Die Arbeit untersucht, inwiefern der Schulangst von Schüler*innen aus Sicht von Lehrkräften im Schulalltag entgegengewirkt werden kann. In welchem Umfang sind Lehrkräfte mit dem Phänomen Schulangst vertraut? Welche Lösungsansätze nehmen sie in Anspruch? Prävention und Intervention mit Blick auf Schulangst gehören ebenso in den Fokus dieser Arbeit.
Viele Erwachsene erinnern sich an bedrückende Erlebnisse aus ihrer Kindheit und Jugend, die sie mit dem Begriff Schulangst verbinden können. Die Autorin dieser Forschungsarbeit kennt selbst eigene Erfahrungen aus ihrem zurückliegenden Schulalltag, die von Schulangst bestimmt waren. Solche Erfahrungen betreffen persönliche Erlebnisse sowie erste pädagogische Eigenerfahrungen mit Schulkindern als angehende Lehrerin.
Prüfungsängste, Versetzungsängste, allgemeine Versagensängste von Schulkindern sind Phänomene, die den betroffenen Kindern, Eltern und Lehrkräften allgemein geläufig sind. Ein Viertel der Schüler und Schülerinnen, die in der Schule lernen, erleben enttäuschende Erfahrungen, vor allem in der Leistungsbewertung. Leistungsängste und somit auch Schulängste können sich im Zusammenhang mit dem Lernen entwickeln. Schätzungsweise leiden ca. fünf bis acht Prozent aller Schüler*innen an starken Schulängsten.
Faktoren wie die Lehrkraft-Schulkind-Beziehung, das Klassenklima und dessen Gestaltung sowie das Elternverhalten können Auslöser von Schulängsten sein. Besonders wenn der Blick auf eine bestimmte weiterführende Schulform gerichtet wird, kann sich ein angstbesetzter Leistungsdruck entwickeln. Es ist davon auszugehen, dass Lehrkräfte angstauslösenden Faktoren und Prozesse in ihrem Schulalltag aufgrund ihres Umgangs mit betroffenen Kindern beobachten und beschreiben können. Auch wie sich das angstgesteuerte Verhalten der Kinder im Schulalltag konkret bemerkbar macht und in welchen Symptomen sich die Ängste äußern, dürfte den Lehrkräften durch ihre Erfahrungswerte vertraut sein.
Kinder drücken dabei ihre Gefühle und Empfindungen auf sehr unterschiedliche Art und Weise aus, weshalb möglicherweise dennoch mitunter Ängste bei Schüler*innen von ihren Lehrkräften unterschätzt oder gar übersehen werden können. Da Schulangst für nicht wenige Schüler*innen offenkundig eine sehr ernst zu nehmende Realität an unseren Schulen darstellt, ist es wichtig, dass Lehrkräfte im Schulalltag dieses Angstphänomen grundsätzlich wahrnehmen und adäquat damit umgehen können.
2. Theoretischer Hintergrund und Stand der Forschung
2.1.1 Emotionen im Lernleistungskontext
2.2.1 Die Angsttheorie nach Freud
2.2.2 Die State-Trait-Theorie nach Spielberger
2.2.3 Die Emotionstheorie von Lazarus
2.2.4 Die Erregungstheorie nach Epstein
2.2.5 Zusammenfassung der Angsttheorien
2.3.1 Symptomatik und Symptomentwicklung
2.3.3 Komorbidität und Differentialdiagnose
2.4 Weitere Faktoren und Verhaltensweisen bei Schulangst
2.4.1 Risiko- und Schutzfaktoren
2.4.2 Prüfungs-/Leistungsangst
2.4.4 Schulabsentismus, Schulvermeidung und Schulverweigerung/-schwänzen
2.5 Lehrkraft-Schulkind-Interaktion
2.8.2 Aufgabenstellung und Bewertung
2.9 Prävention und Intervention
3. Fragestellungen
4. Methode
4.1 Untersuchungsdesign
4.2 Stichprobe
4.3 Erhebungsverfahren
4.3.1 Das halb- bzw. teilstrukturierte Interview und Experten-Interview
4.3.2 Beschreibung des Leitfaden-Interviews
4.4 Durchführung
4.5 Auswertung
4.5.1 Transkription
4.5.2 Inhaltsanalyse nach Mayring
5. Ergebnisse
5.1 Merkmale von Schulangst
5.2 Angst in der Schule
5.3 Erfahrungen mit Schulangst
5.4 Umgang mit Schulangst
5.5 Prüfungsanforderungen
5.6 Bewertung von Schüler*innen mit Schulangst
5.7 Methoden zur Bewältigung von Schulangst
5.8 Klassenklima
5.9 Aufgabentransparenz
5.10 Klassenraumgestaltung
5.11 Eltern-Kind-Verhalten bei Schulangst
6. Diskussion
6.1 Merkmale von Schulangst
6.2 Angst in der Schule
6.3 Erfahrungen mit Schulangst
6.4 Umgang mit Schulangst
6.5 Prüfungsanforderungen
6.6 Bewertung von Schüler*innen mit Schulangst
6.7 Methoden zur Bewältigung von Angst
6.8 Klassenklima
6.9 Aufgabentransparenz
6.10 Klassenraumgestaltung
6.11 Eltern-Kind-Verhalten bei Schulangst
6.12 Zusammenfassung
6.13 Diskussion der Methode
7. Ausblick
Literatur
Anhang
Anhang 1: Leitfaden-Interview
Anhang 2: Transkription (Lehrkraft 6)
Anhang 3: Zusammenfassende und induktive Inhaltsanalyse nach Mayring
Anhang 4: Informationsblatt für Lehrkräfte
Anhang 5: Einwilligungserklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Beispiel eines Kindes mit Schulangst (vgl. Melfsen & Walitza, 2013).
Abbildung 4: RTI-Modell zum Umgang mit Schulängsten (vgl. Sulkowski et al., 2012, S. 377).
Abbildung 5: Ablaufmodell der zusammenfassenden Inhaltanalyse (vgl. Mayring, 2015, S. 70).
Abbildung 6: Prozessmodell induktiver Kategorienbildung (vgl. Mayring, 2015, S. 86).
Abbildung 7: Gewonnene Kategorien aus der Inhaltsanalyse nach Mayring.
1. Einleitung
Viele Erwachsene erinnern sich an bedrückende Erlebnisse aus ihrer Kindheit und Jugend, die sie mit dem Begriff Schulangst verbinden können. Die Autorin der vorliegenden Forschungsarbeit kennt selbst eigene Erfahrungen aus ihrem zurückliegenden Schulalltag, die von Schulangst bestimmt waren. Solche Erfahrungen betrafen die Zeit der Grundschule und die der weiterführenden Schule. Gegenwärtige Beobachtungen von Schulkindern im persönlichen Verwandten- und Bekanntenkreis sowie erste pädagogische Eigenerfahrungen mit Schulkindern als angehende Lehrerin, die in Schulpraktika gesammelt werden konnten, trugen zur Motivation der vorliegenden Forschungsarbeit bei. Prüfungsängste, Versetzungsängste, allgemeine Versagensängste von Schulkindern sind Phänomene, die den betroffenen Kindern, Eltern und Lehrkräften allgemein geläufig sind. Ein Viertel der Schüler und Schülerinnen[1], die in der Schule lernen, erleben enttäuschende Erfahrungen (Maschke & Stecher, 2010) vor allem in der Leistungsbewertung. Leistungsängste und somit auch Schulängste können sich im Zusammenhang mit dem Lernen entwickeln. Schätzungsweise leiden ca. fünf bis acht Prozent aller Schüler*innen an starken Schulängsten (Melfsen & Walitza, 2013). Faktoren wie die Lehrkraft-Schulkind-Beziehung, das Klassenklima und dessen Gestaltung sowie das Elternverhalten können Auslöser von Schulängsten sein. Besonders wenn der Blick auf eine bestimmte weiterführende Schulform gerichtet wird, kann sich ein angstbesetzter Leistungsdruck entwickeln. Wird dieser durch die Kinder selbst oder etwa durch das Elternverhalten angestoßen? Es ist davon auszugehen, dass Lehrkräfte angstauslösenden Faktoren und Prozesse in ihrem Schulalltag aufgrund ihres Umgangs mit betroffenen Kindern beobachten und beschreiben können. Auch wie sich das angstgesteuerte Verhalten der Kinder im Schulalltag konkret bemerkbar macht und in welchen Symptomen sich die Ängste äußern, dürfte den Lehrkräften durch ihre Erfahrungswerte vertraut sein. Kinder drücken dabei ihre Gefühle und Empfindungen auf sehr unterschiedliche Art und Weise aus, weshalb möglicherweise dennoch mitunter Ängste bei Schüler*innen von ihren Lehrkräften unterschätzt oder gar übersehen werden können. Da Schulangst für nicht wenige Schüler*innen offenkundig eine sehr ernst zu nehmende Realität an unseren Schulen darstellt, ist es wichtig, dass Lehrkräfte im Schulalltag dieses Angstphänomen grundsätzlich wahrnehmen und adäquat damit umgehen können.
Doch„inwiefern kann der Schulangst von Schüler*innen aus Sicht von Lehrkräften im Schulalltag entgegengewirkt werden?“ Dieser Forschungsfrage wird in der vorliegenden Masterarbeit nachgegangen.
Bei dieser Arbeit mit dem Titel „Schulangst bei Schülerinnen und Schülern: Eine Interviewstudie mit Lehrkräften“ handelt es sich um eine qualitative Forschungsstudie mit einem explorativen Charakter. Die Unterforschungsfragen zum Titel lauten daher:
„Wie kompetent empfinden sich die Lehrkräfte im Umgang mit der Problematik der Schulangst?“,„Welche Faktoren beeinflussen aus Sicht der Lehrkräfte die Schulangst von Schüler*innen?“, „Wie wirkt sich die Schulangst von Schüler*innen auf den Schulalltag aus?“, „Wie präsent ist bei Lehrkräften das Thema Schulangst?“
Es wird versucht zu ermitteln, in welchem Umfang Lehrkräfte mit dem Phänomen Schulangst vertraut sind und welche Lösungsansätze in Anspruch genommen werden. Dazu wird zunächst der theoretische Hintergrund sowie der Stand der Forschung mit Blick auf das Phänomen Angst/Schulangstbeschrieben. Dies dient als Grundlage für das Sachverständnis des empirischen Forschungsteil der Arbeit. Ausgewähltefür die Forschungsfrage relevante Ursachen von Schulangst und Verhaltensweisen von schulängstlichen Kindern werden anhand von Studien aus der Fachliteratur thematisiert und beschrieben.
Prävention und Intervention mit Blick auf Schulangst gehören hier ebenso in den Fokus dieser Arbeit und mit in das Forschungsfeld dieser Masterarbeit.
Die halb- und teilstrukturierten, leitfadengestützten Experteninterviews selbst wurden mit sechs Lehrkräften einer Grundschule durchgeführt und mit Hilfe der Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet. Die Transkription dieser Interviews findet in Anlehnung an Kuckartz (2018) statt. Alle Individualdaten, die während der Studie Verwendung gefunden haben, werden aus Datenschutzgründen innerhalb der vorgelegten Arbeit anonym behandelt, um Rückschlüsse auf die Identität der befragten Lehrkräfte sowie ihrer Schuleinrichtung zu vermeiden.
2. Theoretischer Hintergrund und Stand der Forschung
2.1 Emotionen
„Emotionen sind vererbte und erworbene motivationale Prädispositionen, auf bestimmte innere oder äußere Reize mit subjektivem Erleben, Kognitionen, physiologischer Erregung und Verhalten zu reagieren“ (vgl. Becker, 2011, S. 16).
Emotionen entstehen nicht einfach aus dem Nichts, sondern sind von Genen und Erfahrungen abhängig. Sie sind Reaktionen auf bestimmte persönliche und für die Person bedeutsame Ereignisse. Diese Ereignisse können in uns oder außerhalb von uns selbst liegen. Körperliche Empfindungenoder Erinnerungen können somit auch Emotion auslösen. Zum einen motivieren uns Emotionen und zum anderen können sie in uns Reaktionen, wie z.B. Flucht aufgrund von Angst, auslösen (Becker, 2011).
Emotionen können nach ihrer Qualität (angenehm/unangenehm) und Intensität (schwach/stark) beschrieben werden. Jede Emotion kann durch unterschiedliche Faktorenund dann als eine spezielle Gefühlsstörung erlebt werden. Die Emotion wird von spezifischen Verhaltensweisen sowie körperlichen Erregungsmustern begleitet. Diese können durch Gedanken bestimmt werden. Dabei gilt es jedochzu beachten, dass Gedanken sowie Emotionen in einem wechselseitigen Einflussverhältnis stehen (Merten, 2003zitiert nach Becker, 2011).
