Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei Ziele:
1) auf Basis der Kopenhagener Kriterien die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Situation in der Ukraine zu bewerten und daraus die gegenwärtige Beitrittsfähigkeit abzuleiten;
2) die Auswirkungen eines potenziellen EU-Beitritts der Ukraine auf die Strukturpolitik sowie die Agrarpolitik zu untersuchen und im Folgenden aufzuzeigen, wie sich eine zukünftige Ausgestaltung der Politikbereiche in einer erweiterten Union darstellen könnte.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen der EU
2.1 Historische Entwicklung
2.2.Der EU-Haushalt
2.3 Die Erweiterungspolitik
2.3.1 Die Beitrittsvoraussetzungen
2.3.2 Das Beitrittsverfahren
2.3.3 Offizielle und potenzielle Beitrittskandidaten
3 Die Ukraine - damals und heute
3.1 Die Ukraine als Teil europäischer Geschichte
3.2 Allgemeine Landesinformationen
4 Die EU-Integration der Ukraine
4.1 Bestandsaufnahme des Annäherungsprozesses
4.2 Positionen zu einem EU-Beitritt in der Ukraine
4.3 Positionen zu einem EU-Beitritt in der Europäischen Union
4.4 Das BeziehungsdreieckEU-Ukraine-Russland
5 Die Bewertung der aktuellen Beitrittsfähigkeit auf Basis der Kopenhagener Kriterien
5.1 Das politische Kriterium
5.1.1 Demokratie und Rechtsstaat
5.1.2 Wahrung der Menschenrechte und Schutz von Minderheiten
5.1.3 Politische Indizes im Vergleich mit ehemaligen EU-Beitrittsstaaten
5.1.3.1 Der Freiheitsindex von Freedom House
5.1.3.2 Der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International
5.1.3.3 Der Governance Indikator der Weltbank
5.1.4 Abschließende Betrachtung
5.2 Das wirtschaftliche Kriterium
5.2.1 Wirtschaftliche Entwicklung und makroökonomische Stabilität
5.2.2 Privatisierung und Finanzsektor
5.2.3 Handelsintegration mit der EU
5.2.4 Humankapital und Infrastruktur
5.2.5 Wettbewerbspolitik
5.2.6 Markteintritt und Marktaustritt
5.2.7 Wirtschaftliche Indizes im Vergleich mit ehemaligen EU- Beitrittsstaaten
5.2.7.1 Der Elendsindex nach Okun
5.2.7.2 Der Index der menschlichen Entwicklung
5.2.7.3 Der EBRD Transition Indikator
5.2.8 Abschließende Betrachtung
6 EU-Politikbereiche vor dem Hintergrund eines EU-Beitritts der Ukraine
6.1 Die Regional-und Strukturpolitik
6.1.1 Grundlagen
6.1.2 Praktische Ausgestaltung
6.1.3 Die Einteilung der Ukraine in NUTS-Regionen
6.1.4 Berechnung der Gesamtzahlungfür die Ukraine
6.1.5 Auswirkungen auf heutige Konvergenzregionen
6.1.6 Ansätze für eine veränderte Strukturpolitik in einer erweiterten Union
6.2 Die Gemeinsame Agrarpolitik
6.2.1 Grundlagen
6.2.2 Der finanzielle Rahmen
6.2.3 Der Agrarsektor in der EU
6.2.4 Der Agrarsektor in der Ukraine
6.2.5 Berechnung der Gesamtzahlung für die Ukraine
6.2.6 Ansätze für eine veränderte Agrarpolitik in einer erweiterten Union
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb.1: Der mehrjährige Finanzrahmen 2014-2020
Abb.2: Nettobilanzsalden der EU-Mitgliedsstaaten 2016
Abb.3: Umfrage zum Eintritt der Ukraine in eine internationale Wirtschaftsunion
Abb.4: Umfrage zum Eintritt der Ukraine in eine internationale Wirtschaftsunion - Aufteilung nach ukrainischen Regionen
Abb.5: Bruttowertschöpfung und Erwerbstätige nach Sektoren
Abb.6: Entwicklung des prozentualen Anteils der EU-Strukturpolitik am EU-Haushalt
Abb.7: NUTS-2-Regionen nach Förderfähigkeit 2014 bis 2020
Abb.8: Die Ukraine - Einteilung in NUTS-1 und NUTS-2-Ebenen
Abb.9: Einteilung der Ukraine in NUTS-Ebenen
Abb.10: Modifizierte Berlin-Formel zur Berechnung der Mittelallokation
Abb.11: Transferobergrenze der Gesamtzahlungen aus den Strukturfonds
Abb.12: Entwicklung des prozentualen Anteils der GAP am EU-Haushalt
Tab.1: Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
Tab.2: Die EU im internationalen Vergleich
Tab.3: Positionender EU-Staaten zu einem EU-Beitritt der Ukraine
Tab.4: Der Freiheitsindex -Die Ukraine im Vergleich mit ehemaligen EU-Beitrittsstaaten
Tab.5: Der Korruptionswahrnehmungsindex -Die Ukraine im Vergleich mitehemaligen EU-Beitrittsstaaten
Tab.6: Der Weltbank Governance Indikator -Die Ukraine im Vergleich mitehemaligen EU-Beitrittsstaaten
Tab. 7: Der Elendsindex nach Okun -Die Ukraine im Vergleich mit ehemaligen EU-Beitrittsstaaten
Tab. 8: Der Index der menschlichen Entwicklung -Die Ukraine im Vergleich mit ehemaligen EU-Beitrittsstaaten
Tab.9: Der EBRD Transformationsindikator -Die Ukraine im Vergleich mit ehemaligen EU-Beitrittsstaaten
Tab.10: Höhe der Zahlungen aus den Strukturfonds nach Staaten 2014 bis 2020
Tab.11: D i e ukrainischen NUTS-2 Regionen
Tab.12: Konvergenzregionen mit einem Pro-Kopf-BIP zwischen 71,78% und 75% des EU-Durchschnitts
Tab.13: Zahlungen der GAP nach Mitgliedsstaaten 2017
1 Einleitung
„Der Maidan brennt. Dichter schwarzer Rauch über dem Maidan, Schusswechsel, verletzte und tote Demonstranten und Polizisten: Die Situation in Kiew ist dramatisch. “
Mit dieser Überschrift beschrieb die Zeit am 20. Februar 2014, die in der Ukraine stattfindenden Ereignisse (ebd.). Durch die Demonstrationen auf dem ukrainischen Unabhängigkeitsplatz Maidan Nezalezhnosti, rückte die Ukraine in das Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit. Die folgende Abspaltung der Krim und der OstUkraine sowie der daraus resultierende Donbass-Krieg, hielten die Ukraine für lange Zeit in den Schlagzeilen der Medien. Seitdem sind jedoch mehr als vier Jahre vergangen und die seither zurückgegangene Berichterstattung über die Ukraine wirft die Frage auf, wo sich die Ukraine gegenwärtig befindet. Diese Frage könnte sich problemlos mit der Übersetzung des Wortes „Ukraine“ beantworten lassen. Dieses bedeutet im Deutschen in etwa „Grenzland“ oder „am Rande“ und beschreibt treffend, wo sich die Ukraine sowohl historisch als auch gegenwärtig in Europa befindet (BpB 2015, S.2). Die Ukraine ist geografisch, kulturell und politisch ein Staat zwischen Russland und der EU, zwischen Ost und West, und vielleicht auch zwischen Vergangenheit und Zukunft. Ihren endgültigen Platz in Europa scheint die Ukraine bis dato noch nicht gefunden zu haben. Andere Staaten des ehemaligen Ostblocks haben hingegen ihren Platz innerhalb der Europäischen Union gefunden. Seit 2004 wurden elf Staaten aus Mittel- und Osteuropa EU- Mitglieder. Weitere stehen bereits in der Warteschlange. Der Großteil dieser Staaten weist jedoch lediglich eine geringe Fläche und Bevölkerungszahl auf und hat geopolitisch kaum Relevanz. Die zwei Ausnahmen stellen dabei die Türkei und die Ukraine dar. Doch während sich die Türkei immer weiter von der EU entfernt, schreitet die EU-Integration der Ukraine seit den Ereignissen 2014 wesentliche voran. Die Zukunft bleibt dabei zwar noch offen, sollte die Parole des 1948 stattfindenden Haager Kongresses : „Wir fangen im Westen an und hören im Osten auf“ jedoch nach wie vor Bestand haben, ist die zukünftige Entwicklung bereits determiniert (Juncker, 2002).
Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei Ziele:
1) auf Basis der Kopenhagener Kriterien die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Situation in der Ukraine zu bewerten und daraus die gegenwärtige Beitrittsfähigkeit abzuleiten;
2) die Auswirkungen eines potenziellen EU-Beitritts der Ukraine auf die Strukturpolitik sowie die Agrarpolitik zu untersuchen und im Folgenden aufzuzeigen, wie sich eine zukünftige Ausgestaltung der Politikbereiche in einer erweiterten Union darstellen könnte.
Die Arbeit ist in sechs Hauptkapitel untergliedert. Das erste Kapitel der Arbeit ist der Europäischen Union gewidmet. Dieses soll zuallererst die Entwicklung der EU im Hinblick auf vergangene Erweiterungen und essenzielle Vertragswerke nachzeichnen. Im Folgenden werden der EU-Haushalt sowie der mehrjährige Finanzrahmen dargestellt, um ein besseres Verständnis für das sechste Kapitel zu gewährleisten. Das Kapitel wird dabei durch die Erweiterungspolitik der EU abgeschlossen. Innerhalb dessen werden die Beitrittsvoraussetzungen aufgeführt, die ebenfalls für das sechste Kapitel relevant sind. Zudem wird beschrieben, wie ein EU-Beitritt in der Praxis verläuft und welche offiziellen und potenziellen Beitrittskandidaten neben der Ukraine existieren.
Das zweite Kapitel soll zu einem tieferen Verständnis der Ukraine beitragen. Dabei wird zuallererst die Entwicklung des ukrainischen Staates von den Anfängen zur heutigen unabhängigen Ukraine nachgezeichnet. Der historische Überblick soll darlegen, warum ein Beitritt aus historischer Sicht überhaupt Sinn ergibt. Zudem sollen die allgemeinen Landesinformationen einen Überblick über die gegenwärtigen Gegebenheiten in der Ukraine verschaffen.
Die wirtschaftliche und politische Situation wird dabei erst im fünften Kapitel, im Kontext der Beitrittsfähigkeit, beschrieben werden.
Die Entwicklung und der Status-quo der ukrainischen EU-Integration werden im vierten Kapitel dargestellt. Dabei wird aufgezeigt, wie sich das Verhältnis seit der ukrainischen Unabhängigkeit entwickelt hat und auf welchem Stand sich die Beziehungen gegenwärtig befinden. Das Kapitel wird zudem die Positionen in der EU und in der Ukraine zu einem ukrainischen EU-Beitritt untersuchen. Das Kapitel wird abgeschlossen durch eine Betrachtung des Beziehungsdreiecks EU-UkraineRussland. Aufgrund der ukrainischen Historie und ihrer geografischen Lage, kann eine Arbeit, die sich mit der EU-Integration der Ukraine beschäftigt, Russland nicht unberücksichtigt lassen.
Das folgende fünfte Kapitel wird, auf Basis der Kopenhagener Kriterien die Beitrittsfähigkeit der Ukraine zum gegenwärtigen Zeitpunkt bewertet. Trotz starker Interdependenzen wird die wirtschaftliche und politische Situation dabei unabhängig voneinander bewertet. Zur besseren Einordung werden einzelne politische und wirtschaftliche Indizes in ein Verhältnis mit den drei zuletzt beigetretenden EU-Staaten gesetzt.
Das sechste Kapitel wird die Auswirkungen eines EU-Beitritts der Ukraine auf die Regional- und Strukturpolitik sowie die Agrarpolitik aufzeigen. Dabei erfolgt zuerst eine kurze Einführung in die beiden Politikbereiche der EU. Daraufhin wird ein EU- Beitritt der Ukraine hypothetisch in Betracht gezogen, bevor die praktischen Implikationen dargestellt werden. Abschließend gibt das Kapitel Handlungsempfehlungen, wie eine Ausgestaltung der Politikbereiche in einer erweiterten Union funktionieren könnte. Da es in der EU bereits offizielle Beitrittskandidaten gibt, wäre es evident anzunehmen, dass diese bei einem EU- Beitritt der Ukraine bereits EU-Mitgliedsstaaten sind. Selbiges bezieht sich auf einen Austritt des Vereinigten Königreichs. Da sich die Arbeit allerdings auf das Jahr 2018 bezieht, berücksichtigt die Arbeit die Status-quo Bedingungen in diesem Jahr, sodass die Ukraine als 29. Mitgliedsstaat der EU behandelt wird.
Am Ende steht ein Fazit, das die Ergebnisse abschließend zusammenfasst und einen Ausblick für die nahe Zukunft gibt.
Unbestritten ist, dass durch die Aufnahme eines bevölkerungsreichen Staates wie der Ukraine, institutionelle Reformen in der EU erfolgen müssen. Dies bleibt allerdings aufgrund der Themenkomplexität in dieser Arbeit unberücksichtigt. Ebenfalls keine Berücksichtigung findet die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Zwar würde ein Beitritt der Ukraine ceteris paribus eine geopolitische Herausforderung darstellen, nichtsdestotrotz hat dieser Politikbereich sowie andere Politikbereiche der EU, nicht dieselbe Relevanz wie die Struktur- und Agrarpolitik.
Aufgrund des Konflikts in der Ost-Ukraine sowie der russischen Annexion der Krim, werden Daten zur Ukraine seit 2014 vom ukrainischen Statistikamt, ohne die Halbinsel Krim und die Regionen Donezk und Lugansk aufgeführt. Dies wird innerhalb dieser Arbeit ebenso gehandhabt.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Bezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.
2 Grundlagen der Europäischen Union
2.1 Historische Entwicklung
Die Europäische Union geht auf den ehemaligen französischen Außenminister Robert Schuman und dessen Schuman-Plan 1950 zurück. Dieser sah vor die Kohle- und Stahlproduktion Frankreichs und Deutschlands einer supranationalen Behörde zu unterstellen. Dadurch solle nach den zwei Weltkriegen auf dem europäischen Kontinent, langfristig der Frieden gesichert werden . Auf Basis des Schuman-Plans erfolgte im Jahr 1951 die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Gründungsmitglieder waren neben Deutschland und Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande sowie Italien (Schmidt & Schünemann 2009, S.326ff.).
Als erster Meilenstein kann die Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahr 1957 betrachtet werden. Diese führten zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). Während die EWG durch Gründung einer Zollunion, die bis 1968 verwirklicht wurde, den Abbau von Zoll- und Handelsschranken zum Ziel hatte, sollte im Rahmen von Euratom die gemeinsame Forschung in der friedlichen Nutzung von Kernenergie vorangetrieben werden. Das Hauptmotiv der EU- Integration verschob sich nun von der Sicherung des Friedens zur Schaffung ökonomischer Prosperität (Hobe 2012, S.6).
Im Jahr 1962 erfuhr die EU zum ersten Mal, durch die Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich (Knauß, 2017), eine Verkleinerung ihrer Fläche und Bevölkerungsanzahl, bevor 1967 mit dem EG-Fusionsvertag die Zusammenlegung der EWG mit der EGKS und der Atomgemeinschaft zu den Europäischen Gemeinschaften (EG), erfolgte (Schmid & Schünemann 2009, S.340f.).
Die erste Erweiterung der EU erfolgte im Jahr 1973 nachdem Dänemark, Irland, Norwegen und das Vereinigte Königreich einen Aufnahmeantrag gestellt hatten.
Aufgrund eines negativen Referendums der norwegischen Bevölkerung, kam der Beitritt Norwegens allerdings nicht zustande, weshalb eine Erweiterung um lediglich drei Staaten erfolgte (Bergmann 2012, S.128f.).
1981 trat Griechenland der EU bei, bevor im Jahr 1986 Spanien und Portugal folgten. Damit verdoppelte sich die ursprüngliche Mitgliederzahl auf zwölf Staaten. Aufgrund der starken Agrarprägung der drei ehemaligen Diktaturen, führten die Beitritte zum ersten Mal zu einer ökonomischen Heterogenität innerhalb der EU (Brasche 2013, S.8). Zwischen diesen beiden Süderweiterungen, erfolgte 1985 aufgrund eines negativen Referendums der Austritt Grönlands aus der EG (Knauß, 2017).
1986 wurde als erster großer Reformvertrag, die Einheitliche Europäische Akte (EEA) unterzeichnet. Neben institutionellen Anpassungen, sollte bis 1992 der europäische Binnenmarkt mit den vier Grundfreiheiten: freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Kapitalverkehr und freier Personenverkehr vollendet werden (Zandonella 2006, S.19f.).
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden die neuen Bundesländer automatisch Mitglied der EU, bevor sich, mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991, neue Beitrittsperspektiven jenseits des Eisernen Vorhangs eröffneten (Hobe 2012, S.7).
Der 1992 verabschiedete Vertrag von Maastricht begründete die Wirtschafts- und Währungsunion. Gleichzeitig erfolgt die Umbenennung der EG in Europäische Union. Dabei wurde die EG nicht ersetzt, sondern neben der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in das neu geschaffene 3-Säulen-System der EU integriert (Schmuck 2015, S.16).
Die letzte Erweiterung mit Staaten, die ökonomisch dem EU-Durchschnitt entsprachen fand im Jahr 1995 mit den Beitritten Finnlands, Österreichs und Schwedens statt (Beichelt 2004, S.20).
Verbunden mit dem Ziel des freien Personenverkehrs, wurde im selbigen Jahr das Schengener Abkommen verabschiedet, das die Abschaffung von Grenzkontrollen innerhalb bestimmter EU-Binnengrenzen ab 1995 zur Folge hatte. In den Folgejahren schlossen sich alle Mitgliedsstaaten, bis auf Irland und dem Vereinigten Königreich, dem Abkommen an (Rudloff & Volker 2016, S.568).
Im Jahr 2001 wurden durch den Vertrag von Nizza diverse Änderungen beschlossen, um die Handlungsfähigkeit der EU-Institutionen in einer erweiterten Union zu erhalten. Der Vertrag trat 2003, einem Jahr vor der bis dato größten Erweiterung, in Kraft (Hobe 2012, S.10). Die sogenannte Osterweiterung beinhaltete, neben den mittel- und osteuropäischen (MOE-) Staaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, die Inselstaaten Malta und Zypern. Aus der EU-15 wurde eine EU-25. Mit dieser Erweiterung erfuhr die EU einen Flächenzuwachs um 34% sowie einen Bevölkerungszuwachs um 20% (Brasche 2013, S.410). Aufgrund der vergleichsweise schwachen Wirtschaftskraft der Beitrittsstaaten , stieg das BIP der EU hingegen um lediglich 4,8% (Grimm & Merkel 2006, S.184). Bulgarien und Rumänien waren aufgrund erheblicher Mängel in der Korruptionsbekämpfung und im Justizsystem zum diesem Termin noch nicht beitrittsreif, sodass der zweite Teil der Osterweiterung im Jahr 2007 erfolgte (Brasche, 2017).
Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages wurde 2007 der Vertrag von Lissabon verabschiedet, der im Jahr 2009 in Kraft trat. Als bisher letztes Vertragswerk mit signifikanten Änderungen, sollte eine effizientere und demokratischere Entscheidungsfindung innerhalb der EU-Institutionen geschaffen werden (BpB 2015, S.81).
Die bisher letzte Erweiterung erfuhr die EU mit dem Beitritt Kroatiens 2013, nachdem 67% des kroatischen Volkes für einen Beitritt ihres Landes gestimmt hatten (Roser, 2013).
Drei Jahre später erfolgte, bereits zum zweiten Mal nach 1975, im Vereinigten Königreich eine Abstimmung über den Verbleib in der EU. Das britische Volk stimmte dabei mit 51,9 % für einen EU-Austritt (Seiwert-Fauti 2017, S.45). Nach Jahrzehnten der Erweiterung, würde dies damit den ersten EU-Austritt eines souveränen Staates bedeuten.
Die Europäische Union ist heute, nicht nur wie von Herman von Rompuy einst bezeichnet, „ die größte friedensstiftende Institution, die je in der Weltgeschichte geschaffen wurde“, sondern überdies eine bedeutende Wirtschaftsmacht (Die Welt, 2012).
Im Jahr 2017 besteht die EU aus 28 Mitgliedsstaaten und ist mit einer Fläche von 4.381.324 km[2] und einer Einwohnerzahl von 511,5 Millionen der größte Staatenbund der Welt. Das BIP der Europäischen Union beträgt dabei 15,3 Billionen Euro, was einem Pro-Kopf-BIP von 29,833 Euro entspricht. Damit stellt die EU den weltweit größten einheitlichen Wirtschaftsraum dar (European Commission 2018, S.2). Wie sich die Kennzahlen auf die einzelnen Mitgliedsstaaten aufteilen, wird in der folgenden Tabelle dargelegt. Im Anschluss setzt die Tabelle 2 die EU in Verhältnis mit anderen geopolitisch und wirtschaftlich bedeutenden Staaten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab.1: Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
Quelle: eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt (2017).
Die Tabelle 1 legt dar wie sehr sich die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Bevölkerungszahl, Größe und Wirtschaftskraft unterscheiden. Die Bundesrepublik Deutschland, als bevölkerungsreichster Staat weist dabei mehr Einwohner als die sechzehnten kleinsten Mitgliedsstaaten, mit zusammen 79 Millionen, auf. Ähnliche Größenunterschiede existieren bei dem Flächenanteil, innerhalb welchem Frankreich und Spanien die größten Mitgliedsstaaten darstellen. Das mit Abstand höchste Pro-Kopf-BIP weist mit 75100 Euro Luxemburg auf. Damit ist es mehr als sechsmal so hoch, als das Pro-Kopf-BIP des wirtschaftsschwächsten Mitgliedsstaates Bulgarien.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Die EU im internationalen Vergleich
Quelle: Weltalmanach (2017), S.72ff.
Die Tabelle macht die starke Position der Europäischen Union in der Welt deutlich. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass der globale Anteil der EU zukünftig abnehmen wird. Dies bezieht sich sowohl auf die Bevölkerung als auch auf die Wirtschaftskraft (Weidenfeld 2017, S.19).
2.2 Der EU-Haushalt
Die EU finanziert sich lediglich aus Eigenmitteln, was im Wesentlichen eine Finanzierung durch die Beiträge der Mitgliedsstaaten bedeutet. Diese Beiträge setzen sich hauptsächlich aus ca. 70% BNE-Zahlungen und 12% Mehrwertsteuerabgaben zusammen (Bundesministerium für Finanzen 2017, S.9). Die weiteren EU-Einnahmen umfassen als traditionelle Eigenmittel, Agrarabgaben, Zuckerabgaben sowie Zolleinnahmen. Unter sonstigen Einnahmen werden dazu Steuern auf Gehälter, Strafzahlungen und Verkaufserlöse aufgeführt (Bieber et al. 2005, S.172).
Der EU-Haushalt muss stets ausgeglichen sein und schließt somit eine Verschuldung aus. Zudem weist der Haushalt, verglichen mit den öffentlichen Haushalten der EU-Staaten, ein geringes Volumen von 1% des gesamteuropäischen BIP auf (Wagener & Eger 2014, S.293ff.).
Der EU-Haushalt legt die Höhe und Zusammensetzung der Einnahmen und Ausgaben fest und ist in einen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) eingebettet. Innerhalb des MFR sind die Ausgabenobergrenzen in den einzelnen Bereichen für eine Periode von sieben Jahren festgelegt. Der MFR wird von der EU-Kommission vorgeschlagen und benötigt zur Verabschiedung die Zustimmung des EU- Parlaments. Zudem bedarf er der Zustimmung aller Mitgliedsstaaten, da im Ministerrat bei dieser Entscheidung das Einstimmigkeitsprinzip zur Anwendung kommt (Europäische Kommission, 2014a). Der MFR für die aktuelle Periode 20142020 ist auf der nachfolgenden Seite dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Der mehrjährige Finanzrahmen 2014-2020
Quelle: eigene Darstellung nach Europäische Kommission (2018), S.1.
Der EU-Haushalt hat im Laufe der Jahrzehnte, inflationsbedingt und im Zuge der vergrößerten Union, an Volumen zugenommen. In der aktuellen Periode beträgt die Ausgabenobergrenze dabei 1,08 Milliarden Euro (BMEL, 2014). Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, weist die Strukturpolitik, als Ausgabeposten Intelligentes und Integratives Wachstum, mit 47% den größten Anteil auf. Mit 39% folgt die Agrarpolitik, die unter dem Bereich Natürliches Wachstum: Natürliche Ressourcen zusammengefasst ist. Die anderen Bereiche haben hingegen einen vergleichsweise niedrigen Anteil. Während jeweils 6% des Gesamtbudgets für Verwaltungsausgaben und den Bereich Europa in der Welt aufgewendet werden, hat der Bereich Sicherheit und Unionsbürgerschaft mit 2% nur einen sehr geringen Anteil. Selbiges gilt für den Anteil der Ausgleichszahlungen am Gesamtvolumen.
Da die Beitragszahlungen der Mitgliedsstaaten von ihrer Wirtschaftskraft abhängen, divergieren diese genauso wie die finanziellen Rückflüsse. Der dadurch errechnete Saldo wird dabei auf der folgenden Seite dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Nettobilanzsalden der EU-Mitgliedsstaaten 2016
Quelle: Statista (2018b).
Die Abbildung stellt auf der linken Seite die Staaten dar, deren finanzielle Rückflüsse von der EU höher sind als ihre Beitragszahlungen. Gegenteilig stellt sich dies für die auf der rechten Seite aufgeführten Staaten dar. Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass alle MOE-Staaten Nettoempfänger sind, wobei sich vier dabei unter den Top Fünf befinden. Die negativsten Salden weisen die vier bevölkerungsreichsten EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und trotz des Britenrabatts, das Vereinigte Königreich auf.
2.3 Die EU-Erweiterungspolitik
2.3.1 Die Beitrittsvoraussetzungen
Im Zuge vergangener Erweiterungen hat die EU Voraussetzungen für potenzielle Beitrittsstaaten formuliert. Der Artikel 49 des EU-Vertrages formuliert dabei die Grundvoraussetzung:
„Jeder europäische Staat, der die in Artikel 2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, kann beantragen, Mitglied der Union zu werden. “
(Wagener & Eger 2014, S.54)
Unter „Werten“ versteht der Artikel 2 dabei folgendes:
„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
(Wagener & Eger 2014, S.7)
Zur Vorbereitung auf einen zukünftigen Beitritt der MOE-Staaten, formulierte der Europäische Rat im Jahr 1993 die Kopenhagener Kriterien.
Diese werden in drei Kategorien eingeteilt:
- Politisches Kriterium: beinhaltet eine institutionelle Stabilität zur Gewährleistung einer Demokratie, der Existenz eines Rechtsstaates sowie der Wahrung der Menschenrechte und einen Schutz von Minderheiten.
- Wirtschaftliches Kriterium: beinhaltet die Existenz einer funktionsfähigen Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit dem Wettbewerbsdruck innerhalb der EU standhalten zu können.
- Integrationskriterium: beinhaltet die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes (acquis communitaire). Dabei müssen EU-Verordnungen übernommen werden sowie Richtlinien in nationales Recht umgewandelt werden. (Oppermann et al. 2011, S.682f.)
Die Erfüllung der Kriterien in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Justiz stellt seitdem eine Voraussetzung für einen Beitritt dar, gewährt jedoch noch keinen Anspruch darauf. Eine Erfüllung des politischen Kriteriums muss dabei bereits bei der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gewährleistet sein. Im Gegensatz dazu besteht bei der Erfüllung des wirtschaftlichen Kriteriums noch Zeit bis zum Abschluss der Beitrittsverhandlungen. Bei der Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes können Abweichungen in Form von Übergangsfristen und Sicherheitsklauseln vereinbart werden. Innerhalb ersterer werden einzelne Rechtsakte erst nach dem Beitritt umgesetzt. Sicherheitsklauseln gewähren die Aussetzung einzelner Änderungen nach dem EU-Beitritt (Brasche 2013, S.411ff.).
Neben den Kopenhagener Kriterien hat die EU im Zuge der Osterweiterung im „Rahmen des erneuerten Konsens zur Erweiterung“ vier Erweiterungsprinzipien geschaffen, die sowohl für die Beitrittskandidaten als auch für die EU selbst Gültigkeit haben. Diese Prinzipien stellen sich dabei wie folgt dar:
1) Konsolidierung: Die EU steht zu ihren Verpflichtungen und bleibt bei ihren Zusagen gegenüber den Beitrittskandidaten.
(2) Konditionalität: Die fairen aber strikten Kriterien und Bedingungen für einen Beitritt zur EU müssen von den Kandidatenländern eingehalten werden.
(3) Kommunikation: Größere Transparenz und verbesserte Kommunikation sollen die Zustimmung der Gesellschaften zum Erweiterungsprozess sicherstellen.
(4) Gewährleistung der Aufnahmefähigkeit der EU: Die Fähigkeit der EU, weitere Mitgliedstaaten aufzunehmen und erfolgreich integrieren zu können, ohne die eigene Handlungsfähigkeit und Weiterentwicklung zu gefährden.
