Abstract
Entgegengesetzt der weit verbreiteten Annahmen, dass Frauen kaum an der aktiven Migration beteiligt sind, zeigt diese Arbeit auf, dass Frauen schon seit langer Zeit in unterschiedlichsten Formen keine ganz ungewichtige Rolle in der Migrationsbewegung spielen und das nicht nur in Zusammenhang mit dem Familiennachzug. Frauen migrieren aus unterschiedlichsten Gründen, in unterschiedlichsten Formen und tragen Sorge für ihre Familien.
Im Zuge der Anwerbung von Arbeitsmigranten seitens der Deutschen entwickelten sich die türkischen Arbeitsmigranten zu der größten Migrantengruppe in der BRD. Auch hier migrierten immer wieder türkische Frauen auf Grund von gezielter Anwerbung seitens des Aufnahmelandes. Auf Grund von beidseitigen unterschiedlichen und unerfüllten Erwartungen und Vorstellungen bezüglich des Aufenthaltes in der BRD, kam es in den Folgejahren zu unterschiedlichen Problematiken, die sich auch auf die Folgegenerationen nieder schlugen. Diese Problematiken bestehen zum Teil bis heute, welches jedoch nicht bedeuten kann, dass hier keine Unterschiede in der Lebensgestaltung von Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund bestehen. In der Forschung bezüglich der Lebenslagen aus der Perspektive von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund mangelt es bisher an wissenschaftlich fundierten Arbeiten. Viele Arbeiten stützen sich immer wieder im Zusammenhang mit der bedeutenden Sozialisation eines Menschen auf den Ansatz der patriarchalischen Familienstruktur in der traditionellen türkischen Familie. Nach der aktuellen Forschungsarbeit von Boos-Nünning und Karakasoglu (2005) sehen sich Mädchen und junge Frauen mit türkischem Migrationshintergrund oft jedoch gar nicht so gebeutelt wie von der Öffentlichkeit angenommen, sondern fühlen sich im allgemeinen recht wohl in ihren Familien. Da Mädchen und junge Frauen mit türkischem Migrationshintergrund ebenso in Krisensituationen geraten können wie deutsche Mädchen, ergibt sich allein daher auf der Grundlage des KJHG ein staatlicher Auftrag für die Soziale Arbeit diese miteinzubeziehen.
Auch wenn hier sicherlich immer wieder ein Teil der bisher angenommenen Problematik besteht, ist es an der Zeit umzudenken und auch Unterschiede unter den Mädchen und jungen Frauen wahrzunehmen und anzuerkennen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Eine geschlechtsspezifische Perspektive
-Frauen in der Migration-
2.1 Frauen und Migration als Forschungsthema
2.2 Motive und Formen der Migration
2.3 „Abhängige-“ im Unterschied zu „Unabhängiger“ Migration
3. Geschichtliches
-Türkische Arbeitsmigranten in Deutschland-
3.1 Die Massenbeschäftigung von „Gastarbeitern“ in Deutschland
3.2 Problematiken der 1. Generation türkischer
ArbeitsmigrantInnen in Deutschland
3.3 Die Frauen der 1. Generation
3.4 Ein Leben in Deutschland und die Folgegenerationen
4. Ein Leben zwischen oder mit zwei Welten -Mädchen 27 und junge Frauen mit türkischem Migrationshintergrund heute-
4.1 Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund als Forschungsthema
4.2 Mädchen und jungen Frauen mit türkischem
Migrationshintergrund in der BRD unter dem Aspekt der Sozialisation
4.2.1 Begriffsbestimmung: Sozialisation
4.2.2 Die Bedeutung der „türkischen Familie“ im Fokus
der Öffentlichkeit
4.2.3 Die Bedeutung der „Familie“ und der elterlichen Erziehung für Mädchen und junge Frauen mit türkischem
Migrationshintergrund
4.2.4 Sozialisationsinstanz Schule und die Bildung
4.2.5 Freizeit und Freundschaften
4.2.6 Die Religiosität oder der Islam und die Bedeutung
des Kopftuches
5. Die Relevanz für die Soziale Arbeit
6. Schluss
7. Quellenverzeichnis
7.1 Literaturangaben
7.2 Internetverzeichnis
1. Einleitung
Diese Arbeit soll mögliche Lebenswelten von Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund, wie einige von ihnen denken und fühlen, erkennbar werden lassen. Die Arbeit soll anregen alte Denkmuster zu überwinden und das Interesse an der Unterschiedlichkeit von Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund wecken, um das stereotype Bild der „typischen Türkin“ neu zu überdenken.
