Die Sexual Economics Theory (SET) möchte eine Perspektive auf die menschliche Sexualität eröffnen und betrachtet diese unter marktökonomischen Gesichtspunkten. Allerdings beschränkt diese Theorie sich auf heterosexuelle Männer und Frauen und bezog sich in ihren Ursprüngen auch hauptsächlich auf die Kennenlern- bzw. Anbahnungsphase entstehender Beziehungen. Dabei nimmt die SET als Prämisse an, dass Frauen Sex einsetzen können, um an für sie wertvolle Ressourcen wie emotionale Aufmerksamkeit, Commitment, Rechte, aber auch materielle Ressourcen zu gelangen.
Baumeister und Vohs (2004) ziehen Begriffe wie Angebot, Nachfrage, Wettbewerb oder lokaler Marktplatz heran, um zwischenmenschliche Phänomene wie das Umwerben, Treue und Fremdgehen, Scheidungen, Partnerschaftsgewalt, Unterdrückung weiblicher Sexualität, Prostitution etc. zu betrachten und zu erklären. Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine deskriptive, nicht um eine präskriptive Theorie handelt.
Um die dieser Theorie inhärenten Grundannahmen zu überprüfen, sind empirische Studien erforderlich. Die Autoren weisen selbst darauf hin, dass Studien sowie die systematische Prüfung ihrer Hypothesen notwendig sind. Allerdings ist bekannt, dass bei sensiblen Themen, wie z.B. Sexualität, Herausforderungen auftreten, wenn man die wahren Werte im Rahmen von Befragungen ermitteln möchte, da u.a. das Phänomen sozialer Erwünschtheit die Ergebnisse verfälschen kann.
Zur Erforschung sensibler Themen wurden verschiedene Methoden entwickelt, die ein ehrlicheres Antwortverhalten der Versuchspersonen fördern sollen. Darunter u.a. auch das Verfahren des stochastischen Lügendetektors. Dieses wurde auch im Rahmen der vorliegenden Studie eingesetzt, um die Grundannahmen der SET zu Geschlechtsunterschieden in der menschlichen Sexualität zu überprüfen.
Im Folgenden soll zunächst ein Einblick in den derzeitigen Stand der Forschung bzw. zu den vorherrschenden Theorien zum Thema menschliche Sexualität gegeben werden, bevor die Sexual Economics Theory erläutert wird. Im Anschluss wird auf den Aspekt sozialer Erwünschtheit in Befragungssituationen eingegangen sowie auf Methoden, um diesem Phänomen zu begegnen. Das Verfahren des stochastischen Lügendetektors soll im Zuge dessen ausführlicher erläutert werden. Im Anschluss werden die Hypothesen, Methoden und Ergebnisse der dieser Arbeit zugrunde liegenden Studie vorgestellt und abschließend kritisch diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Zusammenfassung
Abstract
1 Einleitung
2 Stand der Forschung
2.1 Theorien zur menschlichen Sexualität sowie Implikationen für Geschlechterunterschiede
2.1.1 Evolutionspsychologie.
2.1.2 Social Structural Theory.
2.1.3 Sozialkognitive Lerntheorie.
2.1.4 Geschlechter-Ähnlichkeitshypothese.
2.1.5 Sexual Economics Theory.
2.1.5.1 Social Exchange Theory.
2.1.5.2 Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens.
2.1.5.3 Sex als weibliche Ressource.
2.2 Soziale Erwünschtheit
2.2.1 Methoden zur Kontrolle sozial erwünschten Antwortverhaltens.
2.2.2 Der stochastische Lügendetektor.
2.3 Fragestellung/Hypothesen
3. Methode
3.1 Stichprobe
3.2 Vorgehen und Material
3.2.1 Prüfung der Hypothesen H1a, H1b, H2.
3.2.2 Prüfung der Hypothese H3.
3.2.3 Prüfung der Hypothese H4.
4 Ergebnisse
4.1 Deskriptive Ergebnisse
4.2 Inferenzstatistische Ergebnisse
4.2.1 Hypothesen 1a, 1b und 2.
4.2.2 Hypothese 3.
4.2.3 Hypothese 4.
4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
5. Diskussion
5.1 Kritik an der vorliegenden Studie
5.1.1 Diskussion der Merkmale der Stichprobe.
5.1.2 Diskussion der verwendeten Skalen und Items sowie der verwendeten Methoden.
5.2 Kritische Betrachtung des Verfahrens des stochastischen Lügendetektors
5.3 Allgemeine kritische Betrachtung der Sexual Economics Theory
5.4 Kritische Betrachtung der Sexual Economics Theory vor dem Hintergrund der vorliegenden Studienergebnisse
5.5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Online Fragebogen
Versicherung
DISCLAIMER
Die vorliegende Masterarbeit wurde von mir, Sarah Maschek, ohne Hilfe Dritter verfasst. Die Idee zu der durchgeführten Studie, auf welcher diese Arbeit aufbaut, sowie das Studiendesign wurden durch den Betreuer meiner Masterarbeit am Lehrgebiet Psychologische Methodenlehre und Evaluation der Fakultät Psychologie an der Fernuniversität in Hagen, Herrn Dr. David Tigges vorgegeben.
„The moral type on the other hand is not based on stated terms, but the gift or other service is given as to a friend, although the giver expects to receive an equivalent or greater return, as though it had not been a free gift but a loan; and as he ends the relationship in a different spirit from that in which he began it, he will complain. The reason of this is that all men, or most men, wish what is noble but choose what is profitable; and while it is noble to render service not with an eye to receiving one in return, it is profitable to receive one. One ought, therefore, if one can, to return the equivalent of services received, and to do so willingly; for one not to make one’s friend if one is unwilling to return his favours.”
(Aristoteles, 1911, S. 224)
„The majority of women (happily for society) were not very much troubled by sexual feelings of any kind.”
(William Acton, 1875)
„Die scheinbare weibliche Präferenz für potentiell wohlhabende Männer ist keine angeborene evolutionäre Programmierung, wie das Standardmodell behauptet, sondern einfach eine Verhaltensanpassung in einer Welt, in der Männer einen überproportional großen Anteil der Ressourcen kontrollieren. [...] Erst durch den Wechsel zur Sesshaftigkeit und zu der damit verbundenen, radikal veränderten Gesellschaftsordnung fanden sich Frauen plötzlich in einer Welt wieder, in der sie ihre Reproduktionskapazitäten gegen den Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen eintauschen mussten.“
(Ryan, Jethá, & Clement, 2016, S. 24)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Beobachtete Häufigkeiten von „Ja“- und „Nein“-Antworten für das Item „Ich wäre unter Umständen bereit, materielle Ressourcen (z.B. Geld) anzubieten, um guten Sex zu bekommen.“
Tabelle 2 Beobachtete Häufigkeiten von „Ja“- und „Nein“-Antworten für das Item „Ich wäre unter Umständen bereit, Sex anzubieten, um materielle Ressourcen (z.B. Geld) zu bekommen.“
Tabelle 3 Prävalenzschätzungen der Bereitschaft, Ressourcen gegen Sex zu tauschen
Tabelle 4 Prävalenzschätzungen der Bereitschaft, Sex gegen Ressourcen zu tauschen
Tabelle 5 Häufigkeit der Belegung der verschiedenen Kategorien für die Frage „Wie häufig empfinden Sie im Schnitt sexuelles Verlangen?“
Tabelle 6 Häufigkeit der Belegung der verschiedenen Kategorien für die Frage „Wie häufig denken Sie im Schnitt an Sex?“
Tabelle 7 Geschlechtsunterschiede hinsichtlich empfundenen sexuellen Verlangens, Häufigkeit und Intensität sexuellen Verlangens sowie Häufigkeit sexueller Gedanken
Tabelle 8 Geschlechtsunterschiede hinsichtlich empfundenen sexuellen Verlangens, Häufigkeit und Intensität sexuellen Verlangens sowie Häufigkeit sexueller Gedanken – Vergleich zur Stichprobe von Regan und Atkins (2006)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Multinomiales Prozess-Baum-Model des stochastischen Lügendetektors (Moshagen, Musch, & Erdfelder, 2012)
Abbildung 2. Multinomiales Prozess-Baum-Model des stochastischen Lügendetektors (Moshagen, Musch, & Erdfelder, 2012) samt Risk of Suspicion
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusammenfassung
Die Sexual Economics Theory (SET) betrachtet Sexualität unter Zuhilfenahme marktökonomischer Prinzipien. Sie postuliert, dass Sex eine weibliche Ressource sei, welche Frauen einsetzen können, um von Männern im Gegenzug andere Ressourcen zu erhalten. Da Frauen laut Theorie ein geringeres sexuelles Verlangen haben, spiele ihnen das Prinzip des geringsten Interesses in die Karten. Die SET nimmt an, dass Frauen mit prekärem sozioökonomischem Status darauf angewiesen sind, Sex gegen „was auch immer sie kriegen können“ zu tauschen, während Frauen im mittleren sozioökonomischen Spektrum Sex strategischer einsetzen können. U.a. mithilfe des stochastischen Lügendetektors wurden diese Grundannahmen überprüft. Es scheint angebracht, im Kontext der SET indirekte Befragungsmethoden einzusetzen. Männer scheinen eher als Frauen bereit zu sein, Sex einzusetzen, um an Ressourcen zu gelangen, und Ressourcen gegen Sex zu tauschen. Zudem wiesen sie theoriekonform höhere Werte hinsichtlich des selbstberichteten sexuellen Verlangens auf. Der sozioökonomische Status von Frauen hingegen scheint nicht mit ihrer sexuellen Permissivität zu korrelieren.
Stichworte: Sexual Economics, stochastischer Lügendetektor, Geschlechtsunterschiede, sexuelle Permissivität, sozioökonomischer Status
Abstract
The Sexual Economics Theory (SET) analyzes sexuality with the help of economic principles. It postulates that sex is a feminine resource that women can use to get other resources from men in return. According to theory, women have a lesser sexual desire and thus can make use of the principle of least interest. SET assumes women with precarious socioeconomic status have to trade sex for "whatever they can get" while women in the middle class can use sex more strategically. Among others the stochastic lie detector was used to verify these basic assumptions. It seems adequate to use indirect interviewing methods in the context of SET. Men were more willing than women to use sex to access resources and trade resources for sex. As assumed, they showed higher values of self-reported sexual desire. The socioeconomic status of women, however does not seem to correlate with their sexual permissiveness.
Keywords : sexual economics, stochastic lie detector, sex differences, sexual permissiveness, socioeconomic status
1 Einleitung
Die menschliche Sexualität sowie geschlechtsspezifische Unterschiede im Ausleben derselben bieten seit Jahrhunderten Stoff für Theorien, Studien und Diskussionen. Dabei haben sich im Laufe der Zeit zwei theoretische Hauptstränge herausgebildet: Während Forschungsrichtungen wie die evolutionäre Psychologie biologische Determinanten von Unterschieden im sexuellen Erleben und Verhalten zwischen Männern und Frauen betonen, legen Theorien aus dem Umfeld des Sozialkonstruktivismus ihren Schwerpunkt eher auf soziale Konstruktionen von Geschlechterrollen und auf die Frage, wie Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft zu bestimmten Männer- und Frauenrollen führen (Baumeister & Vohs, 2004; Petersen & Hyde, 2010).
Die Sexual Economics Theory (SET; Baumeister & Vohs, 2004) möchte eine weitere Perspektive auf die menschlichen Sexualität eröffnen und betrachtet diese unter marktökonomischen Gesichtspunkten. Allerdings beschränkt diese Theorie sich auf heterosexuelle Männer und Frauen und bezog sich in ihren Ursprüngen auch hauptsächlich auf die Kennenlern- bzw. Anbahnungsphase entstehender Beziehungen. Dabei nimmt die SET als Prämisse an, dass Frauen Sex einsetzen können, um an für sie wertvolle Ressourcen wie emotionale Aufmerksamkeit, Commitment, Rechte, aber auch materielle Ressourcen zu gelangen (Ashwani, 2013).
Baumeister und Vohs (2004) ziehen Begriffe wie Angebot, Nachfrage, Wettbewerb oder lokaler Marktplatz heran, um zwischenmenschliche Phänomene wie das Umwerben, Treue und Fremdgehen, Scheidungen, Partnerschaftsgewalt, Unterdrückung weiblicher Sexualität, Prostitution etc. zu betrachten und zu erklären. Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine deskriptive, nicht um eine präskriptive Theorie handelt.
Um die dieser Theorie inhärenten Grundannahmen zu überprüfen, sind empirische Studien erforderlich. Die Autoren weisen selbst daraufhin, dass Studien sowie die systematische Prüfung ihrer Hypothesen notwendig sind. Allerdings ist bekannt, dass bei sensiblen Themen, wie z.B. Sexualität, Herausforderungen auftreten, wenn man die wahren Werte im Rahmen von Befragungen ermitteln möchte, da u.a. das Phänomen sozialer Erwünschtheit die Ergebnisse verfälschen kann. Die Problematik besteht also darin, im Rahmen einer Untersuchung der SET möglichst ehrliche Antworten zu erhalten.
Zur Erforschung sensibler Themen wurden verschiedene Methoden entwickelt, die ein ehrlicheres Antwortverhalten der Versuchspersonen fördern sollen. Darunter u.a. auch das Verfahren des stochastischen Lügendetektors (Moshagen, Musch, & Erdfelder, 2012). Dieses wurde auch im Rahmen der vorliegenden Studie eingesetzt, um die Grundannahmen der SET zu Geschlechtsunterschieden in der menschlichen Sexualität zu überprüfen.
Im Folgenden soll zunächst ein Einblick in den derzeitigen Stand der Forschung bzw. zu den vorherrschenden Theorien zum Thema menschliche Sexualität gegeben werden, bevor die Sexual Economics Theory erläutert wird. Im Anschluss wird auf den Aspekt sozialer Erwünschtheit in Befragungssituationen eingegangen sowie auf Methoden, um diesem Phänomen zu begegnen. Das Verfahren des stochastischen Lügendetektors soll im Zuge dessen ausführlicher erläutert werden. Im Anschluss werden die Hypothesen, Methoden und Ergebnisse der dieser Arbeit zugrunde liegenden Studie vorgestellt und abschließend kritisch diskutiert.
2 Stand der Forschung
In diesem Kapitel werden zunächst einige Theorien zur menschlichen Sexualität vorgestellt und vor dem Hintergrund der jeweiligen Theorie auch auf die dort postulierten bzw. sich daraus ergebenden Annahmen zu Unterschieden zwischen männlicher und weiblicher Sexualität eingegangen.
Das große Feld der Theorie zur menschlichen Sexualität kann in zwei Hauptansätze unterteilt werden: Theorien, die biologische Determinanten, welche insbesondere durch Evolutionsdruck geformt wurden, betonen sowie Theorien, die soziale Konstruktion in den Fokus stellen (Baumeister & Vohs, 2004). Im Folgenden sollen daher die Evolutionspsychologie sowie die Social Structural Theory vorgestellt werden. Darüber hinaus werden die sozialkognitive Lerntheorie und die Geschlechterähnlichkeitshypothese in ihren Grundzügen kurz erläutert. Im Anschluss folgt eine Einführung in die Sexual Economics Theory samt ihrer Grundlagen.
Zusätzlich wird auf das Problem verfälschter Antworten in Studien zu sensiblen Themen wie Sexualität eingegangen und mit dem stochastischen Lügendetektor eine Methode vorgestellt, die genau diesem Problem entgegenwirken soll. Im Anschluss werden die in der der Arbeit zugrunde liegenden Studie untersuchten Hypothesen erläutert.
2.1 Theorien zur menschlichen Sexualität sowie Implikationen für Geschlechterunterschiede
Der Themenbereich menschlicher Sexualität bietet Raum für zahlreiche Stereotype in Bezug auf die Unterschiede zwischen Mann und Frau. Eine Vielzahl psychologischer Theorien und Studien beschäftigte sich daher bereits in diesem Kontext mit Geschlechtsunterschieden hinsichtlich Einstellungen und Verhaltensweisen (Crawford & Popp, 2003; Marks & Fraley, 2005; Petersen & Hyde, 2010).
Laut Baumeister und Vohs (2004) lassen sich die Theorien der letzten Dekaden in zwei Hauptrichtungen unterteilen: Ansätze, die die biologischen Determinanten menschlicher Sexualität betonen und dabei besonderen Fokus auf den Einfluss des Evolutionsdrucks legen, sowie sozial-konstruktivistische Ansätze, die besonders politische Kräfte betonen. Im Folgenden werden daher zunächst die Ansätze der Evolutionspsychologie sowie der Social Structural Theory vorgestellt.
Petersen und Hyde (2010) untersuchten 730 Studien aus dem Zeitraum 1993 bis 2007 sowie sieben große nationale Datensätze hinsichtlich Geschlechtsunterschieden in sexuellen Einstellungen und Verhaltensweisen. Dabei verwendeten sie als Erklärungsansätze dieser Unterschiede bzw. mancher Ähnlichkeiten zwischen den Geschlechtern neben der Evolutionspsychologie und der Social Structural Theory auch die sozialkognitive Lerntheorie sowie die Geschlechterähnlichkeits-Hypothese, welche im Folgenden ebenfalls vorgestellt werden sollen.
2.1.1 Evolutionspsychologie.
Die evolutionäre Psychologie erklärt Unterschiede im menschlichen Erleben und Verhalten auf Grundlage evolutionärer Mechanismen durch natürlich Selektion. Es wird angenommen, dass psychologische Mechanismen eine genetische Grundlage haben und „in der Vergangenheit die Überlebens- und Reproduktionschancen unserer Vorfahren erhöht haben“ (Smith, Nolen-Hoeksema, & Grabowski, 2007, S. 20). Geschlechterrollen werden im Rahmen der Evolutionspsychologie beispielsweise als Ergebnis der Evolution verstanden „und nicht als Produkt aktueller gesellschaftlicher Zwänge“ (Zimbardo, Gerrig, & Graf, 2007, S. 16).
Buss (1995, 1998) nimmt im Rahmen seiner Sexual Strategies Theory an, dass Männer und Frauen sich hinsichtlich ihrer Strategien für genetischen Erfolg unterscheiden: Da hinsichtlich des Mindestmaßes elterlicher Investition eine fundamentale Asymmetrie zwischen den Geschlechtern besteht, widmen Männer einen größeren Anteil ihres „Paarungsverhaltens“ kurzfristigen Beziehungen, während Frauen sich eher auf langfristige Beziehungen fokussieren sollen.
Buss und Schmitt (1993) argumentieren, dass Frauen nur eine begrenzte Zahl an Kindern gebären und betreuen können. Nach Partnern zu suchen, die Ressourcen für die Familie bereitstellen, sei für sie der effektivste Weg, das Überleben des Nachwuchses sicherzustellen. Männer hingegen sollen laut den Autoren, historisch gesehen, eher nach vielen kurzfristigen Partnerinnen gesucht haben, mit dem Ziel, dass aus diesen Begegnungen Kinder hervorgehen, welche ihre Gene weitergeben. Aus diesen Geschlechterunterschieden hinsichtlich sexueller Strategien resultieren unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen von Männern und Frauen: Männer gehen laut Theorie eher auf unverbindlichen Sex ein, haben viele Sexualpartnerinnen und praktizieren eher auch sexuelle Aktivitäten außerhalb einer Beziehung. Hinsichtlich sexueller Einstellungen befürworten Männer eher solche, die ein geringes Maß an Verpflichtung erfordern wie bspw. vorehelichen Geschlechtsverkehr, unverbindlichen Sex und sexuelle Permissivität im Allgemeinen.
Auch wenn Männer laut Theorie eher als Frauen kurzfristige Beziehungen suchen, gehen beide Geschlechter in der Regel sowohl kurzfristige als auch langfristige Beziehungen ein. Während Männer nicht sonderlich wählerisch sind, wenn es um kurzfristige Beziehungen geht, bevorzugen sie in langfristigen Beziehungen, die Sicherheit ihrer Vaterschaft sicherzustellen, indem sie sich Partnerinnen suchen, die sich sexuell exklusiv verhalten. Frauen hingegen achten in kurzfristigen Beziehungen eher darauf, einen Partner zu finden, der sofort verfügbare Ressourcen bereitstellt, während sie im Kontext langfristiger Beziehungen eher nach Partnern suchen, die das Potenzial für zukünftige Ressourcen aufweisen.
Da Männer mit zunehmendem Alter ein stärkeres Interesse an langfristigen Beziehungen entwickeln, nehmen Petersen und Hyde (2010) an, dass Geschlechtsunterschiede hinsichtlich sexueller Einstellungen und Verhaltensweisen mit dem Alter abnehmen.
2.1.2 Social Structural Theory.
Ansätze, die sich der Social Structural Theory zuordnen lassen, nehmen an, dass sich Geschlechterunterschiede aufgrund sozialer Rollen und wirtschaftlicher Zwänge ergeben (March & Grieve, 2016): Da Männer und Frauen in der Regel spezifische Rollen wahrnehmen, entwickeln sie sich, durch die Anpassung an diese Rollen, auch unterschiedlich. Besonders hervorgehoben werden geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sowie die Ungleichheit der Machtverhältnisse (Eagly & Wood, 1999; Petersen & Hyde, 2010). Während Männer in der Regel größer sind und über mehr Kraft im Oberkörper verfügen, sind es Frauen, die in der Lage sind, Kinder auszutragen und zu laktieren. Dies führte zu dem heute noch weitverbreiteten Modell der Arbeitsteilung, in dem die Frau sich typischerweise als Hausfrau und der Mann sich als Ernährer wiederfindet (Eagly & Wood, 1999). Da in vielen Gesellschaften die Rolle des Ernährers mit mehr Ressourcen und höherem Status einhergeht, verfügen Männer in der Konsequenz über mehr Macht als Frauen, was wiederum zu Geschlechtsunterschieden im sexuellen Erleben und Verhalten führt (Petersen & Hyde, 2010).
Das Machtungleichgewicht führt dazu, dass Frauen immer noch so wahrgenommen werden, als seien sie weniger wert und somit zugleich ein angemessenes Objekt männlicher sexueller Befriedigung (Hekma, 2008). Da Männer autarker und dominanter sind, könnten sie Frauen als sexuelle Objekte abwerten und für sexuelle Beziehungen mit geringen Verpflichtungen ausnutzen. Da Frauen im Durchschnitt immer noch über weniger Macht und Verdienstmöglichkeiten verfügen, sind sie teilweise immer noch auf Männer als (zusätzliche) Versorger angewiesen und somit laut Theorie eher an langfristigen Beziehungen mit statushöheren Partnern interessiert (Eagly & Wood, 1999; Eagly, Wood, & Johannesen-Schmidt, 2004; Petersen & Hyde, 2010). Tatsächlich scheinen sich in Ländern, in denen die Gleichstellung der Geschlechter stärker ausgeprägt ist, auch die Unterschiede bei den Präferenzen der Partnerwahl zu reduzieren (Eagly & Wood, 1999).
