Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Einkommensteuerrechtliche Behandlung von Aufwendungen für Studium
und Ausbildung (einschließlich verfassungsrechtlicher
Aspekte)“. Der Gesetzgeber hat mit Wirkung vom 1.1.2004 die
einkommensteuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen für
ein Erststudium und die erste Berufsausbildung grundlegend neu
geregelt. Diese Reaktion beruhte auf der Rechtsprechungsänderung
des BFH. Mit den Urteilen vom 4.12.2002 und vom 17.12.2002 leitete der BFH eine Änderung seiner früheren Rechtsprechung (Rspr.) zur Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten zu Gunsten der Steuerpflichtigen ein. Im Folgenden wird die gegenwärtige einkommensteuerrechtliche Behandlung von Aufwendungen für Studium und Ausbildung nach bisheriger Rechtsprechungsentwicklung, deren Systematik und Inhalt dargestellt sowie anschließend zur Vereinbarkeit mit der Verfassung im Hinblick auf die ab dem 1.1.2004 geltenden Neuregelung Stellung genommen.
Gliederung
A.Einleitung
B.Rechtslage bis 2003
I.Frühere BFH-Rspr
1.Typisierende Betrachtungsweise
a)Ausbildungskosten
b)Fort- und Weiterbildungskosten
c)Behandlung des Erststudiums und der Promotion
2.Abgrenzungsprobleme zwischen Aus-, Fort- und Weiterbildungskosten.
II.Zwischenergebnis
C.Rechtsprechungswandel
I.Erforderlicher Veranlassungszusammenhang
1.Berufsbegleitendes Erststudium
2.Studium im Anschluss an das Abitur
3.Promotion
4.Umschulung
5.Erstmalige Berufsausbildung
II.BFH-Begründung zur Rechtsprechungsänderung
III.Reaktionen auf die Rechtsprechungsänderung
IV.Zwischenergebnis
D.Auswirkungen der geänderten Rspr.
I.Begriff der WK bzw. BA/Erwerbsaufwendungen
II.Begriff der SA/private Abzüge
III.Zwischenergebnis
E.Rechtslage ab 2004
I.Inhalt der Neuregelung
1.Nicht abzugsfähige Ausgaben nach §12 Nr.5
2.SA-Abzug nach §10 I Nr.7
II.Die Gesetzesbegründung zur Neuregelung
III.Auswirkungen der Neuregelung/betroffener Personenkreis
1.Erststudium i.R.e. Dienstverhältnisses
2.Erststudium ohne Dienstverhältnis
3.Erste Berufsausbildung i.R.e. Dienstverhältnisses
4.Erste Berufsausbildung ohne Dienstverhältnis
II
IV.Abgrenzungsprobleme zwischen den Berufsgruppen
F.Kritik an der Neuregelung
I.Kritik am Gesetzgebungsverfahren
II.Materielle Verfassungsmäßigkeit
1.Verfassungswidrige Rückwirkung
a)Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot
b)Abwägung des Gemeinwohlinteresses gegen den bürgerlichen Vetrauensschaden
c)Kritik an der BVerfG-Rspr
d)Zwischenergebnis
2.Vereinbarkeit des §12 Nr.5 mit Art.3 I GG
3.Leistungsfähigkeitsprinzip
a)Vergleich zwischen Aufwendungen für ein berufsbegleitendes Erststudium und für nichtakademische Weiterbildungsmaßnahmen
b)Vergleich zwischen Aufwendungen für eine erste Berufsausbildung und Umschu- lungskosten
c)Vergleich zwischen Aufwendungen für ein Erststudium i.R.e. Dienstverhältnisses und ohne ein Dienstverhältnis
d)Vergleich zwischen Aufwendungen für eine erste Berufsausbildung i.R.e. Dienst- verhältnisses und ohne ein Dienstverhältnis
e)Zwischenergebnis
4.Rechtfertigungsmöglichkeiten zur Einschränkung des objektiven Nettoprinzips
a)Vermeidung von Verlustvorträgen
b)Vermeidung von Doppelbegünstigungen
c)Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
d)Zwischenergebnis
5.Zwischenergebnis
III.Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A.Einleitung
Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Einkom-mensteuerrechtliche Behandlung von Aufwendungen für Studi-um und Ausbildung (einschließlich verfassungsrechtlicher Aspekte)“. Der Gesetzgeber hat mit Wirkung vom 1.1.2004 die einkommensteuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen für ein Erststudium und die erste Berufsausbildung grundlegend neu geregelt. Diese Reaktion beruhte auf der Rechtsprechungsände-rung des BFH. Mit den Urteilen vom 4.12.2002[1] und vom 17.12.2002[2] leitete der BFH eine Änderung seiner früheren Rechtsprechung (Rspr.) zur Abzugsfähigkeit von Ausbildungs-kosten zu Gunsten der Steuerpflichtigen ein[3]. Im Folgenden wird die gegenwärtige einkommensteuerrechtliche Behandlung von Aufwendungen für Studium und Ausbildung nach bisheriger Rechtsprechungsentwicklung, deren Systematik und Inhalt dar-gestellt sowie anschließend zur Vereinbarkeit mit der Verfas-sung im Hinblick auf die ab dem 1.1.2004 geltenden Neurege-lung Stellung genommen.