Migranten aus der Türkei stellen die größte Einwanderungsgruppe in Deutschland. Ihre männlichen Nachkommen werden meist in Zusammenhang mit „Gewalt an Schulen“ und „Jugendkriminalität“ diskutiert. Die weiblichen Nachkommen hingegen verkörpern aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft das Bild der „unterdrückten Frauen“ und der „zwangsverheirateten Mädchen“. Im Zusammenhang mit den „Kopftuchdebatten“ verfestigt sich dieses Bild immer wieder nachhaltig in der Öffentlichkeit. Dass diese Mädchen und jungen Frauen ebenfalls unterschiedliche Lebensstrategien u.a. losgelöst von dem Bild der „unterdrückten Türkin“ verfolgen könnten so wie deutsche Mädchen auch, scheint in der Öffentlichkeit kein Thema zu sein. Zudem drängt sich die Frage auf, inwieweit dieses Bild auf reinen Vorurteilen basiert oder auf wissenschaftlich belegten Tatsachen, inwiefern es evt. veraltet ist und möglicherweise einer dringenden Überarbeitung bedarf.
Die folgende Arbeit soll zu Beginn ein zusammengefasstes Bild der allgemeinen Frauenmigration und dem Stand der Forschung zeichnen, um als Basis eine Ahnung von möglichen Lebensstrategien von Frauen in der Migration zu erhalten und mögliche Ähnlichkeiten zu Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund was den Stand der Forschung betrifft zu beleuchten. Des Weiteren soll eine Zusammenfassung über die geschichtlichen Hintergründe und die Entwicklungen über die Generationen der türkischen Migranten und deren Nachkommen in Deutschland gegeben werden. Auf dieser Basis soll sich an die Lebenssituationen von Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund herangetastet werden. Ausgehend von der Sozialisation eines Menschen sind hier Teilbereiche, die in diesem Zusammenhang vor allem im Bezug auf Kinder und Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert werden ausgewählt worden. Der Fokus liegt hier auf der, von der Mehrheitsgesellschaft immer wieder als fremd wahrgenommenen „türkischen Familie“. Des Weiteren sollen teilweise unterschiedliche Denkansätze der Wissenschaft gegenüber gestellt werden. Zuletzt stellt sich die Frage nach der Relevanz für die Soziale Arbeit und abschließend sollen eigene Schlüsse und Gedanken ihren Platz finden.
Der Hauptteil zu dem Thema „Die Lebensrealität von Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund“ orientiert sich stark an der aktuellsten Untersuchung von Boos-Nünning und Karakasoglu (2005) zu den Lebenswelten von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund aus deren Perspektive, da weitere aktuelle Untersuchungen unter Einbezug dieses Perspektivwechsels bisher kaum vorhanden sind. Die relevante Literatur zu dem weitreichenden Thema bezieht sich immer wieder in bestimmten Teilbereichen auf zahlreiche weitere wissenschaftliche Arbeiten, weshalb es hier nicht immer möglich war jede Literatur einzusehen.
