Die vorliegende Semesterarbeit entstand im Rahmen des Hauptseminars ,,Afrika und Black Atlantic" im Wintersemester 2001/2002. Ursprünglich sollte der Fokus auf der Bedeutung von Orten als Ziel für Pilgerreisen und eines Heimkehrwunsches für AfrikanerInnen in der Diaspora liegen. Während der Arbeit an diesem Thema aber wurde klar, dass das Anliegen einer Pilgerreise nicht mit dem Erreichen des Zielortes erfüllt ist, sondern im Gegenteil sich bis in das Residenzland fortsetzt und fortwirkt ebenso wie die Vorbereitungen nicht erst unmittelbar vor der Reise beginnen, sondern dem Ganzen ein langwieriger Prozess vorausgeht, der in bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse eingebettet ist.
Des weiteren konnte während des Hauptseminars immer wieder festgestellt werden, dass Diskussionen oft von verschiedenen Ausgangspunkten (als Deutsche, AfrikanerInnen, Afrodeutsche usw.) geführt wurden, und diese dem jeweils anderen Mitdiskutanten nicht unbedingt klar oder nachvollziehbar waren. Ebenso wurden scheinbar Perspektiven beim Mitdiskutanten angenommen, die so nicht gegeben sein mussten. Daraus ergab sich eine Emotionalität und Spannung in der Diskussion, die sich dann m.E. oft im Kreis drehte. Aufgrund dieser Beobachtungen stellte sich die Frage nach dem Zusammenhang von Identität und Geschichtsverständnis. So war nicht nur das Thema ,,Afrika und Black Atlantic" sondern auch Beobachtungen im Hauptseminar selbst Anstoß für die hier dargelegten Ergebnisse.
Die These dieser Arbeit lässt sich in den Worten Paul Connertons zusammenfassen:
,,Thus we may say that our experiences of the present largely depend upon our knowledge of the past, and that our images of the past commonly serve to legitimate a present social order. And yet these points, though true, are as they stand insufficient when thus put. For images of the past and recollected knowledge of the past, I want to argue, are conveyed and sustained by (more or less ritual) performances."1
Wenn alle möglichen Formen von Gedächtnis performativ immer wieder hergestellt und bestätigt werden und dies der Legitimation sozialer Ordnungen dient, liegt es nahe, eine solche Performativität auch für Geschichte anzunehmen, die bereits in der Annahme der Konstruiertheit von Geschichte angedeutet wird. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Zusammenhang von Selbstdefinition/ Identität und Geschichtsschreibung
- Die Orte - Der Versuch einer Kategorisierung
- Historische Orte - Orte mit Erinnerung
- Historische Orte oder Erinnerte Orte?
- Diaspora – Auf der Suche nach neuen Erinnerungsorten?
- Erinnern und Vergessen in der Gemeinschaft, der afrikanischen Diaspora
- Pilgerreise als praktizierte Gemeinschaft: Black Atlantic
- „Black Atlantic“ oder „Die Afrikanische Diaspora“?
- Gemeinschaft und Praxis
- Die Bedeutung von Pilgerreisen für die Afrikanische Diaspora
- Die erste Trennung
- Der Übergang oder die Konfrontation
- Die Integration des Neuen durch Rückkehr ins Alte
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Semesterarbeit untersucht den Zusammenhang zwischen Identität, Geschichtsschreibung und dem Phänomen der afrikanischen Diaspora im Kontext des „Black Atlantic“. Sie hinterfragt die Rolle von Orten und Pilgerreisen in der Konstruktion und Aufrechterhaltung kollektiver Identitäten. Die Arbeit analysiert, wie Erinnerung und Vergessen die Identitätsbildung beeinflussen und wie verschiedene theoretische Modelle – Erinnerungsorte, Pilgerreisen und Communities of Practice – zur Erklärung dieser komplexen Prozesse beitragen können.
- Der Zusammenhang zwischen Identität und Geschichtsschreibung
- Die Bedeutung von Orten (Erinnerungsorte) für die afrikanische Diaspora
- Die Rolle von Pilgerreisen als praktizierte Gemeinschaft
- Erinnern und Vergessen als Prozesse der Identitätsbildung
- Anwendung verschiedener theoretischer Modelle auf den „Black Atlantic“
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Arbeit untersucht den Zusammenhang von Identität und Geschichtsschreibung im Kontext des „Black Atlantic“, insbesondere die Bedeutung von Orten und Pilgerreisen für Afrikaner*innen in der Diaspora. Sie entstand aus Beobachtungen im Hauptseminar „Afrika und Black Atlantic“ und stellt die These auf, dass die Konstruktion von Identität performativ ist und soziale Ordnungen legitimiert. Die Arbeit setzt auf eine Synthese verschiedener theoretischer Modelle, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden.
Der Zusammenhang von Selbstdefinition/ Identität und Geschichtsschreibung: Dieses Kapitel beleuchtet den engen Zusammenhang zwischen Identität und Geschichtsschreibung. Es argumentiert, dass wissenschaftliche Erkenntnisse gesellschaftliche Strukturen sowohl offenlegen als auch beeinflussen. Die Identitätsfindung von Minderheiten wird als politisch brisantes Thema dargestellt, das oft durch „political correctness“ verdrängt wird. Der Fokus liegt auf der Bedeutung von geteilten Interessen und Erfahrungen für die Gruppenbildung und die dynamische Natur von Identitäten in einer globalisierten Welt.
Die Orte - Der Versuch einer Kategorisierung: Dieses Kapitel versucht, Orte im Kontext von Erinnerung und Identität zu kategorisieren. Es unterscheidet zwischen historischen Orten mit objektiver Bedeutung und erinnerten Orten, die subjektive Bedeutung tragen. Die Unterscheidung ist zentral für das Verständnis, wie Orte zur Konstruktion kollektiver Erinnerungen und Identitäten beitragen.
Diaspora – Auf der Suche nach neuen Erinnerungsorten?: Dieses Kapitel wendet die Überlegungen zu Orten auf die afrikanische Diaspora an und untersucht die Suche nach neuen Erinnerungsorten in der Diaspora-Erfahrung. Es hinterfragt, wie die Trennung von der ursprünglichen Heimat die Suche nach neuen Orten der Zugehörigkeit und Erinnerung prägt.
Erinnern und Vergessen in der Gemeinschaft, der afrikanischen Diaspora: Dieses Kapitel widmet sich der zentralen Bedeutung von Erinnern und Vergessen für die Identitätsbildung in der afrikanischen Diaspora. Es verweist auf die bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Ernest Renan hervorgehobene Bedeutung dieser Prozesse für das Gruppenbewusstsein und beleuchtet deren Einfluss auf die kollektive Identität.
Pilgerreise als praktizierte Gemeinschaft: Black Atlantic: Dieses Kapitel analysiert Pilgerreisen als praktizierte Gemeinschaft im Kontext des „Black Atlantic“. Es wird die Frage nach der Abgrenzung zwischen „Black Atlantic“ und „Afrikanische Diaspora“ diskutiert und der Fokus auf die Gemeinschaftspraktiken gelegt, die durch die Pilgerreise entstehen und aufrechterhalten werden.
Die Bedeutung von Pilgerreisen für die Afrikanische Diaspora: Dieses Kapitel untersucht die verschiedenen Phasen einer Pilgerreise – Trennung, Übergang/Konfrontation und Integration – und wie sie die Identität der Afrikaner*innen in der Diaspora beeinflussen. Der Prozess der Integration des Neuen durch eine Rückkehr zum Alten wird als zentrales Thema beleuchtet.
Schlüsselwörter
Identität, Geschichtsschreibung, afrikanische Diaspora, Black Atlantic, Erinnerungsorte, Pilgerreisen, Gemeinschaft, Erinnern, Vergessen, Heimkehrwunsch, kollektive Identität, Communities of Practice.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Semesterarbeit: Identität, Geschichtsschreibung und afrikanische Diaspora im Kontext des „Black Atlantic“
Was ist der zentrale Gegenstand dieser Semesterarbeit?
Die Arbeit untersucht den komplexen Zusammenhang zwischen Identität, Geschichtsschreibung und dem Phänomen der afrikanischen Diaspora im Kontext des „Black Atlantic“. Sie analysiert insbesondere die Rolle von Orten und Pilgerreisen bei der Konstruktion und Aufrechterhaltung kollektiver Identitäten in der afrikanischen Diaspora.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet den Zusammenhang zwischen Identität und Geschichtsschreibung, die Bedeutung von Orten (Erinnerungsorte) für die afrikanische Diaspora, die Rolle von Pilgerreisen als praktizierte Gemeinschaft, Erinnern und Vergessen als Prozesse der Identitätsbildung und die Anwendung verschiedener theoretischer Modelle auf den „Black Atlantic“. Der Fokus liegt auf der performativen Natur von Identität und der Legitimation sozialer Ordnungen.
Welche theoretischen Modelle werden verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf verschiedene theoretische Modelle, wie Erinnerungsorte, Pilgerreisen und Communities of Practice, um die komplexen Prozesse der Identitätsbildung in der afrikanischen Diaspora zu erklären. Diese Modelle helfen, die Bedeutung von Orten, Erinnerung und Gemeinschaft für die Konstruktion kollektiver Identitäten zu verstehen.
Wie wird der Begriff „Black Atlantic“ in der Arbeit behandelt?
Der „Black Atlantic“ dient als analytischer Rahmen, um die Erfahrungen der afrikanischen Diaspora zu untersuchen. Die Arbeit diskutiert die Abgrenzung zwischen „Black Atlantic“ und „Afrikanische Diaspora“ und konzentriert sich auf die Gemeinschaftspraktiken, die durch den „Black Atlantic“ geprägt sind.
Welche Rolle spielen Orte und Pilgerreisen in der Arbeit?
Orte werden als zentrale Elemente der Identitätsbildung betrachtet. Die Arbeit unterscheidet zwischen historischen Orten mit objektiver Bedeutung und erinnerten Orten mit subjektiver Bedeutung. Pilgerreisen werden als praktizierte Gemeinschaften analysiert, die die Identität der Afrikaner*innen in der Diaspora prägen. Die Arbeit untersucht die verschiedenen Phasen einer Pilgerreise (Trennung, Übergang/Konfrontation, Integration) und deren Einfluss auf die Identitätsbildung.
Wie werden die Prozesse von Erinnern und Vergessen behandelt?
Erinnern und Vergessen werden als zentrale Prozesse der Identitätsbildung in der afrikanischen Diaspora betrachtet. Die Arbeit zeigt auf, wie diese Prozesse das Gruppenbewusstsein und die kollektive Identität beeinflussen und verweist auf die Bedeutung dieser Prozesse, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Ernest Renan hervorgehoben wurde.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit besteht aus den Kapiteln Einleitung, Der Zusammenhang von Selbstdefinition/Identität und Geschichtsschreibung, Die Orte - Der Versuch einer Kategorisierung, Diaspora – Auf der Suche nach neuen Erinnerungsorten?, Erinnern und Vergessen in der Gemeinschaft, der afrikanischen Diaspora, Pilgerreise als praktizierte Gemeinschaft: Black Atlantic, Die Bedeutung von Pilgerreisen für die Afrikanische Diaspora und Zusammenfassung.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind Identität, Geschichtsschreibung, afrikanische Diaspora, Black Atlantic, Erinnerungsorte, Pilgerreisen, Gemeinschaft, Erinnern, Vergessen, Heimkehrwunsch, kollektive Identität und Communities of Practice.
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- Ilka Borchardt (Author), 2002, Die Suche nach den Wurzeln als Geschichtsschreibung, Wege, Orte und ihre Bedeutung für Identität in der Fremde, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12520