Robert Plutchik beschreibt Emotionen als ererbte, adaptive Verhaltensmuster. Diese entwickeln sich, damit ein Individuum überleben kann (Plutchik, 1980 zitiert nach Becker, 2011). Die Evolutionstheorie hingegen geht davon aus, dass genetisch bedingte Verhaltensweisen auch dann weitergegeben werden, wenn sie in unserer heutigen modernen Welt nicht adaptiert werden. Die Reaktion von Kampf oder Flucht, die durch Angst ausgelöst wird, ist beispielsweise in einer bedrohlichen Situation adaptiv (Becker, 2011).
Im Folgenden wird zunächst allgemein die Bedeutung von Emotion im Lernleistungskontext beschrieben, um anschließend dann speziell die Angst als solche näher zu betrachten. Dieser Arbeitsschritt soll als theoretische Grundlage für die Interpretation der Arbeitsergebnisse im praktischen Teil der Masterarbeit dienen.
2.1.1 Emotionen im Lernleistungskontext
Nach Scherer (1993) und Sokolowski (2008) können Emotionen als eine bewertende Stellungnahme von Umweltereignissen verstanden werden. Sie haben als Ziel, verschiedene psychische und physische Teilsysteme eines Organismus zu koordinieren. Dies ermöglicht eine schnelle und optimale Reaktion auf eine neue Situation. Emotionen können nicht nur als Erinnerungen auftreten, sondern auch als eine Reaktion auf äußere und innere Reize. Sie können daher als inner-psychische Prozesse beschrieben werden. Ihre Kennzeichen sind an typischen zentralnervösen sowie peripher-physiologischen Reaktionsmustern zu erkennen. Im Gesichtsausdruck kann sich die Emotion ebenfalls als eine motorische Reaktion widerspiegeln. Emotionen haben einen stark wertenden Charakter, da sie entweder positiv oder negativ als Reaktion auf entsprechende Reize ausfallen. Auch die Kommunikation ist neben der Bewertung und Verhaltensvorbereitung des Betroffenen ein weiteres wichtiges Mittel, einer Emotion Ausdruck zu geben (Frenzel, 2018).
Eine Charakterisierung der Leistungssituation findet immer dann statt, wenn „das eigene Handeln und Handlungsergebnisse im Hinblick auf einen Gütemaßstab bewertet werden“(vgl. Rheinberg, 2004 zitiert nach Frenzel, 2018, S. 110). Im Lern- und Leistungskontext können dabei ganz verschiedene Emotionen auftreten. Diese können als Freude, Hoffnung, Stolz, Ärger oder Enttäuschung erlebt werden. Im Folgenden wird sich ausschließlich mit der Emotion Angst näher befasst, da diese im Lernleistungskontext im Blick auf das Schwerpunktthema „Schulangst“ die zentrale Emotion in dieser Arbeit darstellt.
2.1.2 Die Emotion Angst
„Unter Angst wird ein Zustand verstanden, der mit einem negativen Gefühl der Anspannung einhergeht und sich auf eine Bedrohung in der Zukunft richtet. Die Art der Bedrohung bleibt aber im Allgemeinen eher vage“ (vgl. Becker, 2011, S. 7).Der Emotion Angst, wie sie Becker hier beschreibt, ist fast jedem Menschen im Laufe seines Lebens schon einmal begegnet, wenngleich viele aufgrund der belastenden Eigenart auf diesen Gefühlszustand gern verzichten würden. Es gibt Betroffene, die mit bestimmten Ängsten zum Teil viele Jahre (vergeblich) kämpfen. Solche mitunter chronifizierten Ängste können dazu führen, dass die Lebensqualität des Individuums erheblich eingeschränkt und gemindert wird. In diesem Zusammenhang fragen sich nicht wenige Betroffene mitunter: Ist ein Leben ohne die Emotion Angst überhaupt möglich (Becker, 2011)?
Die Emotion Angst stellt an sich allerdings einen hohen Überlebenswert dar, weil sie eine biologisch sinnvolle Reaktion der menschlichen Psyche und des Körpers auf eine Gefahr bedeutet. Würde der Mensch die Emotion Angst gar nicht verspüren, könnte dies zur Folge haben, dass er nicht überleben würde, weil er unter Umständen auf bestimmte Gefahren nicht angemessen reagiere (Becker, 2011). Beispielsweise löst ein schnell vorbeifahrender Zug in der Regel Angst in einem Menschen aus, der sich in der Nähe dieses Zuges befindet. Diese Angstreaktion aktiviert den menschlichen Körper zu einer entsprechenden (Schutz-)Reaktion.
Angst erhöht den Herzschlag und die peripheren Blutgefäße verengen sich. Der Blutdruck kann steigen. Eine Beschleunigung der Atmung setzt ein, sodass der Organismus mit ausreichend Sauerstoff versorgt wird. Die Pupillen der Augen erweitern sich und die Sicht wird somit geschärft. Diese kurzzeitige Aktivierung und Veränderung der physiologischen Verhältnisse regen den Organismus in einer lebensbedrohlichen Situation an und dienen so dem Selbstschutz durch eine angemessene Reaktion (Becker, 2011). Angst ist eine Reaktion unseres Körpers und kann auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck kommen. Typische Symptome einer Angstreaktion sind die folgenden:
„Motorische Anspannung:
- Zittern, Zucken, Beben
- Muskelspannung, -schmerzen
- Ruhelosigkeit
- Ermüdbarkeit
Autonome Hyperaktivität:
- Atemnot
- Herzklopfen, -rasen
- Schwitzen, kalte Hände
- Mundtrockenheit
- Schwindel, Benommenheit
- Magen-Darm-Beschwerden
- Hitze- oder Kältewallungen
- Vermehrter Harndrang
- Kloß im Hals
Wachsamkeit/Vigilanz:
- Schreckhaftigkeit
- Konzentrationsstörungen
- Schlafstörungen
- Reizbarkeit“(vgl. Becker, 2011, S. 8).
Ängste können sich mithin in vielfältigen Situationen und in unterschiedlichen Facetten zeigen, weshalb es schwierig ist, sie klar zu definieren. Aus diesem Grund gibt es entsprechende Diskussionen über die Nutzung des Begriffs Angst. Jeder in der Gesellschaft kennt zwar das Gefühl Angst, dennoch bleibt es schwierig zu definieren, was mit dem Begriff Angst exakt gemeint ist. Dass allerdings Angst eine unangenehme Emotion ist und meist mit einer hohen Erregung verknüpft ist, stellt wohl die unangefochtene Übereinstimmung in der Diskussion über Begriff und Wesen der Angst dar (Becker, 2011). Trotz bestehender Unschärfen bei der Definition von Angstsoll hier dennoch der Versuch unternommen werden, sich dem Phänomen der Angst zu nähern.
Nach Becker lassen hinsichtlich der Emotion Angst vier Ebenen unterscheiden:
die „subjektive Ebene: Gefühle, subjektives Empfinden,
[die] kognitive Ebene: Gedanken und kognitive Symptome,
[die] physiologische Ebene: körperliche Vorgänge, Hormonausschüttungen,
[die] motorische Ebene: motorisches Verhalten“ (Becker, 2011, S. 8).
Hingegen muss nicht immer auf allen diesen vier Ebenen umfassend und gleichzeitig eine Veränderung spürbar sein, damit von Angst gesprochen werden kann. Es können beispielsweise in bestimmten Situationen nur Gefühle und Gedanken der Angst zum Ausdruck kommen, ohne dass eine Aktivierung bzw. Veränderung auf der physiologischen oder motorischen Ebene erlebt wird (Becker, 2011).
Zu einer der wichtigsten Definitionsschwierigkeiten von Angst trägt der Begriff Furcht (engl. fear) bei, welcher in unserem Sprachgebrauch vielfach als Synonym für Angst (engl. anxiety) verwendet wird, von dieser aber deutlich zu unterscheiden ist wie auch der Begriff Ängstlichkeit (engl. trait anxiety). Angst ist ein Zustand, der negative Gefühle der Anspannung mitBlick auf eine mögliche Bedrohung durch in der Zukunft liegende Verhältnisse beschreibt. Die Bezeichnung Furcht ist zwar auch für eine äußerst emotionale Reaktion bekannt, es geht hierbei aber um eine tatsächliche, gegenwärtig erlebte Bedrohung, die definierbar ist, beispielsweise durch ein gefährliches Tier (giftiger Skorpion) (Becker, 2011). Die Reaktion auf Furcht ist häufig sehr intensiv. Die physiologische Erregung kann dementsprechend stark ausfallen. Im Normalfall tritt die Furchtreaktion schnell auf, klingt aber auch wieder rapide ab, meist sobald die Bedrohung vorüber ist. Wird diese Furchtreaktion mit der Emotion Angst verglichen, fällt auf, dass Letztere einen eher verschwommenen, unklaren Fokus besitzt. Angst kann anders als Furcht länger auftreten, ist aber in der Regel weniger stark in ihrer physiologischen Reaktion ausgeprägt. Angst kann vielmehr mit einem Zustand der Vigilanz[2] in Verbindung gebracht werden und löst eine ständige Wachsamkeit aus. Furcht hingegen geht mit einer Alarmreaktion einher. Von Angst und Furcht wiederum ist die Ängstlichkeit zu unterscheiden. Diese wird als sogenannte Prädisposition verstanden. Sie veranlasst, die persönlichen Situationen als bedrohlich einzustufen und reagiert mit „Zustandsangst“ (Becker, 2011). Die Auseinandersetzung mit den Theorien der „Zustandsangst“ und „Ängstlichkeit“ stellt einen wichtigen Grundsatz zu dieser Arbeit dar und wird im Folgenden (siehe Kapitel 2.2 Angsttheorien) näher erläutert.
2.2 Angsttheorien
Rost, Schermer und Sparfeld (2018) heben hervor, dass es mit Blick auf das Wesen von Angst auch heute noch keine einheitliche, abschließende Auffassung gibt, obwohl sie zu den meist thematisierten Gefühlszuständen zählt. Zu dem Begriff Angst können gleichwohl verschiedene Facetten und Annahmen zusammengefasst werden (Rostet al., 2018 zitiert nach Schude, 2015). Im Folgenden sollen daher vier verschiedene Angsttheorien näher erläutert werden, die dazu beitragen sollen, die Entwicklung von (Schul-)Angst zu verstehen. Es werden dabei auf die allgemeinen Grundsätze dieser Theorien Bezug genommen und die wichtigsten Details dieser Ansätze benannt, insofern diese das Sachverständnis des Themenfeldes Angst im Horizont der vorliegenden Arbeit von Bedeutung sind.
2.2.1 Die Angsttheorie nach Freud
Siegmund Freud hat mit seiner Angsttheorie den Grundstein in der psychologischen Angstforschung gelegt. Seine Theorie beruht jedoch ausschließlich auf schlussfolgernden Annahmen, weshalb erst später im Behaviorismus von einer wissenschaftlichen und empirischen Forschung mit Blick auf das Phänomen Angst gesprochen werden kann. Freud unterscheidet als erster Wissenschaftler zwischen Angst und Furcht. Die Angst bezeichnet er dabei als eine fundamentale Ursache von Neurosen. Freuds theoretischer Ansatz wird unterschieden, indem in seinen Arbeiten von einer ersten und zweiten Angsttheorie gesprochen wird (Krohne, 1976; Sörensen, 1994; Krohne, 1996; Schnabel&Cortina, 1998 zitiert nach Schude, 2015), auch wenn Freud selbst diese Unterscheidung ursprünglich nicht in seiner Arbeit impliziert hat. In der ersten Angsttheorie geht es bei Freud vor allem um die Beschreibung des Aufbaus von Spannungen und Erregungssteigerungen. Seiner zweiten Theorie von Angst liegt die bekannte, von Freud vorgenommene psychologische Grundannahme einer Dreiteilung der Personenstruktur in das Ich, Es und Über-Ich zugrunde. Eine auftretende Diskrepanz der verschiedenen Persönlichkeitsbereiche von Ich, Es und Über-Ich wird in dieser zweiten Angsttheorie von Freud als Auslöser von Angst angesehen. In den zwei Theorien unterscheidet sich also der Auslöser einer inneren Angst. (Freud, 1978 zitiert nach Schude, 2015). Die Gemeinsamkeit in den Theorien besteht jedoch darin, dass sie beide eine Unterscheidung zwischen der „Angstauslösung aus der Umwelt und einer intrapersonellen Angstauslösung vornehmen“(vgl. Schude, 2015, S. 16). Dies bietet eine Grundlage für weitere Forschungsansätze in Bezug auf Angst(Krohne, 1976 zitiert nach Schude, 2015).