2. Eine geschlechtsspezifische Perspektive -Frauen in der Migration-
2.1 Frauen und Migration als Forschungsthema
Im Jahr 2005 haben Migrantinnen und Migranten etwa 232 Milliarden US-Dollar in ihre Heimatländer überwiesen. Davon flossen insgesamt 167 Milliarden US-Dollar in Entwicklungsländer. Die Summe der Rücküberweisungen lag damit deutlich höher als die weltweiten Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit. Nach den ausländischen Direktinvestitionen bilden die Rücküberweisungen die zweitgrößte externe Finanzierungsquelle für die Entwicklungsländer. (vgl. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/emags/evelop/054/t5-internationale-migration.html).
Im Ausland lebende Frauen verdienen weniger als Männer. Sie schicken jedoch einen weitaus höheren Anteil ihres Einkommens an ihre Familien in der Heimat. Migrantinnen aus Bangladesch, die im Nahen Osten arbeiten, überweisen beispielsweise fast drei Viertel ihres Gehalts. Mit dem überwiegenden Teil dieses Geldes investieren die Frauen in die Gesundheitsversorgung und Bildung ihrer Kinder. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung und Entwicklung ihrer Länder. Zudem fördern Migrantinnen dabei maßgeblich die Wirtschaft und das gesellschaftliche Wohlergehen der Menschen sowohl in ihren Herkunfts-, als auch in den Aufnahmeländern. Dieser Aspekt wurde bislang weitestgehend vernachlässigt. (vgl. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/emags/evelop/054/t5-internationale-migration.html)
Jedoch wirkt sich die Migration von Frauen nicht nur positiv auf ihre Heimatländer aus. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft verlassen immer mehr qualifizierte Arbeitskräfte die Entwicklungsländer. (vgl. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/emags/evelop/054/t5-internationale-migration.html).
In der Migrationsforschung herrscht eine Langzeitperspektive vor, in der eine männliche Symbolik dominiert. Es wurde und wird die Wanderung von Frauen entweder nicht wahrgenommen und erwähnt oder sie werden als Abhängige der Männer, als Mit- oder Nachwandernde beschrieben. Dabei sind „Frauen, so wurde bereits zu den Anfängen der Migrationsforschung festgestellt, (…) eine große Gruppe in der weltweiten Migration“ (Prodolliet 1999, zit. n. Lehmann 2008: 34). Jedoch stellte „Die Migration der Frauen (…) bis zum Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts kaum ein Forschungsthema der Migrationssoziologie“ (Han 2003: 1) dar.
Die Migration von Frauen mit dem Ziel, eine Arbeitsstelle im Ausland zu finden, ist kein neues Phänomen. So wanderten z.B. im 19. Jahrhundert junge irische Frauen in Massen in die USA aus, um der Armut in ihrem Land zu entfliehen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es vor allem Frauen aus Italien, Spanien und Portugal, die nach Großbritannien und später auch nach Frankreich emigrierten. In den 60er und 70er Jahren wurde die Zahl asiatischer ArbeitsmigrantInnen im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung in den so genannten Tigerstaaten auf insgesamt 6 bis 7 Mio. Menschen geschätzt, wobei insbesondere Frauen für feinmotorische und geduldfordernde Produktionstätigkeiten nachgefragt wurden. (vgl. http://www.migration-info.de/migration_und_bevoelkerung/artikel/040708.htm)
Seit Ende des zweiten Weltkrieges stellen die Frauen knapp die Hälfte aller MigrantInnen weltweit, wobei sie sich in den weltweiten Migrationsbewegungen unterschiedlich stark repräsentieren. (vgl. Lehmann 2008: 34) „Die große Zuwanderungswelle in die ‚Gastarbeiterländer’, also auch nach Deutschland, wurde anfangs zahlenmäßig sehr stark von Männern dominiert, während wiederum zum Beispiel unter den innereuropäischen Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien der Anteil von Frauen besonders hoch war.“ (Lehmann 2008: 34)
Nachdem die Beteiligung von Frauen an internationalen und historischen
Migrationsprozessen erst im Verlauf der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts von der
Migrationsforschung "entdeckt" wurde, sprach man in den 90er Jahren gern von der
„Feminisierung“ der Migration; obwohl dies kein neues Phänomen war. (vgl. Han 2003)
Nach Lehmann jedoch rechtfertigt die aktuelle Datenlage in den 90er Jahren es nicht, von einer „globalen Feminisierung der Migration’“ (Lehmann 2008: 34) zu sprechen. „Frauen wurden häufig nicht als Akteurinnen im Migrationsprozess wahrgenommen und dies kommt auch in den internationalen Gesetzgebungen zu Einwanderung und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zum Ausdruck.“ (Prodolliet 1999, zit. n. Lehmann 2008: 34) Auf Grund des traditionellen Rollenverständnisses, was die Arbeitsverteilung zwischen Mann und Frau betrifft „wurde davon ausgegangen, dass Männer die Entscheidungsträger bei Migrationsbewegungen sind“ (Lehmann 2008: 34).
Eines der Ereignisse warum in den 80er Jahren die Migration von Frauen erstmalig Aufmerksamkeit erhielt, war die Publikation migrationssoziologischer Forschungsergebnisse in den USA, die zeigten, dass „von 1930 bis 1979 die Frauen durchgehend mehr als die Hälfte aller Immigranten in den USA ausmachten“ (Han 2003: 2). Diese Entdeckung stellte zum ersten Mal die, bisherige Theorie in Frage, „dass die grenzüberschreitende Migration überwiegend die Migration der Männer sei, die diese in jungen Jahren unternähmen“ (Han 2003: 2).
Weiteren Anlass, die Migrationsbewegung der Frauen in Augenschein zu nehmen boten „in den Sozialwissenschaften die feministischen Debatten, die generell die Aufmerksamkeit für die Frauenthemen“ (Han 2003: 2) vergrößerten.
6,7 Millionen ausländischen Personen in Deutschland sind männlichen Geschlechts (51,3 %). Der Frauenanteil beträgt insgesamt 48,7 %, wobei sich in den unteren und mittleren Jahrgängen die Geschlechterproportion annähert. (vgl. www.keb-regensburg.de/fileadmin/kebreg/doc/Auslaenderzahlen_Deutschland.pdf) Obwohl die Anzahl der Migranten auf Grund von z.B. illegaler Einwanderung oder Morbidität der ausländischen Bevölkerung nicht gleichzusetzen ist, lässt sich hier eine klare Tendenz erkennen. Da sich der Anteil der ausländischen Frauen dem der ausländischen Männer in Deutschland zunehmend angleicht, lässt sich diese Entwicklung auch mit den Migrationsbewegungen nach Deutschland vergleichen.
„Es zeigt sich allgemein, dass Frauen eher an dauerhafter Einwanderung beteiligt sind und seltener zurückkehren als Männer“ (Aufhauser 2000, zit. n. Lehmann 2008: 37).
2.2 Motive und Formen der Migration
Gründe, Formen und Ziele, warum Menschen den Schritt in die Migration wagen sind durchaus unterschiedlicher Natur, jedoch in der Regel fließend und können „sich im Lauf des Migrationsprozesses (auch) ändern“ (Lehmann 2008: 35).
In der Migration kann es darum gehen sich ein völlig neues Leben in dem Aufnahmeland durch eine berufliche Tätigkeit oder eine Heirat zu ermöglichen oder aber eine neue Zukunftsperspektive im Herkunftsland durch z.B. eine qualifizierte Ausbildung zu schaffen. Es gibt auch Migrationsprozesse in denen es darum geht belastenden Situationen im Herkunftsland zu entfliehen und diese zu verarbeiten. (vgl. Lehmann 2008: 35)
Eine weitere Form der Migration, die heute immer mehr zunimmt und im Zusammenhang mit den neuen Möglichkeiten der Informations- und Verkehrstechnologien zu sehen ist, bedeutet für die MigrantInnen „ein Leben im transnationalen Raum zu führen“ (Lehmann 2008: 35). So gibt es auch den Begriff der „transnationalen Mutterschaft“, wo Mütter ihre Kinder bei Verwandten oder Freunden unterbringen und hoffen, diese durch im Aufnahmeland erworbenes Geld unterstützen zu können, da es sonst keine Lebensperspektive für sie gibt. (vgl. Lehmann 2008: 35) „Erziehungs- und Versorgungsaufgaben werden dabei über nationarweile Forschungeilweise über Kontinente hinweg transferiert und delegiert“ (Lehmann 2008: 35).
