Jedes Kind ist anders. Jedes hat seine Stärken und individuellen Schwächen. In den ersten Lebensjahren bis zum Schuleintritt lernen aufmerksame Eltern und Erzieherinnen die Eigenheiten und eben auch die starken und die schwachen Seiten der ihnen anvertrauten Kinder im alltäglichen Geschehen kennen. Spricht ein Kind auffallend schlecht oder steht es in seiner motorischen Entwicklung hinter seinen gleichaltrigen Spielkameraden im Kindergarten augenscheinlich zurück, so werden im Idealfall therapeutische Maßnahmen eingeleitet, die diese Defizite bis zur Einschulung aufarbeiten und manchmal sogar beheben.
Oft treten aber erst mit Schulbeginn oder in höheren Schuljahren bei zuvor scheinbar unauffälligen Kindern Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens und Rechnens auf, die dem betroffenen Mädchen oder Jungen ein Mithalten im Gleichschritt der jahrgangshomogenen Lerngruppe schier unmöglich machen. Trotz verstärkter Mühen und Anstrengungen des Kindes bleiben die Leistungen im betroffenen Fach schlecht und verstärken sich oft sogar noch. Nicht nur das Kind leidet, oft fühlen sich die Eltern mitschuldig, suchen die Ursachen in ihrer Erziehung und
nehmen viele Kosten und Mühen auf sich, um ihrem Kind eine möglichst wirksame Therapie zukommen zu lassen. Die PISA- und IGLU-Studien zeigen, dass Probleme im Bereich des Lernens keine Seltenheit sind. Bei diesen internationalen Vergleichsstudien erreichten 10% der bundesdeutschen 15-jährigen Schüler nicht einmal die niedrigste Kompetenzstufe im Lesen. Besonders Kinder mit Migrationshintergrund fallen durch unterdurchschnittliche Schulleistungen negativ auf.
Diese Hausarbeit verfolgt die Fragestellung, wie eine Förderung von Kindern mit besonderem Förderbedarf in den Kernfächern Deutsch und Mathematik in den Eingangsklassen der neuen Schuleingangsphase mit jahrgangsgemischten Lerngruppen aussehen kann.
Bei der Erarbeitung eines möglichen Themas für die schriftliche Hausarbeit war mir ein direkter Vergleich zwischen Erkenntnissen und Forderungen der Wissenschaftler und den Umsetzungsmöglichkeiten in der Schule besonders wichtig.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Zur persönlichen Themenfindung
1.2 Zum Aufbau der Arbeit
1.3 Anmerkung zur Vertiefung der Themen
2 Literaturlage
2.1 Lernschwierigkeiten
2.2 Die neue Schuleingangsphase
2.3 Förderung im Schulalltag – Anleitungen für die Praxis
3 Lernschwierigkeiten
3.1 Hinführung zur Problematik: Lernschwierigkeiten allgemein
3.2 Unterteilung von Lernschwierigkeiten
3.3 Die Frage nach der „Schuld“ – Ursachenforschung bei Lernschwierigkeiten
4 Betrachtung von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten und Rechenproblemen als Störungen der sensorischen Integration
4.1 Sensorische Integrationsstörung: Lese-Rechtschreib- Schwierigkeiten
4.1.1 Zum Erscheinungsbild von Lese-Rechtschreib- Schwierigkeiten
4.1.2 Kennzeichen von Lesestörungen
4.1.3 Kennzeichen von Rechtschreibschwierigkeiten
4.2 Sensorische Integrationsstörung: Rechenschwierigkeiten
4.2.1 Zum Erscheinungsbild von Rechenschwierigkeiten
4.2.2 Wann liegt eine Rechenstörung vor?
4.3 Auswirkungen und mögliche Folgen von Lernschwierigkeiten (LRS & Rechenprobleme)
4.4 Die langfristigen Entwicklung von Kindern mit Lernschwierigkeiten
4.5 Wissenschaftliche Anforderungen an Förderkonzepte
4.5.1 Diagnostische Erhebungsverfahren
4.5.2 Wissenschaftliche Erkenntnisse der LRS-Förderung
4.5.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse der Rechenförderung
5 Die neuen Schuleingangsphase mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen
5.1 Einführung in die Thematik der neuen Schuleingangsphase mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen
5.2 Zur Entwicklung der Altershomogenität in deutschen Schulklassen
5.3 Feststellung der Schulfähigkeit
5.4 Empfehlungen zum Schulanfang durch die Kultusministerkonferenz
5.5 Was ist die neue Schuleingangsphase?
5.6 Ziele und Begründung zur neuen Schuleingangsphase
5.7 Rhythmisierung des Schultages
5.8 Gegenargumente zur neuen Schuleingangsphase
5.9 Empirische Vergleichsuntersuchungen zu altersgemischten Schulklassen
5.10 Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten in der neuen Schuleingangsphase
6 Schulische Förderung von Kindern mit Störungen der sensorischen Integration im jahrgangsgemischten Lernen der neuen Schuleingangsstufe – Erfahrungen aus der Praxis
6.1 Zu den Rahmenbedingungen
6.1.1 Motivation für das Praktikum
6.1.2 Auswahl der Schule
6.1.3 Organisation und Kontaktaufnahme mit der Hospitationsschule
6.2 Auswahl und Vorstellung der methodischen Instrumente
6.3 Durchführung von Datenerhebungen
6.3.1 Unterrichtsbeobachtungen
6.3.2 Ergebnisse der Unterrichtsbeobachtungen
6.3.3 Zusammenfassung des Leitfadeninterviews mit der Klassenlehrerin Frau XXXXXX
6.4 Schulische Förderstrategien – Einsatz, Möglichkeiten, Grenzen
6.4.1 Förderung in der Hospitationsklasse
6.4.1.1 Fördermöglichkeiten für den Schreibanfang
6.4.1.2 Silbensegmentierung am Beispiel der Bananendampfer und der Parkplatzwörter
6.4.1.3 „Vier Mal rot und zwei Mal blau heisst schlau!“ – Das Lernen in Bewegung bringen – Ein Trainingskonzept von Maike Hülsmann
6.4.1.4 Förderungen von Kindern mit Rechenschwierigkeiten
6.4.2 Auswertung der vorgestellten Förderansätze
7 Resümee
Glossar
Literaturverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
A. Das Entwicklungsmodell des Lesens und Schreibens nach Renate Valtin
B. Schuleingangsphase in den Bundesländern (Stand 2005)
C. Zum Stand der schulpolitischen Diskussion um die flexible, jahrgangsgemischte und integrative Schuleingangsphase in den Bundesländern
1 Einleitung
Jedes Kind ist anders. Jedes hat seine Stärken und individuellen Schwächen. In den ersten Lebensjahren bis zum Schuleintritt lernen aufmerksame Eltern und Erziehe-rinnen[1] die Eigenheiten und eben auch die starken und die schwachen Seiten der ihnen anvertrauten Kinder im alltäglichen Geschehen kennen. Spricht ein Kind auf-fallend schlecht[2] oder steht es in seiner motorischen Entwicklung hinter seinen gleichaltrigen Spielkameraden im Kindergarten augenscheinlich zurück, so werden im Idealfall therapeutische Maßnahmen eingeleitet, die diese Defizite bis zur Ein-schulung aufarbeiten und manchmal sogar beheben.
Oft treten aber erst mit Schulbeginn oder in höheren Schuljahren bei zuvor schein-bar unauffälligen Kindern Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens und Rechnens auf, die dem betroffenen Mädchen oder Jungen ein Mithalten im Gleichschritt der jahrgangshomogenen Lerngruppe schier unmöglich machen. Trotz verstärkter Mühen und Anstrengungen des Kindes bleiben die Leistungen im betrof-fenen Fach schlecht und verstärken sich oft sogar noch. Nicht nur das Kind leidet, oft fühlen sich die Eltern mitschuldig, suchen die Ursachen in ihrer Erziehung und nehmen viele Kosten und Mühen auf sich, um ihrem Kind eine möglichst wirksame Therapie zukommen zu lassen. Die PISA- und IGLU-Studien zeigen, dass Probleme im Bereich des Lernens keine Seltenheit sind. Bei diesen internationalen Ver-gleichsstudien erreichten 10% der bundesdeutschen 15-jährigen Schüler nicht ein- mal die niedrigste Kompetenzstufe im Lesen. Besonders Kinder mit Migrationshin-tergrund fallen durch unterdurchschnittliche Schulleistungen negativ auf.[3]
Auf schulorganisatorischer Seite bieten die Konzeption der neuen Schuleingang-phase und die Möglichkeit des jahrgangsübergreifenden Lernens (JüL) schulisch leistungsschwachen Kindern eine Möglichkeit, ihrem besonderem Förderbedarf ge-recht zu werden. Im Unterricht in den altersheterogenen Lerngruppen wird mit Bin-nendifferenzierung gearbeitet und dadurch der Druck des gleichschrittigen Lernens von den Kindern genommen.[4]
Diese Hausarbeit verfolgt die Fragestellung, wie eine Förderung von Kindern mit besonderem Förderbedarf in den Kernfächern Deutsch und Mathematik in den Ein-gangsklassen der neuen Schuleingangsphase mit jahrgangsgemischten Lerngrup-pen aussehen kann.