2.1.3 Sozialkognitive Lerntheorie.
Die sozialkognitive Lerntheorie geht davon aus, dass evolutionäre Mechanismen körperliche Strukturen und biologische Potenziale bereitstellen, die ein Spektrum an Möglichkeiten darstellen (anstelle eines ganz bestimmten Typs der geschlechtsspezifischen Differenzierung). Die Entwicklung der Geschlechterrollen basiert laut der sozialkognitiven Lerntheorie auf dem komplexen Zusammenspiel von Erfahrungen sowie motivationalen und selbstregulierenden Mechanismen. Dabei werden psychologische sowie soziostrukturelle Mechanismen berücksichtigt (Bussey & Bandura, 1999).
Besonders betont wird das Beobachtungslernen: Durch das Beobachten Anderer lernen Menschen, welches Verhalten belohnt, bestraft oder ignoriert wird, d.h. welche Konsequenzen auf welches Verhalten folgen, und können so Fertigkeiten, Einstellungen, Überzeugungen und Modelle entwickeln (Bandura, 1986; Bussey & Bandura, 1999; Petersen & Hyde, 2010; Zimbardo u. a., 2007).
Zwar beobachten Menschen andere Menschen in der Regel nicht direkt bei sexuellen Aktivitäten, aber sexuelle Einstellungen und Verhaltensweisen sind omnipräsenter Bestandteil von Berichterstattungen und Diskussionen in allen Medien (Petersen & Hyde, 2010). Die Darstellung von sexuellen Handlungen im Fernsehen hat sich im Zeitraum 1998 bis 2003 fast verdoppelt und ist auch im Internet ständig verfügbar, dabei überwiegen sexualisierte Darstellungen von Frauen (Kunkel u. a., 1999). Der sozialkognitiven Lerntheorie folgend, könnten ebendiese das in den Medien präsentierte Bild der sexuell permissiven Frau imitieren, sodass sich die Geschlechter hinsichtlich liberaler sexueller Einstellungen und ihrer vorhandenen sexuellen Erfahrungen über die Jahre annähern. Studien legen nahe, dass ein solcher Trend tatsächlich zu beobachten ist (Oliver & Hyde, 1993; Petersen & Hyde, 2010; Twenge, Sherman, & Wells, 2015).
2.1.4 Geschlechter-Ähnlichkeitshypothese.
Wie der Name bereits verrät, ist die Geschlechter-Ähnlichkeitshypothese keine Theorie, sondern vielmehr eine Hypothese, welche Hyde (2005) einer Untersuchung von 46 Meta-Analysen zu Geschlechtsunterschieden zugrunde legte. Die Hypothese besagt, dass Männer und Frauen sich auf den meisten psychologischen Variablen, aber eben nicht auf allen, eher ähneln, als dass sie sich unterscheiden, was im Zuge ihrer Untersuchung auch bestätigt wurde. Hinsichtlich der meisten Variablen – auch Variablen in Bezug auf Sexualität – wurden keine oder nur geringe Unterschiede gefunden (Hyde, 2005). Einige wenige Ausnahmen traten u.a. bei den Variablen Masturbation und Einstellungen gegenüber unverbindlichem Sex auf (Oliver & Hyde, 1993). Unterschiede hinsichtlich der Befragungsdaten zum Themenbereich Masturbation können allerdings auch aufgrund sozial erwünschten Antwortverhaltens resultieren bzw. durch dieses zumindest größer erscheinen, als sie möglicherweise tatsächlich sind (Alexander & Fisher, 2003; Petersen & Hyde, 2010).
Hyde (2005) betont zudem, dass die inflationäre Betonung der Unterschiede zwischen Mann und Frau mit tatsächlichen Kosten verbunden ist, beispielsweise in Bezug auf bestimmte Karriereoptionen für Frauen oder auf Konflikte und Kommunikation in Partnerschaften (Hyde, 2005).
Auch Petersen und Hyde (2010) weisen darauf hin, dass Übertreibungen hinsichtlich der Geschlechtsunterschiede im Bereich der Sexualität für beide Geschlechter problematisch sein und den sexuellen Doppelstandard weiter befeuern könnten. Die Betonung der Ähnlichkeiten hingegen könne zu einer Gleichstellung mit Blick auf die sexuelle Ausdrucksfähigkeit führen und den Druck auf Männer und Frauen reduzieren, sich entsprechend geschlechtsspezifischer Normen verhalten zu müssen.
2.1.5 Sexual Economics Theory.
Die Sexual Economics Theory (SET; Baumeister & Vohs, 2004) beschreibt Sexualität, im heterosexuellen Kontext, unter den Gesichtspunkten von Marktplatzdynamiken sowie Angebot und Nachfrage. Dabei greift sie, wie der Name bereits vermuten lässt, auf einen ökonomischen Ansatz zur Erläuterung menschlichen Verhaltens des (späteren) Nobelpreisträgers Gary Becker (Becker, 1982) zurück sowie auf die Social Exchange Theory. Beide Ansätze bzw. Theorien sollen in den nachfolgenden Kapiteln noch erläutert werden.
Die Autoren betrachten das Verhalten von Frauen und Männern in (Kennenlern)-Situationen mit sexueller Konnotation als gegenseitigen Austausch von Ressourcen bzw. als Aushandlungsprozess über ebendiesen. Frauen werden dabei als „Anbieter“ von Sex betrachtet, während Männer die „Käufer“ sind, welche mit nicht-sexuellen Ressourcen „bezahlen“ (Baumeister, Reynolds, Winegard, & Vohs, 2017; Baumeister & Vohs, 2004).
Die Aushandlungsprozesse orientieren sich an lokalen Normen, die das Verhalten der Akteure am Marktplatz steuern. Sexuelle Normen erzeugen in diesem Fall also so etwas wie den lokal gängigen Preis für Sex.
Unter dem Begriff „Sex“ werden im Rahmen der Sexual Economics Theory allerdings nicht nur der sexuelle Akt an sich, sondern verschiedene Handlungen subsumiert, u.a. Gespräche über Sex, Handlungen mit sexuellem Unterton wie Dating, Flirten, Berührungen und Liebkosungen (Ashwani, 2013).
