Wir schreiben das Jahr 2001. Riesige-flat-screen Bildschirme haben die antiken Plakatwände verdrängt. Im rasanten Bildschnitt werden die neuesten Konsumprodukte angepriesen, untermalt von rhythmischer Musik. Pupillometer registrieren dabei die Weg- und Verweildauer der Blicke aller Passanten und senden ihre Daten direkt an die Agenturen zur Auswertung der Werbewirkung. Die elektronische U-Bahn-Werbung verkürzt den Passagieren die Wartezeit. Sensoren messen die Geschwindigkeit des Zuges und passen so die Bildreihenfolge der seitlich montierten Bildschirme an. Der fahrende Zug läßt die Einzelbilder zu flüssigen Bewegungen werden. Lesepulte haben das Buch ersetzt und ermöglichen über den Datenhighway Zugang zu allen Bibliotheken der Welt. Virtuelle Kaufhäuser bieten über Internet ein 24 Stunden Bestellservice und verwischen somit die Grenze zwischen Werbung und Verkauf. So oder ähnlich klangen noch vor kurzem Zukunftsprognosen und sagten den klassischen Printmedien ein baldiges Ende voraus. Daß dem nicht so sein wird, steht mittlerweile fest. Umberto Eco, der sich selbst zur Zeit mit der Produktion einer Lexikon CD-ROM befaßt, spricht von einer Bereicherungs- und nicht Verdrängungswirkung des electronic publishing. Die Plakatwerbung hat sich trotz zunehmender Konkurrenz der elektronischen Medien behauptet und wird es auch in Zukunft. Ausschlaggebend für die Renaissance, die dem Plakat in den letzten Jahren erfuhr, sind vor allem die neuen
Werbetrends, die sich mit drei Worten beschreiben lassen: Simplifizierung, Ästhetisierung und Visualisierung. Da eine Erhöhung der Frequenz bei der Plakatwerbung durch die ohnehin hohe Stellendichte als nicht möglich erschien, galt es, die Plakatlayoutgestaltung zu verbessern.Daß Kommunikation nicht den Gesetzen der Zufallswahrscheinlichkeit unterliegt, sondern durch Regeln bestimmt ist, gilt auch und vor allem für die Bildkommunikation. Die bisher übliche intuitive Plakatgestaltung gehört somit der Vergangenheit an. Sozialtechniken und Gestaltungsstrategien werden zukünftigbestimmen, was wir auf den Plakatwänden sehen. Werner Kroeber-Riel, Direktor des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung, nennt deshalb Kreativität + Sozialtechniken als Formel für den zukünftigen Erfolg der Plakatwerbung. Über die Entwicklung der Plakatwerbung und ihre Strategien und Techniken zur Anpassung an die veränderten Kommunikationsbedingungen sowie als Reaktion auf die Konkurrenz der elektronischen Medien handelt diese Diplomarbeit.
Inhaltsverzeichnis
THEORETISCHER TEIL
Einleitung
DAS PLAKAT
1. Die Geschichte und Entwicklung des Plakates
1.1. Die Ursprünge der Wandreklame
1.2. Das lithographische Plakat
1.3. Das Plakat des Jugendstils
1.4. Der erste Weltkrieg
1.5. Das Plakat der Zwischenkriegszeit
1.6. Konstruktivismus und Graphic Design
1.7. Das politische Plakat der 1. Republik
1.8. Das Propaganda-Plakat der NS-Zeit
1.9. Das Plakat der Nachkriegszeit
1.10. Der Beginn des elektronischen Zeitalters
1.11. Mechanisierte Kunst
2. Das Plakat in Österreich
2.1. Die Relevanz des Plakates in Österreich
2.2. Die Sonderstellung des Plakats in Österreich
2.2.1. Österreichs Werbevolumen im europäischen Vergleich
2.2.2. Die Entwicklung des Werbevolumens
2.2.3. Die Entwicklung der Mediamarktanteile
2.2.4. Die Werbeausgaben nach Wirtschaftsbereichen
2.2.5. Der Werbekostenindex
2.2.6. Die Plakatdichte
2.2.7. Die Plakatformate
2.2.8. Die Plakatfrequenz
WERBESTRATEGIEN UND WERBETECHNIKEN
3. Wirtschaftswerbung
3.1. Werbung als Form der Marktkommunikation
3.2. Werbung als Marketinginstrument
3.2.1. Marketing
3.2.2. Marketinginstrumente
3.3. Kommunikationspolitik
3.4. Definition und Positionierung
3.5. Werbeziele
4. Die Erotisierung von Produkten
4.1. Historischer Rückblick
4.2. Motivation durch emotionale Verhaltensweisen
4.3. Die Sublimierung des Libido
4.4. Erotische Aktivierung
4.5. Die soziale Streuung der Rezeptionsbereitschaft
4.5.1. Die produktbezogene Rezeptionsbereitschaft
4.6. Die Akzeptanz erotischer Darstellungen
4.6.1. Die historische Veränderung der Sexualmoral
4.6.2. Kulturelle Variationen der Sexualmoral
4.7. Darstellungsstrategien
4.8. Kategorien akzeptanter erotischer Darstellungsformen
4.9. Erotisches Produktdesign
4.9.1. Die erotisierende Wirkung der Farbe „Rot“
4.10. Erotischer Produktimagetransfer
4.11. Werbung als geschlechtsspezifischer Sozialisationsfaktor
5. Sozialtechniken
5.1. Definition und Positionierung
5.1.1. Sozialtechniken und Verhaltensbiologie
5.1.2. Sozialtechniken und Kreativität
5.2. Aktivierungstechniken
5.2.1. Definition und Positionierung
5.2.2. Katalog aktivierungstheoretischer Ergebnisse
5.2.3. Die Kontrolle der Aktivierungswirkung
5.2.3.1. Kontaktwirkung und Kontaktnutzung
5.2.3.2. Die selektive Wahrnehmung
5.2.3.3. Ablenkende emotionale Reize
5.2.3.4. Irritation durch Aktivierung
5.2.4. Techniken zur gezielten Aktivierung
5.2.4.1. Physisch intensive Reize
5.2.4.2. Emotionale Reize
5.2.4.3. Gedanklich überraschende Reize
5.2.4.3.1. Soziale Schemavorstellungen
5.2.4.3.2. Visuelle Schemavorstellungen
5.2.5. Prägnanz
5.2.5.1. Definition und Positionierung
5.2.5.2. Prägnanz und Erkennbarkeit optischer Werbemittel
5.3. Die emotionale Beeinflussung
5.3.1. Emotionen
5.3.2. Definition und Positionierung
5.3.3. Die emotionale Konditionierung
5.3.3.1. Konditionierungstheorien
5.3.3.2. Die Technik der emotionalen Konditionierung
5.3.4. Die Vermittlung von Wahrnehmungsatmosphäre
5.3.5. Akzeptanz
5.3.5.1. Techniken zur Beeinflussung der Akzeptanz
5.3.5.2. Das zweistufige Wirkungsmodell
KOMMUNIKATIONSBEDINGUNGEN UND WERBEWIRKUNGEN
6. Informationsüberlastung
6.1. Definition und Positionierung
6.2. Die biologische Informationsverarbeitung
6.3. Biologische Reiz-Reaktions-Veränderungen
6.4. Das Makromodell von Pool de Sola
6.5. Das Mikromodell von Kroeber-Riel
6.6. Interpretationen und Folgerungen
7. Sozialisation
7.1. Definition
7.2. Aspekte der massenmedialen Sozialisation
7.3. Der Sozialisationsfaktor Werbung
7.4. Orthographische Interverenzen durch Werbung
8. Werbewirkungsforschung
8.1. Die Entwicklung der Wirkungsforschung
8.2. Die Plakatwirkungsforschung
8.3. Erhebungsmethoden
8.3.1. Pretests
8.3.2. Posttests
8.4. Ergebnisse der Marktforschung
VISUELLE KOMMUNIKATION
9. Das Plakat im Kommunikationsprozeß
9.1. Massenkommunikation
9.2. Das Plakat als Kunst- und Werbemittel
9.2.1. Das Plakat als Kunstmedium
9.2.2. Das Plakat als Massenkommunikationsmittel