2.2.2 Die State-Trait-Theorie nach Spielberger
Eine Unterscheidung zwischen Furcht und Angst als Zustand sowie Ängstlichkeit als Phänomen der Persönlichkeit führt Charles Donald Spielberger weiter. Er beschreibt, dass bei der Furcht eine konkrete, eindeutige Situation als Auslöser bestimmend ist. Die Emotion der Angst tritt jedoch dann ein, wenn sich das eher diffuse Gefühl ausbreitet, sich in einer gefährlichen Situation vorzufinden. Die Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal entscheidet darüber, wie die angstauslösende Situation wahrgenommen wird. Zum einen gibt es die Zustandsangst (state anxiety/A-State), bei der es sich um die ängstliche Erregung sowie den Aufbau von Spannung und Besorgnis handelt. Diese herrscht vor, wenn eine konkrete bedrohliche Situation wahrgenommen wird. Die Ängstlichkeitsform „stabile Disposition“ (trait anxiety/ A-Trait) bewertet eine Situation als bedrohlich. Von Person zu Person gibt es dabei verschiedene, relativ stabile Persönlichkeitsmerkmale, wann eine Situation als bedrohlich angesehen wird (Spielberger, 1972 zitiert nach Schude, 2015). Nach Spielberger gibt es einen Zusammenhang zwischen einem Bedrohungsgefühl und der Angst, wenn von einem Individuum eine Situation als bedrohlich eingeschätzt wird. „Je höher das Gefühl der Bedrohung ist, umso stärker steigt die Ausprägung der Angst“(vgl. Schude, 2015, S. 17). Spielberger betont zudem, dass bei einem Individuum Stress ausgelöst werden kann, wenn er*sie sich in einer Gefahrensituation befindet. Tatsächlich werdenvon den meisten Personen solche Situationen als stressauslösend empfunden. Wenn also das Individuum eine Situation als Bedrohung bewertet, wird auch das entsprechende Gefühl der Bedrohung ausgelöst. Der Fokus liegt somit auf der jeweiligen Bewertung der Situation, die das Individuum vornimmt. Eine Aktivierung des autonomen Nervensystems führt dann dazu, dass sowohl psychologische als auch behaviorale Veränderungen auftreten können. Je nach Intensivierungsgrad der empfundenen Bedrohung, wächst die Aktivierung des autonomen Nervensystems (Spielberger, 1980 zitiert nach Schude, 2015). Eine Situation als bedrohlich oder weniger bedrohlich einzuschätzen, hängt von den Fähigkeiten, Kenntnissen und Persönlichkeitsmerkmalen eines Individuums ab. Frühere Erfahrungen, die der bedrohenden Situation ähneln, sind ebenfalls Bestandteil der Aktivierung des autonomen Nervensystems (Spielberger, 1972 zitiert nach Schude, 2015). Persönliche Wünsche und Ziele können den Wahrnehmungsfokus ebenfalls beeinflussen, da sie das autonome Nervensystem anregen. Die Persönlichkeit des Individuums spielt also in jeder Situation, die zu bewerten ist, eine tragende Rolle (Spielberger, 1980 zitiert nach Schude, 2015). Wenn das Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit stark ausgeprägt ist, werden Situationen häufiger und stärker als bedrohlich eingestuft (Schude, 2015).
„Personen, die eine erhöhte Neigung haben Situationen als angstbehaftet zu empfinden (hohes A-Trait) tendieren vor allem in Situationen[,] die eine Bedrohung für den Selbstwert darstellen – besonders wenn in für sie sozialrelevanten Bereichen ihre persönliche Eignung bewertet wird – zu erhöhter Angst (A-State)“ (vgl. Spielberger, 1972 zitiert nach Schude, 2015, S. 17).
Eine Situation als Bedrohung zu bewerten, kann auf der einen Seite eine offene und auf der anderen Seite eine psychische Abwehrreaktion auslösen. Setzt sich das Individuum mehrfach mit einer angstauslösenden Situation auseinander, entwickelt diese ein Abwehr- beziehungsweise Handlungsschema, damit die Situation bewältigt werden kann. Das Handlungsschema kann darin bestehen, die Situation selbst aufzulösen, oder darin, sich der Situation anzupassen, indem man sie beispielsweise einfach vermeidet bzw. sich ihr entzieht. Nutzt die Person ein Abwehrschema, beseitigt sie nicht die bestehende Bedrohung, sondern reguliert dadurch die subjektive Angst. Spielberger beschreibt dies als Verdrängung, die am häufigsten als Abwehrmechanismus gebraucht wird. Demgegenüber führt er fünf Schritte an, die der Angst effektiv entgegenwirken können. Schritt eins ist „die Einsicht, dass es sich bei Angst um eine Gefühlsäußerung handelt, welche aktiv behoben werden kann“(vgl. Schude ,2015, S. 18).An diesen Schritt gliedert sich der zweite Schritt an, der darin besteht, die Kognitionen und angstauslösende Situation zu analysieren. Im dritten Schritt findet ein Prüfen statt, ob die gezeigte Angstreaktion in Anbetracht der Umstände eine angemessene Reaktion ist. Der vierte Schritt beschäftigt sich mit möglichen Handlungsstrategien, der Angst entgegenzuwirken. Den fünften und letzten Schritt beschreibt Spielberger als ein Reflektieren des Selbst darüber, unter welchen persönlichen Angstauslösern es leidet (Spielberger, 1980 zitiert nach Schude, 2015).
Die State-Trait-Theorie nach Spielberger gehört zu einer der am häufigsten thematisierten Angsttheorien, sie ist jedoch auch kritisch zu bewerten. Denn es findet nur eine geringe Unterscheidung zwischen den verschiedenen angstauslösenden Situationen statt. ÄngstlichePersonen haben demzufolge einen erhöhten A-Trait[3]in allen Bereichen. Es findet keine Darlegung statt, worin eine Abgrenzung zu anderen Angstemotionen besteht, genau so wenig wird benannt, unter welchen Bedingungen eine Situation als bedrohlich bewertet wird (Krohne, 2010 zitiert nach Schude, 2015). Die psychoanalytische Prägung dieser Theorie zeigt sich darin, dass Spielberger zum Beispiel mit Blick auf die „Abwehrmechanismen“ von „Verdrängung“ spricht (Spielberger, 1980 zitiert nach Schude, 2015).
2.2.3 Die Emotionstheorie von Lazarus
Die vorgestellten Ansätze zur Angstforschung werden durch Richard S. Lazarus erweitert. Er legt die Betonung auf die „Wechselwirkung zwischen einer Situation und der eigenen kognitiven Bewertung der entsprechenden Situation“(vgl. Schude, 2015, S. 18). Sein Schwerpunkt liegt anders als bei Spielberger auf den Kognitionen, die in einer angstbehafteten Situation den Prozess mitbestimmen können (Schude, 2015).
Lazarus‘ kognitive Stresstheorie von 1966 befasst sich mit den kognitiven Bewertungen einer Situation (cognitive appraisal). Die kognitive Bewertung ist ausschlaggebend dafür, wie sich die emotionale Reaktion bei der betroffenen Person zeigt und dementsprechend darauf reagiert wird. Die Wahrnehmung auf die Situation ist individuell und wird daher von jeder Person unterschiedlich interpretiert und bewertet. Die Bewertung der Situation kann in verschiedenen Stufen vollzogen werden. Die Darstellung der Stufeneinteilung geschieht hierbei in einer übersichtlichenDarstellungsweise und nicht nach einer strikten Trennung der aufzuzeigenden Ablaufprozessen (Schermer, 1982; Helmke, 1983b; Bedersdorfer, 1988; Sörensen, 1994; Schwarzer, 2000 zitiert nach Schude, 2015). Der erste Bewertungsschritt umfasst die Unterscheidung der Situation in „angenehm“, „bedrohlich“ und „gleichgültig“. Hier wird geprüft, ob es sich um einen stressauslösenden Moment handelt. „Stress wird als ein von dem normalen, beziehungsweise einem gleichbleibenden, Erregungsniveau abweichenden Erregungszustand verstanden“(vgl. Lazarus, 1993 zitiert nach Schude, 2015, S. 19). Der zweite Bewertungsschritt (secondary appraisal) folgt dann, wenn die Situation als stressauslösend bewertet wird. Handlungsmöglichkeiten werden abgewogen, wobei es sich ursprünglich um Flucht- oder Angriffsentscheidungen handelt. Wenn die Situation als unsicherheitsbelastend wahrgenommen wird und keine adäquate Reaktion zur Verfügung steht, wird die Emotion Angst ausgelöst. Die erste und zweite Stufe werden nicht strikt getrennt erlebt und können somit auch gleichzeitig ablaufen oder es kann sogar das secondary appraisal vor dem primary appraisal auftreten. Es findet im Allgemeinen eine Beurteilung der Handlungen und Strategien statt (coping). Zu diesen zwei Bewertungsschritten gibt es zwei Alternativen. Die erste Alternative beschäftigt sich mit einer direkten Aktion, die eine Veränderung der Außenwelt herbeiführt. Die zweite Alternative umfasst die Bewertung beziehungsweise Veränderung der eigenen Reaktion. Eine Neubewertung (reappraisal) der Situation folgt. Das bedeutet, dass die Situation in Folge der gewählten Reaktion bewertet wird. Ordnet die Person die Situation als nicht mehr unangenehm oder bedrohlich ein, findet ein Abschluss des Prozesses statt. Kommt es nicht zu diesem Abschluss und die Situation wird weiterhin als bedrohlich empfunden, folgen weitere Schritte der Bewertung und Reaktion (Schude, 2015).
Die Arbeiten von Lazarus folgen dabei anfänglich den Vorstellungen des Behaviorismus sowie der kognitiven Wende. Später wird der Fokus mehr auf die Emotionen der dazugehörigen Kognitionen gelegt (Lazarus, 1993 zitiert nach Schude, 2015). Die erste Ausarbeitung von Lazarus wird als reine Stresstheorie betrachtet, die durch eine Weiterentwicklung differenziert und zu einer Emotionstheorie ausformuliert wird (Schermer, 1982; Helmke, 1983b; Bedersdorfer, 1988; Krohne, 1998; Schwarzer, 2000 zitiert nach Schude, 2015). Diese Weiterentwicklung der Theorie stellt Lazarus selbst als weitere Differenzierung des ersten und zweiten Bewertungsschrittes heraus und beschreibt diese als angemessen. Der erste Bewertungsschritt wird nach Lazarus noch einmal unterteilt. Die Situation kann demnach auch als „relevant“ oder „unwichtig“ beziehungsweise „übereinstimmend“ oder „nicht übereinstimmend“ für die eigene Motivation dargestellt werden. In Anbetracht dessen, dass Emotionen von vorausgegangenen Erfahrungen und Konfrontationen abhängig sind, „stellen sie einen Teil der Persönlichkeit dar“ (vgl. Schude, 2015, S. 19). Entscheidend ist zum einen, in welchem Umfang die Gegebenheiten für das eigene Ziel und die Belange als bedeutend bewertet werden. Zum anderen ist es wichtig festzustellen, inwiefern das Handeln die eigenen Wünsche und Ziele fördert oder behindert (Smith&Lazarus, 1990 zitiert nach Schude, 2015). In der zweiten Bewertung findet eine Einteilung in vier Komponenten statt: zugeschriebene Verantwortung (accountability), Ziele und Vorstellungen angemessen bewältigen (problem-focused coping potential), angemessene Emotionsregulation (emotion-focussed coping potential) und die Erwartung (future expectancy). Accountability bedeutet, dass einer Situation zugeschrieben wird, abhängig von anderen Personen oder Umständen zu sein. Problem-focussed coping potential beschreibt die angemessene Bewältigung einer Situation mit Blick auf zu bewältigende Aufgaben und dem eigenen Ziel. Es beinhaltet Planungsprozesse, um die Situation zu verändern. Emotion-focussed coping potential umfasst die Veränderung der Aufmerksamkeitsfokussierung sowie der Bedeutungszuschreibung. Lazarus bezeichnet dies auch als „cognitive coping“ (Lazarus, 1991 zitiert nach Schude, 2015). Bei future expectancy handelt es sich darum, die entsprechende Situation des möglichen Ausganges wahrzunehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Situation als beeinflussbar oder nicht beeinflussbar wahrgenommen wird (Smith&Lazarus, 1990 zitiert nach Schude, 2015). Nach Lazarus werden somit zuerst die kognitiven Bewertungen der Situation mit den entsprechenden Emotionen hervorgerufen. Die Einordung der Situation geschieht durch das Vorwissen auf Grundlage vorhergehender Erfahrungen, wodurch eine Wechselwirkung der Emotionen mit der weiteren Bewertung der Situation resultiert (Schude, 2015).
Lazarus‘ Theorie beruht auf eine evaluierteAngsttheorie (Helmke, 1983b zitiert nach Schude, 2015). Das es zu diesem Zeitpunkt Besonders und vor allem Neuartig ist die „verschiedenen Ebenen – physiologisch, psychologisch und behavioral – in Beziehung und Wechselwirkung zu einer ausgelösten Emotion und der Umwelt“(vgl. Schermer, 1982; Helmke, 1983b zitiert nach Schude, 2015, S. 20) zu betrachten. Aufgrund der Komplexität der Theorie ist das empirische Nachprüfen sämtlicher Facetten und deren Zusammenspiel allerdings kaum möglich. Es sind zwar einzelne Elemente empirisch nachweisbar, die aber für die Bestätigung der Theorie nicht nutzbar sind. Der Ansatz beschränkt sich somit eher auf eine theoretische Annahme.