B.Rechtslage bis 2003
Zunächst wird die alte Rechtslage vorgestellt. Dabei wird ausge-hend von der früheren gefestigten höchstrichterlichen Rspr. der Rechtsprechungswandel erläutert.
I.Frühere BFH-Rspr.
In Bezug auf die einkommensteuerrechtliche Qualifikation von Aufwendungen des einzelnen für seine berufliche Bildung ver-trat der BFH[4] über viele Jahre hinweg eine rein begriffliche Ab-grenzung und unterschied zwischen Ausbildungskosten zu ei-nem künftigen Beruf und Fort- und Weiterbildungskosten.
1.Typisierende Betrachtungsweise
Allen Bildungsmaßnahmen der früheren Rspr. war die sog. typi-sierende Betrachtungsweise, durch den BFH zu Grunde gelegt.
Statt auf die Veranlassung abzustellen, wurde die Abzugsfähig-keit anhand von Begriffsdefinitionen abhängend differenziert. Insbesondere die typisierende Zuweisung der erstmaligen Aus-bildung zu einem Beruf, der Umschulung und des Erststudiums zum Bereich der Lebensführung begründete der BFH[5] damit, dass durch diese Bildungsmaßnahme eine gesicherte Lebensstel-lung geschaffen oder die Grundlage für einen neuen Beruf oder andere berufliche, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Stellung eröffnet werde. Auch wenn eine gewisse Berufsnähe zu bejahen wäre, so die Rspr. weiter, stünden dem nicht unwesentliche private Mitveranlassungsfaktoren gegenüber, sodass der Erwerbs-bezug im Ganzen ausscheide[6].
a)Ausbildungskosten
Unter Ausbildungskosten wurden die Aufwendungen gefasst, die für die Ausbildung eines Steuerpflichtigen zu einem erstma-ligen oder bei Berufswechsel zu einem neuen Beruf anfielen[7]. Der BFH[8] nahm Ausbildungskosten an, wenn die Aufwendun-gen dem Ziel dienten, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundla-ge für einen künftigen Beruf notwendig sind. Derartige Aufwen-dungen standen hiernach noch nicht mit einer konkreten berufli-chen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen im Zusam-menhang. Sie würden jedem Steuerpflichtigen erwachsen und gehörten somit zu den Kosten der privaten Lebensführung, die nur als Sonderausgaben (SA) ausnahmsweise abzugsfähig sei-en[9]. Diese Grundsätze gehen letzlich auf die stark seitens Litera-tur und finanzgerichtlicher Rspr. kritisierte[10] „Lebenskampfthe-se“ des Reichsfinanzhofs[11] zurück[12].
b)Fort- und Weiterbildungskosten
Im Gegensatz zu den Ausbildungskosten waren die sog. Fort-oder Weiterbildungskosten als Werbungskosten (WK) oder Be- triebsausgaben (BA) abziehbar. Kosten für Fortbildungen dien-ten dazu, um in einem bereits ausgeübten Beruf auf dem laufen-den zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu wer-den und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kom-men[13]. Diese mache sie zu Erwerbsaufwendungen und damit in voller Höhe als WK/BA abzugsfähig[14].