9.2.3. Die spezifischen Eigenschaften und Aufgaben des Plakats
10. Bildkommunikation
10.1. Definition und Positionierung
10.2. Die Dominanz der Bildkommunikation
10.3. Die Imagery-Forschung
10.3.1. Die Wirksamkeit von Bildern
10.3.2. Die Verarbeitung und Speicherung innerer Bilder
10.3.3. Innere Bilder
10.3.3.1. Schlüsselbilder
10.3.3.2. Präsenzsignale
10.3.4. Bildkommunikation und Sozialtechniken
10.3.5. Bildkommunikation und Werbestrategien
10.3.5.1. Die Verhaltenswirksamkeit
10.3.5.2. Die Kontinuität der Bildverwendung
10.3.5.3. Die Integrierte Kommunikation
10.4. Die visuellen nonverbalen Kommunikationselemente
10.4.1. Definition und Positionierung
10.4.2. Die Objektkommunikation
10.4.3. Die statischen Kommunikationssignale
10.4.4. Die dynamischen Kommunikationselemente
10.4.5. Die Bedeutung der nonverbalen Kommunikationselemente
10.4.6. Das Facial Action Coding System
10.5. Die Bildkomposition
10.5.1. Definition und Positionierung
10.5.2. Induzierte Spannung
10.5.3. Das visuelle Gewicht
10.5.4. Kompositionsstrategien
10.5.4.1. „Luft geben“
10.5.4.2. Verdichten und Strecken
10.5.4.3. Herausheben
10.5.4.4. Framing
10.5.4.5. Vordergrund - Mittelgrund - Hintergrund
10.5.4.6. Bildaufteilung
10.5.5. Objekttechniken
10.5.5.1. Verformung
10.5.5.1.1. Three quarter angling ( 45 Grad Einstellung)
10.5.5.1.2. Obersicht und Untersicht
10.5.5.2. Schrägheit
10.5.5.2.1. Dutch - tilt angle (horizontales, seitliches Kippen der Kamera)
10.5.5.3. Auslassung
10.5.5.3.1. Anschneiden
10.5.5.3.2. Schatten
11. Exkurs: Aussage und Wirkung von Farben
11.1. Farbenlehre
11.2. Farbdynamik
11.2.1. Die sozio- kulturelle Farbwirkung
11.2.1.1. Die psychologische Wirkung
11.2.1.2. Die symbolische Wirkung
11.2.1.3. Die kulturelle Wirkung
11.2.1.4. Die politische Wirkung
11.2.1.5. Die traditionelle Wirkung
11.2.1.6. Die Perspektivische Wirkung
11.2.2. Farbe und Lesbarkeit
11.3. Farbpsychologie
11.3.1. Die Emotionale Wirkung spektralreiner Farben
11.3.1.1. Leuchtfarben
11.3.1.2. Farbkontraste
11.3.1.3. Gleißend helles Licht
11.3.2. Die Sozialisation des Farbempfindens
11.3.2.1. Die Aktivierung durch spektralreine Farben
11.3.2.2. Die expressive Darstellung
11.3.2.3. Die Darstellung von Irrealem
11.3.3. Kulturell geprägtes Farbempfinden
EMPIRISCHER TEIL
PLAKATKONZEPTE
12. Die praktische Anwendung theoretischer Erkenntnisse
12.1. Methodik
12.2. Der Pretest der Plakatkonzepte
12.2.1. Bildbeispiele und Bildanalysen
12.2.2. Der Fragebogen
12.2.3. Die Auswertung
Zusammenfassung
Die Zukunft der Werbung
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsnachweis
Theoretischer Teil
Einleitung
Wir schreiben das Jahr 2001. Riesige-flat-screen Bildschirme haben die antiken Plakatwände verdrängt. Im rasanten Bildschnitt werden die neue-sten Konsumprodukte angepriesen, untermalt von rhythmischer Musik. Pupillometer registrieren dabei die Weg- und Verweildauer der Blicke aller Pasanten und senden ihre Daten direkt an die Agenturen zur Auswertung der Werbewirkung.
Die elektronische U-Bahn-Werbung verkürzt den Passagieren die Wartezeit. Sensoren messen die Geschwindigkeit des Zuges und passen so die Bildreihen-folge der seitlich montierten Bildschirme an. Der fahrende Zug läßt die Einzel-bilder zu flüssigen Bewegungen werden.
Lesepulte haben das Buch ersetzt und ermöglichen über den Datenhighway Zugang zu allen Bibliotheken der Welt. Virtuelle Kaufhäuser bieten über Internet ein 24 Stunden Bestellservice und verwischen somit die Grenze zwischen Werbung und Verkauf.
So oder ähnlich klangen noch vor kurzem Zukunftsprognosen und sagten den klassischen Printmedien ein baldiges Ende voraus.
Daß dem nicht so sein wird, steht mittlerweile fest. Umberto Eco, der sich selbst zur Zeit mit der Produktion einer Lexikon CD-ROM befaßt, spricht von einer Bereicherungs- und nicht Verdrängungswirkung des electronic publishing.
Die Plakatwerbung hat sich trotz zunehmender Konkurrenz der elektronischen Medien behauptet und wird es auch in Zukunft. Ausschlaggebend für die Renaissance, die dem Plakat in den letzten Jahren erfuhr, sind vor allem die neuen Werbetrends, die sich mit drei Worten beschreiben lassen: Simplifizierung, Ästhetisierung und Visualisierung.
Da eine Erhöhung der Frequenz bei der Plakatwerbung durch die ohnehin hohe Stellendichte als nicht möglich erschien, galt es, die Plakatlayoutgestaltung zu verbessern.
Daß Kommunikation nicht den Gesetzen der Zufallswahrscheinlichkeit unterliegt, sondern durch Regeln bestimmt ist, gilt auch und vor allem für die Bild-kommunikation. Die bisher übliche intuitive Plakatgestaltung gehört somit der Vergangenheit an. Sozialtechniken und Gestaltungsstrategien werden zukünftig bestimmen, was wir auf den Plakatwänden sehen.
Werner Kroeber-Riel, Direktor des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung, nennt deshalb Kreativität + Sozialtechniken als Formel für den zukünftigen Erfolg der Plakatwerbung.
Über die Entwicklung der Plakatwerbung und ihre Strategien und Techniken zur Anpassung an die veränderten Kommunikationsbedingungen sowie als Reaktion auf die Konkurrenz der elektronischen Medien handelt diese Diplomarbeit.
„Der Plakatanschlag ist der älteste Werbeträger der Welt, denn Wände zu be-schreiben ist ein grundlegender Trieb des Menschen, der Ausdruck des Verlangens sich auszudrücken und zu verewigen. Dieser Werbeträger ist aber auch ein Medium der Zukunft, sogar ein ewiges, so unvergänglich wie die Straße und der öffent-liche Verkehr, wo er anzutreffen ist.“
(Jacques Dauphin, Präsident der FEPE) .
DAS PLAKAT
1. Die Geschichte und Entwicklung des Plakates
1.1. Die Ursprünge der Wandreklame
„Die Geschichte des Plakats begann schon lan-ge bevor das Papier erfunden wurde,“ meinte zu-mindest der legendäre Maler und Grafiker Kurt Moldovan.
„Historisch gesehen,“ sagte Moldovan, „ beginnt das Plakat schon mit der Kriegsbemahlung in Urzeiten“. „Der Gegner wurde optisch überwäl-tigt“ (vgl. DENSCHER, 1992:175).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Zeitungskarikatur zum Thema "Plakat", um 1840.
Man könnte jetzt nach den Ursprüngen der Wandreklame fragen, auf Pompeji hinweisen oder auf die Ankündigungen von Gladiatorenkämpfen im antiken Rom, Cicero anführen oder jene 95 Thesen des Martin Luther an der Schloßkirche zu Wittenberg, würde dann über die antispanischen Auf-stände in den Niederlanden zur französischen Revolution gelangen und von dort zur lithographierten Plakatproduktion des 19. Jahrhunderts.