2.2.4 Die Erregungstheorie nach Epstein
Seymour Epstein beschreibt drei Kategorien, die gemeinsam die Entstehung von Angst erklären, und nimmt dabei Elemente der verschiedenen Angsttheorien auf. Nach Epstein sind dies die Kategorien „direkte Hyperstimulation (Primary Overstimulation), kognitive Unstimmigkeit (Cognitive Incongruity) und die fehlende Reaktionsmöglichkeit (Response Unavailability)“(vgl. Epstein, 1972 zitiert nach Schude, 2015, S. 20). Der Begriff Angst wird durch Epstein erweitert, indem er die „Erregung nicht nur als Reaktion auf einen nicht objektive[n] sichtbaren Umstand“ (vgl. Schude, 2015, S. 20) deutet, sondern auch als Erwartung interpretiert. Im Verlauf des Angstprozesses sieht Epstein eine determinierende (vorhersehbare) Variable des Aufbaus eines Kontrollsystems. Aus diesem Grund stellt die Form der Angst nach Epstein eine Erregung dar. Der eigene Organismus versucht die verursachte Erregung zu reduzieren und somit die Situation zu vermeiden. Dies kann den negativen Erregungszustand erhöhen, welcher häufig als unangenehm wahrgenommen wird. Zu beachten ist dabei, dass Angst und Furcht keine Eigenständigkeit haben, sondern als Gegenreaktion gegenüber dem Erregungszustand verstanden werden. Tritt im Organismus eine rapide Erhöhung des Erregungszustandes auf, wird der Prozess durch eine entsprechende Reaktion gehemmt. Beispielsweise kann die Reaktion eine Unterlassung der Handlung bedeuten. Nach Epstein entsteht Angst auch dann, wenn der Auslöser bekannt ist, jedoch dafür keine eindeutige Lösung vorhanden ist. Somit herrscht bei der Person eine Unklarheit in Bezug auf die entsprechende Situation. Es gibt keine Möglichkeit die vorherrschende Situation durch Handlungen zu verändern. Fragen, die sich eine Person mit einer nicht adäquat einzuordnenden Situation stellt, sind: „Was“? „Wann“? „Ob“ (Epstein, 1972 zitiert nach Schude, 2015)?„Das bedeutet, dass Angst dann entsteht, wenn ein Individuum nicht weiß, was passieren wird, wenn es nicht weiß, wann ein (als bedrohlich eingeschätztes) Ereignis eintritt und wenn nicht klar ist, ob ein Ereignis überhaupt stattfinden wird“ (vgl. Schude, 2015, S. 21).Der Organismus bildet Assoziationen zu entsprechenden Reizen. Das bedeutet, dass nach einer bestimmten Zeit bereits früher gemachte Erfahrungen/Erwartungen durch Hinweiskomponenten ein Angsterleben oder eine Hemmung auslösenkönnen. In der Theorie von Epstein kommt dabei der bloßen Erwartung eine besondere Rolle zu, da davon ausgegangen wird, dass schon diese die Erregung auslöst. „Eine Erwartung bildet sich durch die Erfahrung, die ein Individuum in bestimmten Situationen gemacht hat“(vgl. Schude, 2015, S. 21). Erfahrungen werden nach Epstein in einem konzeptuell hierarchischen System eingeordnet und mit vorherigen Erfahrungen verknüpft. Eine Verknüpfung dieser Erfahrungen/Ereignissen geschieht nicht bewusst, sondern verläuft automatisch. In diesem Prozess entsteht die Theorie von Wirklichkeit, in der ein Individuum lebt. Verschiedene Subtheorien werden gebildet über „sich selbst“, die „Umwelt“ und die „Wechselwirkung“ zwischen diesen beiden. Die Theorie der „Wechselwirkung“ besteht darin, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln und zu erhalten sowie Erlebnisse einzuordnen. Es findet das Bestreben der „Lust-Unlust-Balance auf einem hohen Niveau zu halten“ (vgl. Schude, 2015, S. 21) statt. Ein Hauptfaktor sind die Emotionen, die dem Selbstsystem Informationen geben. Diese interpretieren und beurteilen die zu empfindende Situation. Epstein geht davon aus, dass jede Emotion auf Kognition beruht und stellt somit eine Verbindung zwischen den Emotionen und der Selbsttheorie her. Sind bestimmte Kognitionen im Selbstkonzept eines Menschen verankert, treten wiederkehrende Gefühlserregungen auf (Schude, 2015).
2.2.5 Zusammenfassung der Angsttheorien
Angst ist in den letzten Jahren das am häufigsten thematisierte Phänomen in der psychologischen Forschung gewesen. Die frühe Unterscheidung von Freud zwischen Angst und Furcht bildet dabei bis heute den Grundstein für die Differenzierung von unterschiedlichen Angsttheorien/-auslösern. Spielberger fordert jedoch, dass die Unterscheidung von Angst und Furcht umfassender als bisher erforscht werden sollte. Denn nicht jede Person erlebt Angst in einer bestimmten Situation auf die gleiche Art und Weise wie andere. Aus diesem Grund unterscheidet Spielberger die Angstneigung eines Individuums als Persönlichkeitsmerkmal (trait anxiety) von der situationsspezifischen Angst-Ausprägung (state anxiety). Lazarus hingegen befasst sich mehr mit der individuellen Bewertung von Situationen als Auslöser von Angst. Er hebt dabei die personellen Unterschiede der betroffenen Individuen hervor. Darüber hinaus verbindet er psychologische, affektive und behaviorale Angstaspekte in seiner Theorie. Die Angsttheorie Epsteins unterstreicht die Bedeutung der Erwartung als Auslöser, aus der sich die Emotion Angst entwickelt. Ein weiterer Fokus wird in Epsteins Angsttheorie auch auf das Interpretieren von Situationen gelegt, die entweder als bewältigbar oder nicht zu bewältigen erlebt werden, woraus schließlich ein entsprechendes Kontrollsystem aufgebaut wird.
Grundsätzlich kann die Emotion Angst als Reaktion auf eine eindeutig bedrohliche oder auch undefinierte Situation verstanden werden. Dem Individuum stehen zu dem Zeitpunkt der Angstreaktion keine geeigneten Lösungsmöglichkeiten, der Situation zu entfliehen, zur Verfügung. Persönliche Erwartungen, Wünsche und Ziele können die vom Individuum wahrgenommene Situation beeinflussen. Zudem fließen Vorerfahrungen aus früher erlebten Ereignissen in die Bewertung der angstauslösenden Situation ein. Aufgrund unterschiedlicher Bewertungsmöglichkeiten der Situation kann das Angsterlebnis individuell bewältigt werden.
2.3 Schulangst
In den 1970er Jahren erfuhr der Begriff „Schulangst“ zum ersten Mal im deutschen Sprachraum Beachtung(Schäfer&Thompson, 2018). Es wurde nach Antworten gesucht, was Schulangst bedeutet, wie sie entsteht und unter welchen Bedingungen sie auftritt. So wie es unterschiedliche theoretische Ansätze gibt, die Angst als allgemeines Phänomen zu definieren und zu verstehen, so gibt es auch mit Blick auf die Schulangst als spezielles Angstphänomen verschiedene psychologische Erklärungsmodelle. Im Folgenden sollen diese theoretischen Erklärungsmodelle vorgestellt werden.
Böhm und Seichter definieren Schulangst als eine „phobische Reaktion auf eine schulische Situation“(vgl. Böhm&Seichter, 2018, S. 416). Auch für Tenorth und Tippelt ist Schulangst „ein durch Situationen hervorgerufener Zustand negativer Gefühle“(vgl. Tenorth&Tippelt, 2007, S. 615). Die Forschung ist sich also weitgehend einig darüber, dass Schulangst als Reaktion auf bestimmte Situationen in der Schule ausgelöst wird und sich auf das Gefühlsleben des*der Schüler*inentsprechend negativ auswirkt. Auch einige pädagogische Lexikographen führen die Schulangst unter dem Verweis auf schulbezogene Situationen, was auch angesichts des Begriffs naheliegend ist (siehe Kecket al., 2004). Schulangst kann bei Schüler*innen aufgrund eines Überforderungsgefühl entstehen, etwa in sozialen Konflikten mit Lehrkräften oder auch mit Mitschüler*innen als Auslösesituation. Mitschüler*innen können, z.B. durch Mobbing bzw. mobbendes Verhalten Angst vor der Schule auslösen, ebenso kann das Verhalten von einer oder mehreren Lehrkräften zur Schulangst führen (Melfsen&Walitza 2013).Es wird angenommen, dass darüber hinaus gestörte Familienbeziehungen ebenfalls ein Auslöser für Schulangst sein. Außerdem kann eine negative Selbst- und Leistungseinschätzung der*des Schüler*in die Auslösesituation von Schulangst bilden. Diese sozialen Konflikte als Ursachen von Schulangst können dazu führen, dass Schulschwänzen und Leistungsversagen vermehrt vorkommen (Böhm&Seichter, 2018; Tenorth&Tippelt, 2007).In der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Schulangst stellt sich darüberhinaus die Frage: Welche Schüler*innen entwickeln eigentlich oder vermehrt Schulangst? Sind es nur diejenigen, die bei Leistungsanforderungen scheitern, oder tritt die Schulangst auch bei erfolgreichen Schüler*innen auf (Melfsen&Walitza, 2013)? Die Angst kann beispielsweise bei tatsächlichem Schulversagen oder schon hinsichtlich der bevorstehenden Bewertungen auftreten.
Ein enormer Leistungsdruck lastet heute nur zum Teil auf Schüler*innen. „Auf dem Weg zur Leistungs- und Bildungsgesellschaft erhält die Bildung einen immer höheren Stellenwert“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 14), sodass sich Kinder bereits im Grundschulalter über anstehende Schulwechsel und -abschlüssesorgen. Die Schulnoten gewinnen immer mehr an Bedeutung und die Erwartungen an zu vollbringende Leistungen steigen. Schulnoten können somit zur Lebenschance, aber auch zum Lebensrisiko werden. Viele verschiedene Einflussfaktoren sind beim Phänomen der Schulangst zu berücksichtigen. Die soziokulturellen Rahmenbedingungen nehmen Einfluss auf das Bildungssystem und erzeugen einen entsprechenden Erwartungsdruck, dem sich die Schüler*innen gewachsen fühlen sollten. Familienstrukturen können ebenfalls einen großen Einfluss auf die Variable des Leistungsdrucks, der Wertevermittlung und den Umgang von Misserfolg nehmen. Alle diese Variablen fließen in die Interaktionsprozesse der Schule sowie zwischen Lehrkräften und Schüler*innen, Schüler*innen untereinander und Lehrkräften untereinander ein. Die Schulangst ist darüberhinaus auch abhängig von der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur der*des Schüler*in. Die „Intelligenz, Motivation, Frustrationstoleranz, Kritikfähigkeit, sein*ihr Temperament und Durchsetzungsvermögen“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 63) können das Entstehen von Schulangst beeinflussen. Diese Variablen können dabei in einer Wechselwirkung zueinanderstehen (Melfsen&Walitza, 2013).
Je nach Ursache kann die Schulangst in verschiedene Untergruppen eingeteilt werden. Oft liegt dabei nicht immer nur eine Ursache als Auslöser der Angst vor, sondern es können unter Umständen mehrere Ursachen gleichzeitig die Schulangst eines Kindes auslösen. Leistungsdruck ist heutzutage allerdings eine der häufigsten Ursachen. Dieser beginnt häufig schon in der 3. und 4. Grundschulkasse, nämlich in der Regel dann, wenn die Noten als Leistungsbewertung eingeführt werden und der Schulwechsel ansteht. Schulangst manifestiert sich auch nicht selten immer dann, sobald gesteigerte Erwartungen der Erziehungspersonen massiv zum Ausdruck gebracht werden. Diese äußern dabei ihren Kindern gegenüber oft ihre eigenen Wünsche und Hoffnungen für das bevorstehende, anzustrebende Bildungsziel ihres Kindes. Nach Winkel (1979) gibt es akute und chronische Bedrohungen, die Schüler*innen erleben können und auf die sie mit Schulangst reagieren:
„(1) Schullaufbahnangst: Angst vor schlechten Noten, vor Sitzenbleiben und dem Schulversagen
(2) Lern- und Leistungsangst: Angst, etwas nicht lernen oder leisten zu können, nicht zu begreifen, überfordertsei
(3) Stigmatisierungsangst: Angst, vor [der Lehrkraft] oder den [Mitschüler*innen] bloßgestellt zu werden, sich lächerlich zu machen, Prestige zu verliefen, als >>dumm<<, >>faul<< oder >>schlecht<< zu gelten
(4) Strafangst: Angst vor Liebesentzug, Tadel, Strafen, Ungerechtigkeiten, Repressalien
(5) Personenangst: Angst vor bestimmten Personen, z.B. vor dem [*der Rektor*in, einer Lehrkraft, einer*einem Mitschüler*in] oder einer Clique, vor Nichtanerkennung
(6) Konfliktangst: Angst vor bestimmten Konflikten, etwa sich auflehnen zu wollen
(7) Institutionsangst: Angst vor der Schule als Institution, deren Größe und Unüberschaubarkeit“(vgl. Winkel, 1979zitiert nach Melfsen&Walitza, 2013, S. 63).