(Dirmoser 2013, S.26)
2.3.2 Das Beitrittsverfahren
Das Beitrittsverfahren wird ebenfalls in Artikel 49 des EU-Vertrages geregelt. Die Staaten, welche die Grundvoraussetzungen erfüllen, können beim Europäischen Rat einen Aufnahmeantrag stellen. Dieser wird von der Europäischen Kommission geprüft und darauf basierend eine Empfehlung ausgesprochen. Im Falle einer positiven Empfehlung folgt eine Abstimmung im EU-Parlament, das mit absoluter Mehrheit zustimmen muss. Kommt diese zustande, erfolgt im EU-Ministerrat eine Abstimmung über den Antrag. Die Abstimmung zur Neuaufnahme von Mitgliedern unterliegt dabei dem Einstimmigkeitsprinzip. Stimmen alle Mitgliedsstaaten dem Antrag zu, erhält der potenzielle Beitrittskandidat den Status eines offiziellen Beitrittskandidaten, was die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zur Folge hat. In der anschließenden Verhandlungsphase erfolgt im Rahmen des Screening eine tiefer gehende Untersuchung der Beitrittsreife des Staates vonseiten der Europäischen Kommission. Der folgende Prozess des Monitoring untersucht dabei den Stand und Fortschritt in der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien. Zur Begleitung dieses Prozesses erhält das Beitrittsland dabei finanzielle Hilfe im Rahmen der Heranführungshilfe. Die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes der EU wird dabei Kapitel für Kapitel mit dem jeweiligen Beitrittskandidaten verhandelt. Nach erfolgreichem Abschluss aller 35 Kapitel wird der Beitrittsvertrag entworfen. Dieser erfordert die Zustimmung der Kommission, des Parlaments und des Ministerrats. Zudem müssen alle EU-Mitgliedsstaaten sowie der Beitrittskandidat den Vertrag unterzeichnen. Nach der erfolgreicher Ratifizierung des Vertrages durch den Aufnahmekandidaten und allen EU- Mitgliedsstaaten, gemäß ihrer verfassungsrechtlichen Bestimmungen, kann ein Beitritt des Bewerberlandes zur EU erfolgen (Bergmoser & Höller 2013, S.1).
2.3.3 Offizielle und potenzielle Beitrittskandidaten
Gegenwärtig werden fünf Staaten als offizielle Beitrittskandidaten aufgeführt. Die Türkei besitzt diesen Status bereits seit dem Jahr 1999. Die Beitrittsverhandlungen wurden 2005 begonnen sind jedoch, aufgrund politischer Entwicklungen in den letzten Jahren, nahezu zum Stillstand gekommen. Aufgrund dessen wird ein Beitritt der Türkei in naher Zukunft als unwahrscheinlich betrachtet (Weidenfeld & Wessels 2016, S.164).
Die beiden Nachfolgestaaten der Republik Serbien-Montenegro sind gegenwärtig die einzigen Staaten des ehemaligen Jugoslawien mit laufenden Beitrittsverhandlungen. Die offiziellen Verhandlungen begannen mit Montenegro im Jahr 2010 und mit Serbien 2014 (Weidenfeld & Wessels 2016, S.163). Ein Beitritt wird für beide Staaten, bei Erfüllung aller Kriterien, zum Jahr 2025 erwartet (Die Zeit, 2018b). Das Feld der offiziellen Beitrittskandidaten komplettieren Albanien und Mazedonien. Albanien erlangte diesen Status im Jahr 2014, wobei seitdem die Beitrittsverhandlungen noch nicht eröffnet worden sind. Selbiges gilt für Mazedonien, das diesen Status bereits seit 2005 besitzt (Weidenfeld & Wessels 2016, S.163). Zwei weitere Balkanstaaten besitzen dabei den Status eines potenziellen Beitrittskandidaten. Bosnien-Herzegowina reichte seinen Antrag auf Mitgliedschaft im Jahr 2016 ein. Der Kosovo hat zwar noch keinen Beitrittsantrag eingereicht, wird von der EU jedoch als potenzieller Beitrittskandidat bezeichnet (Europäische Kommission 2017b, S.20). Auf dem europäischen Kontinent liegen gegenwärtig noch weitere Staaten, die gegenwärtig keine EU-Beitrittskandidaten sind. Im westlichen Teil Europas sind dies Island, Norwegen und die Schweiz. Allerdings gibt es von keinem dieser Staaten gegenwärtig Bestrebungen in Zukunft der EU beizutreten. Island stellte 2009 einen Beitrittsantrag, der allerdings 2015 wieder zurückgezogen wurde (Europäische Kommission 2017b, S.20). Das Beitrittsgesuch der Schweiz im Jahr 1992 wurde bereits im selben Jahr aufgrund eines negativen Referendums zurückgezogen (Weidenfeld & Wessels 2016, S.157ff.). In Norwegen wurden bereits zwei Referenden abgehalten, die sowohl 1972 als auch 1994 negativ ausfielen (Beichelt 2014, S.21ff.). Mit Blick nach Osteuropa, könnte die Republik Moldau in Zukunft ein potenzieller Kandidat werden. Das Land ist bereits im Rahmen der östlichen Partnerschaft an die EU gebunden und Mitglied der umfassenden und vertieften Freihandelszone (DCFTA) der EU (Nodia et al. 2017, S.1f.).
3 Die Ukraine - damals und heute
3.1 Die Ukraine als Teil europäischer Geschichte
Die ukrainische Geschichte, als essenzieller Teil europäischer Geschichte, muss im Gesamtzusammenhang mit wechselnden Zugehörigkeiten zu mindestens 14 verschiedenen Nationen, Fürstentümern und Königreichen, betrachtet werden.
Im Jahr 882 wurde von normannischen Kriegern und Kaufleuten die Kiewer Rus errichtet, welche heute nicht nur von der Ukraine, sondern ebenso von Russland und Belarus als Geburtsstunde ihrer Nation betrachtet wird. Die Rus war ein Verband verschiedener Dynastien und Fürstentümer, der sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem Handelszentrum zwischen Europa und Asien entwickelte. 1237 bis 1240 wurde die Rus von Mongolen erobert, was eine Zersplitterung des Verbundes in die ethnischen Volksgruppen der Russen, Ukrainer und Weißrussen zur Folge hatte (Kappeler 2015, S.2f.).
Im 14. Jahrhundert fiel der Großteil der ukrainischen Gebiete an das Großfürstentum Litauen. In Folge des Unabhängigkeitskrieges gegen Polen wurde die Ukraine 1667 schlussendlich zwischen Polen-Litauen und Moskau entlang des Flusses Dnjepr aufgeteilt. Als 1772 die erste Teilung Polens erfolgte, fiel die Region Galizien mit der Hauptstadt Lemberg (heute: Lviv) an das Habsburgerreich, bevor drei Jahre später die Region Bukowina mit der Hauptstadt Tschernowitz (heute: Chernivtsi) folgte. Beide Regionen blieben bis 1918 Teil der Donaumonarchie, was zur Folge hatte, dass im Ersten Weltkrieg Ukrainer gegen Ukrainer kämpften (Kappeler 2015, S.4ff.). Mit dem Zerfall Österreich-Ungarns wurde Galizien polnisch, während die Bukowina nach dem Einmarsch rumänischer Truppen in das Königreich Rumänien eingegliedert wurde. Im Jahr 1918 erklärte sich die Ukraine unabhängig, was von der Sowjetunion im Rahmen des Friedens von Brest-Litowsk anerkannt wurde. In den Folgejahren wurden jedoch mehrere Teile der Ukraine von umliegenden Staaten besetzt, sodass eine unabhängige Ukraine nur in der Theorie bestand (Pemwieser 2011, S.3).