Wandreklame umfaßt weit mehr als nur Plakate. Darum empfiehlt es sich im Interesse der Konzentration auf das Wesentliche, strikt beim Begriff des Plakats zu bleiben und Vermischungen mit anderen Formen öffentlicher Meinungskundgebung zu vermeiden.
Das Wort „Plakat“ scheint während des 16. Jahrhundert in den Niederlanden entstan-den zu sein, als die Aufständischen ihre antispanischen Flugblätter, Pamphleten, Ein-blattdrucke mit Kleber an öffentlichen Orten „anplackten“ und diese angeplackten Bö-gen „Plakatten“ nannten (vgl. KÄMPFER, 1985:32).
Das Plakat ist also nicht Abkömmling der Buchillustration oder des Wandbildes, seine Herkunft könnte man eher noch vom Flugblatt der Reformations-, Bauerkriegs- oder Türkenkriegszeit ableiten. Die Kombination von Text und Holzschnittbild kennzeichnet sowohl den Einblattdruck der frühen Neuzeit als auch das moderne Plakat.
Eines der ersten Plakate mit wirtschaftlichem Thema dürfte ein Holzschnitt von Erhard Altdorfer aus dem Jahr 1518 gewesen sein, auf dem er für ein Glücksspiel warb (ROTH, 1975).
Mitte des 16. Jahrhunderts waren es noch Holzschneider und Kupferstecher die die Firmen- und Werbeschilder herstellten, denn durch den Holzschnitt wurde Grafik erst-mals reproduzierbar. Doch das visuelle Zeitalter begann erst mit der Erfindung neuer Reproduktionstechniken wie der Lithographie durch den Österreicher Alois Senefelder 1796 oder 1797 und der Chromolithographie (vgl. MAYERS, 1991:789).
Die Lithographie setzte sich bei der Herstellung von Plakaten immer mehr durch, und die Technik der Farblithographie machte den Druck des unmittelbaren Künstlerentwurfes in großer Auflage möglich.
1.2. Das lithographische Plakat
Das Plakat hatte um die Jahrhundertwende ein hohes graphisches Niveau, da es als wesentliche Bereicherung des künstlerischen Schaffens angesehen wurde und weil die Entwürfe von hervorragenden Zeichnern und großen Malern geschaffen wurden.
Plakate waren immer schon ein dankbares künstlerisches Betätigungsfeld, bringen sie doch Kunst vervielfältigt und vergrößert auf die Straße und „unters Volk“. Sie werben damit letztlich auch für sich selbst und den Künstler.
Ab 1880 verdienten viele Maler und Karikaturisten ausschließlich mit Plakatentwürfen ihr Brot, und einer ihrer ersten Meister war der Italiener Cappiello, der als erster die visuellen Aufgaben des modernen Plakats erkannte und mit den Worten formulierte: „Das Plakat darf sich nicht mehr an die Fußgänger alleine richten, es muß auch den Automobilisten beeindrucken“ (vgl. SAILER, 1965:10). Der Plakatstil, den er kreierte, zeich-nete sich durch drei Vorzüge aus: möglichst einfache Gestaltung, Farbe als Fläche und eine originelle Grundidee. Damit hatte das Plakat seine gültige Formel gefunden.
Dem Berliner Drucker und Druckereibesitzer Ernst Litfaß ist es zu verdanken, daß die neue Kommunikationsform mit der Litfaßsäule 1855 ein ideales Transportmittel be-kam. Angeblich hatte er Ähnliches in London und Paris gesehen und brachte bloß die Idee zu uns, aber er war es, der den Masseneinsatz erfand und die Idee der „Galerie der Straße“ konsequent und erfolgreich durchsetzte (vgl. SAILER, 1965:14).
Zeitgenossen beschreiben den Eindruck, den Pariser Straßen um die Jahrhundertwen-de machten, tatsächlich als den einer Galerie. Das war der Erfolg der sogenannten „Affiches“ (der französische Ausdruck für das Ding, das affischiert, geklebt wird - das Plakat), und zu Julés Chérets ersten Farbplakaten meinten die Pariser entzückt, daß er damit die Großstadtmauern „illuminierte“ (vgl. SAILER, 1965:20).
Der Pariser Maler und Lithograph Jules Chéret (1836-1932), der Meister des „Fresques du trottoir“, gilt als der „Erfinder des Farbplakates“. Durch seinen Mut zum großen Format, zu einem besonderen Plakatstil, einer mit zwei oder drei Farbsteinen rationel-len Kolorierung in Gelb, Rot und Blau begann das Plakat in den 60er Jahren in Paris seinen Siegeszug. Jules Chérets Arbeiten enthalten alle Grundsätze, die ein modernes, künstlerisches Plakat ausmachen. Er forderte den Einsatz von reinen und das Weglassen von gebrochenen Farben. Die Anwendung der Mittel sollte einfach sein und die Zahl der verwendeten Farben gering. Dies alles sollte dazu beitragen, das Plakat auch aus größerem Betrachtungsabstand erkennbar und anregend zu machen. Weiters empfahl er die Plakat-Schrift selbst zu gestalten ,um eine künstlerische Einheit von Bild und Text zu erlagen (vgl. DENSCHER, 1992:20).
Jules Chéret war es auch, der mit dem Leitsatz: „der Plakatkünstler muß auch Psycho-loge sein“, die Programmatik jeglicher künftiger Plakatgestaltung lieferte. Seiner Über-zeugung nach sollten Plakate auffallend und künstlerisch gestaltet sein. Sie sollten Si-gnale sein, mit den Betrachtern kommunizieren und in Erinnerung bleiben (vgl. SAILER, 1965:20). Mit seinen mehr als tausend Plakaten hat er Prinzipien erarbeitet, die auch heute noch als grundlegend gelten.
Christiana Thon beschreibt in ihrem Standardwerk: „Das frühe Plakat in Europa und den USA“, die von ihm erstmals erprobten Elemente: „die Beschränkung des Textes zugunsten der bildhaften Aussage und seine Angleichung an die Komposition; die Ver-wendung weniger, kontrastierender Farben, die unter freiem Himmel und auf große Di-stanz hin ihre Faszination ausüben; die Vergrößerung des Plakatformats; die Konzen-tration der Darstellung auf ein attraktives Motiv, meist die Gestalt einer Frau, die als Vermittlerin der Werbebotschaft, dem Angesprochenen unbewußt, die Aufmerksamkeit
auf den Zweck der Werbung lenkt. Der von Chéret geprägte Typ der hübschen, koketten Frau, einer Idealfigur der Reklame, wurde als ‘Chérete’ zu einem Begriff“ (THON, 1977, in: DENSCHER, 1992: 8).
1.3. Das Plakat des Jugendstils
Angeregt vom englischen Maler William Morris und von japanischen Holzschnitten entwickelte sich der Jugendstil um 1900 zur internationalen Kunstströmung. Im Be-reich der Malerei versuchte der Jugendstil künstlerische Phantasie und sinnliche Aus-strahlung in den Vordergrund zu stellen, wobei das dekorative, fließend bewegte, vege-tabilische Ornament, die asymmetrische Raumaufteilung und ein Flächenstil charakte-ristisch sind. Für die Plakatkunst bedeutet der Jugendstil neue Anstöße und Impulse und eine Rückbesinnung auf die künstlerische Komponente. Wichtige Künstler des Jugend-stils, die auch zur Erneuerung der Plakatkunst beitrugen, waren Henri de Toulouse-Lautrec, Ferdinand Hodler, Gustav Klimt, Franz von Stuck, Alfons Mucha, Jan Thorn-Prikken, Pavis de Chavannes und Jan Toorop (vgl. CHRONIK DES 20. JAHRHUNDERTS, 1983:41).