1.1 Zur persönlichen Themenfindung
Bei der Erarbeitung eines möglichen Themas für die schriftliche Hausarbeit war mir ein direkter Vergleich zwischen Erkenntnissen und Forderungen der Wissenschaft-ler und den Umsetzungsmöglichkeiten in der Schule besonders wichtig.
Durch meine mittlerweile dreijährige nebenberufliche Betreuungstätigkeit in einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen interessiere ich mich für „schwierige“ und lernschwache Kinder.
Wie aber sieht dies in den Grundschulen aus? Auch dort gibt es sie, Kinder, die im Lehrplan nicht mithalten können, die den Unterricht stören, zum Klassenkasper werden und sich mit Fäusten gegen Schwierigkeiten und Herausforderungen weh-ren[5]. Bei genauerer Literaturrecherche stellte ich fest, dass Grundschullehrkräfte oft Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten und Rechenproblemen als schwierig und anstrengend einstufen, da sie mehr Zeit als andere Schüler in Anspruch neh- men. Manchmal schafft es ein Kind, einen Satz gut zu schreiben oder eine Aufgabe sinnvoll zu rechnen. Dann aber macht es wieder „Anfängerfehler“ und es scheint, als haben der Schüler nichts gelernt. Da liegt es für viele Lehrkräfte nahe, dass die-se Jungen und Mädchen eigentlich „nur faul, dumm, unkonzentriert, unmotiviert, im ganzen verhaltensauffällig oder ähnliches sind“. Eine solche oder eine ähnlich gear-tete Einschätzung der Lehrerin sowie die ausbleibende Förderung in dem problem-behafteten Fach setzt häufig eine negativ Spirale in Gang, bei der eine der beteilig-ten Personen nach ganz unten rutscht: das Kind.
Mein Interesse war geweckt und so formulierte ich mit Prof. Dr. Tassilo Knauf eine Fragestellung, die die schulische Förderung von Kindern mit Störungen der sensori-schen Integration am Beispiel von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten und Rechen-problemen in den Mittelpunkt stellt. Die neue Schuleingangsphase kam als ergän-zender Aspekt hinzu, da auch das Bundesland Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit eröffnet, in immer mehr Schulen jahrgangsübergreifenden Unterricht durchzuführen und sich dieses Schulmodell anschickt zukunftsweisend zu sein.
1.2 Zum Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit bearbeitet zunächst die Vorstellung der Literaturlage und erschließt im Hauptteil drei Themenbereiche sowie verschiedene inhaltliche Schwer-punkte. Zu Beginn dieses Hauptteiles werde ich auf die komplexe Begriffsfindung des Phänomens „Lernschwierigkeiten“ eingehen[5] und durch die Vorstellung ver-schiedener „Ursachen-Konzepte“ den Ausdruck „Störung der sensorischen Integration“ belegen. Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS) und Rechenstörungen sind nur zwei mögliche Ausdrucksweisen von Störungen der sensorischen Integration eines Menschen. Da hier nicht jede mögliche Art von Lernstörungen thematisiert werden kann, stehen LRS und Rechenstörungen stellvertretend für eine Vielzahl von möglichen Lernschwierigkeiten, die in Folge von gestörten sensorischen Integ-rationsvorgängen auftreten können. Für die Erscheinungsformen und Auswirkungen von LRS und Rechenproblemen soll der Leser im Unterpunkt Vier sensibilisiert wer-den.
Der zweite, inhaltlich kürzere Themenbereich dieser Hausarbeit beschäftigt sich mit der neuen Schuleingangsphase und der Durchführung des jahrgangsübergreifenden Lernens. Grundlagenkonzepte und Richtlinien des jahrgangsgemischten Unterrichts werden hier ebenso vorgestellt wie die Rahmenbedingungen der neuen Schulein-gangsphase.
Diesem theoretischen Teil füge ich die Unterrichtsbeobachtungen und Ergebnisse eines zweiwöchigen Schulpraktikums an der XXXXX Grundschule in Berlin-XXXXXXXX an. Diese sollen einen Einblick in die Schulpraxis geben und zeigen, wie nah oder wie fern sich Forschung und Praxis im Unterrichtsalltag der Grund-schule sind. Dokumentierende Fotos aus diesem Praktikum finden sich zum Teil in dieser Ausarbeitung, überwiegend jedoch auf der der Arbeit beiliegenden CD-Rom. Da er inhaltlich nicht angemessen in die Arbeit einfließen kann, ist im Anhang ein ausführlicher Bericht dieses Praktikums beigefügt.
Die Hausarbeit schließe ich mit einem Resümee und einem persönlichen Ausblick.
1.3 Anmerkung zur Vertiefung der Themen
Die formalen Vorgaben des staatlichen Prüfungsamtes der Universität Duisburg-Essen verweisen bei der Anfertigung der schriftlichen Hausarbeit auf einen maxima-len Umfang von 60 Seiten. In Absprache mit Prof. Dr. Knauf darf diese Vorgabe für eine angemessene Themenerarbeitung von mir überschritten werden. Dennoch sind Einschränkungen in der Thementiefe dieser Arbeit sowie in der Entwicklungsfrage notwendig. So geben die beiden Theorieteile keinen detaillierten Einblick in die his-torische Entwicklung der einzelnen Fachbegriffe (wie z.B. Lese-Rechtschreib-Schwäche), in die Geschichte der deutschen Grundschule oder die differenzierte Beschreibung von Lern- und Leistungsschwierigkeiten. Vielmehr soll mit einer schlüssigen Hinführung zur Problematik von Lernschwierigkeiten, ein tieferes Ver-ständnis für die betroffenen Kinder erzielt werden. Gleiches gilt für den jahrgangs-gemischten Unterricht, der in seiner Konzeption vorgestellt, nicht aber ausführlich analysiert werden kann.
Die Vor- und Nachteile oder auch die Hintergründe der neuen Schuleingangsphase und des jahrgangsübergreifenden Unterrichts werden von mir angesprochen, nicht aber ausführlich abgewogen und diskutiert. Hier liegt der Fokus der Arbeit klar auf den Fördermöglichkeiten für Kinder mit schulischen Leistungsschwächen.
Weiterführende Literatur wird an entsprechender Stelle über Fußnoten genannt, sodass sich offene Fragen dort zielgerichtet beantworten lassen.
2 Literaturlage
Die Literatursuche zur vorliegenden Hausarbeit gestaltete sich von Fachgebiet zu Fachgebiet gänzlich unterschiedlich. Neben dem Kontingent des Bibliothekskatalo-ges der Universität Duisburg-Essen, sowie der Möglichkeit auf Zeitschriften zu-zugreifen und die Fernleihe zu nutzen, erhielt ich die meisten Anregungen zu Bü-chern und Aufsätzen über die Literaturlisten anderer Autoren.
2.1 Lernschwierigkeiten
Die verschiedenen Themengebiete der Arbeit sowie die Aktualität durch den Praxis-bezug dieser Hausarbeit legen nahe, dass für die Ausarbeitung mehr als ein oder zwei Standard- bzw. Grundlagenwerke notwendig waren.
Im Bereich der Lernschwierigkeiten und ihren Unterteilungen stellte sich für mich das Buch „Lern- und Verhaltensstörungen; Genese-Diagnostik-Interventionen“; von Linderkamp&Grünke (2007) als besonders informativ heraus. Es gibt den neuesten Forschungsstand wieder. Ähnlich wie Linderkamp&Grünke (Hrsg.) ging einige Jahre zuvor Werner Zielinski (1995) auf die Problematik von „Lernschwierigkeiten“ (Buchti-tel) ein. Zu Beginn seines Werkes diskutiert er die schwierige Begriffsfindung und mögliche Definitionen, im folgenden Kapitel untersucht Zielinski die Ursachen von Lernschwierigkeiten, bevor er sich der Diagnostik, Intervention und Prävention von „Teilleistungsstörungen“ widmet.
