Im Folgenden sollen wesentliche Aspekte der archivischen Bewertung in knapper Form angerissen werden. Es soll sich dabei nur um einen groben Überblick über die doch sehr komplexe Materie der Bewertung im Archiv handeln. Ich habe dabei versucht, wesentliche Elemente des konkreten Bewertungsvorgangs an Hand der spärlichen Literatur zu dieser Thematik aufzuzeigen. Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen Teil und einen praktischen Teil, den ich in einer Art Arbeitsprotokoll über einen konkreten Bewertungsakt im Stadtarchiv beispielhaft mit dem Theorieteil in Bezug setzen möchte.
Inhalt
Theoretischer Teil
1. Einführung
1.1 Bewertungskriterien
1.2. Bewertungsmethoden
1.3. Praktische Durchführung
1.4. Anforderungen der Forschung an die archivische Bewertung
1.5. Anforderungen der Verwaltung an die archivische Bewertung
1.6. Anforderungen der Öffentlichkeit an die archivische Bewertung
Praktischer Teil
2. Arbeitsbericht über die Bewertung von Rechtsakten im Stadtarchiv Bergisch Gladbach
Resümée:
1. Einführung
Im Folgenden sollen wesentliche Aspekte der archivischen Bewertung in knapper Form angerissen werden. Es soll sich dabei nur um einen groben Überblick über die doch sehr komplexe Materie der Bewertung im Archiv handeln. Ich habe dabei versucht, wesentliche Elemente des konkreten Bewertungsvorgangs an Hand der spärlichen Literatur[1] zu dieser Thematik aufzuzeigen. Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen Teil und einen praktischen Teil, den ich in einer Art Arbeitsprotokoll über einen konkreten Bewertungsakt im Stadtarchiv beispielhaft mit dem Theorieteil in Bezug setzen möchte.
Zunächst also Grundsätzliches zur archivischen Bewertungspraxis[2]:
Nach dem Bundesarchivgesetz ist Bewertung die „Entscheidung darüber, ob dem Archiv zur Übernahme angebotenen Unterlagen bleibender Wert für die Erforschung oder das Verständnis der deutschen Geschichte, die Sicherung berechtigter Belange der Bürger oder die Bereitstellung von Informationen für Gesetzgebung, Verwaltung oder Rechtsprechung zukommt.“ Ähnlich lauten auch viele Landesarchivgesetze.
Die Bewertungstätigkeit entscheidet darüber, welche Aussagen in Zukunft über die jetzige Zeit getroffen werden können. Ziel der Bewertung ist es, aus einer Vielzahl von Einzelakten – wenn man so will - : aus einem „Schriftgut-Urwald“ – eine Auswahl zu treffen, die
- dem Sammlungsauftrag und der Zuständigkeit des Archivs
- den Interessen potentieller Nutzergruppen
- dem Anspruch, mit einem Minimum an Informationsgut ein Maximum an Informationsgehalt zu erreichen
gerecht wird. Dabei misst sich an der Bewertung sowohl die Qualität von Archivgut als auch von archivischem Handeln. Die Entscheidung, ob eine Überlieferung als „archivwürdig“ befunden und ins Archiv übernommen wird oder vernichtet (kassiert) werden soll, impliziert eine hohe Verantwortung und setzt Fachkompetenz voraus. Je nach Art und Umfang des zu bewertenden Schriftguts ist der Vorgang des Bewertens diffizil, muss doch ein Mittelweg gefunden werden zwischen der Totalübernahme und der Totalkassation bzw. der fragmentarischen Übernahme. Bei einer Totalübernahme besteht die Gefahr dass reihenweise Akten mit geringem Aussage- und Informationswert (Redundanz) im Archivmagazin landen und der potentielle Benutzer oftmals angesichts des Aktenbergs überfordert wird. Hinzu kommen die oft unverhältnismäßig hohen Folgekosten für Erschließung, Entmetallisierung, Lagerung, Konservierung etc. (materielle Folgen). Bei zu großzügig durchgeführten Kassationen landen oft wichtige Unterlagen im Reißwolf, d.h. sie werden einer evt. interessierten Öffentlichkeit bzw. der historischen oder wissenschaftlichen Forschung unwiederbringlich entzogen (immaterielle Folgen).[3]
Deshalb ist es wichtig, fachgerechte Bewertungen durchzuführen und sich Zeit zu nehmen für den Arbeitsgang „Bewerten“. So können hohe Kosten für Lagerung bei Totalübernahmen ohne Bewertung und Fehlentscheidungen vermieden werden. Den Benutzern wird der Zugang zu wesentlichen Informationen erleichtert.
1.1 Bewertungskriterien
Man unterscheidet
- formale
- inhaltlich-überlieferungskritische und
- technische
Bewertungskriterien.