Die Bedingungen, unter denen eine Migration stattfindet, wirken sich sehr stark auf die Form der Migration aus. Für Frauen ist die Form der Heiratsmigration schon immer eine Strategie und oft die einzig mögliche Option gewesen ihre Lebensverhältnisse zu verändern. (vgl. Lehmann 2008: 35) „Arrangierte Ehen bieten Frauen, aber auch Männern, häufig die einzige legale Zugangsmöglichkeit nach Deutschland“ (Lehmann 2008: 35). Die Verbindungen solcher Ehen kommen auf unterschiedliche Art und Weise zustande. Unter anderem gibt es professionelle Vermittlungsagenturen zu diesem Zweck, besonders für den asiatischen Raum. Ein sozialer Aufstieg durch Heirat gelingt vielen Frauen und ist eine wichtige Überlebensstrategie für diese. Auf der anderen Seite werden, die dadurch neu entstehenden Abhängigkeitsverhältnisse für die Frauen oft zu einem weiteren Problem. (vgl. Lehmann 2008: 35)
Allgemeine Wanderungsmotive für Frauen, als auch für Männer sind in der Regel Armut, Verfolgung, Arbeitssuche und mangelnde Lebensperspektiven. (vgl. Lehmann 2008: 35) „Daneben kommen für Frauen geschlechtsspezifische Gründe wie verschärfte Mittellosigkeit, strukturelle Diskriminierung und besondere Verfolgungssituationen hinzu“ (Treibel 2000: 146 zit. n. Lehmann 2008: 35).
Obwohl bis heute die Migration von Frauen häufig hauptsächlich mit Heirat oder aber einer Familienzusammenführung, also der „abhängigen Migration“ assoziiert wird, gibt es mittlerweile Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Frauen immer häufiger auf Grund von Nachfrage der Einwanderungsländer besonders im Dienstleistungssektor, also „unabhängig“ migrieren. (vgl. Lehmann 2008: 36)
Frauen sind z.B. Billigarbeitskräfte in der neuen globalen Dienstleistungsindustrie in frauenspezifischen Arbeitsfeldern. Dabei findet eine besonders hohe erwerbsbezogene Desqualifikation statt, d.h. dass gut ausgebildete und erfahrene Frauen in Bereichen arbeiten, die weit unter ihrer Qualifikation liegen. (http://www.asa-programm.de/doc/2%20Gender-Dimensionen%20von%20Migration.pdf)
Zu den nachgefragten Dienstleistungen gehören z.B. der „Domestic Service“ (Han 2003: 150 ff) in privaten Haushalten, Dienstleistungen im Bereich der Prostitution und in der Unterhaltungsbranche. (vgl. Lehmann 2008: 36)
2.3 „Abhängige-“ im Unterschied zu „Unabhängiger“ Migration
Die „abhängige Migration“ wird auch als die „sekundäre Migration“ bezeichnet und dient nicht dem Selbstverwirklichungs- bzw. Selbstzweck. „Sekundäre Migration“ bedeutet, dass die Frauen ihren Ehemännern oder unmittelbaren Familienangehörigen ins Ausland folgen. In der Regel findet dies in Form einer „Familienzusammenführung“ statt, welche mittlerweile von fast allen Aufnahmeländern gewährt wird. (vgl. Han 2003: 26 )
Die „unabhängige Migration“ wird auch als „primäre Migration“ beschrieben. Frauen migrieren hier selbstständig zum Zweck der Verfolgung individueller Ziele, wie die individuelle Erwerbsarbeit oder das Anstreben einer Berufsausbildung. Üblich sind auch immer wieder Mischformen dieser Migrationsformen. So kann es z.B. durchaus sein, dass eine Frau auf Grund von Familienzusammenführung migriert, jedoch auch individuelle Ziele verfolgt oder eben umgekehrt. (vgl. Han 2003: 27) Die Grenzen sind auch hier fließend.