Der Begriff „Ressourcen“ meint im Rahmen der SET nicht nur materielle Ressourcen, sondern auch Aufmerksamkeit, Schutz, Respekt, den Zugang zu Rechten, Beförderungen, guten Noten und anderen Möglichkeiten, emotionalen Ressourcen, wie beispielsweise fürsorglich und nett sein, und beziehungsorientierten Ressourcen, wie langfristige Bindung, Heirat oder die Vereinbarung, dass aus der Beziehung Kinder hervorgehen können (Ashwani, 2013; Baumeister, Reynolds, Winegard, & Vohs, 2017).
Baumeister und Vohs (2017) fassen wie folgt zusammen:
The onset of a sexual relationship thus involves the man and woman choosing each other. In perhaps overly simple terms, he chooses her presumably on the basis of her sex appeal, that is, how much he expects to enjoy having sex with her. Meanwhile, she chooses him on the basis of the resources he can provide, that is, on the basis of nonsexual benefits he can furnish to her. (S. 231)
Dass es bei Begegnungen von Männern und Frauen mit sexuellem Unterton um den Austausch von Ressourcen geht, unterstreichen die Autoren, indem sie u.a. auf eine Studie von Buss (1989) verweisen, in welcher untersucht wurde, welche Verhaltensweisen Männer und Frauen am jeweils anderen Geschlecht als am störendsten empfanden. Die meisten Frauen gaben an, dass es sie am meisten störte, wenn Männer vorgaben, eine Beziehung in Erwägung zu ziehen, aber dann verschwanden, nachdem es zum gemeinsamen Sex gekommen war. Männer hingegen beschwerten sich am meisten über Situationen, in denen sich die Beziehung auch nach langem Umwerben (mit Geschenken, Abendessen, emotionalen Investments) sich nicht in eine sexuelle Richtung entwickelte. Im Rahmen der SET können diese Situationen so interpretiert werden, dass Ressourcen aufgewendet wurden, in der Hoffnung, dass es zu einem entsprechenden Tausch kommen würde, diese Hoffnungen wurden in den jeweiligen Situationen allerdings nicht erfüllt (Ashwani, 2013; Buss, 1989).
Baumeister und Vohs kritisieren im Rahmen der SET, dass bisherige Versuche, die Social Exchange Theory auf den Themenkomplex der menschlichen Sexualität anzuwenden (u.a. Blau, 1964; Sprecher, 1998), nicht berücksichtigt hätten, dass weiblicher Sex mehr wert sei als männlicher Sex und somit als weibliche Ressource zu betrachten sei. Dieser Punkt ist zugleich eine der Kernaussagen der SET, welche im Kapitel 2.1.5.3 noch weiter ausgeführt werden soll.
2.1.5.1 Social Exchange Theory.
Die Social Exchange Theory basiert, ganz einfach formuliert, auf der Annahme, dass jede Partei in einer Interaktion etwas gibt und im Gegenzug auch etwas erhält; soziale Interaktionen werden also unter dem Blickwinkel von Kosten- und Nutzenanalysen betrachtet (Baumeister & Vohs, 2004). Auch das Partnerwahlverhalten wird dabei aus zweckrationaler Perspektive betrachtet (Klein, 2015).
Im Rahmen des theoretischen Umfelds der Social-Exchange- bzw. A ustauschtheorie wurden viele verschiedene Modelle entwickelt. Fast alle greifen dabei auf die Konzepte von Belohnungen und Kosten zurück (Sprecher, 1998), wobei Belohnungen als (ausgetauschte) Ressourcen verstanden werden, die erfreulich und befriedigend sind, während Kosten (ausgetauschte) Ressourcen bezeichnen, die zu einem Verlust oder einer Bestrafung führen:
The greater the deterrence to performing a given act – the greater the inhibition the individual has to overcome – the greater the cost of act. Thus cost is high when great physical or mental effort is required, when embarrassment or anxiety accompany the action, or when there are conflicting forces or competing response tendencies of any sort.“ (Thibaut & Kelley, 1959, S. 12)
In intimen Beziehungen werden laut Sprecher (1998) sexuelle Belohnungen und sexuelle Kosten oft auch für andere Ressourcen wie Intimität, Liebe, Gefallen oder auch Geld getauscht.
Ein drittes zentrales Konzept der Austauschtheorien ist das der Reziprozität bzw. Wechselseitigkeit: Wer einem Menschen etwas gibt, erhält in der Regel auch etwas zurück (Gouldner, 1960).
Blau formulierte in seinem Buch „Exchange and Power in Social Life“ (1964) einen Unterschied zwischen sozialem und ökonomischem Austausch, da sozialer Austausch mit unspezifischen Verpflichtungen verbunden sei. Während bei einem wirtschaftlichen Austausch in der Regel genau festgelegt sei, was ausgetauscht wird, basiere sozialer Austausch auf der Annahme, dass ein Gefallen in der Zukunft in irgendeiner Art und Weise zu einer Art Erwiderung führt, aber die genauen Konditionen seien nicht im Voraus festgelegt (Blau, 1964). Da es keine Möglichkeit gibt, sicherzustellen, dass die Leistung oder der geleistete Gefallen angemessen erwidert wird, basiert dieser Austausch auf dem Vertrauen, dass die Gegenseite ihren (diffusen) Verpflichtungen nachkommen wird. Allerdings führe sozialer Austausch laut Blau (1964) auch eher zu einem Gefühl persönlicher Verpflichtung als rein ökonomischer Austausch.
Der Wert dessen, was gegeben und was empfangen wird, bemisst sich in Teilen nach den persönlichen Präferenzen der Interaktionspartner und in Teilen nach dem Wert, den der Markt dem Tauschobjekt zuschreibt.
Baumeister und Vohs (2004) nehmen an, dass es für die Prognose zukünftiger sozialer Verhaltensweisen nützlich ist, ökonomische Prinzipien auch bei der Betrachtung sozialer Belohnungen zugrunde zu legen. Wie viel jemand bereit ist, für ein bestimmtes Gut oder eine bestimmte Dienstleistung zu geben, hängt nicht nur von der individuellen Vorliebe für dieses Gut oder diese Leistung und dem aktuellen Bedürfnis ab, sondern teilweise auch von dem sich verändernden Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach genau diesem Gut oder dieser Dienstleistung (Baumeister & Vohs, 2004).
2.1.5.2 Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens.
Der spätere Nobelpreisträger Becker (Becker, 1982) hob als charakteristisches Merkmal der Ökonomie hervor, dass diese in besonderem Ausmaß nutzenmaximierendes Verhalten unterstellt. Die Marktteilnehmer müssen sich allerdings nicht notwendigerweise ihrer Maximierungsbemühungen bewusst sein. Wie aus dem vorangegangenen Satz bereits erkenntlich, wird zudem die Existenz von Märkten angenommen, die die Handlungen der verschiedenen Beteiligten miteinander (mit wechselnder Effizienz) in Einklang bringen. Die Allokation der knappen Ressourcen erfolgt dabei u.a. über den Preis, wobei die Anbieter von Gütern und Dienstleistungen miteinander in Konkurrenz stehen; in seltenen Fällen konkurrieren auch die Nachfragenden untereinander. Kosten können dabei sowohl in monetärer Form als auch als psychische Kosten auftreten. Eine weitere Kernannahme des ökomischen Ansatzes ist laut Becker die Unterstellung stabiler Präferenzen hinsichtlich „grundlegender Aspekte des Lebens wie Gesundheit, Prestige, Sinnenfreude (...)“ (Becker, 1982, S. 4).
Der ökonomische Ansatz unterscheidet nicht grundsätzlich zwischen stark gefühlsbeladenen Entscheidungen und solchen, die nur in geringem Maße emotional bedeutsam sind, genauso wenig zwischen Entscheidungen von Personen mit unterschiedlichem Einkommen, unterschiedlicher Herkunft oder Erziehung. Becker zieht das Fazit, dass der ökonomische Ansatz auf alles menschliche Verhalten angewendet werden kann:
Alles menschliche Verhalten kann vielmehr so betrachtet werden, als habe man es mit Akteuren zu tun, die ihren Nutzen, bezogen auf ein stabiles Präferenzsystem, maximieren und sich in verschiedenen Märkten eine optimale Ausstattung an Information und anderen Faktoren schaffen. (Becker, 1982, S. 15)
Somit verwischt in Beckers Theorie die zuvor von Blau noch so deutlich formulierte Abgrenzung zwischen sozialem und ökonomischem Austausch.
Becker (1982) schließt, dass der ökonomische Ansatz auf dem Weg zu sein scheint, „sich zu einem einheitlichen Bezugsrahmen für jegliches Verhalten zu entwickeln, das mit knappen Ressourcen zu tun hat“ (S. 226). Dabei berücksichtigt er allerdings, dass auch viele nicht-ökonomische Variablen das menschliche Verhalten beeinflussen, u.a. nennt er hier den Einfluss von mathematischen, chemischen, physikalischen und biologischen Gesetzmäßigkeiten und ihre Auswirkungen auf Präferenzen und Produktionsmöglichkeiten.
Die auf Becker zurückgehende Familienökonomie betont – stärker als die Austauschtheorie – die materiellen Aspekte der Bedürfnisbefriedigung. Die Ehe wird begrifflich als „Produktionseinheit“ betrachtet, ihre Produktionsgüter sind sogenannte „commodities“. Darunter fallen neben materiellen Gütern auch Kinder, Liebe und Zuneigung.
Wie bei der Austauschtheorie wird als Heiratsmotiv eine Verbesserung der Bedürfnisbefriedigung unterstellt, weil in der Ehe mehr commodities produziert werden können. Die Partnerwahl wird wie in der Austauschtheorie von den Eigenschaften bzw. den Eigenschaftskombinationen dominiert, die die größte Bedürfnisbefriedigung versprechen. Im Vordergrund stehen jedoch in der Familienökonomie die materiellen Aspekte der Bedürfnisbefriedigung.“ (Klein, 2015, S. 328)
2.1.5.3 Sex als weibliche Ressource.
Die Autoren der Sexual Economics Theory gehen davon aus, dass kulturelle Systeme dazu tendieren, weibliche Sexualität mit Wert auszustatten, männlicher Sex wird zugleich als relativ wertlos betrachtet. Als Beispiele führen sie u.a. an, dass in vielen Kulturen Jungfräulichkeit, Keuschheit, Treue und tugendhaftes Verhalten für Frauen mit positivem Wert besetzt sind, während diese Attribute von Männern eher nicht erwartet werden (Baumeister & Vohs, 2004).
Baumeister und Vohs (ebenda) verweisen zur Begründung auf Symons (1979) bzw. auf die von ihm hervorgehobenen unterschiedlichen Strategien, die Männer und Frauen verfolgen, um sich zu reproduzieren. Da für Frauen, wie in Kapitel 2.1.1 bereits erläutert, die mit einer Schwangerschaft bzw. Elternschaft verbundenen Kosten deutlich höher sind als für Männer, haben sie einen besonderen Anreiz, sich zurückzuhalten. Der Mann muss folglich Vorteile anbieten, um dies auszugleichen.
Baumeister und Vohs (2004) führen als weitere Begründung an, dass der weibliche Sexualtrieb geringer ausgeprägt sei als der männliche, somit spiele Frauen das sogenannte principle of least interest (Waller & Hill, 1951), also das Prinzip des geringsten Interesses, am (imaginären) Verhandlungstisch in die Karten. Zum anderen nehmen sie an, dass der (je nach Epoche und Kultur) erschwerte Zugang von Frauen zu wichtigen Ressourcen dazu geführt habe, dass diese Sex als Mittel einsetzen, um sich diesen Zugang zu verschaffen. Aus diesem Grund sollen Frauen dazu geneigt sein, Sex möglichst teuer anzubieten, während Männer zugleich Ressourcen anbieten, um an ebendiesen zu gelangen – wobei ihr Ziel wiederum sein sollte, den Preis für Sex möglichst gering zu halten. Frauen können, der SET folgend, als „Anbieter“ von Sex angesehen werden, welcher wiederum von Männern nachgefragt wird. Zugleich ist es gemäß Baumeister und Vohs höchst unwahrscheinlich, dass Frauen Männern Ressourcen im Tausch gegen Sex anbieten:
The first prediction based on the social exchange theory of sex is that interpersonal processes associated with sexual behavior will reveal a fundamental difference in gender roles. Men will offer women other resources in exchange for sex, but women will not give men resources for sex (except perhaps in highly unusual circumstances). (S. 341)
Baumeister und Vohs (2004) bezeichnen Frauen als „Gatekeeper“ für Sex und führen u.a. eine Studie von Cohen und Shotland (1996) an, in welcher untersucht wurde, nach wie vielen Dates Männer und Frauen nach eigener Einschätzung das erste Mal Sex haben sollten. Männer gaben im Durchschnitt halb so viele Dates an wie Frauen. Des Weiteren wurde erfragt, zu welchem Zeitpunkt in der Beziehung es zum ersten Mal zu Sex kam. Die Angaben der Männer standen dabei in keinem Zusammenhang zu dem tatsächlichen Zeitpunkt, aber die Vorstellungen und Präferenzen der Frauen waren fast perfekt korreliert mit dem Zeitpunkt der ersten sexuellen Begegnung. Frauen scheinen demnach die Entscheidungsgewalt darüber zu haben, wann es zu Geschlechtsverkehr kommt (Ashwani, 2013; Cohen & Shotland, 1996).
Baumeister und Vohs (2004) weisen im Rahmen ihrer Theorie auch darauf hin, dass der soziale Austausch im Zusammenhang mit Sex aus Kulturen und Epochen stammt, in welchen Frauen, abgesehen davon, Sex anbieten zu können, Möglichkeiten fehlen bzw. fehlten, Zugang zu materiellen und sozialen Ressourcen zu bekommen. Sie berücksichtigen in der SET also sowohl biologische bzw. evolutionäre als auch soziostrukturelle Einflüsse auf die menschliche Sexualität bzw. schlussfolgern selbst, dass die Betrachtung sexueller Interaktionen als sozialer Austausch das Potential hat, eine nützliche Verbindung zwischen ebendiesen Einflüssen herzustellen (S. 359) .
2.2 Soziale Erwünschtheit
Gerade bei Studien zu sensiblen Themen kann die Datenerhebung durch Befragungen bzw. Selbstberichtsverfahren zu Verzerrungen durch die Tendenz zur sozialen Erwünschtheit führen (Zimbardo u. a., 2007). Probanden neigen dazu, sozial unerwünschte Einstellungen und Verhaltensweisen eher herabzuspielen und zugleich die Einstellungen und Verhaltensweisen, die aus ihrer Sicht sozial erwünscht sind, eher zu betonen bzw. häufiger zu berichten. Motive dafür sind Impression Management, also der Wunsch, soziale Anerkennung zu maximieren und negative Reaktionen auf die eigene Persönlichkeit zu minimieren (Fremdtäuschung), oder Selbsttäuschung, also die Absicht, ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten, den Selbstwert zu maximieren und kognitive Dissonanz – erzeugt durch Abweichungen zwischen sozialen Normen, Selbstwahrnehmung und Anforderungen an sich selbst einerseits und der Realität andererseits – zu reduzieren (Krumpal, 2013).
2.2.1 Methoden zur Kontrolle sozial erwünschten Antwortverhaltens.
Die Tendenz zu sozial erwünschtem Antwortverhalten gefährdet die Validität der Prävalenzschätzungen und hat in der Folge zur Entwicklung verschiedener Methoden geführt, die dieser Gefahr entgegenwirken sollen (Hoffmann, 2014). Ein relativ unaufwendiges und kostengünstiges Verfahren stellt dabei die Verwendung sogenannter SD-Skalen (wobei SD für „Social Desirability “ steht) oder ähnlicher Kontrollinstrumente dar, welche das individuelle Ausmaß der Tendenz, sozial erwünscht zu antworten, erfassen sollen (Hartmann, 1991). Durch den Einsatz dieser Skalen wird eine Möglichkeit geschaffen, Hinweise auf eine Gefährdung der Validität zu erhalten, ein ehrlicheres Antwortverhalten lässt sich dadurch allerdings nicht provozieren (Hoffmann, 2014).
Im Gegensatz dazu werden beim Bogus-Pipeline-Verfahren (Jones & Sigall, 1971) die Studienteilnehmenden an einen vermeintlichen Lügendetektor angeschlossen. Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass diese Methodik ein ehrlicheres Antwortverhalten erzeugt (u.a. Roese & Jamieson, 1993; Tourangeau, Smith, & Rasinski, 1997).
Alexander und Fisher (2003) verglichen das Antwortverhalten ihrer Probanden in einer Studie zu sexuellen Einstellungen und Verhaltensweisen unter verschiedenen experimentellen Bedingungen. Dabei ergab sich, dass unter Einsatz des vermeintlichen Lügendetektors kaum noch Unterschiede im Antwortverhalten von Männern und Frauen auftraten, während diese im Rahmen einer einfachen anonymen Befragung noch moderat waren und unter Bedingungen, in der die Versuchsleiter den Anschein machen, jederzeit die Antworten der Studienteilnehmenden einsehen zu können, am stärksten waren.
[...]
- Citar trabajo
- Sarah Maschek (Autor), 2019, Sexual Economics and the Stochastic Lie Detector, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1255823
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