Weiter in die Thementiefe und in die ausführliche Erläuterung des Aufbaus und der Funktionen unserer basalen Sinneswahrnehmungen geht Karlheinz Barth (2003) mit „Lernschwächen früh erkennen“. Ausführlich erläutert er das menschliche Wahr-nehmungssystem und das Zusammenspiel der einzelnen Sinnesorgane im Gehirn. Zwei Kapitel sind der Früherkennung von Lernschwierigkeiten im mathematischen und lese-rechtschriftlichen Bereich gewidmet. In einem weiteren Kapitel werden die schulischen Beurteilungsmöglichkeiten von Kindern mit Lernproblemen beschrie-ben.
Erstaunlich wenige Beiträge zur Thematik von allgemeinen Lernschwierigkeiten fan-den sich in den gängigen Grundschulzeitschriften (siehe Literaturverzeichnis).
Schneller fündig wurde ich bei der spezifischen Recherche nach Artikeln zur Prob-lematik der Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten oder von Rechenstörungen als Aus-prägungsformen von gestörten sensorischen Integrationsprozessen. Hier prägte beispielsweise Ingelind Brand (1985) unter Berufung auf Jean A. Ayres (2002/1979) den Begriff der sensorischen Integrationsstörung.
Informationen zu Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten kamen insbesondere von Christian Klicpera und Barbara Gasteiger-Klicpera (1999/1995), Gerheid Scheerer-Neumann (2004), Norbert Sommer-Stumpenhorst (2006) sowie Renate Valtin (2000/1981), die immer wieder gegen eine medizinische Betrachtung und Stigmati-sierung von betroffenen Kindern appellieren.
Die Literaturlage spiegelt deutlich wieder, dass sich die Forschung des letzten Jahr-hunderts weitaus weniger mit Rechenschwierigkeiten beschäftigte. Aktuell und wis-senschaftlich fundiert publizieren Franz Petermann (2003), Jens Holger Lorenz (2004/1998) und Hans Grissemann (2000) zu dieser Thematik.
2.2 Die neue Schuleingangsphase
Durch die schulgeschichtlich betrachtet wiederentdeckte Konzeption des jahrgangs-gemischten Lernens in Grundschulen zeichnen sich die pädagogischen Fachzeit-schriften (siehe Literaturliste) durch eine Vielzahl von aktuellen Beiträgen aus. Meist berichten hier Lehrerinnen von ihren Alltagserfahrungen im jahrganggemischten Unterricht, die wertvolle Einblicke in die Praxis geben. Es fehlen meines Erachtens jedoch noch weitere empirische Daten, wie sie z. B. zu finden sind bei Roßbach (2003) Gutiérrez&Slavin (1995), Veenmann (1995/1996) und Kucharz/Wagner (2007), die eine fundierte Datenbasis zur wissenschaftlichen Auswertung geben. Erfreulicherweise vereinen Ralf Laging (Altergemischtes Lernen in der Schule; 2003), Gabriele Faust-Siehl (Schulanfang ohne Umwege, 2001; Die Zukunft beginnt in der Grundschule, 1999) oder Reinhold Chistiani (Schuleingangsphase: neu gestalten, 2004); (Jahrgangsübergreifend unterrichten, 2004) in ihren Aufsatzsammlun-gen eine Reihe von Arbeiten namhafter Wissenschaftler, die fundierte Beiträge zur Thematik liefern.
Der in Brandenburg wissenschaftlich begleitete und ausgewertete Schulversuch „Flexible Schuleingangsphase FLEX“ sowie die später eingerichtete verbindliche flexible Schuleingangsphase gaben eine Menge direkt aus der Praxis gewonnener Informationen für diesen Theorieteil.
2.3 Förderung im Schulalltag – Anleitungen für die Praxis
Noch dünn gestreut sind konkrete und anerkannte Vorschläge, Anleitungen und Umsetzungen von praxisnahen Förderansätzen zur schulischen Förderung von Stö-rungen der sensorischen Integration. In diesem dritten Teil beziehe ich mich haupt-sächlich auf die Beobachtungen während meines Praktikums. Marianne XXXXXX, Klassenlehrerin in der Hospitationsklasse in Berlin, ermöglichte mir Zugang zu den von ihr verwandten Konzepten und Strategien. Rechenprobleme versucht sie mit dem Förderkonzept von Angelika Schlotmann (2004) „Warum Kinder an Mathe scheitern. Wie man Rechenschwäche wirklich heilt“ zu beheben. Sprachdefizite werden von ihr mit verschiedenen Ansätzen gefördert, die ich im Praxisteil der Ar-beit vorstellen werde.
3 Lernschwierigkeiten
Was genau eine Lernstörung ist oder worin sie sich exakt begründet, weiß auch nach langjähriger Forschung kein Fachmann unbestritten zu definieren. Zu groß war und ist die Kontroverse um die Ursachen und die scheinbar problematische Begriffs-findung und -festlegung. Wohl aber weiß man heute, wie sich Lernschwierigkeiten äußern und welche Erscheinungen und Ausprägungen sie annehmen können.
3.1 Hinführung zur Problematik: Lernschwierigkeiten allgemein
Die Forschung kann sich nicht auf eine klare Definition oder einen Fachterminus, der für „im Lernen beeinträchtigte Kinder“ allgemeine Gültigkeit besitzt, einigen.[6] Die Vielzahl der Begrifflichkeiten und ungenauen Zuordnungen machen ein konkretes Reden oder eindeutiges Schreiben über die speziellen „Diagnosen“ jedoch nicht einfacher. So macht Zielinski (1995) darauf aufmerksam, dass bei der Beschreibung des Phänomens „Lernstörung“ allein die Vielzahl der möglichen Begriffe problema-tisch sei, da einige Kennzeichnungen synonym gebraucht werden, andere hingegen sich aber scharf voneinander abgrenzen. Beispielhaft nennt er hier die Ausdrücke: „Lernbehinderung“, „Leistungsversagen“ und „Lernstörung“.[7]/[8]
Definitionsversuche
Schwierig sind nicht nur die unterschiedlichen Benennungen von lernbeeinträchtig-ten Kindern, sondern auch die Einigung darauf, welche Defizite und Minderleistun-gen bei einem Kind vorliegen müssen, um es als „lernschwierig“, „lerngestört“, „lern-schwach“ oder gar „lernbehindert“ einzuordnen. Zielinski zitiert den, auf das Subjekt fokussierenden Definitionsversuch, des ’National Joint Comittee on Learning Disabilities Definition’ (NJCLD), „Lernschwierigkeiten (...) ein allgemeiner Ausdruck für eine heterogene Gruppe von Störungen, die sich in bedeutsamen Schwierigkeiten beim Erwerb oder Gebrauch des Hörverständnisses, Sprechens, Lesens, Schreibens, Denkens oder Rechnens manifestieren. Die Störungen liegen im Individuum selbst begründet, sind vermutlich auf Dysfunktionen des zentralen Nervensystems zurückzuführen und können über die gesamte Lebensspanne hinweg auftreten.“ (Hammill, 1990 übersetzt von Ver-fasser).[9]
Diese Definition hält er jedoch für unzulänglich, da die Ursachen der Dysfunktionen in dem betroffenen Kind gesucht, externe Faktoren hingegen aus der „Schuldglei-chung“ herausgelassen werden. Darüber hinaus bewertet Zielinski diese Definition als problematisch, da sich Dysfunktionen im zentralen Nervenssystem auch nach Ausschluss aller inneren Faktoren nur schwer objektiv darstellen und bewerten las- sen. Zu schnell werde damit das betroffene Kind und seine Persönlichkeit in den Fokus der Schuldzuweisungen gerückt.