Die souveräne Ukraine verlor ihren Status mit der Gründung der UdSSR im Jahr 1922. In den Jahren 1932/33 ereignete sich die größte Hungersnot in der ukrainischen Geschichte. Die aus einer Zwangskollektivierung der Ernte resultierende Hungerkatastrophe soll dabei von Stalin absichtlich herbeigeführt worden sein, um einen aufstrebenden Freiheitswillen innerhalb des ukrainischen Volkes zu unterdrücken. Dem sogenannten Holodomor fielen schätzungsweise bis zu sechs Millionen Ukrainer zum Opfer, weswegen heute in der Ukraine von einem Genozid gesprochen wird (Stetsevych, 2018). Die nächste Katastrophe stellte, wie für nahezu alle europäischen Staaten, der Zweite Weltkrieg dar. Schätzungen gehen von bis zu zehn Millionen ukrainischen Opfern aus. Dabei kämpften nicht alle Ukrainer aufseiten der Roten Armee. Die ethnische Gruppe der Krim-Tataren kollabierte mit Nazi-Deutschland, was eine Massendeportation, der auf der Halbinsel Krim ansässigen Volksgruppe, nach Sibirien zur Folge hatte. Zudem kollabierten ukrainische Nationalisten in der Westukraine mit Deutschland, da sie sich dadurch eine unabhängige Ukraine erhofften (Kappeler 2015, S.13).
Als mit der Konferenz von Jalta die Grenzen in Europa neu gezogen wurden, wurden Galizien und die Bukowina wieder in die Ukraine eingegliedert (Krone- Schmalz 2015, S.118). Der notwendige Wiederaufbau des ukrainischen Staates wurde durch die Ansiedlung russischer Arbeiter im ostukrainischen Bergbaugebiet des Donbass unterstützt (Schaeffer 2015, S.30). Im Jahr 1954 wurde die Halbinsel Krim, als Geschenk des russischen Präsidenten Nikita Chruschtschow an das ukrainische Volk, in die Ukraine eingegliedert (Schmidt o.J., S.10).
Am 24.08.1991 erklärte sich die Ukraine von der UdSSR unabhängig. Nach der offiziellen Auflösung der Sowjetunion, kam bei der Abstimmung über eine unabhängige Ukraine im Dezember 1991, eine Zustimmung von 92,3% zustande (Schaeffer 2015, S.25).
Nach der Abspaltung war die Ukraine als souveräner Staat nicht handlungsfähig, da es keine territoriale oder politische Einheit gab, wie es in anderen Nachfolgestaaten der UdSSR der Fall gewesen war. Schaeffer (2015) spricht dabei „vom Fehlen eines gemeinsamen historischen Erbe als Nation, an das der neu gegründete Staat hätte anknüpfen können“ (ebd., S.23f.).
Zum ersten Präsident wurde der ehemalige Parlamentspräsident Leonid Krawtschuk gewählt. Während seiner Präsidentschaft, betrieb er eine Politik der „ maximalen außenpolitischen und ökonomischen Distanzierung“ von Russland (Bos 2013, S.573). Weder in der Privatisierung noch in der Korruptionsbekämpfung konnten während seiner Regierungszeit Fortschritte erzielt werden. Da zudem die Inflationsraten teilweise über tausend Prozent lagen, verlor Krawtschuk die nächste Präsidentschaftswahl 1994. Sein Nachfolger wurde der ehemalige Regierungschef Leonid Kutschma, der den Kurs der Westorientierung fortsetzte, allerdings unter einer Wiederannäherung an Russland. Unter Kutschma wurde 1996, als letzter Nachfolgestaat der UdSSR, die sowjetische Verfassung durch eine neue demokratische Verfassung ersetzt (Schneider 2006, S.4). Kutschma konnte in seinen zwei Amtszeiten zwar ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 7% erreichen, allerdings war seine Amtszeit durch Korruptionsskandale, einer Unterdrückung der Pressefreiheit und einer allgemeinen Verschlechterung der Menschenrechtslage gekennzeichnet (Stetsevych, 2018). Da die Amtszeit des Präsidenten der Ukraine auf zwei Amtsperioden begrenzt ist, konnte sich Kutschma 2004 nicht mehr zur Wahl stellen. Bei der im Herbst stattfindenden Präsidentschaftswahl zwischen Viktor Janukowitsch und Viktor Juschtschenko, wurden Wahlmanipulationen aus beiden Lagern gemeldet. Die daraufhin friedlich ablaufenden Proteste, die später als Orangene Revolution bezeichnet werden, führten im Dezember 2004 zu Neuwahlen. Mit knappem Vorsprung wurde Juschtschenko zum dritten Präsident der Ukraine gewählt. Eines der Hauptziele Juschtschenkos stellte eine weitere Annäherung der Ukraine an die EU, mit dem finalen Ziel eines EU-Beitritts, dar (Schneider 2006, S.6f.).
Aufgrund der schlechten innenpolitischen und wirtschaftlichen Situation unter Juschtschenko und keiner wesentlichen Verbesserung im Annäherungsprozess an die EU, wurde im Februar 2010 Viktor Janukowitsch zum neuen Präsidenten gewählt. Der ehemalige Gouverneur und Ministerpräsident der Region Donezk setzte insbesondere darauf, die ukrainisch-russischen Beziehungen wieder zu verbessern, auch wenn er in seiner Amtsanrede deutlich machte, dass die Ukraine ein blockfreies Land zwischen der EU und Russland sein möchte und sich als „eine Brücke zwischen Russland und der EU“ verstünde (Handelsblatt, 2010).
Im November 2013 kam es auf dem Maidan in Kiew zu erheblichen Protesten der ukrainischen Bevölkerung. Dem vorausgegangen war die Verweigerung Janukowitschs das geplante EU-Assoziierungsabkommen zu unterschreiben. Die bis Februar 2014 andauernden Proteste forderten über hundert Todesopfer und wurden im Laufe der Zeit als Euromaidan Proteste oder Revolution der Würde bezeichnet. Im August erfolgte, nach einem positiven Referendum, eine Eingliederung der Halbinsel Krim in die Russische Föderation (Aka & Stein 2017, S.397). Zeitgleich entwickelten sich in der Ost-Ukraine separatistische Bewegungen, die erst eine Abspaltung von der Ukraine forderten und dann die Volkrepubliken Lugansk und Donezk ausriefen. Der bewaffnete Konflikt entwickelte sich zum bis heute andauernden Donbass-Krieg (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2018).
Seit 2015 ist der Oligarch Petro Poroschenko neuer Präsident der Ukraine. Dieser wird bis 2019 im Amt bleiben, wobei die Prognosen einer Wiederwahl gegenwärtig nur bei 10,3% liegen (Forschungsstelle Osteuropa et al. 2017, S.11).
3.2 Allgemeine Landesinformationen
Die Ukraine ist mit einer Fläche von 603.550 km[2] der größte Staat, dessen Fläche komplett geografisch Europa zugeordnet wird. Die Grenze mit der Europäischen Union beträgt 1257 km, wobei Polen, Rumänien, die Slowakei und Ungarn Nachbarstaaten sind. Weitere Grenzen teilt sich die Ukraine mit Belarus, der Republik Moldau und Russland. Mit einer Bevölkerungszahl von 42,6 Millionen im Jahr 2016, rangiert die Ukraine auf dem fünften Platz im europäischen Vergleich. Die meisten Menschen leben in der Hauptstadt Kiew, die eine Bevölkerungszahl von 2,9 Millionen Einwohnern aufweist.
Weitere Millionenstädte sind die ehemalige Hauptstadt Kharkiv (1,6 Millionen Einwohner), sowie Dnipro und die Hafenstadt Odessa mit jeweils 1,1 Millionen Einwohnern (Dombrowski & Dykunskyy 2017, S.8).
Die einzige offizielle Amtssprache ist seit der Unabhängigkeit Ukrainisch. Während im Alltag in der Westukraine die Verwendung der ukrainischen Sprache dominiert, wird im Ostteil des Landes überwiegend Russisch gesprochen. Seit 2012 ist dabei die Einführung von regionalen Amtssprachen in Regionen gestattet, die einen Anteil von mindestens 10% an Muttersprachlern in dieser Sprache aufweisen (Kappeler 2015, S.6).
Die Ukraine ist Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, innerhalb welcher sie in den Jahren 2016 und 2017 Mitglied des UN-Sicherheitsrats war (Tagesspiegel, 2015). Zudem ist die Ukraine Mitglied des Europarates, des IWF, der OSZE und der WTO (CIA, 2018). Nach wie vor ist die Ukraine Mitglied der GUS, die in den letzten Jahren allerdings zunehmend an Bedeutung verloren hat. Ein Austritt ist seit 2014 in Planung (Ukraine Nachrichten, 2018b).
Die ethnische Zusammensetzung der Ukraine teilt sich, auf Basis der letzten Volkszählung 2001, in 77,8% Ukrainer und 17,3% Russen auf. Die weiteren Ethnien wie Bulgaren, Krimtataren, Moldauer, Polen, Roma, Rumänen, Ungarn und Weißrussen haben einen Anteil zwischen 0,3% und 0,8% (Dombrowski & Dykunskyy 2017, S.8). Bemerkenswert ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen innerhalb der ukrainischen Bevölkerung. Auf 100 Frauen kommen 86 Männer, was dem weltweit niedrigsten Anteil nach Lettland (85 Männer pro 100 Frauen) entspricht (CIA, 2017). Neben der verstärkten Emigration ukrainischer Männer, ist dafür insbesondere die Differenz in der Lebenserwartung verantwortlich. Diese betrug bei männlichen Neugeborenen im Jahr 2017 67,4 Jahre, während Frauen eine Lebenserwartung von 77,1 Jahre aufwiesen (CIA, 2018).
4 Die EU-Integration der Ukraine
4.1 Bestandsaufnahme des Annäherungsprozesses
Die „Rückkehr“ nach Europa, wohin die Ukraine geografisch schon immer gehörte, eröffnete sich für die Ukraine mit der Unabhängigkeit im Jahr 1991. Bereits ein Jahr später kam es zum Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten und dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors, bevor 1993 das Haus der EU-Delegation in Kiew eröffnet wurde (Pfeiffer 2005, S.2). Zur finanziellen Unterstützung der Marktwirtschaft und Demokratie in den neuen Staaten Mittelund Osteuropas, entwickelte die EU das TACIS-Programm. Durch das bis 2006 laufende Programm floss in den Folgejahren mehr als 1 Milliarde Euro an Finanzhilfen in die Ukraine (Rose 2008, S.8). Zum Aufbau der EU-Ukraine Beziehungen wurde im Jahr 1994 mit der Ukraine als erstem GUS-Staat ein vorläufiges Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) unterzeichnet. Das Abkommen trat 1998 in Kraft und hatte den Zweck den politischen Dialog zu fördern sowie die Ukraine im Aufbau von Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft zu unterstützen. Flankiert wurde das Abkommen mit der Gründung des EU-Ukraine-Kooperationsrats sowie der Einsetzung regelmäßig stattfindender EU-Ukraine Gipfel. Im Zuge des PKA erklärte der ukrainische Präsident Kutschma im selbigen Jahr erstmals offiziell die Intention eines EU-Beitritts (Czarny 2009, S.6).
Als mit der EU-Osterweiterung 2004 die Ukraine sowie andere osteuropäische Staaten unmittelbare Nachbarn der EU wurden, entwickelte die Union die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP). Diese hat das Ziel die neuen Nachbarländer bei der Erreichung von Sicherheit und Wohlstand zu unterstützen (Bergmann 2012, S.314f.). Die Ukraine unterzeichnete dabei als erster Staat im Jahr 2005 den bilateralen ENP-Aktionsplan. Der bis 2008 angelegte Plan ersetzte das bisherige PKA und sah die Angleichung des ukrainischen Rechts in den Bereichen Justiz, Menschenrechte, Transport und Umwelt vor. Eine Beitrittsperspektive war dabei innerhalb des Aktionsplans nicht vorgesehen. (Schneider 2006, S.10f.).
Allerdings wurden Finanzhilfen vereinbart, deren Summe sich in der Haushaltsperiode 2007 bis 2013, ebenso wie in der folgenden, auf eine Milliarde Euro belief (European Commission, 2016).
2009 gründete die EU mit der Östlichen Partnerschaft ein neues Instrument zur Unterstützung osteuropäischer Staaten. Damit sollte neben Georgien und der Republik Moldau, der Ukraine finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Überdies sollte durch Freihandel und die Unterzeichnung von Assoziierungsabkommen, eine höhere Bindung an die EU geschaffen werden (Weltalmanach 2016, S.554). Die Verhandlungen für das Assoziierungsabkommen wurden im Jahr 2011 abgeschlossen, bevor der politische Teil 2014 in Kraft trat. Obwohl die Ukraine auf eine Festschreibung einer zukünftigen Beitrittsperspektive bestand, wurde dies auch in diesem Abkommen vonseiten der EU verweigert. Das 1200-seitige Abkommen umfasst Regelungen zur verstärkten Zusammenarbeit und hat zum Ziel, die Ukraine in Erhalt von Stabilität und Frieden zu unterstützen sowie die bilateralen Handelsbeziehungen zu stärken (Tiede et al. 2014, S.156). Das Abkommen wurde dabei als Weitreichendstes bezeichnet, das je mit einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat geschlossen wurde (Der Standard, 2013).
Infolge des Euromaidans wurde von der EU 2014 ein Hilfsprogramm für die Ukraine beschlossen. Dieses sah eine Summe von 11 Milliarden Euro für die kommenden sieben Jahre vor (Europäischer Rat / Rat der Europäischen Union, 2017a). Zudem erfolgte im selben Jahr die Gründung der Support Group for Ukraine. Diese wurde zum ersten Mal für einen Staat gegründet. Ziel dieser Gruppe ist es den Reformprozess, im Zuge des Assoziierungsabkommens, in der Ukraine zu begleiten (European Commission 2015, S.2).
Zum Januar 2016 trat der wirtschaftliche Teil des Assoziierungsabkommens in Kraft. Seitdem ist die Ukraine, neben Georgien und der Republik Moldau Mitglied der DCFTA. Als letzter Meilenstein in der vertieften Kooperation zwischen der EU und der Ukraine, trat im Juni 2017 die Visumfreiheit für ukrainische Staatsbürger in Kraft.
Seitdem können sich Ukrainer, die in Besitz eines biometrischen Passes sind, bis zu 90 Tage innerhalb des Schengenraums aufhalten (Eurasian Studies, 2018). Die EU folgte damit der Ukraine, welche die Visumpflicht für EU-Bürger bereits im Jahr 2005 abgeschafft hatte (Schneider 2006, S.11). Im Juli 2017 fand der 19. und bis dato letzte EU-Ukraine Gipfel statt. Der Gipfel ging ohne Abschlusserklärung zu Ende. Dies wurde als Enttäuschung für die Ukraine gewertet werden, da sich das Land die Festschreibung einer Beitrittsperspektive erhofft hatte (Europäische Kommission, 2017d). Selbiges passierte auch nicht beim zum Jahresende stattfindenden Gipfel der Östlichen Partnerschaft, wobei hier zumindest eine weitere Annäherung in Aussicht gestellt wurde (Tagesschau, 2017). Zudem wurde der Ukraine eine weitere Finanzhilfe in Höhe von 2 Milliarden Euro zugesagt (Jarabik et al. 2018, S.4f.).