Diese sieben möglichen akuten und chronischen Angstmustervon Schüler*innen zeigen auf, dass von der Angst vor einer schlechten Note bis hin zur Angst vor der Schule als Institution die Schulangst von ganz unterschiedlichen Auslösern bestimmt sein kann.
2.3.1 Symptomatik und Symptomentwicklung
Bei jedem Kind kann sich Schulangst unterschiedlich manifestieren. Wie bei anderen Angststörungen lassen sich jedoch auch bei der Schulangst typische Emotionen, Gedanken und körperliche Reaktionen sowie Verhaltensweisen beobachten. Diese treten häufig am Abend vor dem Schulbesuch bzw. in den vorausgehenden Nächten auf. Doch auch erst morgens kurz vor dem Schulbesuch oder während der Schulzeit können die Symptome der Angst präsent sein. Ein typisches Merkmal von Schulangst ist, dass die Symptome dieser Emotion teilweise nachlassen, sobald sich das Kind auf dem Heimweg von der Schule befindet oder gar nicht erst in die Schule gehen muss. „Klassische Gedanken bei der Schulangst sind die Versagensängste“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 64). Je nachdem wie die bedrohliche Situation in der Schule erlebt wird, findet eine Variation der Schulängste und der Angstgedanken statt. Gedanken wie >>Ich verstehe es einfach nicht, ich bin dumm.<< oder >>Alle anderen können es viel besser als ich. Ich bin viel zu langsam.<< können Katastrophengedanken in dem betroffenen Kind auslösen. Solche Gedanken sind ein typisches Anzeichen für Schulangst. Der Schule wird in diesem Fall eine übermäßige Wichtigkeit zugeordnet. Typische Strategien, die Schüler*innen zur Angstbewältigung anwenden, sind eigene Mut-Mach-Gedanken. Beispielsweise >>Es gibt noch etwas Wichtigeres im Leben, als die Schule.<< oder >>Ich bin bestimmt nicht der*die Einzige, dem*der es so ergeht.<<. Diese Gedanken können jedoch nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn der*die Schüler*in sie tatsächlich als Wahrheit annimmt, andernfalls bleiben sie wirkungslos (Melfsen&Walitza, 2013).
Unter Schulangst können sich verschiedene Ängste verbergen, wie etwa bedrohliche Erlebnisse, die durch bestimmte außerschulische Faktoren ausgelöst werden, oder direkt/indirekt mit der Schule in Zusammenhang stehen (Schröder, 1980 zitiert nach Melfsen&Walitza, 2013). Die Emotionen von Kindern mit Schulangst können sich oberflächlich durch Bekümmertsein und Bedrücktheit zeigen. Jedoch sieht es in ihnen häufig noch viel unruhiger aus. Der bloße Gedanke an die Schule belastet sie bereits und löst Ängste aus. Diese Ängste können sich in panische Reaktionen verstärken. Beobachten lässt sich weit öfter Gereiztheit, eine depressive Stimmung und/oder Niedergeschlagenheit (Melfsen&Walitza, 2013).
Abbildung 1: Beispiel eines Kindes mit Schulangst (vgl. Melfsen & Walitza, 2013).
Das aufgeführte Beispiel zeigt, dass Jasmins Emotionen vor dem Schulwechsel „unbekümmert“ und „fröhlich“ waren. Erst mit dem Wechsel auf das Gymnasium wirkt sie erschöpft und kraftlos. Durch das Kreisenlassen ihrer Gedanken, die Verweigerung, mit Lehrkräften und Erziehungspersonen zu kommunizieren sowie durch den inneren Rückzug entwickelte sie im Alltag eine auffallende Teilnahmslosigkeit und blieb mit ihren Ängsten isoliert. Jasmin stellt somit ein typisches Beispiel dafür dar, wie Schulangst sich in Rückzug und Niedergeschlagenheit manifestiert.
2.3.2 Verhaltensweisen
Das Verhalten von Schüler*innen mit Schulangst zeigt sich jedoch noch auf ganz andere unterschiedliche Weise. Es gibtals Reaktion auf Schulangst Muster von Flucht und Vermeidung, was bishin zur tatsächlichen Schulverweigerung führenkann. Eine modifizierte Form von Flucht und Vermeidung istbei solchen Kindern festzustellen, die zwar noch in die Schule kommen, aber dennoch dabei ein Rückzugsverhalten aufweisen durch Tagträumen, Zuspätkommen oder Trödeln. Diese Kinder möchten morgens häufig, wie die echten Schulverweigerer,ungern in die Schule gehen, entschließen sich im Endeffekt doch dazu, nehmen aber dann vor Ort das entsprechende Vermeidungsverhalten an. Ein weiteres Verhalten von schulängstlichen Kindern kann eine aggressive Reaktion sein. Dies äußert sich durch Schimpfen, Motzen, Bocken oder auch Meckern im Unterricht. Daraus können sich erhebliche Unterrichtsstörungen entwickeln. Neben diesem nach außen gerichteten aggressiven Verhalten kann jedoch auch ein autoaggressives Verhalten als Manifestation von Schulangst auftreten. Die Autoaggression ist daran zu erkennen, wenn die betroffenen Kinder sich eigene Haare ausreißen oder ihre Fingernägel abbeißen. Die Rolle des Pausenclowns, die manche Schüler*innen einnehmen, kann ebenfalls eine Verhaltensweise darstellen, die mit Schulangst in Verbindung steht. Diese Kinder sind durch ihr auffallendes Aufmerksamkeitsverlangen erkennbar. Sie versuchen dabei, die Menschen um sich herum zu unterhalten (Melfsen&Walitza, 2013).Unter der Beobachtung von Erziehungspersonen fällt auf, dass Kinder, die von Schulangst betroffen sind, im häuslichen Umfeld häufiger unter Appetitlosigkeit oder/und Schlafstörungen leiden. Die Kinder reden zudem nicht gern über ihren Schulalltag oder sind lieber krank und blühen erst richtig in den Ferien wieder auf (Melfsen & Walitza, 2013).Lehrkräfte stellen fest, dass sie schulängstliche Kinder häufig als teilnahmslos wahrnehmen. Sie sind zurückgezogen und haben nicht viele soziale Kontakte. Bei Wortmeldungen oder Namensnennungen durch die Lehrkraft kommt es vor, dass betroffene Schüler*innen erröten (Melfsen&Walitza, 2013). Erziehungspersonen beobachten bei ihren Kindern mit Schulangst neben den oben bereits erwähnten Ess- und Schlafstörungen oft vielfältige zusätzliche physiologische Reaktionen wie Einnässen. Die Kinder weisen zudem häufig auch Magen- und Kopfschmerzen auf oder leiden an Übelkeit, allgemeinem Unwohlsein oder Schwindel. Auch Veränderung der Herz-, Atmen-, Pulsfrequenz kann beobachtet werden, selbst kalter Schweiß sowie Zittern können auftreten. Mitunter kann sogar die Kontrolle über die Schließmuskulatur verloren werden. Die allgemeine Konzentration des Kindes ist gestört oder Tics können ausgelöst werden. Alle diese Reaktionsmöglichkeiten zeigen, dass Schulangst zu sehr ernstzunehmenden körperlichen und seelischen Reaktionen und Erkrankungen führen kann (Böhm&Seichter 2018; Tenorth&Tippelt 2007; Melfsen&Walitza 2013).
2.3.3 Komorbidität und Differentialdiagnose
Schulangst tritt im Zusammenhang mit Anforderungen im Schulalltag auf. Eine Komorbidität[4] bei Betroffenen lässt sich in der Entwicklungsstörung mit Blick auf die motorische Funktion von Sprache und Sprechen sowie in Lese- und Rechtschreibstörungen und Dyskalkulie diagnostizieren. Auch bei einer depressiven Störung kann die Schulangst als begleitendes seelisches Krankheitsbild auftreten, wobei Angststörungen allerdings der Depression häufig vorausgehen (Melfsen&Walitza, 2013).
Kinder, die sich um ihre Leistungen sorgen, können Ängste entwickeln und als Reaktion darauf den Besuch der Schule verweigern. Aber auch Kinder, die an einer Generalisierten Angststörung leiden, können darauf mit Schulverweigerung reagieren. Hier ist differentialdiagnostisch zu unterscheiden, ob der Leistungsdruck die Schulangst auslöst und die Verweigerung bedingt oder die vorherrschende generalisierte Angststörung die Reaktion der Schulverweigerung zur Ursache hat. Im Normalfall wollen Betroffene aber pünktlich zum Schulstart ankommen, da sie befürchten, Inhalte der Schulfächer zu verpassen. Die Verweigerung des Schulbesuches geschieht meist nach dem Schulstart(Melfsen&Walitza 2013).
2.3.4 Verlauf und Prognose
Abbildung 2: Beispiel vom Verlauf und Prognose von Schulangst anhand eines Kindes (vgl. Melfsen & Walitza, 2013).
Am Beispiel von Emilie wird deutlich, dass Schulangst durch ein längeresFernbleiben, aufgrund von Krankheit,verstärkt werden kann. Besonders wenn sich das Kind schon zuvor in der Schule unwohl gefühlt hat. Lehrkräfte können, wenn sie es erkennen können,auf das Verhalten des Kindes aufmerksam werden und entsprechende Schritte, wie den Besuch eines*einer Therapeut*in, einleiten bzw. dazu bestärken.
Äußere Faktoren, die eine Schulangst auslösen sind folgende:
- „Schul- und Klassenwechsel
- Schulferien oder längeres Fehlen in der Schule (z.B. krankheitsbedingt)
- Trennungserfahrungen
- Verlusterlebnisse
- Schwere Erkrankungen von Angehörigen
- Todesfälle“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 68).
Die hier aufgeführten Beispiele stellen Faktoren dar, die Kinder als akute Stresssituationen erleben und unter Ängsten leiden. Schulanforderungen können sichmit diesen Ängsten zur Schulangst verbinden. Wird dem Kind dabei vorgeworfen, sich das erlebte Unwohlsein nur einzubilden, kann dies die Ängste des Kindes verstärken. „Es gewinnt den Eindruck, im Stich gelassen zu werden“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 68). Die Option, das Kind bei Schulangst zuhause zu lassen, entschärft die Problematik der Schulangst jedoch nicht. Im Gegenteil, der Schulbesuch kann im weiteren Verlauf noch erschwert werden.
Je früher ein Therapiebeginn erfolgt, desto höher ist die Chance, der Schulangst entgegenzuwirken (Lehmkuhl, 2003 zitiert nach Melfsen&Walitza ,2013).Eine rechtzeitig diagnostizierte Schulangst und ihre Therapie ist deshalb von großer Bedeutung, da drei Viertel aller Kinder, die aufgrund von Schulangst die Schule verweigert haben, später unter weiteren psychischen Störungen (z.B. Somatisierungsstörungen) leiden. Es besteht außerdem die Gefahr, dass untherapierte Kinder im Laufe ihres Lebens an Selbstunsicherheit und mangelnder Autonomie leiden und/oder sich sozial wenig integrieren können (Melfsen&Walitza, 2013).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die möglichen Folgen von Schulangst in Schulvermeidung, gesteigerter Leistungs- bzw. Prüfungsangst und sozial-emotionalen Problematiken bestehen (Kearney, 2001; Schreiber-Kittl&Schröpfer, 2002 zitiert nach Melfsen&Walitza 2013). Ein erhöhtes Risiko, die Schule gänzlich abzubrechen, ist ebenso eine Folge unbewältigter Schulangst wie auch das Auftreten von psychischen Problemen in der Adoleszenz und im Erwachsenenalter (Epstein&Scheldon 2002; Buitelaar1 et al. 1994).
2.3.5 Zusammenfassung
Diagnostisch betrachtet wird die Schulangst zu den spezifischen Phobien gezählt, da sie verschiedene Ängste beinhaltet. Faktoren, durch welche Schulangst ausgelöst wird,stehen direkt oder indirekt mit der Schule in Zusammenhang. In der Regel betrifft es die Angst vor Schulversagen oder Leistungsbewertungen, Ängste vor Mitschüler*innen sowie einer oder mehreren Lehrkräften. Schulunabhängige Verlusterfahrungen können aber ebenso Auslöser von Schulangst darstellen.