Mit Weinert formulierte Zielinski 1977 daher einen Definitionsansatz, der sich am objektiveren, äußeren Erscheinungsbild von auffälligen Kindern festmacht:
„Von Lernschwierigkeiten spricht man im allgemeinen, wenn die Leistungen eines Schülers unterhalb der tolerierbaren Abweichungen von verbindlichen institutionel-len, sozialen und individuellen Bezugsnormen (Standards, Anforderungen, Erwar-tungen) liegen oder wenn das Erreichen (bzw. Verfehlen) von Standards mit Belas-tungen verbunden ist, die zu unerwünschten Nebenwirkungen im Verhalten, Erleben oder in der Persönlichkeitsentwicklung des Lernenden führen.“[10]
Barth (2003) übernimmt für seine Forschungen die Vorlage Zielinskis. Lauth&Grün-ke (2005) hingegen formulieren ihre Sichtweise wie folgt:
„Lernstörungen werden meist in einem institutionell-pragmatischen Sinne definiert, nämlich als Minderleistungen beim absichtsvollen Wissenserwerb in einer formali-sierten Lernumgebung. Die Ergebnisse der Anstrengungen eines Menschen sind dann als Ausdruck einer Lernstörung zu sehen,
- wenn sie deutlich (mindestens eineinhalb bis zwei Standardabweichungen) un-terhalb des Altersdurchschnitts bzw. des Niveaus liegen, das aufgrund der all-gemeinen intellektuellen Begabung zu erwarten ist oder
- wenn die auftretenden Rückstände von der entsprechenden Lehrkraft als so gravierend eingestuft werden, dass anscheinend kein darauf aufbauendes Wei-terlernen möglich ist“[11]
Beide Definitionen sprechen konkret Schülerleistungen, Verhalten der Lehrkräfte und die so genannten. Standardabweichungen[12] von schulischen Leistungsansprü-chen in den verschiedenen Jahrgangstufen an. Dies weist darauf hin, dass mit den Begriffen Lernstörungen oder Lernschwierigkeiten nur speziell schulische Lern-Leistungsprobleme angesprochen werden[13]. Dabei ignorieren die Verfasser nicht, dass sich die Probleme beim Erlernen des Schulstoffes auch auf den außerschuli-schen Bereich übertragen können oder umgekehrt. So haben Kinder oft auch ab-seits von der schulischen Institution Entwicklungsdefizite oder zeigen Schwierigkei-ten im Sozialverhalten etc., die auf Lernstörungen hinweisen.
Durch die messbaren Fortschritte und ständig möglichen Vergleiche mit gleichaltri-gen Kindern ist die Schule aber der Ort, an dem problembelastete Lernprozesse am deutlichsten auffallen und dadurch auf den Betroffenen einwirken[14].
Barth pflichtet den Definitionen Zielinskis und Lauth&Grünkes bei, spricht sich aber aufgrund der Vielzahl von unterschiedlichen Zustandsbildern für eine weitere Diffe-renzierung des Begriffes aus. So ergänzt er seine Kollegen wie folgt:
„Lernschwierigkeiten werden unterschieden hinsichtlich:
1. ihrer zeitlichen Erstreckung in Lernschwierigkeiten
- die nur eine kurze Zeit bestehen und damit vorübergehender Natur sind.
- die lange Zeit andauern oder chronischen Charakter haben
2. ihres Schweregrades in:
- Lernbehinderung, die nahezu alle schulrelevanten Lerngebiete umfasst, die lang andauernd und schwerwiegend sind bei unterdurchschnittlicher allgemeiner Intelligenz der Kinder
- partiellen Lernstörungen, die sich nur auf einen Teilbereich wie zum Bei-spiel Lese-/Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche beziehen bei sonst durchschnittlicher Intelligenz des Kindes[15]“
3.2 Unterteilung von Lernschwierigkeiten
Auch Engelbrecht&Weigert (1991) prangern die verwirrende Vielfalt von in der Fach-literatur benutzen Begriffen für Beeinträchtigungen im Bereich des schulischen Ler-nens an und weisen darauf hin, dass die endlose Diskussion um eine entsprechen-de Begriffsfindung die Arbeit mit den betroffenen Kindern eher behindere als verein-fache. Um eine Übersicht über die verschiedenen Teilbereiche zu schaffen, konzi-pierten sie verschiedene Kategorien, denen sie die entsprechenden Begriffe mittels Wortstammdefinitionen des Dudens (Ausgabe 1980) sowie Definitionen einzelner Fachdisziplinen zuordneten. Dies ergab folgende Einteilung:
Der Wortzusatz „Schwierigkeiten/Probleme “ (zu finden in: „Lernschwierigkeiten“, „Lernprobleme“, „Lernerschwerungen“, „Schulschwierigkeiten“, „Schulleistungs-schwierigkeiten“...) deutet auf große Mühen beim Lernen hin, die vom Kind gewalti-ge kognitive Anstrengungen erfordern und die Aufgaben unlösbar erscheinen las-sen. Diese Tatsache ist für das Kind unangenehm und kann für seine psychische Entwicklung schwerwiegende negative Folgen haben.
„Störungen“ hingegen (zu finden in: „gestörte Kinder“, „Lernstörungen“, „learning disabilitys“[16], „Lesestörung“, „Schreibstörungen“, „Schrifterwerbsstörungen“, „Re-chenstörungen“, „Teilleistungsstörungen“, „Wahrnehmungsstörungen“, „Integrati-onsstörungen“, „Konzentrationsstörungen“ ...) diagnostizieren - laut Duden - eine nachhaltige Beeinträchtigung der kindlich-kognitiven Funktionstüchtigkeit. Die Son-derpädagogik verweist jedoch darauf, dass „Störungen“ einen Menschen zwar in seiner Personalisation und Sozialisation beeinträchtigen, jedoch nur einen bestimm-ten Teil („partiell“, „Teilleistungsstörung“) der kognitiven Fähigkeiten in Mitleiden-schaft ziehen. Störungen im Bereich des Lernens sollen, bei rechtzeitiger Erken-nung und gezielter Förderung, innerhalb von maximal zwei Jahren aufzuholen und auszugleichen sein.
„Schwächen“ (zu finden in: „Lernschwächen“, „Lese-Rechtschreib-Schwäche“, Le-seschwächen“, „Rechenschwächen“, „Arithmasthenie“, „Schulschwächen“, „Teilleis-tungsschwächen“, „Wahrnehmungsschwächen“, „Konzentrationsschwächen“ ...)
weisen darauf hin, dass ein Kind über nur „geringe (geistige) Kräfte“ verfügt und somit keine guten Leistungen erbringen kann. Die Lernergebnisse sind so weniger befriedigend und benachteiligen das Kind gegenüber anderen. Eine Schwäche wird in der Psychologie und in der Pädagogik für schwerwiegender als eine Störung an-gesehen. Dabei sieht man durchaus, dass das Kind nicht nur durch seine Personali-tät (in dem betroffenen Bereich) schwach ist, sondern von außen keine ausreichen-de Förderung erfahren hat.“[17]
Linderkamp&Grünke (2007) bestätigen sechzehn Jahre nach Engelbrecht und Wei-gert, dass „Lernstörungen“, unterteilt in partielle und generelle Beeinträchtigungen, in ihrer Dauer differieren können. Lese-Rechtschreib-Störungen und Rechenschwie-rigkeiten ordnen sie in den Bereich der inhaltlich (partiell) begrenzten, zeitlich jedoch überdauernden Symptomatiken ein und betonen, dass sie nicht auf eine Sinnes-schädigung, ein längeres Fernbleiben in der Schule oder unangemessenen Unter-richt zurückzuführen seien.[18]
Schlussendlich soll auch das von Barth kritisierte Klassifikationskonzept ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation -WHO) zu einer Auswer-tung hinzugezogen werden. Dieses ordnet Lernschwierigkeiten, die bei normaler Intelligenz eines Kindes nur isolierte Bereiche des Lernens wie den Schrift- oder Rechenerwerb betreffen, den „Umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“ zu. Umschriebene Entwicklungsstörungen stehen im Kontrast zu tief-greifenden Entwicklungsstörungen (wie z.B. frühkindlicher Autismus) und beschrei-ben „(...) Minderleistungen in einzeln abgegrenzten Entwicklungsbereichen, die nicht durch Defizite der allgemeinen Intelligenz, unzureichender Entwicklungsförderung oder durch Mängel körperlicher und psychischer Gesundheit erklärt werden kön-nen.“[19]
Barth resultiert aus dieser Klassifikation, dass schulische Lernstörungen als Teilas-pekt einer Entwicklungsstörung wie z. B. einer Wahrnehmungsstörung verstanden werden können.[20]
Kritik äußert Barth an der WHO-Definition dahingehend, dass die Verfasser die Ur-sachen und die „Schuld“ für Lernstörungen zu nah beim Kind selbst suchen und die auf das Kind einwirkende Umwelt zu wenig beachtet wird.
Zusammenfassung und Auswertung
1. Die Auswertung der eben vorgestellten Literatur ergibt, dass die Ausdrücke „Lernstörung“ und „Lernschwierigkeit“ beide gleichwertig Kinder mit durchschnittli-cher Intelligenz bezeichnen, die erhebliche Schwierigkeiten beim schulischen Erler-nen von Kulturgütern haben. Beide Ausdrücke werden in dieser Arbeit fortan synonym benutzt.