Die abhängige Migration galt lange Zeit als die dominantere und gilt weiterhin als die traditionelle Form der Frauenmigration. Erst im 20. Jahrhundert trat die unabhängige Arbeitsmigration der Frauen in einem größeren Umfang als eine neue und sichtbare Entwicklungsform in Erscheinung. Zuvor wurde die unabhängige Migration der Frauen durch patriarchalische Machtstrukturen auf eine relativ kleine Größenordnung beschränkt. (vgl. Han 2003: 27) „Dadurch wird der soziale Wandel erkennbar, dem auch die Frauenmigration ausgesetzt ist“ (Han 2003: 27).
Grundsätzlich jedoch hat die Geschichte der Migration bisher gezeigt, dass der Anteil von Frauen und Kindern immer dann stieg, wenn die Aufnahmeländer durch restriktive, gesetzliche Maßnahmen versucht haben, die Zuwanderung bzw. die Einwanderung von MigrantInnen zu beschränken, da so die Familienzusammenführung neben der Gewährung des Asyls für politisch Verfolgte oft der einzig erlaubte Weg der legalen Einwanderung bleibt. Dabei fällt die Anerkennungsquote von Asylanträgen in allen europäischen Aufnahmeländern kaum ins Gewicht. Die rechtliche Möglichkeit der Familienzusammenführung bedeutet jedoch nicht, dass diese immer in legalem Rahmen stattfindet. In Ländern, in denen sie von bestimmten Bedingungen abhängig ist, wie z.B. in Frankreich und Deutschland, erfolgt diese oft illegal (vgl. Han 2003: 38). So ist z.B. in Deutschland ein ausreichend großer Wohnraum (vgl. § 5 AufenthG) und die Sicherung der nachziehenden Personen durch ein entsprechendes Einkommen (vgl. § 29 Abs. 1 S. 2 AufenthG) Bedingung.
Die zunehmende unabhängige Arbeitsmigration der Frauen findet ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter so genannten „Push- und Pull-Faktoren“ (Han 2003: 47) statt. Als solche bezeichnet werden Faktoren, also Umstände, die dazu führen können, dass Menschen die Migration antreten. Hierzu zählen nach Han (2003: 48) Faktoren wie Überbevölkerung, bedrückende materielle Armut, berufliche Perspektivlosigkeit und restriktive und repressive patriarchalische Strukturen in den Ländern der dritten Welt.
Eine weitere Bewegung ist dagegen die quantitative Steigerung der weltweiten Nachfrage nach Frauenarbeitskräften, die im Zuge der grundlegenden und globalen strukturellen Veränderungen der Wirtschaft entsteht. Diese Nachfrage löst heute die zunehmende und nachfrageorientierte, unabhängige Arbeitsmigration von Frauen aus. So warb z.B. das Industrieunternehmen AEG bereits in den 60ger Jahren gezielt türkische Frauen für feinmotorische Montagearbeiten an, da man Frauen für feinmotorisch- geschickter und geduldiger als Männer hielt. (vgl. Han 2003: 150) Heute bezieht sich die gezielte Nachfrage als wesentliche Entwicklung, zunehmend auf den „Domestic Service“ in Privathaushalten.
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- Citation du texte
- Lea Dalldorf (Auteur), 2008, Die Lebensrealität von Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124875
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