Die Merkmale von Schulangst sind sehr individuell. Es kommt auf die jeweils als bedrohlich erlebte Situation in der Schule an. „Klassische Gedanken bei der Schulangst sind Versagensängste, unangemessene Schlussfolgerungen oder Katastrophengedanken“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 68-69). Der Schule wird dabei eine übermäßige Wichtigkeit zugeordnet, wodurch sich die Schulängste zu panischen Reaktionen steigern können. Schulangst manifestiert sich als Gereiztheit, Niedergeschlagensein sowie in depressiven Verstimmungen. Auf ganz unterschiedliche Weise kann die Schulangst von einem Kind auch durch physiologische Reaktionen geäußert werden. Das Schulkind kann aufgrund von Schulangst eine Vermeidungsstrategie entwickeln und den Schulbesuch vollständig verweigern, sich im Unterricht in Tagträume zurückziehen, zu spät zur Schule kommen, trödeln, sich in sich selbst zurückziehen oder auch aggressives/autoaggressives Verhalten entwickeln. Bauch- und Kopfschmerzen sind plötzlich auftretende Symptome einer entwickelten Schulangst. Diese körperlichen Beschwerden treten häufig bei übermäßigem Stress und dem damit verbundenen Überforderungs- und Angstgefühl auf. Wird Schulangst nicht rechtzeitig therapeutisch behandelt, können sich langfristige Folgestörungen im Adoleszenz- und Erwachsenenalter entwickeln.
2.4 Weitere Faktoren und Verhaltensweisen bei Schulangst
Im vorangegangenen Kapitel wurden bereits unterschiedliche Faktoren von Schulangst beschrieben. Im folgenden Abschnitt sollen weitere Risiko- sowie Schutzfaktoren von Schulangst dargestellt werden. Es werden dazu verschiedene Verhaltensweisen von Schüler*innen mit Schulangst beschrieben und spezifische Verhaltensweisen aufgrund von Prüfungs- und Leistungsangst dargestellt. Dies wird durch die Beschreibung des selektiven Mutismus und der Schulverweigerung/-vermeidung ergänzt. Die Ausführungen zur Diagnostik von Schulangst sind insofern von Bedeutung, als dass Ansätze zur Überwindung von Schulangst von der differentialdiagnostischen Sicht dieses Angstphänomens abhängen.
2.4.1 Risiko- und Schutzfaktoren
Im Entwicklungsprozess eines heranwachsenden Jugendlichen findet eine wechselseitige Beeinflussung der biologischen, psychologischen und sozialen Ebene statt. Auf der biologischen Ebene lassen sich beispielsweise genetische Belastungen identifizieren, die somatische Einflüsse auf die körperliche Entwicklung des Individuums haben. Der psychologischen Ebene werden die seelischen Aspekte der menschlichen Persönlichkeit zugeordnet. Diese beinhalten die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Heranwachsenden, kognitive und emotionale Bereiche und den Verhaltensbereich zu verknüpfen. Die Fähigkeit zur Interaktion und Kommunikation mit anderen Menschen gehört der sozialen Ebene an. Sie beschreibt das soziale System (z.B. Familie, Schule, Peergroups) sowie die Teilhabe an der sozialen Norm und dem gesellschaftlichen Wertesystem. Auch sozioökonomische Faktoren werden der sozialen Ebene zugeschrieben (Knölkeret al., 2000 zitiert nach Melfsen&Walitza 2013).
„Risikofaktoren müssen nicht zu unmittelbaren Entwicklungsbeeinträchtigungen führen“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S, 19), sie können jedoch im Zusammenhang mit anfallenden Entwicklungsaufgaben zu psychischen Störungen führen. Eine Begünstigung dieser kann mit dem Eintritt in die Schule oder die Autonomieentwicklung in der Pubertät sein. Eine psychische Auffälligkeit kann die Wahrscheinlichkeit einer Diversifikation[5] steigern. Eine Normalisierung der Entwicklung istmöglich, jedoch einfacher zu therapieren, wenn weniger verfestigte Auffälligkeiten vorliegen (Mattejat, 2003).
Treten die Risikofaktoren gleichzeitig auf, kann das Modell der Risiko-Akkumulation gelten: „Die Wahrscheinlichkeit nachfolgender Störungen steigt mit der Anzahl der auf das Individuum einwirkenden Faktoren“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 19). Der Effekt verstärkt sich multiplikativ und nicht additiv. Verschiedene Risikobereiche sind abhängig voneinander. In Familien, die hohe psychosoziale Belastungen tragen, zeigen sich beispielsweise häufig auch prä- und perinatale Komplikationen (Melfsen&Walitza, 2013).
Für Kinder oder Jugendliche, die unter psychischen Störungen leiden, kommt erschwerend eine verstärkte Vulnerabilität bei Übergangsphasen dazu. Zu diesen zählen beispielsweise die Einschulung/Umschulung und die Pubertät (Melfsen&Walitza, 2013). Es können sich Diskrepanzen zwischen Anforderungen sowie individuellen Handlungsspielräumen entwickeln. (Brandstätter&Gräser, 1999) Es findet dann eine Destabilisierung statt, die zu psychischen Auffälligkeiten führen kann. Als subklinische psychische Auffälligkeit stellen sich solche Diskrepanzen dar. Diese sind zehn- bis zwanzigmal häufiger als spezifische psychische Störungen (Mattejat, 2003).
Außerfamiliäre Faktoren können ebenfalls als Risikofaktoren die Entwicklung eines Kindes prägen.
„Dazu zählen:
- „Sozioökologische Lebensbedingungen (Stadt vs. Land, Wohnbezirk, soziale Brennpunkte)
- Soziale Kontakte der Eltern und die Möglichkeit zur sozialen Unterstützung der Familie
- Beziehung des Kindes zu Gleichaltrigen
- Einflüsse der Schule: belastende Schulergebnisse sind z.B. hohe Lehrerfluktuation, hohe Schülerfluktuation, ungünstige [Lehrkraft-Schulkind-Quote]
- Einflüsse der öffentlichen Medien“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 20).
Aus Lebensbedingungen, die eine Belastung darstellen könnten, resultiert allerdings nicht notwendig immer eine psychische Störung. Resilienz kennzeichnet die Fähigkeit, Belastungen, die potentiell eine Entwicklungsgefährdung darstellen, bewältigen zu können. Projektive Faktoren, auch Schutzfaktoren genannt, können ungünstige bzw. negative Einflüsse verhindern, abmildern oder zeitlich verzögern.
Unter Schutzfaktoren im Kontext des familiären Umfeldes sind zu nennen
- „Ein offenes und unterstützendes Familienklima
- Emotionale Wärme und Harmonie
- Eine funktionierende Paarbeziehung zwischen den Eltern
- Modelle positiven Bewältigungsverhaltens“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 20).
Als Schutzfaktoren im sozialen Umfeld gelten
- „Positive Sozialkontakte
- Stabile Freundschaften
- Positive Schulerfahrungen
- […] Das Erlernen einer sicheren Bindung […]
- Gute Beziehungen zu Gleichaltrigen […]
- Das Erlernen von Selbstwirksamkeit“(vgl. Melfsen&Walitza, 2013, S. 20).
Diese Schutzfaktoren im Kontext des familiären und sozialen Umfelds machen deutlich, wieviel für ein Kind von einem unterstützenden und positiven sozialen Miteinander abhängt zur Bewältigung von Ängsten. Wertschätzende und stabile zwischenmenschliche Beziehungen stellen einen erheblichen Schutzfaktor für ein heranwachsendes Kind dar.
2.4.2 Prüfungs-/Leistungsangst
Die Angst vor Prüfungen oder anderen zu erbringenden Leistungen kann für das Individuum eine schwere Belastung darstellen. Vor einer Prüfung können die entwickelten Ängste die notwendigen Vorbereitungen hemmen und während einer Prüfung zu Blockaden führen. Dem Schulkind entfällt in diesem Moment dann jede zuvor erlernte Antwort (Metzig&Schuster 2018). Auch wenn bis heute in der Psychologie eine einheitliche sowie verbindliche Definition von Prüfungsangst nicht vorliegt, verstehen Fehm und Fydrich (2011) unter Prüfungsangst eine„anhaltende und deutlich spürbare Angst in Prüfungssituationen und/oder während der Zeit der Prüfungsvorbereitungen, die den Bedingungen der Prüfungsvorbereitung und der Prüfung selbst nicht angemessen ist. Die Angst äußert sich auf den Ebenen Verhalten, Emotionen, Kognitionen und Physiologie“(vgl. Fehm&Fydrich, 2011, S. 7). Vor oder während einer Prüfung Angst zu empfingen, ist zunächst „normal“, denn eine ungünstige Bewertung der zu erbringenden Leistung ist nie auszuschließen. Doch Prüfungsangst kann auch unbewusste Ursachen haben und im ersten Moment unverständlich sein (Metzig&Schuster, 2018), da viele Komponenten zur Entstehung von Prüfungsangst beitragen können. Es zählen dazu die Aufgeregtheit, mangelnde Zuversicht, Besorgtheit, Ablenkungen bei der Aufgabenbearbeitung sowie Konzentrationsstörungen (Federer, 2004). Die Prüfungsangst äußert sich zudem auf der kognitiven, verhaltensgesteuerten, physiologischen und emotionalen Ebene. Der Auslöser von Prüfungs- oder Leistungsangst können inhaltliche Defizite, fehlende Übung, schlechte Erfahrungen, Auftritts-Trigger, Umwelt- und situationsbedingte sowie familiäre Einflüsse, zu hoher Aktivierungsgrad oder unfreiwillige Selbsthypnose sein (Abromeit, 2014).
Die Ergebnisse von Prüfungen sind meist Schlüssel, um neue Türen für zukünftige biographische Weiterführungen auf dem Bildungsweg zu öffnen. Abschlussnoten sind sowohl beim Berufseinstieg als auch in der universitären Laufbahn bedeutsam. Bei einem nicht-Bestehen einer bestimmten Prüfung bleiben unter Umständen viele weiterführende Türen für immer verschlossen. Daher ist es nachvollziehbar, dass Kinder und Jugendliche Prüfungsängste entwickeln. Es ist jedenfalls nicht der Regelfall, dass Kinder gänzlich unangefochten und selbstsicher Prüfungen gegenübertreten (Metzig&Schuster, 2018).
Etwa acht Prozent der Schüler*innen befürchten beim Lernen eine mögliche Blamage, 16 Prozent verbinden Angst und ein Viertel (27 Prozent) erlebt Enttäuschung. Zu bemerken ist, dass es immer wieder auftretende und regelmäßige Erfahrungen sind, welche die Schüler*innen erleben.
Abbildung 3:Tabelle zu Gefühlen beim Lernen in der Schule Klasse 4. bis 12. (vgl. Maschke & Stecher, 2010, S. 95).
Bei negativen Leistungsgefühlen wie der Prüfungsangst wird in der Forschung darauf hingewiesen, dass diese stark von der Qualität der Entwicklungsumwelt (z.B. hier schulische Umwelt) abhängig ist (Maschke&Stecher, 2010). Schüler*innen mit Prüfungsangst können in einem gegebenen Entwicklungsumfeld eine erhöhte mentale sowie körperliche Anspannung zeigen. Diese löst wiederum Probleme in der Prüfungsvorbereitung und dem Lernen aus (Melfsen&Walitza, 2013). Allerdings liegen bislang nur wenige konkrete, belastbare Studien in Bezug auf Prüfungsangst vor. Es wird aber auf der Basis von Schätzungen davon ausgegangen, dass etwa zehn bis 15 Prozent der Schüler*innen unter starken Ängsten in Prüfungssituationen leiden. Schriftliche Prüfungen zeigen dabei eine stärkere Angstbesetzung als mündliche Prüfungssituationen (Melfsen&Walitza 2013).Im ICD-10 (Dilling&Freyberger, 2019) ist keine diagnostische Kategorie für die Prüfungsangst aufgeführt. Dort wird Prüfungsangst der spezifischen bzw. Sozialen Phobie zugeordnet und in dieser klassifiziert (ICD-10: F40.1/F40.2) oder es wird Prüfungsangst der Generalisierten Angststörung zugerechnet (Dilling&Freyberger, 2019).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Prüfungsangst bis heute keiner definierten Störungskategorie zugeordnet werden kann, da keine verbindliche sowie optimale Definition vorliegt. Der ICD-10 verortet die Prüfungsangst unter den spezifischen und/oder sozialen Phobien bzw. der Generalisierten Angststörung, da sie eine dauerhafte, unangemessene und vor allem starke Angst darstellt. Kennzeichen der Prüfungsangst sind individuell. Ein typisches Merkmal sind jedoch Misserfolgsgedanken, die wiederum Versagens- und Katastrophengedanken auslösen können. Etwa zehn bis 15 Prozent der Schüler*innen leiden unter solchen starken Ängsten vor und während einer Prüfungssituation (Melfsen&Walitza, 2013). Wenn nicht frühzeitig der Prüfungsangst eines Schulkindes entgegengesteuert wird, hat dies weiterhin Blockaden und starke Ängste in der weiteren Entwicklung zur Folge. Doch mit richtigen Maßnahmen (z.B. Therapie, Konditionierungen usw.) kann der Prüfungsangst durchaus wirksam entgegengewirkt werden (Metzig&Schuster, 2018).