2. Der Begriff „Störung“ hat sich in der Pädagogik und der Psychologie weitgehend durchgesetzt und umschreibt weder im negativen Sinne ein „gestörtes Kind“ noch diffamiert dieser Ausdruck (z. B. in Anlehnung an die Umgangssprache im Deut-schen) absichtsvoll die Minderleistungen von betroffenen Schülern. Vielmehr macht er gemäß des Paradigmenwechsels in der Forschung und in Anlehnung an Mand[21] darauf aufmerksam, dass das betroffene Kind durch eine Vielzahl von Einflüssen, z. B. durch Umweltfaktoren, in der korrekten Ausbildung seiner Wahrnehmungsberei-che behindert bzw. gestört wurde.
Des Weiteren soll die Sonderpädagogik in diese Auswertung mit einfließen. Dort unterscheidet man zwischen Störungen und Schwächen hinsichtlich ihrer zeitlichen und inhaltlichen Ausprägung sowie ihrer Reversibilität. Demnach ist die fehlende Kompetenz im Bereich der Mathematik oder der Schriftsprache keine Schwäche, sondern eine durch entsprechend früh einsetzende Stütz- und Fördermaßnahmen auszugleichende Störung.[22]
3.) Durch die scheinbar isolierte und im Bereich des schulischen Lernens deutlich begrenzte Beeinträchtigung im Erwerb der Kernfächer wie Sprache oder Mathema-tik spricht die Fachliteratur von „partiellen Lernschwierigkeiten“, bzw. von „Teilleis-tungsstörungen“.
Eine Teilleistungsstörung fokussiert jedoch auf die Defizite eines Kindes und be-zeichnet damit basale Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems und deren unzureichende Verarbeitungsprozesse.[23] Barth verbindet mit dem Begriff „Teilleis-tungsstörungen“ das optionale Resultat von Lern- und Entwicklungsstörungen, wel-che wiederum „als Folge von Wahrnehmungs- bzw. zentral bedingten Informations-verarbeitungsstörungen auftreten und sich in vielfältiger Weise auf die Gesamtent-wicklung der Kinder in Form von Entwicklungsverzögerungen, Schulleistungsprob-lemen, emotionalen und sozialen Anpassungsproblemen auswirken.“[24]
Um die Komplexität des Zusammenwirkens dieser verschiedenen Wahrnehmungs-prozesse zu betonen, schlagen Barth sowie Opp/Helbig (1999) in Anlehnung an Brand (1985)[25] und Ayres (1979)[26] den Ausdruck „sensorische Integrationsstörun-gen“ vor, da dieser eine ganzheitliche Betrachtungsweise impliziert und auch die sozialen und kulturellen Anforderungen der Gesellschaft an das Kind berücksichtigt und repräsentiert.
Ayres (2002) vergleicht eine gestörte sensorische Integration, die als eine Fehlfunk-tion im menschlichen Gehirn bezeichnet werden kann, bildlich mit einer Art Verdau-ungsstörung. Ist die sensorische Integration eines Menschen gestört, so bedeutet dies nichts anderes, als dass sie schlechter funktioniert, als sie es eigentlich könnte, so wie ein Verdauungsapparat, welcher eine Unpässlichkeit zu bewältigen hat. Der Ausdruck „sensorisch“ weist darauf hin, dass die ungenügende kognitive Leistung des Gehirns insbesondere die Sinnesorgane betrifft.[27]
3.3 Die Frage nach der „Schuld“ – Ursachenforschung bei Lernschwierigkeiten
Bis zu den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ging man in der Wahrnehmungs- und Verhaltensforschung von einem monokausalen medizinischen Modell aus, welches die „Schuld“ und die Ursachen für Entwicklungsauffälligkeiten und so auch für Lern-störungen an der Persönlichkeit des jeweiligen Kindes festmachte[28]. Durch neue Forschungsergebnisse in der Wissenschaft erfolgte ein Paradigmenwechsel, des-sen Vertreter Lernschwierigkeiten im Zusammenspiel einer Vielzahl von komplexen Faktoren begründet sehen. So folgten dem medizinischen Ansatz Modelle, die Um-welt- oder Sozialfaktoren in gestörte Lernprozesse mit einbezogen.
Barth versuchte mittels einer Dreiteilung von Einflüssen die vermeidlichen Umwelt-faktoren als Ursachen für eine Entwicklungsauffälligkeit zu lokalisieren:
a. „In der Umwelt des Kindes, z. B. in deprivierenden Lebens- und Erziehungs-bedingungen, die sich in sozialer und emotionaler Vernachlässigung, in ge-störten Interaktionen zwischen Eltern und Kind manifestieren. Die Art und Weise, wie das Kind versorgt wird, wie seine Bindungsbedürfnisse befriedigt werden, die Zuwendungsbereitschaft der Eltern, die Form und Art des Spiel-und Lernangebotes sind entscheidende Faktoren für die Entwicklungsmög-lichkeiten des Kindes.
b. Im Kind selbst in Form organischer Ursachen wie Seh- oder Hörbehinderung (z.B. mangelnde Sehstärke, Hörverluste), in psychiatrischen Erkrankungen oder in cerebral bedingten Informationsverarbeitungsstörungen.
c. In unangemessenen Lern- und Unterrichtsformen.“ [29]
Mand (2003) bekräftigt unter Berücksichtigung von empirischen Forschungsergeb-nissen die soziale, kulturelle und geschlechtsbezogene Dimension von Lernproble-men.[30]
Jüngere neuropsychologische Konzepte hingegen sehen die Ursachen von Lern-und Entwicklungsauffälligkeiten wieder mehr in gestörten Wahrnehmungsprozessen verankert, die sich jedoch in Umweltfaktoren begründen können. Alle Arten von Wahrnehmung laufen über unsere Nah- und Fernsinne in unserem Gehirn zusam-men. Ohne das Gehirn kann ein Mensch diese eingehenden Reize nicht deuten oder umsetzen. Der neuropsychologische Ansatz geht davon aus, dass besonders höhere psychische Funktionen wie Sprechen, Denken, Bewegungen und Emotionen ohne Mithilfe des Gehirns nicht ablaufen können.[31] Diese Erkenntnis vertritt auch Knauf (et. al. 2006) und verweist auf die nachweislichen Zusammenhänge von in-takter Sinnesverarbeitung und Lernfortschritt.[32] Die gehemmte Aufnahme von Sin-nesempfindungen sowie die unzureichende Verarbeitung von eingehenden Reizen führen zu unangemessenen Reaktionen und Verarbeitungsprozessen, die in einer Störung der sensorischen Integration münden können. Brand (1985) definiert diese wie folgt: Eine sensorische Integrationsstörung liegt dann vor, wenn das zentrale Nervensystem nicht in ausreichendem Maße in der Lage ist, die Fülle der über die Sinne einlaufenden Informationen (sensorischer Input) zu ordnen, zu koordinieren, mit bereits vorhandenen Daten zu vergleichen und daraus eine adaptive Reaktion [33] (motorischer Output) zu organisieren. [34]
Resultierend bleibt also zu sagen, dass die Störung von grundlegenden Wahrneh-mungsprozessen auch komplexere Funktionen und Fähigkeiten wie Sprache und Sprechen, aber auch das räumliche Vorstellungsvermögen, Konzentration, Ausdau-er, Gedächtnis, Motorik und nicht zuletzt das Lesen, Rechtschreiben und mathema-tische Denken beeinträchtigt.[35]
Knauf et. al. differenzieren bei den Ursachen für Lernstörungen zwischen pränata-len, perinatalen und postnatalen Ursachen. Pränatale Ursachen begründen sich in einem Fehlverhalten der werdenden Mutter während der Schwangerschaft z.B. durch starken Alkohol-, Nikotin, Drogen- oder Medikamentenkonsum oder durch eine schwere Erkrankung der Schwangeren.
Mit perinatalen Ursachen sind Komplikationen bei einem natürlichen Geburtsvor-gang gemeint. Dies kann sich zum Beispiel in einer Unterversorgung des Babys mit Sauerstoff äußern, die durch eine Verschlingung der Nabelschnur um den Hals des Säuglings hervorgerufen wird.
Postnatale Ursachen werden durch schwere Krankheiten im Kleinkindalter oder Fehl- bzw. Mangelernährungen ausgelöst.