c)Behandlung des Erststudiums und der Promotion
Als Konsequenz dieser Begriffsunterscheidung ergab sich, dass die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für ein Erststudium an einer Hochschule stets nur als SA abziehbar waren, da solch ein Studium dem Steuerpflichtigen regelmäßig eine höherrangi-ge berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung er-öffne und damit die Grundlage für eine neue oder andere als bis-herige Lebensgestaltung verschaffe[15]. Aufwendungen für ein Erststudium wurden im Regelfall nur bis zu 900 DM bzw. 1200 DM bei auswärtiger Unterbringung als SA berücksichtigt[16]. Die Aufwendungen für eine Promotion, die i.R.e. Dienstverhältnis-ses stattfand, wurden nach bisheriger Rspr.[17] als WK/BA aner-kannt. Etwas anderes galt jedoch, wenn eine Promotion außer-halb eines bestehenden Dienstverhältnisses stattfand. Derartige Fälle waren dem Bereich der SA zuzuordnen. Der BFH[18] ver-glich den Fall des Promotionsdienstverhältnisses insoweit mit einem Ausbildungsdienstverhältnis. Das sollte auch dann gelten, wenn die Promotion für das jeweilige Berufsziel erforderlich war. Der Veranlassungszusammenhang wurde folglich völlig au-ßer Acht gelassen.
2.Abgrenzungsprobleme zwischen Aus-, Fort- und Weiter - bildungskosten
Die Abgrenzung zwischen Aus-, Fort- und Weiterbildungskos-ten führte dazu, dass sich die Rspr. ununterbrochen damit zu be-schäftigen hatte[19]. Die Grenze war folglich zwischen den unter- schiedlichen Betrachtungsweisen der Bildungsmaßnahmen nicht immer eindeutig zu ziehen. Als äußerst schwierig zu beant-worten erwies sich die Frage, ob eine Bildungsmaßnahme in ei-nem bereits ausgeübten Beruf erfolgte oder ob sie zu einem neu-en Beruf führte[20].
II.Zwischenergebnis
Folglich wurden nach der typisierenden Betrachtungsweise Bil-dungsaufwendungen entweder den Aus- oder den Fort- und Wei-terbildungskosten zugeordnet.
C.Rechtsprechungswandel
Mit seinen zwei Grundsatzentscheidungen für Bildungsaufwen-dungen vom 4.12.2002[21] und 17.12.2002[22] zeichnete sich dann eine Abkehr des BFH von seiner bisherigen Rspr. ab und machte somit die starre Abgrenzung der Bildungsma]ßnahmen voneinan-der überflüssig. Die neue Rspr. vertrat die Ansicht, dass die Ver-schaffung von Berufswissen mit der privaten Lebensführung nichts zu tun hat, sondern dass sie auf die Erzielung von Einnah-men gerichtet ist[23]. Bildungsaufwendungen sind danach vorab entstandene Erwerbsaufwendungen, wenn sie in einem hinrei-chend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit ei-ner Erwerbstätigkeit stehen[24]. Infolge dieser Rechtsprechungsän-derung ist die steuerliche Unterscheidung zwischen Aus- und Fortbildung sowie ihre Zuordnung in WK/BA und im Rahmen des SA-Abzuges zu berücksichtigende Kosten der Lebensfüh-rung folglich hinfällig[25]. Das führte dazu, dass die Bildungsmaß-nahmen im Ergebnis immer einheitlicher beurteil wurden.
I.Erforderlicher Veranlassungszusammenhang
Bei der Frage, ob Bildungsaufwendungen als SA oder WK/BA anzuerkennen waren, wurden bei allen Bildungswegen, abkeh-rend von der typisierenden Betrachtungsweise des BFH[26], hin zum Veranlassungszusammenhang, fortan geurteilt. Der Veran-lassungszusammenhang sei danach gegeben, wenn ein hinrei-chend klarer Zusammenhang der Aufwendungen für das Studi-um oder die Berufsausbildung mit den späteren Einnahmen aus der angestrebten Tätigkeit bestehe. Dieser klare Zusammenhang ergäbe sich daraus, dass die vom Steuerpflichtigen aufgenomme-ne Bildungsmaßnahme Berufswissen vermittele sowie konkret und berufsbezogen auf eine Berufstätigkeit vorbereite und damit eine Berufsausbildung darstellt. Der erforderliche Veranlas-sungszusammenhang fehlt nur dann, wenn „ins Blaue hinein“ studiert wird oder ansonsten private Gründe für die Aufnahme der Berufsmaßnahme nicht ausgeschlossen werden können. So etwa bei Studienaufwendungen, die als Hobby betrieben wer-den[27]. Derartige Aufwendungen stellten nicht abzugsfähige Kos-ten der allgemeinen Lebensführung dar[28]. Im Folgenden werden die Konsequenzen der Rechtsprechungsänderung anhand der un-terschiedlichen möglichen Bildungswege dargestellt.
1.Berufsbegleitendes Erststudium
Die Aufwendungen eines berufsbegleitenden erstmaligen Hoch-schulstudiums wurden vom BFH[29] erstmals am 17.12.2002 nun als WK anerkannt, sofern sie beruflich veranlasst waren. Ob da-bei das Studium eine Basis für andere Berufsfelder schaffe oder einen Berufswechsel vorbereite, war damit nun unerheblich. Nach dem BFH könne der erforderliche Veranlassungszusam-menhang bei jeder berufsbezogenen Bildungsmaßnahme erfüllt sein.
2.Studium im Anschluss an das Abitur
Bis 2006 hatte der BFH im Zuge seiner Rechtsprechungsände-rung sich nicht zum Erststudium im Anschluss an das Abitur äu-ßern müssen. Vielfach wurde jedoch davon ausgegangen, dass derartige Abzüge für Aufwendungen für solch ein Studium als WK oder BA nicht zweifelhaft sein kann. Mit seinem Urteil vom 20.7.2006 hat der BFH[30] schließlich, für einen seit 2003 anhängigen Fall, entschieden. Hiernach sind vorab entstandene WK auch bei einem im Anschluss an das Abitur durchgeführten Hochschulstudium anzuerkennen.
3.Promoti on
Erstmals entschied der BFH[31] in seinem Urteil vom 4.11.2003 entgegen seinen früheren Urteilen, dass auch Aufwendungen für eine Promotion, die außerhalb eines sog. Promotionsdienstverhältnisses, stattfand, WK oder BA darstellen können und diese als solche zum Abzug zugelassen.
4. U mschulung
Auch bei Umschulungsaufwendungen galt nach dem BFH[32], dass Aufwendungen für eine durch Arbeitslosigkeit verursachte Umschulungsmaßnahme, die die Grundlage dafür bildet, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln, vorab entstandene WK oder BA sein können. Erforderlich war jedoch, dass die Umschulungsaufwendungen dann als vorab entstandene Erwerbsaufwendungen anzusetzen waren, wenn diese in einem hinreichend, konkreten und objektiv feststellbaren Zusammenhang mit den künftigen Einnahmen standen.
5. E rstmalige Berufsausbildung
Auch für eine erste Berufsausbildung getätigte Bildungsaufwendungen erkannte der BFH[33] als Erwerbsaufwendungen an. Derartige Bildungsaufwendungen seien unabhängig davon zu beurteilen, ob sie im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses oder ohne eines solchen stattfinden.
[...]
[1] BStBl II 03,403ff..
[2] BStBl II 03,407ff..
[3] Steck,S.1117.
[4] BFHE 70,143;127,6.
[5] BStBl II 1967,723.
[6] Kreft,S.659.
[7] Jochum,S.261.
[8] BStBl II 1979,337ff..
[9] Thönnes,S.260.
[10] Prinz,S.231.
[11] RStBl 1937,1089ff..
[12] Thönnes,S.260.
[13] Sonneborn,S.15.
[14] Müller-F,S.60.
[15] Müller-F,S.60.
[16] Drenseck,S.1767.
[17] BStBl II 1993,115.
[18] BFHE 169,193(195).
[19] Drenseck,S.1767.
[20] Drenseck,S.1767;Wird nicht weiter vertieft.
[21] Siehe Fn.1.
[22] Siehe Fn.2.
[23] Drenseck,S.1767.
[24] T/L-Lang,§9,Rn.265.
[25] Aßmann,S.235.
[26] BStBl II 1967,723.
[27] BStBl II 05,349.
[28] BStBl II 1995,393.
[29] Siehe Fn.2.
[30] BStBl II 06,764.
[31] BStBl II 04,891.
[32] Siehe Fn.1u.2.
[33] BStBl II 04,S.884.
- Citar trabajo
- Özlem Cakir (Autor), 2008, Einkommenssteuerrechtliche Behandlung von Aufwendungen für Studium und Ausbildung (einschließlich verfassungsrechtlicher Aspekte), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124867
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