Der bekannteste Vertreter dieser Kunstrichtung, der ge-niale Maler und Zeichner Henri de Toulouse Lautrec, präg-te einen neuen Plakatstil, der den Sprung von einem nach-empfundenen 18. ins 20. Jahrhundert vollzieht und damit grundlegend für das moderne Plakat geworden ist. Seine Innovation der Darstellungsform ist vor allem die Betonung des Individuellen, die Stilisierung des Ausdrucks mit ei-nem Minimum an gestalterischem Aufwand, in dem sich das Ganze hätte verlieren können, und die Einbindung der Schrift als organischen Teil der Flächengestaltung, die rück-sichtslos das Sujet durchschneidet (ADRIANI, 1976:37).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Toulouse Lautrec.
Der europäischen Plakat-Euphorie folgte eine vergleichbare Welle in den USA. Wien entwickelte sich vor dem Ersten Weltkrieg geradezu zur „Plakatstadt“. In Paris gab es damals 2000 Anschlagflächen, in Berlin 1400, in Wien aber 3000 (vgl. DENSCHER, 1992: 143). Seit dem Vormärz hatten die unterschiedlichsten „Ankündigungsunternehmen“ - Vorläufer der heutigen Werbeagenturen - das Terrain geebnet. Man sprach damals noch
von „Anpickzetteln“ und nannte die Plakatierer schlicht „Zettelpapper“ (vgl. SCHUSTER et. al., 1986:5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: links: Gustav Klimt, Ausstellung der Secession, unzensurierte Originalfassung, 1898.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: rechts: Gustav Klimt, zensurierte Fassung, 1898.
Auch in Österreich war es vor allem der Jugendstil, der um 1890 seine Liebe zu den neuen, bunten Formen der Botschaftsvermittlung gefunden hatte. Klimt, Schiele, Kokókschka haben ebenso Plakate entworfen wie der Architekt Loos. Gustav Klimt gestaltete 1989 für die neu gegründete Künstlervereinigung „Sezession“ ein aufsehen-erregendes Plakat, das als provokante Kampfansage an das Establishment richtig ver-standen und prompt verboten wurde. Erst die zweite, „sittlichere“ Variante wurde von der Zensur freigegeben (vgl. DENSCHER, 1992). Wieder einmal mußte also ein Vertreter der Avantgarde eine Demütigung erfahren - ein Schicksal, das Kokoschka mit Persön-lichkeiten wie Egon Schiele, Adolf Loos, aber auch dem Komponisten Arnold Schönberg teilte (vgl. DENSCHER, 1992:91).
Ein „typisch österreichisches Schicksal“ also, aber auch ein Beweis, daß Plakate Zeit-dokumente sind, Spiegelbilder von Moden, Sitten und Tabus.
1.4. Der erste Weltkrieg
Mit dem ersten Weltkrieg änderten sich die Motive. Statt Bohnenkaffee wurden „pa-triotische Veranstaltungen“ affischiert, statt Schuhmode wurden amtliche Ankündigun-gen dem Publikum zur Kenntnis gebracht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7 - 10: Kriegsanleiheplakate,
Julius Klinger, Ernst Ludwig Franke, Alfred Offner, Mihály Biró, 1918.
Die Werbeszene wurde von patriotischen Appellen und Sammelaufrufen beherrscht. Nicht die künstlerische Gestaltung, sondern die patriotische und politische Sozialisation stand im Vordergrund. Mit mittelalterlicher Symbolik und romanischen Heldengestal-ten wurde versucht, die mit modernsten Mitteln durchgeführte Massenvernichtung zu verharmlosen. Diese politische Propaganda, die den „Zeitgeist“ prägte, beeinflußte selbst moderne und nüchterne Künstler und somit auch die Wirtschaftsplakate. Vor allem die Kriegsanleiheplakate bilden ein sehr umfangreiches und interessantes Kapitel der öster-reichischen Plakatkunst.
Diese Zeit kann als Beginn gezielter psychologischer Beeinflussung und Motivierung der Rezipienten durch die Symbolik der Plakatgestaltung angesehen werden, die die politische Kultur unterstützen, prägen und beeinflussen sollte. Feindbilder, Symbolik und Gestaltungstechniken, die hier erstmals bei der Plakatgestaltung eingesetzt wurden, beherrschten auch die politische Propaganda der Ersten Republik und sind später noch verbessert und ausgefeilter in politischen Plakaten wiederzufinden.
1.5. Das Plakat der Zwischenkriegszeit
Nach dem ersten Weltkrieg bestand für einige Zeit keine Notwendigkeit und keinerlei Bedürfnis nach kommerzieller Reklame. Der Mangel an Rohstoffen und Gütern und die schlechte Versorgung mit Grundnahrungsmitteln machte jede Werbung überflüssig.
Eine Ausnahme bildete das Kino. Das neue Medium bot Ablenkung und Zerstreuung von dem triesten Alltag, und aufgrund des großen Erfolges und der Fülle an Produkten der Filmindustrie, eröffnete sich ein neues Betätigungsfeld für Plakatgraphiker.
Anfang der zwanziger Jahre verbesserte sich die wirtschaftliche Lage und es wurde wieder produziert, verkauft und geworben.
In der Zwischenkriegszeit gab es verschiedene künstlerische Vereinigungen wie das Bauhaus und die Dadaismus-Bewegung (die den Surrealismus vorbereitete), die sich jedoch auf Dauer nicht durchsetzen konnten. Diese künstlerischen Strömungen standen im Gegensatz zum pathetischen und polemischen Plakatstil der Vorkriegs- und Kriegs-zeit. Sie lehnten den mit antiker Mythologie, mit Zerr- und Angstbildern überladenen Bildaufbau ab und wollten das Plakat von jeglicher überflüssiger Dekoration befreit, zu seinem Grundzweck, der Kommunikation zurückführen.
Während der zwanziger und dreißiger Jahre setzte sich der Plakatstil des Konstrukti-vismus und der neuen Sachlichkeit immer mehr durch, und die altmodischen Allegorien der Vorkriegswerbung gerieten in Vergessenheit.
1.6. Konstruktivismus und Graphic Design
Fast vergessen ist die zweite, nicht minder wichtige Generation österreichischer Pla-kat-Designer: Josef Binder, Julius Klinger, Ernst Deutsch-Dryden, Victor Slama und Hermann Kosel um nur einige zu nennen.
Vor allem Josef Binder (1898-1972), der den Begriff des „graphic design“ schuf, hat durch sein graphisches Schaffen in den 30er Jahren in den USA wesentlich zur Ent-wicklung der Werbegrafik beigetragen. 1935 gründete er in New York ein Atelier für Graphik Design und fand für die Gestaltung von Schutzmarken, Plakaten, Inseraten und Zeitschriftencovers weltweite Anerkennung (vgl. DENSCHER, 1992:194). Er ist der Erfin- der des „Meindl-Mooren“ (1924), des Semperit-Signet und des Bensdorp-Schriftzuges (vgl. DENSCHER, 1992). Binder war ein großer Verehrer der Wiener Werkstätten und hob im Gegensatz zu Adolf Loos und Julius Klinger die künstlerische Bedeutung der Ge-brauchsgraphik besonders hervor.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.11: Oben: Joseph Binder, Meinl Kaffee,1924.
Der Architekt und Publizist Adolf Loos (1870-1933) hatte sich schon 1898 über das junge Medium Plakat Gedanken gemacht und forderte, daß sich die bildliche Darstellung der Sachlichkeit der Drucklettern anzunähern habe und nicht die Schrift ein Teil des illustrativen Elements des Plakates werden dürfe. Loos trat sehr für eine klare Schrift ein, bei der die Lettern eine „mathematische Gerade“ bil-den sollten (DENSCHER, 1992:97). Damit stand er im offe-nen Gegensatz zu den Künstlern der Secession und später den Vertretern der Wiener Werkstätten.
Auch Julius Klinger (1876-1942) war Anhänger und Wegbereiter dieser neuen und sachbezogenen Anschauung. Er war nach dem Krieg von Berlin wieder nach Österreich gekommen und hatte in Wien ein Atelier und eine Schule für Gebrauchsgraphiker gegründet. Klinger entwickelte eine neue Art der funktionellen Plakatgestaltung und errang damit bald internationale Aner-kennung. Dieser Funktionalismus forderte vor allem Nützlichkeit von der Reklame-kunst, wie es Hans Kropff im „Neuen Wiener Tagblatt“ von 1925 formulierte: „Immer wird der Entwurf, der Erfolg hat, schön sein. Nie wird der Künstler Anerkennung ernten für die Schönheit, sondern für die Nützlichkeit, für den Verkaufseffekt“ (DENSCHER, 1992:153).
Auch Victor Slama (1890-1973), Hermann Kosel (1896-1983) und Ernst Deutsch-Dryden (1879-1941) haben Entscheidendes zur Entwicklung noch heute gültiger Gestaltungstechniken beigetragen. Im 1923 von Victor Slama erstellten Plakat für das Magazin „Die neue Wirtschaft“ experimentierte er sehr erfolgreich mit „Eyecatchern“. Der Text wurde als grafisches Element integriert, so daß Schrift und Darstellung unzer-trennlich wirkten (DENSCHER, 1992:169). Für das Plakat „Springer-Seife“ bediente sich Ernst Deutsch-Dryden bereits 1923 des bis heute gängigen psychologischen „Tricks“ des „Kindchen-Schemas“. Hermann Kosel nutzte in einem Entwurf für „Elysium-Klin-gen“ 1923 die Popularität von Charlie Chaplin für Werbezwecke. Eine Idee, die bis heute in der Werbung aktuell geblieben ist (DENSCHER, 1992:162).
1.7. Das politische Plakat der 1. Republik
Eine gewaltige Veränderung des politischen Plakates brachte die erste Wahl der jun-gen Republik am 16. Februar 1919. Hatte man bisher versucht mit Textplakaten und rationalen Argumenten zu überzeugen, so wollte man nun den Betrachter mit aggressi-ven Bildplakaten emotional ansprechen.
Beeinflußt vom pathetischen Stil der Kriegsplakate wurde das rhetorische Pathos der damaligen Politiker verbildlicht. Das allgemeine Leben war damals ungeheuer politisch aufgeheizt, und die Politik beeinflußte nicht nur die Wirtschaftswerbung sondern auch Künstler, die sich bis dahin nicht mit dieser Materie befaßt hatten.
Der Konstruktivismus und die neue Sachlichkeit der zwanziger und dreißiger Jahre schienen vergessen, und einer der damals meistbeschäftigsten Grafiker, Mihály Biró verabscheute sie sogar und meinte: „Die politischen Plakate müssen meiner Meinung nach unbedingt von der schweren Last der sogenannten Sachlichkeit befreit werden. Die sachlichen Plakate haben da nichts zu suchen. Dieser Begriff hemmt jeden Schwung, jede Wucht, mit welcher der Künstler durch sein Plakat auf die Massen einhämmern sollte“ (DENSCHER, 1992:190).
Die Rhetorik und Bildersprache wurde geprägt von Symbolen wie Gespenster, rote Riesen, Tote, Skelette, Blutmonarchie und Kriegshetzer und zeigt die Unsicherheit, die Veränderung der Lebensanschauung und die Umwertung aller Werte dieser Zeit.
Diese vergiftete innenpolitische Atmosphäre, die alle Lebensbereiche umschloß, stei-gerte sich noch bis zu den Nationalratswahlkämpfen 1930, wo Propaganda gleichsam zu einer Waffe und Wahlkämpfe zu Wahlschlachten wurden.
1.8. Das Propaganda-Plakat der NS-Zeit
Die große Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre verursachte nicht nur die Rezession der Wirtschaftswerbung, sondern ermöglichte auch den Aufstieg der NSDAP in Deutschland.
Die Plakatgraphiker fanden ihr neues Betätigungsfeld im Bereich der politischen Propaganda, die in der Weimarer Republik einen Rückschritt in den pathetischen Stil der Kriegsplakate vollzog. Eine große Veränderung erfuhr das politische Plakat, als die Sieger der Propagandaschlachten der zwanziger Jahre an die Macht gelangten. Die Natio-nalsozialisten hatten sich während ihrer „Kampfzeit“ intensiv mit Propaganda ausein-andergesetzt und deren Wichtigkeit bereits klar erkannt. (Zu den vielen Begriffen, die nach dem Ende des Dritten Reiches sprachbewußten Menschen als desavouiert und nicht mehr benützbar empfanden, zählt auch der Begriff der Propaganda {Propaganda [lat.] = verbreiten}. Noch heute bevorzugen Politiker wie die Fachleute jener Branche, die ih-nen ihre Wahlplakate gestalten, den Begriff der Werbung. Bewußt oder unbewußt ist dies eine Reaktion auf die unbestreitbare Erkenntnis, daß das Instrumentarium moder-ner Propaganda für die Nationalsozialisten schon bei der Erringung und Stabilisierung ihres Regimes von zentraler Bedeutung war), (BROSZAT, MÖLLER, 1983: 152).
1933 analysierten Wissenschaftler im Auftrag des neugegründeten Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda die alliierte Kriegspropaganda sowie das politi-sche Plakat. Am bedeutendsten sind wohl die Studien von Erwin Schockel und Friedrich Medenbach. Schockel betrachtete zu Recht das Plakat als untrennbaren Bestandteil der Propaganda. „Das Plakat diente als Vehikel zur Politisierung sozialer Spannungen, es half den Pegel des politischen Bewußtseins anzuheben, der für die Radikalisierung un-umgänglich war“ (vgl. KÄMPFER, 1985:32). Er analysierte auch die Plakate der alliierten Weltkriegspropaganda und die Entwicklung des Feindbildes. „Als letzte Vollkommen-heit“ der Aussage eines Greuelplakates sieht Schockel es an, „das im Plakat dargestellte Geschehen so stark als Einzelschicksal hinzustellen, das es vom Betrachter direkt miter-lebt und mitgefühlt werden kann“ (vgl. KÄMPFER, 1985:32). Trotz Schockels national-sozialistischer Ideologie waren seine Arbeiten ein wesentlicher Schritt bei der Beurtei-lung politischer Plakate. Friedrich Medenbach versuchte vor allem die Wirkungsfaktoren und Regeln des Mediums Plakat aufzudecken. Als Grundgesetze führt er Vereinfachung, Wiederholung, Einseitigkeit und emotionale Steigerung an. Als „Werbeelemente“ un-terscheidet er sinnliche und formale.
Für das sinnliche Element differenziert er in Gefühls-, Aufmerksamkeits- und Gegensatzwirkung. Unter die formalen Werbeelemente subsumiert er Anzahl (Häufig-keit, Reihung, Gedächtniswirkung), Anordnung (Blickfang, Blicklenkung) sowie Grö-ße und Plazierung (vgl. KÄMPFER, 1985:36). Die Plakat-Untersuchungen aus dem NS-Deutschland haben gegenüber dem Forschungsstand zuvor wesentliche Einsichten ge-bracht, vor allem wurde das Bewußtsein von der Wichtigkeit des Bildplakates neu ge-schaffen. Von einigen Erkenntnissen und wissenschaftlichen Analysen aus dieser Zeit profitierte nach dem Ende des zweiten Weltkrieges auch die Wirtschaftswerbung. Wäh-rend des „Dritten-Reiches“ war jedoch jede Weiterentwicklung fast unmöglich, da die-ses totalitäre Regime eine politische und gesellschaftliche Gleichschaltung und Kon-trolle für den Gesamtbereich der Medien betrieb. Es gab kein Thema, das auf den Reichs-parteikonferenzen nicht in Form von Anweisungen oder Sprachregelungen behandelt wurde. Als Beispiel sei eine Anweisung vom 14.01.1937 an den Korrespondenten der Frankfurter Zeitung, Fritz Sänger angeführt: „Die Anzeigen-Abteilungen werden vom Propagandaministerium darauf aufmerksam gemacht, daß der Begriff „Rasse“ bei An-zeigen nicht verwendet werden darf. Es ist unzulässig, mit dem Stichwort „Rasse“ Propaganda für einen modernen Hut oder für einen bestimmten Motor der Autoindustrie zu machen“ (BROSZAT, MÖLLER, 1983:170).
1.9. Das Plakat der Nachkriegszeit
Das Ende des zweiten Weltkrieges bedeutete nicht nur für die Wirtschaftswerbung einen schweren Neubeginn. Werbestudios waren zerstört und Plakatwände hatten viel-fach der Bevölkerung als Heizmaterial gedient. Während des Wiederaufbaus wurden Plakatwände oft vor den Bombenruinen errichtet, um so Baustellen zu verdecken. Dies mag wohl ein Grund für die besonders hohe Plakatdichte von Wien in Relation zur Bevölkerung darstellen. Das Ende der Naziherrschaft brachte jedoch keine Renaissance der ehemals bunten Plakatwände. Papiermangel und das Mißtrauen in das, was auf Plakat-wänden stand, verhinderten eine künstlerische und ambitionierte Plakatgestaltung.
Neben den radikalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen, nach, dem Ende des Zweiten Weltkrieges erfuhr auch die Wirtschaftswerbung eine wesentliche Veränderung.
Wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Farblithografie, so war es nun die Fotografie, die die Plakatgestaltung entscheidend beeinflußte. Diese Entwicklung wurde durch die Objektivität und Glaubhaftigkeit, die anfänglich der Fotografie zugeschrieben wurde, noch verstärkt. In dieser Zeit des Mißtrauens und nach der Übersättigung mit pathe-tischen und emotionalen Plakatstilen befriedigte die Fotografie seit ihrer Erfindung durch Niepce und Lumière das Verlangen nach Realismus. Ein qualitativer Verfall war die Folge, der künstlerische Aspekt wurde immer weniger berücksichtigt, da die Werbe-treibenden die Wirkungsmöglichkeit des Ästhetischen konsequent ignorierten.
1.10. Der Beginn des elektronischen Zeitalters
Der Beginn der Konsumgesellschaft zu Anfang der 50er Jahre hatte schließlich den Niedergang der Plakatkunst zur Folge, denn es sollte um jeden Preis verkauft werden, und neben den audiovisuellen Medien erschien das Plakat nicht mehr effizient genug. Das Fernsehen wurde für die meisten Produkte zum wichtigsten Verkaufsmedium. David Ogilvy, der die Werbeagentur Ogilvy & Mather 1949 in New York gründete, meinte zu diesem Thema: „Für mich persönlich ist die Werbung weder Unterhaltung noch eine Form der Kunst, sondern vielmehr ein Medium der Information. Und ich möchte nicht, daß Sie eine Anzeige von mir als „kreativ“ bezeichnen, sondern diese so interessant finden, daß Sie das Produkt kaufen“ (OGILVY, 1983:7).
1.11. Mechanisierte Kunst
Erst nach einer gewissen Zeit, als manche Fotografen selbst zu Künstlern geworden waren, verstanden sie, daß sie die Natur nicht kopieren konnten (vgl. BAZIN, 1975:24). Künstler wie Andy Warhol und die Entwicklung der „Mac-Art“ der mechanisierten Kunst, retteten das Plakat vor weiterem ästhetischen Verfall. Sie befreiten die visuelle Sprache von ihren funktionellen Grenzen und führten die Plakatkunst zu einem neuen Bewußt-sein.
2. Das Plakat in Österreich
„Die Welt des Plakates ist untrennbar mit unserem Leben aus der Geschichte her verbunden. Ich kann mir ein Leben ohne Werbung, ein Leben ohne Plakat über-haupt nicht vorstellen. Eine Stadt ohne Plakat ist eine Stadt ohne Kultur. Es gibt kaum bedeutende Künstler, die sich nicht irgendwann einmal in ihrem Leben mit Plakaten beschäftigt haben“ (Prof. Dr. Helmut Zilk, ehem. Bürgermeister der Stadt Wien).
2.1. Die Relevanz des Plakates in Österreich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 12: Bertold Löffler, Fledermaus, 1907.
Österreich zählt zu den klassischen europäischen Plakatländern. Das Plakat ist zwar nicht das wichtig-ste Medium, aber im Vergleich mit anderen europäi-schen Ländern besitzt es hier einen weit höheren Stel-lenwert. Die Position, die Österreich heute als Plakat-land einnimmt, ist aus der geschichtlichen Entwick-lung zu begründen. Jugendstilkünstler wie Klimt, Schiele oder Kókoschka verhalfen dem Plakat schon zur Jahrhundertwende zu Ansehen und Erfolg. In der „Plakatstadt“ Wien gab es schon vor dem ersten Welt-krieg mehr Anschlagflächen als in Paris oder Berlin. Die zweite Generation österreichischer Plakatdesigner wie: Josef Binder, Julius Klinger, Ernst Deutsch-Dryden, Victor Slama und Hermann Kosel hatten in den 20er und 30er Jahren Weltgeltung und prägten vor allem die amerikanische Werbegrafik entscheidend. Damals wurden noch heute gültige Gestaltungskriterien entwickelt, deren österreichischer Ursprung mittlerweile in Vergessenheit geraten ist.
2.2. Die Sonderstellung des Plakats in Österreich
2.2.1. Österreichs Werbevolumen im europäischenVergleich
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Abb. 13 a: Der Pro-Kopf-Werbeaufwand im europäischen Vergleich.
Die folgenden Daten zur Werbemarktbeobachtung stammen zum Großteil aus dem Medienbericht /93 des Institutes für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg. Als Quellen wurden folgende Unternehmen angegeben: der Media & Market Observer (MMO), Wien und die Nielsen Company. Die Erhebungsdaten die-ser beiden Institute differieren jedoch infolge unterschiedlicher Erhebungsmethoden. Weiters sei angefügt, daß aufgrund von Gegengeschäften, Sonderkonditionen oder Agenturprovisionen die Werbestatistiken vermutlich um mindestens 25 Prozent über den tatsächlichen Werbeerlösen liegen.
In Europa wurden, nach MMO und EAT, 1990 insgesamt 556 Milliarden Schilling für die klassische Werbung (Tages- und Wochenzeitungen, Illustrierte und Magazine, Hör-funk, Fernsehen und Plakatwerbung) ausgegeben. Österreichs Anteil am europäischen Werbeetat betrug 1990 bei 12,632 Milliarden Schilling Werbevolumen 2,3 Prozent. Der österreichische Werbemarkt rangiert damit an zehnter Stelle von 17 ausgewiesenen Län-
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Abb. 14: Die Entwicklung des Pro-Kopf-Werbeaufwands in Österreich.
dern. Mit einer Steigerung des Werbevolumens von 10,3 Prozent gegenüber 1989 zählte Österreich 1990 zu den expandierenden Ländern.
Beachtet man nun die Pro-Kopf-Werbeaufwendungen im europäischen Vergleich, so lag Österreich 1991 an zehnter Stelle (vgl. Abb. 13 a + b). Nur die Werbemärkte Griechen-lands, Portugals und Spaniens verzeichneten höhere Zuwächse, während die Werbeetats Großbritanniens und der skandinavischen Länder Finnland, Norwegen und Schweden 1991 gegenüber 1989 deutlich sanken. Nielsen errechnet den österreichischen Pro-Kopf-Werbeaufwand für 1992 mit 1747 Schilling, er stieg somit seit 1990 um 280 Schilling (vgl. Abb. 14).
Österreich rangiert demnach erstmals vor Deutschland, das aber durch die Berück-sichtigung der neuen Bundesländer einen leichten Rückgang des Pro-Kopf-Werbeauf-kommens zu verzeichnen hatte (vgl. Abb. 15).
Der Vergleich der Werbeträgergruppen in Österreich, Deutschland und der Schweiz zeigt, gemessen am Pro-Kopf-Werbeaufwand wie am absoluten Werbevolumen, die unterschiedliche Position der einzelnen Medien in diesen Ländern. Zu beachten ist da-bei der erheblich geringere Mediamarktanteil der deutschen Plakatwerbung im Vergleich mit Österreich.