Weitere Ursachen für Störungen der sensorischen Integration liegen oft im sozialen Umfeld von Kindern. Jungen und Mädchen, die in einer sehr reizarmen Umgebung aufwachsen und dadurch in der Ausbildung von altersentsprechenden sensori-schen, motorischen und geistigen Fähigkeiten und Fertigkeiten gehemmt werden, bilden häufig Wahrnehmungsstörungen aus, in deren Folge sich Lernschwierigkei-ten entwickeln können.[36]
Für die Anhänger von biopsychosozialen Erklärungsansätzen greifen die oben ge-nannten Modelle zu kurz. Mittels des Diathese-Stress-Modells, welches die gene-tisch oder biologisch bedingte erhöhte Anfälligkeit gegenüber Umweltstressoren bezeichnet, wird ein multikausaler Erklärungsansatz für psychische Störungen skiz-ziert.[37] Lernstörungen treten demnach besonders dann häufig auf, wenn ein Kind neben biologischen zugefügten Risiken und einer psychisch bedingten Stressanfäl-ligkeit auf ungünstige Umweltbedingungen wie z.B. eine problematische Familiensi-tuation trifft.[38]
Zusammenfassung und Auswertung
Eine eindeutige, präzise oder gar monokausale Erklärung für das Entstehen von Lernschwierigkeiten gibt es nicht. Vielmehr greift eine Vielzahl von Bedingungsfakto- ren ineinander und bedingt im negativsten Fall Lernschwierigkeiten oder gar Lern-behinderungen. Diese Bedingungsfaktoren finden sich in den genetischen Anlagen, dem sozial-kulturellen Umfeld und in Einflüssen, die auf die Psyche des Kindes ein-wirken. In keinem Fall aber hat das Individuum selbst, in diesem Fall das Schulkind, Schuld an dieser Misere.
Im Nachfolgenden werden zwei Ausprägungen von Störungen der sensorischen Integration (Lese-Rechtschreibschwierigkeit und Rechenstörung) eingehender vor-gestellt. Aufgrund einer sehr umstrittenen Erhebungs- und Datenlage sowie einer großen Uneinigkeit über die mögliche genetische oder „soziale Vererbung“, also familiären Häufungen von sensorischen Integrationsstörungen, einer mal mehr, mal weniger bewiesenen Lokalisation von „Legasthenie-Chromosomen[39], fragwürdigen Obduktionen an verstorbenen „Legasthenikern“ zur Untersuchung möglicher defek-ter Gehirnbereiche sowie die noch andauernde Diskussion um eine vorliegende Teilleistungsschwäche/-störungen etc. verzichte ich fast gänzlich auf algebraische Angaben, die die Häufigkeit, Erblichkeit und genauen Ursachen von LRS oder Re-chenstörungen widerspiegeln (sollen).
4 Betrachtung von
Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten und Rechenproblemen als Störungen der sensorischen Integration
Nach Linderkamp&Grünke gehören Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten zu den par-tiellen Lernstörungen, die bereits beim Erstleseunterricht deutlich geworden sein müssen, während sich in anderen Fächern keine nennenswerten Auffälligkeiten gezeigt haben. Um eine entsprechende Diagnose zu stellen, sei mittels eines ge-normten Testverfahrens ein gravierender Unterschied von mindestens zwei Stan-dardabweichungen zwischen dem allgemeinen intellektuellen Niveau und der Lese-Rechtschreibleistung nachzuweisen.
Bei einer Rechenstörung hingegen zeigt der betroffene Schüler durchschnittliche Leistungen im lese- und rechtschriftlichen Bereich und verfügt über eine gute Allge-meinintelligenz. Grundlegende Rechenfertigkeiten im Bereich der Addition, Subtrak-tion, Division und Multiplikation werden jedoch nur unzureichend beherrscht. Von Rechenproblemen wird im Allgemeinen nur in Bezug auf basale Rechenfertigkeiten gesprochen, nicht jedoch bei Rechenschwierigkeiten im Bereich der „höheren Ma-thematik“. Wie bei Lese-Rechtschreib-Störungen wird auch bei Rechenschwierigkei-ten mittels eines Unterschiedes zwischen dem generellen intellektuellen Leistungs-niveau und den spezifischen mathematischen Kompetenzen differenziert. Auch hier gelten mindestens 1,5 bis zwei Standardabweichungen als ausschlaggebend[40]
4.1 Sensorische Integrationsstörung: Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten
Um in unserer heutigen Welt erfolgreich in einem Beruf bestehen zu können, sind Lesen und Schreiben ein MUSS. Selbst ein Handwerker, der im 21sten Jahrhundert. eine Gesellen- oder Meisterprüfung anstrebt, benötigt gute Lese- und Schriftsprach-kenntnisse, um diese zu bestehen.
Das Lesen und Schreiben dient in erster Linie der Kommunikation und Informati-onsweitergabe. Ist ein Mensch durch seinen Analphabetismus oder durch eine massive Beeinträchtigung im Erlernen des Lesens und Schreibens von dieser Welt aus-geschlossen, verschließen sich vor ihm eine Reihe schriftlicher „Wissenstüren“. Menschen mit schlechten Lese-Rechtschreibkenntnissen greifen erwiesenermaßen weniger zu schriftlichen Informationsmedien und haben dadurch weniger Zugang zu Daten und Fakten, bzw. können ihre Rechte nicht immer ausreichend wahrneh-men.[41]
Lernt ein Kind das Lesen und Schreiben, so erlernt es für seine bisher gesprochene Sprache eine neue Repräsentationsform mittels graphischer Symbole. Hierbei wird das Kind auf verschiedenste Art und Weise komplex gefordert. Zum einen muss es spezifische graphische Symbole kennen lernen und sie sich so einprägen, dass sie jederzeit automatisiert abrufbar sind. Des Weiteren braucht der Schulanfänger eine gut ausgebildete Sprachbewusstheit, um die Phoneme/Laute aus gesprochenen Wörtern herauszufiltern und auf die Schriftebene übertragen zu können.
Klicpera&Gasteiger-Klicpera(1999) formulieren dies wie folgt:
„Die Aufgabe der Kinder beim Lesen- und Schreibenlernen ist es, die Entsprechung Schrift - mündliche Sprache sowohl auf der Graphem-Phonem-Ebene als auch auf der Ebene der Phonemfolge, der Silben- und Wortebene, zu erfassen.“[42]
Der Großteil der deutschen Schulanfänger lernt dies innerhalb des ersten Schuljah-res und erreicht die vierte Stufe des Entwicklungsmodells für das Lesen und Schrei-benlernens nach Valtin (2000)[43]. Einige Kinder aber haben schon im Anfangsunter-richt große Probleme, die eben genannten Anforderungen ähnlich leicht wie ihre Klassenkameraden umzusetzen.[44] Überdauern die Schwierigkeiten, so dass die Leistungskluft zwischen dem betroffenen Kind und seinen Klassenkameraden im-mer größer wird, spricht man von Störungen der sensorischen Integration in Form von Lese-Rechtschreib-Störungen.
4.1.1 Zum Erscheinungsbild von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten
Hat ein Kind im Verlauf der ersten Schuljahre im Lese- und Schreibunterricht extreme Schwierigkeiten, Buchstaben korrekt zu benennen oder ist es trotz normaler Hörfähigkeit nicht in der Lage, Laute (Phoneme) akustisch zu unterscheiden und den entsprechenden Graphemen zuzuordnen, ergeben sich beim Erlesen von Tex-ten bald erste gravierende Leistungsunterschiede zu den Mitschülern.[45]
4.1.2 Kennzeichen von Lesestörungen
Symptome einer Lesestörung sind nach den Maßstäben der WHO:
- das Auslassen, Ersetzen, Verdrehen oder Hinzufügen von Worten oder Worttei-len,
- eine niedrige Lesegeschwindigkeit,
- Startschwierigkeiten beim Vorlesen, langes Zögern oder Verlieren der Zeile im Text, ungenaues Phrasieren,
- das Vertauschen von Wörtern im Satz oder von Buchstaben in Wörtern.[46]
Klicpera und Gasteiger-Klicpera (1995) ergänzen zu dieser Auflistung, dass die Hauptursache für Leseschwierigkeiten in der Dekodierung der Schrift begründet liege und demnach in der Worterkennung zu suchen bzw. zu finden sei.[47]
Die Beeinträchtigung der Worterkennung betrifft in der Folge auch das Lesever-ständnis. Die eben genannten Defizite äußern sich in einer Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben, einem Unvermögen, aus Gelesenem Schlüsse zu ziehen oder in-haltliche Zusammenhänge zu erkennen.
Die Arbeit mit lesegestörten Kindern zeigte, dass Schwierigkeiten im Lesen fast im-mer auch mit Rechtschreibstörungen einhergehen.
4.1.3 Kennzeichen von Rechtschreibschwierigkeiten
Ein gestörtes Rechtschreibbild bringt immer eine Vielzahl von Fehlern im Bereich des orthografisch korrekten Schriftbildes mit sich. Dabei unterscheiden sich die Feh-ler lese-/rechtschreibgestörter Kinder nicht von denen sprachlich normal entwickel-ter Jungen und Mädchen. Bei LRS-Kindern treten diese Schreibanfängerfehler nur mit einer deutlich größeren Häufigkeit, über einen langen Zeitraum und meist ohne Konstante auf. Dies bedeutet, dass ein Wort immer wieder anders und somit oft auch immer wieder anders falsch geschrieben werden kann, ohne dass sich eine erkennbare Einsicht oder Verbesserung im Wortbild des Kindes einstellt. Des Weite-ren finden sich:
- Reversionen: Verdrehungen von Buchstaben im Wort; (z.B. b-d, p-q, u-n),[48]
- Reihenfolge- oder Sukzessionsfehler: Umstellungen von Buchstaben im Wort (die – dei),
- Auslassungen von Buchstaben (auch- ach),
- Einfügen falscher Buchstaben,
- Regelfehler (Dehnung, Groß- und Kleinschreibung),
- Schwierigkeiten beim Lautieren und Schreiben von „Pseudowörtern“ (Mati, Lulita, Maotabi)
- Wahrnehmungsfehler (Verwechslung von d-t, g-k)[49]
Trotz Aufzeigen der Fehler im Schriftbild durch die Lehrkraft oder die Eltern gelingt es den Kindern oft nicht, den Fehler zu erkennen. Betz&Breuninger (1998) erklären dies mit einer bei den betroffenen Kindern noch unzureichend ausgebildeten visuel-len Wahrnehmung, welche ihnen ein Erkennen der Eigenheiten des jeweiligen Buchstaben und so auch der präzisen Wortbilder schier unmöglich macht.[50]
Längsschnittstudien hingegen ergaben übereinstimmend, dass die phonologische Bewusstheit für den Schriftspracherwerb die wichtigste Lernvoraussetzung ist. Unter phonologischer Bewusstheit wird die Fähigkeit verstanden, die Aufmerksamkeit von der Bedeutung einer Mitteilung abzuwenden und auf den formalen Aspekt der Spra-che hin zu lenken. Sie zeigt sich darin, ob Kinder in der Lage sind, Laute in Worten richtig herauszuhören, Reime zu erkennen und Wörter in Silben zu gliedern.[51]
Empirische Studien wiesen nach, dass Kinder[52], denen früh gezielte Fördermaß-nahmen zugute kommen, ihr Defizit im Bereich des Lesens und der Rechtschrei-bung zum großen Teil (teils sogar vollständig) ausgleichen konnten.[53]
Klicpera&Gasteiger-Klicpera (1995) wiederum ermittelten, dass die langfristige Schullaufbahn-Prognose für Kinder, die stark von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten betroffen sind, eher negativ ist. Aus den Aufzeichnungen geht je-doch nicht hervor, wie intensiv die Probanden in diesen Studien gefördert wurden oder ob nur untersucht wurde, ob sich die Kinder aus eigener Kraft helfen konnten bzw. es nicht schafften, an die Fähigkeiten ihrer Klassenkameraden anzuschlie- ßen.[54] Schwenck/Schneider (2003) machen deutlich auf die Ausprägung und Be-deutung sowie die präventive Förderung des Phonembewusstseins bei Kindern aufmerksam. So zeigten Kinder, die bereits im Kindergarten ihre phonologische Be-wusstheit trainierten, eine durchschnittlich bessere Schriftsprachleistung als die Kontrollgruppe.[55]
4.2 Sensorische Integrationsstörung: Rechenschwierigkeiten
Für den Bereich der Rechenstörungen gibt es weit weniger gesicherte Erkenntnisse als zu Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten.[56] Dies wurde mir während meiner Re-cherchen zur vorliegenden Arbeit allein durch die lichtere Forschungs- und Literatur-lage deutlich.
Esser&Wyschkon (2000) formulieren in ihrem Aufsatz vier mögliche Gründe für die-sen in der Pädagogik und der Klinischen Kinderpsychologie, vernachlässigten Fach-terminus.
- Rechenschwierigkeiten scheinen von der Gesellschaft als weniger stigmatisie-rend angesehen zu werden als Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten.
- Probleme beim Erlernen von Rechenoperationen, Zahlen- und Mengenvorstel-lungen oder Zahlzerlegungen, bleiben oft längere Zeit unbemerkt, so dass „der plötzliche Leistungsabfall“ später dem Verhalten oder dem Leistungswillen des Kindes zugeschrieben werden kann.
- Die Schulmathematik scheint aufgrund der hohen spezifischen Anforderungen schon von vielen Elterngenerationen sehr angstbesetzt zu sein, so dass diese ihre Ängste an die Kinder weitergeben, bzw. Verständnis für die schlechten Leis-tungen des eigenen Nachwuchses haben.
[...]
[1] Im Deutschen ist es nach wie vor ungeklärt, ob und wie die männliche und wie die weibli-che Form sinnvoll und gut lesbar in einen Fließtext eingebaut werden soll. In der vorliegen-den Arbeit verwende ich durchgehend die weibliche Form für Menschen, die in schulischen und erzieherischen Bereichen arbeiten, da diese Berufe überwiegend von Frauen ausgeübt werden. Ist von Kindern die Rede, so werde ich die geschlechtsneutrale oder männliche Schreibweise benutzen. Grundsätzlich sind jedoch, ohne zusätzliche ausdrückliche Nennung des Geschlechts, immer Jungen und Mädchen, Frauen und Männer gemeint.
[2] standardisiert feststellbar in Sprachtests wie dem verpflichtenden „Delfin 4“ der Bundesre-gierung (s. weiterführend: www.schulministerium.nrw.de/BP/Presse/Konferenzen14LP/2007/Sprachstand/Fried/index.h tml am 12.Juni 2008;
[3] siehe: OECD, PISA 2006 - Schulleistungen im Internationalen Vergleich. Naturwissen-schaftliche Kompetenzen für die Welt von morgen, Bertelsmann Verlag, 2007, S. 330, Abb.6.1 (Veröffentlicht unter dem Originaltitel: PISA 2006: Science Competencies for Tomor-row`s World: Volume 1 Analysis);
[4] Barth, Karlheinz, Lernschwächen früh erkennen im Vorschul- und Grundschulalter, Mün-chen 2003, S. 25-27;
[5] vgl. Furmann, Ben, Ich schaffs!, Spielerische und praktische Lösungen mit Kindern finden – Das 15-Schritte-Programm für Eltern, Erzieher und Therapeuten, Heidelberg 2005;
[6] Dies gilt nicht nur für die deutschsprachige Literatur. Hammill merkte schon 1971 die ver-wirrende Vielzahl und Ungenauigkeit der bestehenden Definitionen auf dem englischspra-chigen Markt an, siehe: Kass, Corrine E, Introduction to learning disabilities, in Hammill, Donald (Editor), Bartel, Nettie R, Educational Perspectives in learning Disabilities, USA 1971, S. 4-6;
[7] Zielinski, Werner, Lernschwierigkeiten: Ursachen – Diagnostik - Intervention, Stuttgart 1995 (2. übera. und erw. Auflage), S.12 sowie vgl. ergänzend: Opp, Günther; Speck, Angelika, Problemkinder in der Grundschule. Studientexte zur Grundschulpädagogik und –didaktik, Bad Heilbronn 1999, S. 129 ff.;
[8] siehe für englischsprachigen Raum, gleiche Problematik: Myers, Patricia I., Hammill, Donald D, Methods for learning Disorders, USA 1976, (2.edition), S. 2 ff.;
[9] Zielinski, 1995, S. 12, Z. 36-41;
[10] ebenda, S. 13, Z. 18-24;
[11] Linderkamp, Friedrich, Grünke, Matthias (Hrsg.), Lern- und Verhaltensstörungen: Klassifi-kation, Prävalenz & Prognostik, in: Ders. Lern- und Verhaltensstörungen. Genese. Diagnos-tik. Intervention, Basel 2007(1.Auflage), S. 14, Z. 2-12; (beziehen sich auf Lauth, G.W./Grünke, Mathias, Interventionen bei Lernstörungen, in: Monatszeitschrift Kinderheil-kunde, 2005, im Aufsatz nicht als Zitat verifizierbar!
[12] Der Begriff der Standardabweichung stammt aus der Mathematik, bzw. der Stochastik und dient als Maßeinheit für die Streuung von Daten um einen Mittelwert. Jede Meßmethode legt durch ihr Auswertungssystem ihre eigenen Standardabweichungen fest.
[13] Auffälligkeiten und Verzögerungen im Lernen treten in allen Lebensabschnitten auf. Bei Schulkindern können sie aber am deutlichsten aufgespürt, überprüft, behandelt und mit Ent-wicklungsverzögerungen in Verbindung gebracht werden.
[14] Siehe unter Auswirkungen und Folgen von Lernschwierigkeiten;
[15]Barth, 2003, S. 36, Z. 26-38, (Formatierung dem Original entnommen);
[16] Im englischsprachigen Raum herrscht eine ähnliche Begriffsvielfalt. Wie im Deutschen. Überwiegend einigte sich die Forschung dort auf die Ausdrücke: „learning disability“ und „learning disorder“
[17] Engelbrecht, Arthur, Weigert, Hans, Lernbehinderungen verhindern. Anregungen für eine förderorientierte Grundschule, Unterrichtspraxis: Grundschule, Frankfurt am Main 1991, (1.Aufl.), S. 10 ff;
[18]Linderkamp/Grünke, 2007, S. 17;
[19] Barth, 2003 S. 37, Z. 7-10;
[20] ebenda, S. 38, sowie: Knauf, Tassilo, Kormann, Petra, Umbach, Sandra, Wahrnehmung, Wahrnehmungsstörungen und Wahrnehmungsförderung im Grundschulalter, Stuttgart 2006, S. 64 ff.;
[21] Mand, Johannes, Schüler/innen mit Lernproblemen, in: Eberwein, Hans; Knauer, Sabine (Hrsg.), Behinderungen und Lernprobleme überwinden. Grundwissen und integrationspäda-gogische Arbeitshilfen, Stuttgart 2003a, S. 21 unten;
[22] vgl. Tacke, Gero, Schulische und häusliche Leseförderung, Empirische Befunde und För-derprogramme, in: Kindheit und Entwicklung, Juli 1999, Vol.8, Nr. 3, S. 153-157, sowie Betz, Dieter, Breuninger, Helga, Teufelskreis Lernstörungen, Theoretische Grundlegung und Standardprogramm, Weinheim 1993, S. 31 (siehe dort Fußnote);
[23] Opp, Speck, 1999, S. 130;
[24] Barth, 2003, S. 54, Z. 35-39;
[25] vgl. ausführlich: Brand, Ingelind, Breitenbach, Erwin, Maisel, Vera, Integrationsstörungen. Diagnose und Therapie im Erstunterricht, Würzburg 1985, (2.unv. Auflage), S. 25 ff.; S. 65;
[26] Ayres, Jean A., Lernstörungen, Sensorisch-integrative Dysfunktionen, Übersetzt von Rasokat, Cornelia, Heidelberg 1979, S. 19-28 (im Original: Sensory Integration an Learning Disorders, 1977);
[27] siehe Weiterführend und ausführlich: Ayres, Jean A., übersetzt von Fleming, I. & R.-W., Bausteine der kindlichen Entwicklung. Störungen erkennen und verstehen. Ganzheitliche Frühförderung und Therapie, Praktische Hilfe für Eltern, Berlin, Heidelberg, New York 2002, S. 87;
[28] Pinquart, Martin, Silbereisen, Rainer K, Biopsychosoziale Erklärungsansätze, in: Linder-kamp/ Grünke,(Hrsg.),2007, S. 30-43; sowie in Opp, Speck, 1999, S. 142;
[29] Barth, 2003, S. 53, Z. 2-16, (Formatierung dem Original entnommen);
[30] vgl. Mand, Johannes, Lern- und Verhaltensprobleme in der Schule, Stuttgart, 2003,1.Auflage, S.25ff sowie: Engelbrecht/Weigert 1991, S. 42ff; Knauf et. al. 2006, S. 75f.; Zielinski 1995, S. 15ff; Sander 1981, S. 15-92; Jeske, 1995, S. 17 ff.;
[31] Barth, 2003, S. 53 ff.;
[32] vgl. Knauf et. al, 2006, S. 22-50 ;
[33] Eine sinnvolle, exakte und dem Reiz angemessene Reaktion;
[34] Brand et. al., 1985, S. 32;
[35] Barth, 2003, S. 56;
[36] Knauf et. al., 2006, S. 73 ff., vgl. Cárdenas, Barbara, Diagnostik mit Pfiffigunde. Ein kind-gemäßes Verfahren zur Beobachtung von Wahrnehmung und Motorik (5-8 Jahre), Dortmund 1992, S. 23;
[37] Pinquart/Silbereisen, 2007, S. 31;
[38] vgl. ausführlich: ebenda, S. 30-43;
[39] vgl. Tacke, 1999, S. 153-157;
[40] Linderkamp/Grünke, 2007, S. 17/18;
[41] Siehe Haase, Peter, „Ein-Blick“ über pädagogische Gartenzäune, in Ders. (Hrsg), Schrei-ben und Lesen sicher lehren und lernen. Vorraussetzungen, Risikofaktoren, Hilfen bei Schwierigkeiten, Dortmund 2000, S. 453;
[42] Klicpera, Christian, Gasteiger-Klicpera, Barbara, Lese-Rechtschreibprobleme – Einführung in den Themenschwerpunkt, in Kindheit und Entwicklung, Vol.8, Nr. 3, 1999, 131-134, Z. 3942 (Durch Ausdruck im HTML Format, kann die Zeilenangabe gering vom Originalaufsatz Layout abweichen);
[43] Siehe Anhang
[44] Die Zahlen für Kinder mit Lernschwierigkeiten allgemein schwanken hier je nach Erhe-bungsmethode, Definition und Auswertung, zwischen 12 und 25 % der eingeschulten Kinder, vgl. Breuer, Helmut, Weuffen, Maria, Lernschwierigkeiten am Schulanfang, Schuleingangs-diagnostik zur Früherkennung und Frühförderung, Weinheim und Basel, 2000, (2. Aufl., erw. Neuausgabe), S. 17/18/29;
[45] Warnke, Andreas, Roth, Ellen, Umschriebene Lese-Rechtschreibstörung, in Petermann, Franz (Hrsg.) Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie und -psychotherapie, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle 2000, 4., vollständig überar. und erw. Aufl., S. 454 ff.;
[46] vgl. The ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders. Clinical descriptions and diagnostic guidelines. Geneva, World Health Organization, 1991, S. 259 sowie Warn-ke/Roth, 2000, S. 454;
[47] Klicpera, Christian, Gasteiger-Klicpera, Barbara, Psychologie der Lese- und Schreib-schwierigkeiten, Entwicklung. Ursachen. Förderung, Weinheim 1995, S. 131;
[48] Betz/Breuninger geben hier noch weitere Buchstabengruppen an, die Kinder mit LRS ver-tauschen: Betz/Breuninger, 1998, S. 15; sowie in Warnke/Roth, S.454;
[49] ebenda, S. 454;
[50] Betz/Breuninger, 1998, S. 13 ff.;
[51] siehe Kammermeyer, Gisela, Schuleingangsdiagnostik. in: Faust-Siehl, Gabriele, Speck-Hamdan, Angelika (Hrsg.), Schulanfang ohne Umwege. Beiträge zur Reform der Grundschu-le, Frankfurt am Main 2001, S. 96 ff.;
[52] Überwiegend sind Jungen von LRS betroffen, vgl. Sommer-Stumpenhorst, Norbert, Lese-und Rechtschreibschwierigkeiten vorbeugen und überwinden, Berlin 2006, 10. Aufl., S. 29 (bewusst auf die Angabe von Zahlen verzichtet);
[53] Betz/Breuninger,1998, S. 31, Fußnote; sowie: Tacke,1999, S. 153-157. Siehe zudem be-eindruckendes Beispiel: Reuter-Liehr, Carola, Vom Leichten zum Schweren und vom Häufi-gen zum Seltenen. Eine Falldarstellung in: Haase, Peter (Hrsg.), Schreiben und Lesen si-cher lehren und lernen, Voraussetzungen, Risikofaktoren. Hilfen bei Schwierigkeiten, Dortmund 2000, S. 315-350;
[54]Klicpera/Gasteiger- Klicpera, 1995, S. 222 ff.;
[55] vgl. Schwenck, Christina, Schneider, Wolfgang, Einflussfaktoren für den Zusammenhang von Rechen- und Schriftsprachleistungen im frühen Grundschulalter, in: Kindheit und Ent-wicklung, Vol.12, Heft 4/2003, S. 214;
[56] Petermann, Franz, Legasthenie und Rechenstörungen. Einführung in den Themen-schwerpunkt, in: Kindheit und Entwicklung, Vol. 12. Nr.4/2003, S. 194;
- Quote paper
- Lea Maag (Author), 2008, Schulische Förderung von Kindern mit Störungen der sensorischen Integration im altersgemischten Lernen der neuen Schuleingangsphase, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125308
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