Zu den formalen Bewertungskriterien zählt z.B. das Federführungsprinzip des Bundesarchivs. Hierbei konzentriert man sich im Wesentlichen auf Unterlagen, die in einer federführenden Behörde (d.h. eine bestimmte Aufgabe wird dort hauptsächlich in die Hand genommen, in die Wege geleitet und an nachgeordnete Dienststellen arbeitsteilig weitergegeben) entstanden sind. Die Durchsicht der Überlieferung von nachgeordneten, bzw. ausführenden Dienststellen auf verschiedenen hierarchischen Ebenen (vertikaler Abgleich) sollte ebenso wie die Durchsicht der Überlieferung von gleichgeordneten Verwaltungseinheiten (horizontaler Abgleich) in die Bewertung miteinbezogen werden zur eventuellen Gewinnung von zusätzlichen ergänzenden Informationen. Eine EDV-Vorverzeichnung hilft dabei, Doppelüberlieferungen aufzufinden. Entsprechend zum Federführungsprinzip schlägt Renate Köhne-Lindenlaub in ihrem differenziertem Bewertungskonzept vor, Überlieferungen von zentralen Stellen mit übergreifenden Leitungsfunktionen vollständig zu übernehmen. Bei der Überlieferung der nicht zentralen Stellen empfiehlt sie eine reduzierte Übernahme, d.h. ein Erhalten des Wichtigen nach formalen, inhaltlichen Kriterien wie untenstehend beschrieben, sowie nach der Nachfrage und der organisatorischen Gesamtfunktion.[4]
Ein weiteres formales Kriterium wäre die Orientierung an den Aufbewahrungsfristen. Verwaltungsschriftgut, welches „dauernd aufzubewahren“ ist, ist dann archivwürdig, wenn die Informationen rechtssichernden Charakters sind. Andernfalls sollte trotz des Aufbewahrungshinweises kritisch bewertet werden.
Bei der inhaltlich-überlieferungskritischen Bewertung spielen die Aufgaben, die von einer Dienststelle wahrgenommen werden, eine Rolle. Die Aufgaben sind zu werten und man stellt fest, welche Bedeutung ihnen zukommt (u.U. durch Anwendung statistischer Methoden).
Es gibt zwei Wertmaßstäbe:
Der Evidenzwert[5] ergibt sich daraus, inwieweit Unterlagen Organisation, Aufgaben und Verfahrensweisen einer Verwaltung widerspiegeln. Er hängt ab vom Stellenwert der Aufgabe oder Angelegenheit, bei der die Akten entstanden.
Der Informationswert[6] hingegen sagt etwas aus über den Stellenwert der in Akten enthaltenen Informationen über Personen (auch Körperschaften), Objekte und Phänomene (= was Personen oder Dingen passiert). Schellenberg gibt drei Analyseverfahren zur Bestimmung des Informationswertes an:
1. Untersuchung des Unikatcharakters (sind Informationen in dieser Form einmalig überliefert?)
2. Untersuchung der Form (wie werden Informationen übermittelt? / Aggregierungsgrad der Informationen)
3. Untersuchung der Bedeutung für die historische Forschung (s.u.)
Desweiteren unterscheidet er zwischen primären Wert und sekundärem Wert von Schriftgut. Der primäre Wert ergibt sich für die Behörde selbst zur Erledigung ihrer Aufgaben. Der sekundäre Wert gibt an, inwieweit das von der Behörde überlieferte Schriftgut auch für andere Behörden oder private Nutzer von Bedeutung ist. Er wirkt noch über die Nutzung durch die Behörde zur Erledigung ihrer Aufgaben hinaus.
Schellenberg macht in seiner Schrift wichtige Feststellungen, die man bei der Bewertung unbedingt berücksichtigen sollte:
- Die Menge der angelegten Akten schwindet mit der Zunahme an Wichtigkeit.
- Akten über wichtige Angelegenheiten sind oft weniger vollständig als über Belangloses.
- Akten über Entwicklungen von Grundsätzen und Anweisungen sowie über Grundlegendes im Anfangsstadium einer Behörde sind meist nicht vorhanden, da vieles auf mündlicher Ebene (Konferenzen, Telefonate) vereinbart und verhandelt wurde.
[...]
[1] So etwas wie ein allgemeines „Handbuch zur Bewertung im Archiv“ gibt es bislang nicht. Vielmehr sind Überlegungen, praktische Anleitungen und der Bewertungsdiskurs über eine Vielzahl von Aufsätzen, kleineren Beiträgen und Tagungsberichten verstreut. Ausnahmen bilden umfangreichere Veröffentlichungen zur Bewertung ganz bestimmter Aktengruppen oder –typen (Massenakten, Personalakten).
[2] Die nachfolgende Zusammenfassung basiert im Wesentlichen auf dem Aufsatz von Höötmann / Tiemann: Archivische Bewertung – Versuch eines praktischen Leitfadens zur Vorgehensweise bei Aussonderungen im Sachaktenbereich.- In: Archivpflege in Westfalen und Lippe 52 (2000), S. 1-11
[3] vgl. Buchholz, Matthias: Archivische Bewertung – eine Kernaufgabe als Krisenmanagement? –In: Der Archivar 51 (1998)
[4] Köhne-Lindenlaub, Renate: Erfassen, Bewerten, Übernehmen.- In: Handbuch für Wirtschaftsarchive, S. 106-109
[5] vgl. Schellenberg, Theodore: Die Bewertung modernen Verwaltungsschriftgutes.- übers. und hsg. von Angelika Menne-Haritz, Marburg, 1990 (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg ; 17)
[6] ebd.
- Arbeit zitieren
- Michael Krischak (Autor:in), 2007, Archivische Bewertung - Kriterien, Methoden und praktische Durchführung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125153
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.