2.4.3 Selektiver Mutismus
Das Erscheinungsbild des selektiven Mutismus ist charakterisiert durch eine emotionale Selektivität des Sprechens. In manchen Situationen kann das Kind seine Sprachkompetenzen zeigen, in anderen wiederum nicht. Im häuslichen Umfeld, mit Familienmitgliedern und Freunden, spricht das Kind meist normal und entspricht der Sprachentwicklung des entsprechenden Alters. Unter Fremden oder eben auch in der Schule reagiert das Kind jedoch mutistisch. Der selektive Mutismus ist daher auch als ein Phänomen von Schulangst anzusehen. Es gibt dabei zwei Ausprägungen des Mutismus. Zum einen spricht man vom „Totalen Mutismus“, der das generelle Nicht-Sprechen eines Kindes beschreibt. Zum anderen gibt es den hier benannten „Selektiven Mutismus“, bei dem das Kind nur in Gegenwart von bestimmten Menschen oder in bestimmten Situationen nicht spricht. Im DSM-IV[6] wurde der Begriff „Selektiver Mutismus“ bereits übernommen, während im ICD-10 noch der Begriff „Elektiven Mutismus“ verwendet wird. Dieser Begriff (Elektiver Mutismus) suggeriert, dass bei Betroffenen eine freie Wahl besteht, wann gesprochen oder geschwiegen wird. Dieser Begriff und sein Bedeutungskonzept gilt inzwischen als überholt und es wird heutzutage nur noch der Begriff „Selektiver Mutismus“ verwendet. Denn dieser berücksichtigt, dass für den Betroffenen keine wirkliche Entscheidungsfreiheit bzw. willentliche Kontrolle mit Blick auf Sprechen oder Schweigen besteht. Neben dem Schweigen zeigen die Kinder mit Selektiven Mutismus häufig auch noch andere Verhaltensmerkmale:der Blickkontakt wird vermeiden, das Kind scheint erstarrt und zeigt einen leeren Gesichtsausdruck. Das Kinder in einer Interaktion mit anderen Kindern integriert werden und Gefühle äußern, fehlt häufig (In-Albon, 2011). Betrachtet man den Mutismus differentialdiagnostisch, so ist diese Störung als Folge einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung oder Trennungsängsten von Sprach- und Sprechstörungen zu unterscheiden (Melfsen&Warnke, 2009).
Es finden wissenschaftliche Diskussionen darüber statt, ob Selektiver Mutismus „eine Extremausprägung Sozialer Phobie[n] oder ein oppositionell motiviertes Verhalten darstellt“(vgl. In-Albon, 2011, S.54). Die Studie von Steinhausen und Juzi (1996)aus dem Jahr 1996 zeigt, dass in 85 Prozent der Fälle die Kinder mit Selektivem Mutismus schüchtern waren. Bei 66 Prozent der Kinder lag eine Angststörung vor und bei 21 Prozent der Kinder trat eine oppositionelle Störung auf. Kristensen (2000) untersuchte die internalisierenden und externalisierenden Probleme bei Kindern mit Selektiven Mutismus. Von 54 betroffenen Kindern wurden 40 mit einer Angststörung diagnostiziert. Die Diagnose der Sozialen Phobie trat am häufigsten auf, stark gefolgt von der Trennungsangst. Bemerkenswert ist, „dass keine externalisierenden Störungen komorbid zum Selektiven Mutismus auftraten […]“(vgl. In-Albon, 2011, S. 54). Es zeigten sich jedoch bei 37 von 54 Kindern Entwicklungsverzögerungen.
Der Selektive Mutismus tritt bei Kindern in der Alterspanne von drei bis sechs Jahren auf. Der Störungsbeginn einer Sozialen Phobie erfolgt meist einige Jahre später, schätzungsweise im Schulalter (In-Albon, 2011). Melfsen und Warnke (2009) schussfolgern daher, dass Schüchternheit eher mit dem Selektiven Mutismus verbunden ist als die Soziale Phobie (Melfsen&Warnke, 2009). Als eine Form der Schulangst ist der Selektive Mutismus ein Phänomen, das im Umgang mit betroffenen Schulkindern differentialdiagnostisch wahrgenommen werden muss.
2.4.4 Schulabsentismus, Schulvermeidung und Schulverweigerung/-schwänzen
Ein unregelmäßiger Besuch der Schule kann drastische Folgen des Bildungserwerbs hervorbringen. Dieser kann wiederum eine langfristige Schädigung der Positionierung auf dem Arbeitsmarkt bedeuten (Dunkake, 2007).Der Begriff „Schulabsentismus“ ist auf Grund der allgemeinen Schulpflicht in einem bestimmten Zeitraum in Europa eng an die rechtlichen Normen gebunden (Sälzer, 2010). „Schulabsentismus“ wird in der Fachliteratur und Umgangssprache als bevorzugter Begriff verwendet, weitere Begriffe für den „Schulabsentismus“ sind Schulverweigerung, Schulschwänzen, Schulmüdigkeit sowie Schulvermeidung (Kearny&Silverman, 1996; McCune&Hynes, 2005; Wagner et. al., 2004; Lauchlan, 2003; Oehme&Franzke ,2002;Ricking, 2003; Stamm, 2007 zitiert nach Steinset al., 2014).Diese Begriffe unterscheiden sich dennoch in ihrer Definition und stellen teilweise eine Verwirrung dar. Die Bezeichnung des „Schulabsentismus“ verweist darauf, dass ein Kind oder Jugendlicher nicht durchstehen kann, den Schulalltag zu erleben. Es ist somit bei diesem Begriff keine Assoziation des absichtlichen Fernbleibens oder Krankseins verbunden (Kearney&Silverman, 1996 zitiert nach Melfsen & Walitza, 2013).
Die Begriffe Schulschwänzen und -verweigern hingegen bezeichnen eine aktive Absicht, die Schule nicht zu besuchen. Eine Verweigerung kann dagegen als Folge von Trennungsangst (etwa im Verhältnis zu häuslichen Bezugspersonen) auftreten. Diese Trennungsangst wird verwirrenderweise auch mit dem Begriff Schulphobie bezeichnet. Der Begriff Schulvermeidung hingegen kennzeichnet eine psychische Schwierigkeitund kann dem Schulabsentismus zugeordnet werden(Kearney&Silverman, 1996; Melfsen&Walitza, 2013). Vermeidung und Schwänzen können jedoch auch dasselbe sein, wenn gar keine Angst und emotionale Belastung vorliegen. Meist findet das Verhalten aufgrund von angenehmeren Aktivitäten (z.B. mit der Peergroup zeitverbringen) statt. Dissoziales Schulschwänzen[7] wird deshalb hier als Bezeichnung gewählt. In diesem Fall kann eine Störung des Sozialverhaltens oder ein oppositionelles Trotzverhalten vorliegen. Ziel ist es in allen Fällen, die Kinder zu ermutigen, den Besuch der Schule schnell wieder aufzunehmen. Es liegt eine Prävalenz bei etwa fünf Prozent der Schulverweiger*innen vor, wovon bei ca. zwei Prozent ein nicht-dissoziales Schulschwänzen[8] der Auslöser ist. Die Altersverteilung auf Häufigkeitsgipfel verweist auf das Alter von fünf bis sieben Jahren (Grundschulzeit und Einschulung) sowie zehn bis elf Jahren (weiterführende Schule oder Schulwechsel) (Jans&Warnke,2004). Zu beachten bleibt jedoch, dass Krankheiten, Wohnortwechsel und/oder Ferien ebenfalls Faktoren darstellen, die bei Schulabwesenheiten berücksichtigt werden sollten (In-Albon, 2011).
2.4.5 Diagnostik
Bei einer Kinderpsychodiagnostik sollte nicht nur das Kind selbst berücksichtigt werden, sondern auch der familiäre und schulische Hintergrund. Es sollten die intellektuellen (richtige Klassenstufe sowie Schulform),familiären (aktuelle Lebensereignisse oder Belastungen) sowie die soziale Überforderung (Lehrkraft/Mitschüler*in)in Erfahrung gebracht werden. Wichtig ist hierbei, dass auch Ressourcen des Kindes und nicht nur Defizite thematisiert werden (Federer, 2004).Während der Diagnostik ist die Atmosphäre entscheidend. Das Kind soll Sicherheit fühlen, damit es über die persönlichen Ängste kommunizieren kann. Das spielerische Erklären (z.B. mit Handpuppen etc.) kann hierfür hilfreich sein, damit das Kind den diagnostischen Ablauf nachvollziehen kann (Melfsen&Walitza, 2013).
In der Entwicklung des Kindes gehören Ängste dazu. In der Angstdiagnostik soll daher erkannt werden, ob die Angst aufgrund von dem Alter entsprechenden Entwicklungsängsten vorliegt oder sich von diesen abgrenzt. Es sollte dabei der grundsätzlichen Frage nachgegangen werden: „Ist die Angst dem Alter angemessen oder ist sie übermäßig stark ausgeprägt“(vgl. Melfsen&Walitza 2013, S. 79)?
Beim Diagnostizieren von Angststörungen gilt die Empfehlung, diagnostische Methoden zu kombinieren und verschiedene Informationsquellen zu nutzen. Dies dient dazu, unterschiedliche Aspekte der Angststörung erfassen zu können. Schneider und Döpfner (2004) geben eine Empfehlung, wie Kinder und Jugendliche mit Angststörungen in der Diagnostik altersgerechtHilfe erhalten können:
(1) „Ein gemeinsames Erstgespräch mit Eltern und Kind, um einen ersten Eindruck zu gewinnen und einen Überblick über das weitere Vorgehen zu vermitteln,
(2) medizinische Differentialdiagnostik, um organische Ursachen auszuschließen,
(3) Diagnostik mithilfe reliabler und valider standardisierter Verfahren, wobei insbesondere strukturierte[…] Interviews [,] die jeweils separat mit Eltern und Kind durchgeführt werden, eine wichtige Bedeutung zukommt,
(4) reliable und valide Rating- und Fragebogenverfahren und evtl. Tagebücher, und
(5) Detailanalyse der auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen, Dauer, Schweregrad, psychosoziale Probleme“(vgl. Schneider&Döpfner, 2004, S. 80-96).
Das Angstverhalten der Kinder kann in den verschiedenen Situationen auch zu unterschiedlichen Informationen führen. Oftmals können Kinder selbst die beste Auskunft über ihre Ängste geben, denn sie durchleben die Gefühle, Angstgedanken und die physiologische Erregung (Fonseca&Perrin, 2001 zitiert nach Melfsen&Walitza, 2013).
2.4.5.1 Schulangst
Bei der Diagnostik von Schulangst ist die Betrachtung der Kinder, wie bedrohlich Situationen wahrgenommen werden und/oder individuelle Hinweisreize Angst auslösen, wichtig. Weitere Aspekte, wie z.B. die Erwartung des*derSchüler*in, mit der er*sieauf eine angstauslösende Situation zugeht, Erfahrungen aus der Vergangenheit, Äußerung der Angst, Einschätzung des Verhaltens durch Lehrkräfte und Mitschüler*innen sowie die Erwartungshaltung der Eltern oder des*der Schüler*in selbst sollten bei einer Diagnostik beachtet werden (Melfsen&Walitza, 2013).
Zur Erfassung von Schulangst können unter anderem die Selbstbeschreibungsverfahren,wie der „Angstfragebogen für Schüler*innen“ (siehe AFS von Wieczerkowski et.al., 1981), „Bildtafeln des Schulangsttests“ (siehe SAT von Hußlein, 1978), der „School Refusal Assessment Scal Revised – Child“ (siehe SRAS-R C von Kearney, 2002/2007) und der „School Refusal Assessment Scal Revised – Parents“ (siehe SRASR-P von Kearney, 2002/2007) dienen.
Tabelle 1: Selbstbeschreibungsverfahren zur Erfassung von Schulangst (in Anlehnung an Melfsen & Walitza, 2013).
Diese Methoden zur diagnostischen Überprüfung von Kindern mit Schulangst sollen dazu beitragen, angstgesteuerte Verhaltensweisen und ihre Ursachen festzustellen und zu benennen. Sie machen die Bandbreite des Schulangstphänomens deutlich.
2.4.5.2 Prüfungsnagst
Bei der Diagnostizierung von Prüfungsangst ist von Bedeutung, dass die Intelligenz sowie schulische Leistungsfähigkeit des Kindes korrekt eingeschätzt wird (z. B.: Leistungskurve der letzten Schuljahre, Unterschiede in Schulfächern, Teilleistungsstörungen).