4.2 Positionen zu einem EU-Beitritt in der Ukraine
Um die Position der ukrainischen Bevölkerung zu einem EU-Beitritt zu untersuchen, führten das Socis Center for Social and Marketing Research, das Kyiv International Institute of Sociology und das Razumkov Center im Herbst 2017 eine Umfrage durch. Dazu wurden 20000 Bürger befragt. Die Umfrage wurde auf der Halbinsel Krim und im Donbass nicht durchgeführt. Die Befragten sollten die Frage beantworten, ob sie einem EU-Beitritt der Ukraine befürwortend oder ablehnend gegenüberstehen. 56,2% der Befragten befürworteten dabei einen Beitritt zur EU, während 24,6% diesem ablehnend gegenüberstanden. 9,6% wollten oder konnten die Frage nicht beantworten (Interfax Ukraine, 2017).
Eine im Juni 2017 durchgeführte Umfrage des ukrainischen Center for Insights in Survey Research, zeigt dabei ähnliche Ergebnisse für das Jahr 2017. Sie zeichnet jedoch simultan die Entwicklung der Umfrageergebnisse seit dem Jahr 2012 nach. Die Ergebnisse im Einzelnen sind in der folgenden Abbildung dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.3: Umfrage zum Eintritt der Ukraine in eine internationale Wirtschaftsunion
Quelle: Center for Insights in Survey Research (2017), S.20.
Die Umfrage untersuchte die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu einem EU-Beitritt bzw. einem Beitritt zu einer Zollunion unter russischer Führung. Deutlich wird hier, dass die Zustimmung zu einem EU-Beitritt im Zuge des Euromaidans sprunghaft angestiegen ist. Seitdem befinden sich die Zustimmungswerte konstant zwischen 52% und 59%. Wie sich die Zustimmungswerte gegenwärtig in den einzelnen ukrainischen Regionen darstellen, zeigt die Abbildung auf der nachfolgenden Seite.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.4: Umfrage zum Eintritt der Ukraine in eine internationale Wirtschaftsunion - Aufteilung nach ukrainischen Regionen
Quelle: Center for Insights in Survey Research (2017), S.21.
Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass die Präferenz für einen EU-Beitritt mit 78 % insbesondere im Westen der Ukraine stark ausgeprägt ist. Im Zentrum der Ukraine existiert mit 63 % ebenfalls eine hohe Präferenz für einen EU-Beitritt. Im Süden sprechen sich hingegen weniger als die Hälfte für einen EU-Beitritt aus, was allerdings trotzdem einem höheren Wert, als dem Beitritt zu einer russischen Zollunion mit 20 % entspricht. Dies stellt sich im Osten der Ukraine gegenteilig dar. Dort bevorzugen 40 % eine Aufnahme in die russische Zollunion. Lediglich 29 % der Bürger sprechen sich hier für eine EU-Mitgliedschaft aus.
Die tendenzielle EU-Befürwortung der ukrainischen Bevölkerung spiegelt sich ebenso in der Werchowna Rada, dem ukrainischen Parlament, wider. Das gegenwärtige Parlament stellt dabei, das erste pro-europäische in der ukrainischen Geschichte dar. Sechs der sieben stärksten Parteien bezeichnen sich dabei als pro-europäisch (Kuzio 2015, S.491). Diese Parteien verfügen mit 315 Sitzen über 81% aller Parlamentssitze. Die stärkste Partei ist dabei, mit 147 Sitzen, die Partei des Präsidenten (Block Petro Poroschenko).
Ebenfalls eine Integration in die EU verfolgt die mit 83 Sitzen, zweitstärkste Partei des Parlaments (Volksfront). Die einzige Partei, die sich außenpolitisch in Richtung Russland orientiert, stellt der mit 40 Sitzen, drittstärkste Oppositionsblock, dar (Inter-Parliamentary Union, 2017).
Zudem besteht innerhalb des Parlaments das Parlamentarische Komitee für Europäische Integration, das in seiner Funktionsweise zwar noch ausbaufähig ist, allerdings alleine basierend auf seiner Existenz die politische Richtung der Ukraine determiniert (Wolczuk 2017, S.28).
4.3 Positionen zu einem EU-Beitritt in der Europäischen Union
Eine allgemeine Position der EU zu einem Ukraine-Beitritt ist schwierig darzustellen, daher erscheint es am sinnvollsten, sich auf die Aussagen der Kommissare für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik zu beziehen. Der amtierende Kommissar, Johannes Hahn, betont zwar die Schritte, die noch vor der Ukraine liegen, bezeichnet allerdings die Tür für einen möglichen Beitritt als „immer offen“ (Deutsche Welle, 2017). Hahn befindet sich damit auf einer Linie mit seinem Vorgänger Stefan Füle. Dieser erklärte in einem Interview mit der Welt (2014b): „wenn wir Ernst damit machen wollen, die Länder in Osteuropa zu transformieren, dann müssen wir auch ernsthaft das mächtigste Instrument, das wir haben, zur Umgestaltung nutzen: die Erweiterung“ f ebd.) .
Da der Beitritt eines Staates, die Einstimmigkeit im EU-Ministerrat und damit aller Mitgliedsstaaten voraussetzt, ist nicht nur die Haltung der EU an sich, sondern ebenso die der Mitgliedsstaaten von Bedeutung.
Nach der Darstellung von Gunta Pastore (2014), Politikwissenschaftlerin am lettischen Außenministerium, stehen sich in der internen Debatte der EU- Mitgliedsländer „Minimalisten“ und „Maximalisten“ gegenüber. Die Gruppe der Maximalisten befürwortet dabei einen EU-Beitritt der Ukraine, während die Minimalisten diesen ablehnen (ebd., S.3).
Basierend auf dieser Theorie werden die Staaten, die sich zu jeweils einer Gruppe zuordnen lassen, in der folgenden Tabelle eingeordnet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3: Positionen der EU-Staaten zu einem EU-Beitritt der Ukraine
Quelle: eigene Darstellung nach Pastore (2014), S.1ff.
Eine generelle Befürwortung der ukrainischen EU-Integration besteht innerhalb der Visegrad-Gruppe (Polen, Slowakei, Tschechische Republik und Ungarn). Diese Staatengruppe sprach sich bereits 2013 für eine schnelle Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine aus (Pastore 2014, S.10). Damit wollten die Staaten verhindern, dass die Ukraine wieder unter russischen Einfluss oder in eine Isolation wie Belarus gerät (Rettman, 2012).
Sowohl innerhalb dieser Staatengruppe als auch generell, gilt dabei Polen als größter Befürworter eines EU-Beitritts der Ukraine. Dass Polen bisweilen schon als „ Anwalt der Ukraine“ bezeichnet wird, liegt zum einen an den historischen und auch gegenwärtig noch starken Verflechtungen der beiden Länder (Perepelyzja, 2016). Zum anderen betrachtet sich Polen in der Gegenwart als östlichster EU- Mitgliedsstaat, was mit einem Beitritt der Ukraine nicht mehr der Fall wäre. Diesen Umstand betrachtet Polen als Gewähr für eine Absicherung gegenüber Russland (Winter 2015, S.193).
Dass Ungarn zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Gegner einer EU-Integration der Ukraine aufgeführt ist, ist den Entwicklungen in der Ukraine geschuldet.
Noch im Jahr 2016 erklärte der ungarische Präsident Viktor Orban, dass sein Land eine EU-Integration der Ukraine befürwortet und unterstützt (Cabinet Office of the Prime Minister, 2016). Der Grund für die gegenwärtige Kontra-Position ist dabei das 2017 verabschiedete ukrainische Bildungsgesetz. Dieses sieht unter anderem vor, den Schulunterricht in ungarischer Sprache bis 2020 abzuschaffen. Sollte dieses wie geplant in Kraft treten, wird Ungarn laut Orban weitere Schritte der ukrainischen EU-Integration blockieren (Ukraine Journal, 2017).
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- Anonym,, 2018, Die Ukraine als potenzielles EU-Mitglied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1254008
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