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Abb. 15: Vergleich des Pro-Kopf-Werbeaufwands in Österreich, der Schweiz und der BRD.
2.2.2. Die Entwicklung des Werbevolumens
Beachtet man die Entwicklung des österreichischen Werbevolumens, so fällt auf, daß das Plakat 1991 von der wirtschaftlichen Rezession am wenigsten betroffen war. Um rund 100 Millionen Schilling oder 13,6 Prozent wurde 1991 mehr für Werbekampagnen auf Plakatwänden aufgewendet als im vorhergehenden Jahr. Dies ist unter anderem die Folge von erfolgreichen Plakatkampagnen, die zu Jahresende für Aufsehen und Cash sorgten. Diese Aufwärtsentwicklung der Werbeeinnahmen hielt auch 1992, mit einem Wachstum von zehn Prozent nominell und sechs Prozent real deutlich an (Aussenwerbung Aktuell, 1992) (vgl. Abb. 16 a + b).
Das Werbevolumen der werbetreibenden Wirtschaft betrug 1992 nach MMO 14,445 Milliarden Schilling. Bedingt durch die durchschnittliche Tarif-Steigerung von 14,02 % bedeutet das einen realen Rückgang von 6,58 % im Vergleich zum Vorjahr. Über den größten Etat aller Mediengruppen verfügten auch 1992 die Tageszeitungen, auch wenn die Werbeausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 2,01 % zurückgingen. Mit 10,63 % hatte die Plakatwerbung 1992 nach den elektronischen Medien das größte Wachstum zu verzeichnen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß vor allem die Anhebung der Tarife bei Hörfunk und Fernsehen zu diesen klaren Gewinnen verhalfen (vgl. Abb. 17 a + b).
2.2.3. Die Entwicklung der Mediamarktanteile
Die Tageszeitungen verfügten 1992 immer noch über den größten Marktanteil unter den Mediengruppen, wenn auch ihr Anteil von 34,34 % im Jahr 1991 auf 31,32 % schrumpfte. Positiv verlief das Werbejahr 1992 für das Plakat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 16 a: oben: Die Entwicklung des Werbevolumens in Österreich.
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Abb. 17 a: oben: Das Werbevolumen nach Medien.
Es erreichte einen Etat von etwa 883 Millionen Schilling und konnte seinen Medien-Marktanteil von 5,86 % im Jahr 1991 auf 6,04 % steigern (vgl. Abb. 18 a + b).
Die größten Verbesserungen gab es 1992 auf dem Sektor der elektronischen Medien, vor allem durch die 28 prozentige Tariferhöhung, die deutlich an der unteren Grafik sichtbar ist. Der Anteil des Hörfunks stieg von 10,37 % auf 12,08 %. Das Fernsehen konnte seinen Marktanteil von 22,69 % auf 25,19 % ausbauen. Mit einem Index von 150 (Basis 1987) erzielte das Plakat von 1987 bis 1992, relativ gesehen, eine beachtli-che Steigerung. Die Entwicklung im Jahr 1992 verlief damit genau entgegengesetzt zum Vorjahr. 1991 verzeichneten die Printmedien hinsichtlich der Marktanteile noch steigende Tendenz, während die Ergebnisse für die elektronischen Medien rückläufig waren (Marketing Journal 2/93:166) (vgl. Abb. 19).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 18 a: Die Medien-Marktanteile nach Werbeträgern.
2.2.4. Die Werbeausgaben nach Wirtschaftsbereichen
Die Analyse nach Branchen zeigt, daß es in erster Linie die elektronischen Werber waren, die ihre Werbe-Etats gegenüber 1991 merkbar aufstockten. So erhöhten die Nahrungs- und Genußmittel, die 80 % ihres Werbeaufkommens in die elektronischen Medien streuen, ihren Werbe-Etat um 19,83 %. Auch die Reinigungsmittel (zu 90 % elektronisch orientiert) hoben um 19,65 % ihr Werbevolumen an.
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Abb. 19: Die Entwicklung der Marktanteile nach Werbeträgern.
Der große Gegentrend zeigte sich bei den print-orientierten Branchen, die ihren Etat nur geringfügig erhöhten oder sogar reduzierten. Die Werber der Investitionsgüter und Sonstigen Artikel ( zu 80 % im Print vertreten) erhöhten ihr Werbe-Butget nur mit 3,49 %, die Haushaltswaren sogar nur um 3,11 %.
Gemildert wurde dieser Abwärtstrend nur durch die Kfz-Branche mit einem Plus von 11,41 % und dem Handel (als traditioneller Print-Werber) mit einer Erhöhung der Werbe-ausgaben um 11,59 %, womit er erstmals die werbestärkste Branche in Österreich dar-stellte (Marketing Journal 2/93:167) (vgl. Abb. 20 a + b).
Die Kunden der österreichischen Plakatwirtschaft sind in erster Linie Banken und Versicherungsunternehmen wie auch der Handel und die Nahrungsmittel- und Genußmittelindustrie. Diesen Branchen folgen die Bekleidungs- und Tabakindustrie. Nicht zuletzt muß noch erwähnt werden, daß das Plakat für die politischen Parteien, besonders während der Wahlkämpfe, von großer Bedeutung ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 20 a: Das Werbevolumen nach Wirtschaftsbereichen.
2.2.5. Der Werbekostenindex
Zum Vergleich der Werbekosten in den einzelnen Medien wird in den Streuplänen der 1000 Leser/Seher/Hörer-Preis angeführt. Er gibt die Kosten einer Einschaltung in ein Medium oder eines Streuplanes pro 1000 erreichte Personen auf der Basis der Netto-reichweiten an. Bei den Printmedien wird der 1000er Preis anhand des Seitenpreises SW berechnet, bei den elektronischen Medien werden die Kosten eines 30-Sekunden-Spots herangezogen.
Betrachtet man nun die Entwicklung der Werbetarife der einzelnen Medien, wird deut-lich, daß die elektronischen Medien ihre Preise am stärksten erhöhten. Die zweithöchste Steigerung des Preisindex seit 1982 verzeichneten die Illustrierten, gefolgt von den Ta-geszeitungen. Diese erhöhten ihre Anzeigetarife 1993 gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozent, die Illustrierten verrechneten um 5,4 Prozent höhere Tarife.
Einer der Gründe für die Sonderstellung des Plakats in Österreich ist seine Wirtschaft-lichkeit. Plakatwerbung ist überaus preiswert und preisstabil. Plakate sind das einzige nicht elektronische Medium mit von der Paritätischen Kommission bestimmten Tarifen. Diese Tarife für die Plakatwerbung wurden seit 1991 kontinuierlich um nur drei Prozent pro Jahr erhöht (Medienbericht4, 1993:441) (vgl. Abb. 21).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 21: Die Entwicklung des Werbekostenindex.
2.2.6. Die Plakatdichte
Mit etwa 130.000 Plakatflächen in ganz Österreich können 40 bis 45 flächendeckende überregionale Kampagnen pro Monat angeboten werden. Österreich zählt damit zu den klassischen europäischen Plakatländern mit dem dichtesten Plakatstellennetz in Europa. Bereits 1988 betrug die Plakatdichte, laut PANNMEDIA G.m.b.H., 17 Allgemein-und Ganzstellen pro 1000 Einwohner und lag somit mehr als doppelt so hoch als in Frankreich, das ebenfalls als historisches Plakatland gilt (vgl. Abb. 22 a + b).
2.2.7. Die Plakatformate
In Österreich wird die größte Formatvielfalt aller europäischen Länder geboten. Diese unterschiedlichen Plakatgrößen bieten den Werbenden die Möglichkeit, die Plakatflä-chen in entsprechender Weise auszunutzen und dem Sujet anzupassen. Mit Großforma-ten etwa lassen sich Bedeutung, Stärke und Marktleadership signalisieren. Das 16- oder 24-Bogen-Plakat ist dagegen nach wie vor eines der rationellsten und gleichzeitig flexi-belsten Formate. Als werbewirksam hat sich die gestaltungsadäquate Formatkombination von Groß- und Kleinformaten erwiesen. Während in Deutschland Formate über 18-
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 22: Die Plakatdichte in Europa.
Bogen kaum Verwendung finden, hat sich in Österreich, das 24-Bogen-Plakat mittler-weile durchgesetzt. Das 72-Bogen-Plakat erzielt zwar nach wie vor Wirkung, aber kaum mehr Staunen. In den westlichen Bundesländern existieren jedoch noch relativ wenige 72-Bogen-Plakatflächen. Um solche riesigen Plakatflächen wie das 72-Bogen-Plakat wirksam zu füllen, bedarf es einer tragenden, konzeptionellen Idee, damit die Plakat-wand nicht in schier endloser Beliebigkeit versandet. Ein gelungenes „Endlos-Plakat“ ist etwa eines, das auf dem Gesetz der Kombinatorik basiert: Jedes Plakat wirkt für sich allein, ist allerdings auch beliebig kombinierbar und wirkt in „endloser“ Aneinanderreihung immer wieder neu und interessant.
In Österreich haben sich unter solchen Plakat-Sonderformaten vor allem eine baukasten-mäßige Kombination von 16- und 8-Bogen-Plakaten sowie weiteren Kombinationen bewährt, durch die sich einerseits eine 24-Bogen-Großfläche erzielen läßt, andererseits aber auch eine vernünftige kalkulierte Plakatdichte auf einzelnen 16- und 8-Bogen-flächen ermöglicht wird (vgl. Abb. 23).
Die Litfaßsäule erfreut sich in letzter Zeit zunehmender Beliebtheit. Erstens wegen ihrem reizvollem, dem historischen Original nachempfundenen Äußeren. Zweitens wegen der vielfältigen Möglichkeiten, auf Litfaßsäulen zu werben. Es lassen sich 1-Bogen-Plakate bis zu 16-Bogen-Plakate darauf affichieren. Durch die spezifische Form der Litfaßsäule können „Rundplakate“ ohne Anfang und Ende entstehen, die etwa bei Pro-dukten wie Autoreifen äußerst originelle Wirkungen erzielen.
Vor allem in angelsächsischen Ländern wird ständig mit neuen Plakatgestaltungs-strategien experimentiert. Als besonders originell, aber nicht ganz billige Strategie, ist das Dreidimensionale-Plakat zu erwähnen. Produkte, vor allem der Unterhaltungs-elektronik oder der Zigarettenwerbung werden als Attrappen auf dem Plakat befestigt und in das Layout integriert. Auch „Duftplakate“ wurden bereits erprobt, die nach dem Anritzen oder Reiben „wohlriechende Düfte“ verströmen. Ziel dieser mehr oder minder originellen Ideen ist es immer, den passiven Plakatbetrachter zu aktivieren und seine emotionale Akzeptanz zu steigern.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 23: Die in Österreich gebräuchlichsten Plakatformate.
Schließlich sei noch das Schweizer-Einheitsformat erwähnt, durch das sich die Schwei-zer-Plakatwerbung von allen anderen europäischen Ländern unterscheidet. Das Einheits-format von 90,5 x 128 cm wurde um die Jahrhundertwende als „Weltformat“ vorge-schlagen. Initiator war Professor Wilhelm Ostwald von der Universität Leipzig, Schöp-fer und Förderer der Farbenlehre, der 1909 den Nobelpreis erhielt. Sein Plakatformat ermöglicht ein Erfassen der Gesamtfläche auf mittlere Sehdistanz und zwar auf den ersten Blick. Dieses Format konnte sich jedoch nur in der Schweiz durchsetzen (SAILER, 1965:37).
2.2.8. Die Plakatfrequenz
Die Normallaufzeit der Plakatierung in Österreich beträgt etwa 30 Tage, beginnend mit dem jeweiligen Monatsende. In den meisten übrigen europäischen Staaten beträgt die Plakatierungsdauer nur 14 Tage. In Deutschland und in England gar nur 7 bis 10 Tage. Diese ungewöhnlich lange Laufzeit von 30 Tagen gewährleistet Reichweiten um die 95 Prozent (SCHWEIGER, et.al., 1986:25).
Die zunehmende Informationsüberlastung, die die Kontaktchance und die Kontakt-nutzung verringert, übt einen besonderen Druck zu größerer Frequenz aus. Durch das hohe Plakatstellennetz und die ungewöhnlich lange Affichierungsdauer in Österreich lassen sich höhere Frequenzen einfacher verwirklichen. Diesem Umstand ist unter an-derem die Sonderstellung der Plakatwerbung in Österreich zu verdanken. Eine verein-fachte Darstellung reduziert die erfolgreiche Plakatwirkung auf die Formel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Plakatdichte und Plakatgröße sind jedoch keine Garantien für einen Erfolg. Die Wir-kung eines Plakats setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen, etwa zu einem Drittel durch Kriterien wie Bogengröße und Auflagenhöhe und zu zwei Dritteln durch die Gestaltungsqualität. Ein Plakat kann jedoch nur so gut sein, wie häufig es wahrgenom-men wird.
Die Relevanz der Plakatwerbung in Österreich resultiert also aus mehreren Faktoren. Beginnend mit der langen Geschichte der Plakatwerbung, der hohen Plakataffinität der Bevölkerung und dem Kunstanspruch dieses Mediums genießt das Plakat eine fast ver-hätschelte Sonderstellung in Österreich. Durch gelungene Plakatkampagnen etwa von Palmers oder Römerquelle und der hohen Stellendichte sieht die österreichische Plakat-werbung einer sicheren Zukunft entgegen und auch hierin unterscheidet sie sich von anderen europäischen Ländern.
WERBESTRATEGIEN UND WERBETECHNIKEN
3. Wirtschaftswerbung
Unter Werbung werden gemeinhin alle Maßnahmen zur menschlichen Beeinflussung mit dem Ziel der Absatzförderung verstanden. Der Begriff Werbung umfaßt jedoch ein weit größeres Spektrum. Blüten bedecktsamiger Pflanzen konkurrieren beispielsweise durch leuchtende Farben um die Aufmerksamkeit der Insekten, und auch der Pfau macht für sich Werbung, wenn er seine Unterrückenfedern zu einem „Rad“ aufrichtet. Auch die Wirtschaftswerbung muß in einem breiteren Kontext gesehen und verstanden wer-den, als Marketinginstrument und als eine Form der Marktkommunikation.
3.1. Werbung als Form der Marktkommunikation
Werbung ist als Teil der Marktkommunikation zu verstehen, die dazu dient, die Kon-sumenten auf die vielfältigen Angebote hinzuweisen.
„Unter Marktkommunikation versteht man den Vorgang der Übermittlung von Informationen, die Austauschprozesse am Markt beeinflussen können“ (SCHWEIGER/SCHRATTENECKER, 1986:2).
Die Bedeutung der Marktkommunikation wird mit zunehmender Informations-konkurrenz immer wichtiger, da es für den einzelnen Anbieter dann immer schwieriger wird, zur Menge der wahrgenommenen Kaufalternativen zu gehören. Marktkommuni-kation kann in symbolische Kommunikation und in Produktinformation untergliedert werden.
Die symbolische Kommunikation umfaßt hierbei alle Arten von Kommunikations-prozessen, bei denen das Produkt oder die Dienstleistung in Form von Zeichen und Symbolen (in Worten, Bildern) physisch nicht greifbar dargestellt wird. Unter Produkt-information oder Objektkommunikation versteht man jene Kommunikationsprozesse, bei denen das Produkt Träger und Übermittler der Informationen ist. All diesen Formen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 24: Die Formen der Marktkommunikation.
der Marktkommunikation liegt jedoch das Kommunikations-Paradigma: „Wer - sagt was - auf welchem Kanal - mit welcher Wirkung“ von Laswell, zugrunde (vgl. SCHWEIGER/ SCHRATTENECKER, 1986:1).
[...]
- Quote paper
- Wilhelm Bauer (Author), 1995, Die Strategien und Techniken der Plakatwerbung als Reaktion auf die veränderten Kommunikationsbedingungen , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125364
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