Die Prüfungssituation und der genaue Ablauf sowie die Reaktion des Kindes auf die Prüfungsleistung sollte erfasst werden (z.B.: Reaktion des Kindes, Mitschüler*innen oder der Eltern, Erfolg/Misserfolg). Die Beachtung des Problemverhaltens anhand einer Bedingungsanalyse ist ebenfalls erforderlich, damit die Reize, Gefühle, Kognitionen etc. deutlich werden.Die Berücksichtigung des Schulklimas sowie die Kooperation vom Elternhaus mit der Schule sind für die Erfassung wichtig. Denn auch die Elternerwartungen und vor allem das Erziehungsverhalten der Eltern und Lehrkräfte kann sich erheblich auf die Prüfungsangst auswirken (Melfsen&Walitza, 2013).
Die Selbstbeschreibungsverfahren zur Erhebung von Prüfungsangst können unter anderem das „Prüfungsängstlichkeitsinventar“ (siehe TAI-G von Hodapp, 1991), der „Prüfungsangstfragebogen“ (siehe PFA von Hodapp et al., 2011) sowie das „Differentielle Leistungsangst-Inventar“ (siehe DAI von Rost& Schermer, 1997) sein.
Tabelle 2: Selbstbeschreibungsverfahren zur Erhebung von Prüfungsangst (in Anlehnung an Melfsen & Walitza, 2013).
Diese Selbstbeschreibungsverfahren stellen eine Hilfe dar, Prüfungsangstdifferenziert und konkret zu erheben und diese auf der Basis von Eigenerfahrungen von Schüler*innen zu beschreiben.
2.5 Lehrkraft-Schulkind-Interaktion
In der Lehrkraft-Schulkind-Interaktion kommt den Emotionen und den Motiven der Individuen eine entscheidende Bedeutung zu. Die Schüler*innen empfinden Beschimpfungen und Strafen als ein Hindernis der Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach Anerkennung und Angenommensein. Ärger, Enttäuschung und Wut können sich bei ihnen entwickeln, wenn diese Bedürfnisse unerfüllt bleiben. Lehrkräfte ärgern sich umgekehrt auch beispielsweise über störende Verhaltensweisen der Schüler*innen. Erhalten die Schüler*innen Lob und Anerkennung, wird das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit und Kompetenzerleben befriedigt. Die Emotionen Freude und/oder Stolz werden ausgelöst. Die Kinder motivieren sich durch diese Befriedigung,ihr Verhalten, das zu Lob und Anerkennung führte, beizubehalten. Die Auflösung eines unangenehmen Gefühls kann durch diese Befriedigung ebenfalls beeinflusst werden. Die Prüfungsangstkann zum Beispiel aufgrund von Lob und Anerkennung nachlassen und schwierige Aufgaben können gemeistert werden. (Sann&Preiser, 2017).Eltern und Schüler*innen erwarten von Lehrkräften die Gewährleistung eines Wohlfühlorts, in dem ein motivierender Unterricht stattfindet. „Eine gute [Lehrkraft-Schulkind-Beziehung], persönlich Zuwendung und gelungene Motivierung gelten als zentrale Charakteristika einer guten Lehrkraft]“ (vgl. Sann&Preiser, 2017, S. 214), die die Schule als Wohlfühlort erleben lässt.Tatsächlich erweisen sich flexibles Eingehen auf Bedürfnisse der Schüler*innen und entsprechende Zuwendung durch die Lehrkräfte als bedeutsam sowohl für den Schulerfolg der Lernenden als auch für die Unterrichtsqualität (Perrezet al., 2006; Wenzel, 2009).
Finden eine Fehlinterpretation von Gefühlen und darauffolgend unangemessene Handlungen statt, ist dies häufig ein Indikator für eine misslungene Interaktion zwischen der Lehrkraft und dem*der Schüler*in. Heutzutage gelten nicht nur negative Emotionen als Störfaktoren für eine leistungsbezogene Interaktion, sondern auch positive sozio-emotionale Aspekte in der Lehrkraft-Schulkind-Interaktion. Es findet also stets eine wechselseitige Beeinflussung des Wohlbefindens zwischen den Schüler*innen und den Lehrkräften statt (Sann&Preiser, 2017).
Lehrkräfte sind dabei nicht nur Wissensvermittler. Sie sind ebenso Bezugsperson für Kinder und üben somit auch eine Erziehungsverantwortung aus. Lehrkräfte sollten daher nicht nur die Begeisterung an ihrem Fach vorweisen, sondern auch Wertschätzung und Respekt gegenüber ihren Schüler*innen empfinden. Der Erfolg des ganzen Schulsystems hängtin erheblichem Maßvom Engagement und den Fähigkeiten der Lehrkräfte ab (Melfsen&Walitza, 2013).
2.6 Klassen- und Schulklima
Die Schule ist ein komplexes System, wobei das Schulklima das Wesen sowie die Qualität des Schullebens definiert. So stellt das National School Climate Center dazu fest: „Das Schulklima stützt sich auf die Erfahrungen der [Schüler*innen], der Eltern sowie des Schulpersonals im Schulleben und spiegelt sich in Normen, Zielen, Werten, Beziehungen zwischen Menschen, [Lehrkräften] sowie organisatorischen Strukturen wider“ (vgl. National School Climate Center o.D. zitiert nach Reindl&Gniewosz, 2017, S. 47). Das Schulklima kann demnach als eine Eigenschaft des Gesamtsystems betrachtet werden. Nicht nur aus der Perspektive einer Personengruppe allein kann das Klima beschrieben oder verstanden werden. Denn in Bezug auf das Schulleben sind viele Menschen am Entstehen des Schulklimas beteiligt. Seien es Schüler*innen und Lehrkräfte oder Eltern, alle tragen zur Bildung und subjektiven Wahrnehmung des Schulklimas und -lebens bei.
Helmut Fend (1977) ist einer der ersten Schulklimaforscher, der drei bedeutende Dimensionen zum Schulklima beschreibt:
1. „Inhalte (Erwartungen, Werte in der Schule, z.B. Leistungsdruck, Disziplindruck),
2. Interaktionen (Formen des Umgangs zwischen den Akteuren und deren wechselseitige Beeinflussung, insbesondere Kontrolle, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Argumentationsformen),
3. Soziale Beziehungen (emotionale Qualität, Arten der Konfliktaustragung) zwischen allen am Schulklima beteiligten Personen“ (vgl. Fend, 1977 zitiert nach Reindl&Gniewosz, 2017, S. 48).
Diese drei Dimensionen des Schulklimas nach Fend werden in der Folgezeit immer wieder in der Forschung aktualisiert und von anderen Schulklimaforscher*innen in Ansätzen übernommen (z.B.:Thapa et al., 2013).
Kann das Schulklima Lehr- sowie Lernprozesse beeinflussen? Schulen in denen das Schulklima eine positive Einschätzung von Schüler*innen und Lehrkräften erhält, weisen tatsächlich bessere Schulleistungen auf und auch die Motivation ist höher. Die Schüler*innen einer Schule mit gutem Schulklima werden meist mehr in die schulischen Belange involviert und an ihnen beteiligt. Ein positives Schulklima wirkt sich besonders auch vor/nach Übergängen der Schulform aus. Die Lernmotivation sollte in diesem Abschnitt aufrechterhalten werden, damit der Übergang erfolgreich bewältigt werden kann und kein Rückgang der Motivation folgt (Eccles et al., 1993; Eccles&Roeser, 2011). Das Schulklima kann als Schutzfaktor wirken, der gegen die negativen Wirkungen der Risikofaktoren schützt (Reindl&Gniewosz, 2017). Denn ein niedriger sozioökonomischer Status eines*einer Schüler*in kann durch ein positives Schulklima den Leistungsnachteil ausgleichen. (Astoret. al., 2009).
Fend leistet im Bereich des sozioemotionalen Wirkens des Schulklimas Pionierarbeit. In früheren Arbeiten weist er nach, dass mit einem positiven Schulklima ein geringeres Problemverhalten bei Schüler*innen einhergeht und diese ein positives Selbstkonzept aufweisen (Fend, 1977 zitiert nach Reindl&Gniewosz, 2017).
Bezüglich des Klassenklimas sind die Mitgliedereiner Klassengemeinschaft sowie die sozialen Beziehungen untereinander von entscheidender Bedeutung. Eine Klassengemeinschaft umfasst maximal 33 Personen. Jedes Individuum ist unterschiedlich mitBlick auf Motivation, Intelligenz, Elternhaus etc. Untereinander bauen die Mitglieder einer Klasse Beziehungen auf und bilden Cliquen. Für das Klassenklima sind Freundschaften innerhalb der Klasse sehr wichtig. In diesenBeziehungen sprechen sie beispielsweise über ihre spezifischen Gefühle sowie deren Ursachen (Reindl&Gniewosz, 2017). Kinder, die in keine Beziehungsform innerhalb der Schulklasse integriert sind, können schnell als Außenseiter gelten und dadurch unter einer sozioemotional bedingten Entwicklungsstörung leiden (Laursenet al., 2007). Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Schüler*innen innerhalb ihrer Klassengemeinschaft Beziehungen aufbauen, in denen sie Gefühle äußern können und sich angenommen fühlen. Die individuellen Eigenschaften (z.B. allgemeine Motivation) jedes Kindes und die soziale Unterstützung untereinander sind ebenfalls Merkmal eines positiven Klassenklimas. An dieser Reihe von Merkmalen wird deutlich, dass das Klassenklima nie allein von einem einzelnen Merkmal bestimmt wird, sondern vom Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren abhängt (Reindl&Gniewosz, 2017).
2.7 Klassenraumgestaltung
Das Klassenzimmer ist so konzipiert, dass es zum Lernen anregen soll. Jede*r kennt den klassischen Aufbau eines Klassenzimmers: Schüler*innen sitzen auf ihren Stühlen am Tisch und richten ihren Blick geradeaus zur Tafel (Bauer & Hille, 2017). Der Klassenraum wird auch häufig als „dritter Pädagoge“ bezeichnet. Denn dieser prägt das Lernverhalten und die Lernerfahrungen nachhaltig. Wie lange sich Schüler*innen mit Lerninhalten beschäftigen können, entscheidet die Lernatmosphäre. „Räume können aktivierend wirken, aber auch überfordern. Sie können Entspannung fördern und das Sicherheitsempfinden stärken“ (vgl. Bauer & Hiller, 2017, S. 67).Viele verschiedene Faktoren müssen sich jedoch zusammenfinden, sodass ein Raum zum Wohlfühlen einlädt und vor allem zum Lernen. Beispielsweise kann die Gestaltung der Wände durch eine bestimmte Farbe sowie die Raumhöhe oder auch Grundrissflächedazu beitragen, dass sich Kinder in ihrem Klassenraum wohlfühlen. Die Möbel wie Stühle und Tische sollten ebenfalls an die Bedürfnisse der Kinder angepasst sein. Selbst eine angemessene Raumtemperatur kann zur Entspannung der Kinder beitragen. Auch die gute Luftqualität ist ein weiterer Faktor, der sich positiv auf Kinder auswirken kann. Denn unangenehme, lästige Gerüche können störend auf die Kinder wirken, dagegen kann ein positives Raumklima eine entspannende Wirkung haben. Eine lernfreundliche Beleuchtung, die jedem Kind die Möglichkeit bietet, gut arbeiten zu können, ist ein weiterer Faktor, der für Entspanntheit im Klassenraum sorgt. So kann den Kindern eine optimale Lernumgebung ermöglicht werden. Die Klassenraumgröße sollte ebenfalls stetsder Personenzahl entsprechen, die imKlassenraum unterrichtet wird, um eineentspannte Arbeitsatmosphäre zu gewährleisten(Bauer & Hiller, 2017).
Jeder Mensch nimmt die Atmosphäre eines Raumes unterschiedlich wahr (Bauer & Hiller, 2017). Ein Klassenraum kann das Wir-Gefühl und die Identität des Einzelnen beeinflussen. Von den Schüler*innen wird somit eine Beziehung zum Raum aufgebaut, da sie meist von Montag bis Freitag in diesem sind. Schüler*innen machen Erlebnisse, diesie mit Erinnerungen verknüpfen, welches sich wiederum positiv in die Klassenraumgestaltung integrieren lässt. Den Kindern kann ein Mitspracherecht bei der Gestaltung gegeben werden (z.B.: Farben an den Wänden). Durch Kunst oder Projekte können Kinder dem Klassenraum auch eine Persönlichkeit verleihen. „Mitsprache und Personalisierung schaffen eine Beziehung zu dem Lernraum und erhöhen damit die Ausganschance für positive Lernerfahrungen in den Schulräumen“ (vgl. Bauer & Hiller, 2017, S. 68).
2.8 Transparenz
Transparenz wird mit den Begriffen Durchscheinen, Durchlässigkeit, Nachvollziehbarkeit und Durchsichtigkeit beschrieben (Dudenredaktion, o.D.). