Welche Begriffe sind zeitgemäß, und welche implizieren Inhalte, über deren Wirkung sich die Gesellschaft nicht bewusst ist?
Diese Fragen stehen im Fokus der vorliegenden Arbeit. Hinsichtlich der Begriffe ‚Mohr‘ und ‚Zigeuner‘ wird untersucht, inwieweit sie einen rassistischen Hintergrund haben und was die Problematik ihrer festen Plätze im öffentlichen Diskurs mit sich bringt. Die beiden Bezeichnungen sind im öffentlichen Sprachgebrauch präsent und bieten ein großes Spektrum an Diskussionsräumen und alternativen Vorschlägen. Diese werden im Folgenden aufgedeckt und analysiert.
Nach einer allgemeinen Rassismusdefinition, der Verortung der Sprachwissenschaften im Rassismusdiskurs und einer groben Zugehörigkeitserklärung des Öffentlichkeitsaspekts wird im Hauptteil mit den theoretischen Ergebnissen eine praktische Analyse durchgeführt. Gegenstand dieser Analyse sind die Begriffe ‚Mohr‘ und ‚Zigeuner‘. Die in der Arbeit angewandten praktischen Methoden sind demnach eine historische Begriffsanalyse sowie eine Untersuchung ihrer aktuellen Verwendung. Nach einer sprachlichen Begriffsanalyse durch das Portal COSMAS II wird die Nutzung der Begriffe in der öffentlichen Diskussion begutachtet. Dafür werde ich mich mehrfach auf Zeitungsartikel oder Kommentare fokussieren. Anschließend werden die Alternativen der Begriffe untersucht und auf mögliche Schwächen geprüft. Abschließend wird ein erneuter Konsens zwischen Rassismus und Sprache deklariert und es werden Möglichkeiten dargestellt, mit Sprache gegen Rassismus vorzugehen.
Zur Verwendung der Begriffe in der folgenden Arbeit:
Die Begriffe „Mohr“ und „Zigeuner“ werden bewusst in Anführungszeichen gesetzt, um deren alltagssprachlichen Verwendung gegenzuwirken. Im Normalfall würde ich die Begriffe durch das M-Wort und Z-Wort ersetzen. Um den Lesefluss jedoch nicht zu unterbrechen, werden sie ausgeschrieben.
Inhaltsverzeichnis
1.1) Untersuchungsgegenstand
1.2) Methode und Ziel
2) Rassismus und Sprache - Einordnung in die Sprachwissenschaften
3) „Mohr“
3.1) Begriffsherkunft und Gebrauch
3.2) Die Diskussion uber den Begriff „Mohr“
3.3) Alternative Begriffe
4) Der Begriff „Zigeuner“
4.1) Begriffsherkunft und Gebrauch
4.2) Diskussion um den Begriff
4.3) Alternative Begriffe
5) Wie Sprache Rassismus entgegenwirken kann
Literaturverzeichnis
1.1) Untersuchungsgegenstand
„Fur eine reflektierte Sprache mussen alte Gewohnheiten abgelegt werden angesichts der langen Vergangenheit bestimmter Begriffe“ (Arndt und Ofuatey-Alazard 2015) So auBerte sich die Thuringer Ministerin fur Soziales, Familie und Gesundheit Heike Taubert. Immer wieder wird auch in der Sprachwissenschaft uber Begrifflichkeiten diskutiert und reflektiert. Welche Begriffe sind zeitgemaB, und welche implizieren Inhalte, uber deren Wirkung sich die Gesellschaft nicht bewusst ist?
Diese Fragen stehen im Fokus der vorliegenden Arbeit. Hinsichtlich der Begriffe ,Mohr‘ und ,Zigeuneru wird untersucht, inwieweit sie einen rassistischen Hintergrund haben und was die Problematik ihrer festen Platze im offentlichen Diskurs mit sich bringt. Die beiden Bezeichnungen sind im offentlichen Sprachgebrauch prasent und bieten ein groBes Spektrum an Diskussionsraumen und alternativen Vorschlagen. Diese werden im Folgenden aufgedeckt und analysiert.
1.2) Methode und Ziel
Nach einer allgemeinen Rassismusdefinition, der Verortung der Sprachwissenschaften im Rassismusdiskurs und einer groben Zugehorigkeitserklarung des Offentlichkeitsaspekts wird im Hauptteil mit den theoretischen Ergebnissen eine praktische Analyse durchgefuhrt. Gegenstand dieser Analyse sind die Begriffe ,Mohr‘ und ,Zigeuner‘. Die in der Arbeit angewandten praktischen Methoden sind demnach eine historische Begriffsanalyse sowie eine Untersuchung ihrer aktuellen Verwendung. Nach einer sprachlichen Begriffsanalyse durch das Portal COSMAS II wird die Nutzung der Begriffe in der offentlichen Diskussion begutachtet. Dafur werde ich mich mehrfach auf Zeitungsartikel oder Kommentare fokussieren. AnschlieBend werden die Alternativen der Begriffe untersucht und auf mogliche Schwachen gepruft. AbschlieBend wird ein erneuter Konsens zwischen Rassismus und Sprache deklariert und es werden Moglichkeiten dargestellt, mit Sprache gegen Rassismus vorzugehen. [1] Zur Verwendung der Begriffe in der folgenden Arbeit:
Die Begriffe „Mohr“ und „Zigeuner“ werden bewusst in Anfuhrungszeichen gesetzt, um deren alltagssprachlichen Verwendung gegenzuwirken. Im Normalfall wurde ich die Begriffe durch das M-Wort und Z-Wort ersetzen. Um den Lesefluss jedoch nicht zu unterbrechen, werden sie ausgeschrieben.
2) Rassismus und Sprache - Einordnung in die Sprachwissenschaften
Rassismus ist eine Begrifflichkeit, von der viele meinen, den semantischen Sinn zu kennen. Eine eindeutige Definition zu finden, gestaltet sich in diesem Zusammenhang jedoch schwierig. Das Wort impliziert den Begriff der R* und behauptet somit deren Existenz. Der Begriff der R* existiert im deutschen Sprachgebrauch seit etwa einem halben Jahrtausend und ist wie jeder Begriff nach wie vor stetig im sprachlichen Wandel. Abgeleitet wird das Wort nach Geulen von dem arabischen Wort raz, was so viel bedeutet wie Kopf, Anfuhrer oder Ursprung, sowie dem lateinischen radix (Wurzel) (Geulen 2018, 24). Arndt hingegen erklart diese Definition als umstritten und konzentriert sich in ihrer Ausarbeitung auf die Herleitung aus dem romanischen Ausdruck race (Stamm) (Arndt und Ofuatey-Alazard 2015, 660). Laut Arndt wurde das Wort im 16. Jahrhundert ausschlieBlich zur Unterscheidung von Gattungen, beispielsweise Pflanzenarten, verwendet. Erst Ende des Jahrhunderts habe der Begriff erstmals in Verbindung mit Menschen fungiert (Arndt und Ofuatey-Alazard 2015, 660). Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass der Begriff nicht nur zur Bezeichnung verschiedener Merkmale diente, sondern eine Hierarchisierung von Menschen damit einher ging. Besonders pragend fur die Hierarchisierung war die wissenschaftliche Einfuhrung durch den Philosophen Immanuel Kant, der in seinem Werk „Die verschiedenen R* der Menschen“ die These vertrat, dass alle Menschen von gemeinsamer Abstammung seien. Dennoch unterteilte er in ,WeiBe‘, ,Schwarze‘, ,Inder‘ und ,Amerikaner‘. Er behauptete, dass sich diese vier Gruppen aufgrund klimatischer Bedingungen auseinanderentwickelten und die Merkmale aller Gruppen genetisch bedingt seien (Kant 1775). Wie also soll Rassismus definiert werden, wenn bereits der Wortstamm keiner klaren Definition folgt?
Der Autor Jost Muller erlautert das direkte Verhaltnis von R* und Rassismus und beschreibt es wie folgt: „Rassismus realisiert die R*konstruktion, indem er sie konkretisiert.“ (Muller 1992, 30) Der Duden definiert Rassismus als „(meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. A. entwickelte) Lehre, Theorie, nach der Menschen bzw. Bevolkerungsgruppen mit bestimmten biologischen oder ethnisch- kulturellen Merkmalen anderen von Natur aus uber- bzw. unterlegen sein sollen“ (Duden online).
Der tunesisch-franzosische Schriftsteller Albert Memmi sprach 1982 im Kontext der Definition von einer „verallgemeinerte[n] und verabsolutierte[n] Wertung tatsachlicher oder fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklagers und zum Nachteil seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“ (Memmi 2018, 63). Mark Terkessidis legte in seiner Betrachtung des Rassismusbegriffs den Fokus auf einen historischen Wandel der Definition, angefangen mit der biologischen Unterscheidung zwischen Menschen bis hin zu einem gesellschaftlichen Konstrukt der R*, das unuberwindbare Grenzen zwischen Kulturen geschaffen hat, die durch Benachteiligung zum Ausdruck kommen (Terkessidis 2018, 65-68). Er erkannte - wie andere Wissenschaftler (Wieviorka 1991) auch - die Problematik einer eindeutigen Definition, aber sah es dennoch als notwendig an, ,Rassismus‘ als Gegenstand zu identifizieren, um eine adaquate Losung gegen Hierarchisierung und Diskriminierung zu finden. Ibram X. Kendi legte den Fokus auf die Hierarchisierung ethnischer Gruppen und definierte Rassismus als „[j]egliche Vorstellung, die eine bestimmte ethnische Gruppe als einer anderen ethnischen Gruppe unterlegen oder uberlegen betrachtet“ (Kendi 2017). Eine aktuellere Definition formt Noah Sow: „Rassismus ist nicht erst die negative Reaktion auf einen angeblichen Unterschied, sondern bereits die Behauptung des Unterschieds.“ (Sow 2018, 78) Sie fasst den Begriff demnach weitergehend und deutet bereits eine Unterteilung in Gruppen als rassistisch.
Ein GroBteil des zu beobachtenden Rassismus in Deutschland bezieht sich auf unbewusste oder bewusste Handlungen, die gegen eine bestimme Gruppe von Menschen ausgefuhrt werden. Doch auch die Sprache tragt einen groBen Teil zu diesem Phanomen bei. Der Linguist Martin Reisigl sieht in der Sprache als Transfermittel von Diskriminierung mehrere Moglichkeiten. So identifiziert er Sprache als ein „semiotisches Mittel zur Identifikation, begrifflicher Konstruktion, Imagination und Absonderung bestimmter Menschengruppen“ (Reisigl 2017). Bereits die begriffliche Unterscheidung, die Menschengruppen voneinander trennt, fuhrt dazu, dass diese Unterscheidung auch in der Lebenswelt uber Begriffe hinaus erfolgt und zu einer Diskriminierung fuhren kann. Reisigl meint, dass Sprache sowohl als Mittel der Diskriminierung von Menschen fungieren als auch ein Objekt der Diskriminierung sein kann. Jedoch kann Sprache ebenso zu einer aktiven Bekampfung von Diskriminierung beitragen (Reisigl 2017).
Zwar kann Sprache allein die umfassenden Probleme von Diskriminierung nicht losen, doch kann sie einen beachtlichen Teil dazu beitragen, auf Missstande aufmerksam zu machen und aktiv gegen diese zu wirken (Reisigl 2017). Fur Teile des Sprachwandels und der Sprachuntersuchung ist im Kontext der Diskriminierung unter anderem die Politik verantwortlich, denn Sprache wird durch Politik mitgestaltet.
Eine ausfuhrliche Theorie zu Sprachkritik und Sprachpolitik hat die Sprachwissenschaftlerin Jana Tereick verfasst. Sie verknupft das Zusammenspiel zwischen Politik und Sprache eng miteinander und setzt sich mit der Fragestellung auseinander, was passiert, wenn Sprache zum Gegenstand der Politik wird. Die Grundvoraussetzung von Sprachkritik und Sprachpolitik sieht Tereick in der Annahme einer bestimmen Sprachmacht. Nur wenn davon ausgegangen werden kann, dass Sprache unser Denken und Handeln beeinflusst, kann sie als Teil von Diskriminierung anerkannt werden. Innerhalb der Sprachpolitik wird der Sprache ein „entscheidender Anteil an der Gesellschaft zugesprochen“ (Tereick 2019, 387). Ziel der Sprachpolitik ist nicht unbedingt die Ausrottung von Ungleichheit oder Diskriminierung durch Sprache, vielmehr geht es um eine „sprachliche Solidaritat und das Schaffen kleiner Schutzraume fur von Diskriminierung Betroffene“ (Tereick 2019, 387).
Sprache dient als Kommunikationswerkzeug Nummer 1 und ist der Schlussel zu einer Darstellung der Wirklichkeit. Alle Bereiche des Lebens werden durch das Medium der Sprache definiert; umso wichtiger ist es, eine reflektierte, zeitgemaBe Sprache zu lernen, mit der die Wirklichkeit abgebildet werden kann. Denn Sprache ist entgegen einigen Meinungen kein starres Medium. Sie ist veranderbar, lebendig und ebenso schnell diskriminierend wie lobend.
3) ,Mohr‘
3.1) Begriffsherkunft und Gebrauch
Die MohrenstraBe in Berlin, der Mohrenkopf auf dem Kindergeburtstag oder das Mohrcafe sind alltagliche Begriffe, die teilweise bis heute unhinterfragt verwendet werden. Doch immer lauter werden die Stimmen, die fordern, das Wort aus unserem Sprachgebrauch zu verbannen und Lebensmittel, StraBen oder Cafes umzubenennen. Als Grund dafur wird die rassistische Absicht angegeben, die hinter dem Wort stehe. Aber was genau steckt hinter der Debatte um den Begriff?
Das erste Mal belegt ist das Wort ,Mohr‘ im Mittelhochdeutschen zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert. Historisch betrachtet geht der Begriff ,aus dem althochdeutschen mor hervor, das wiederum gleichzusetzen ist mit dem lateinischen Maurus.
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- Johanna Molter (Author), 2022, Wenn Sprache Rassismus prägt. Am Beispiel kontroverser Begriffe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1248665
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