-329
[7] vgl. Browning, 1583
[8] vgl. u.a. Möller, 157
[9] vgl. Browning, 1583
[10] vgl. Walter, 113-114
[11] vgl. Kintzinger, 300
[12] vgl. Kintzinger, 302
- Quote paper
- Mag. Andreas Raab (Author), 2006, Lernen und Lehren im Mittelalter - Musik in der Schule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125590
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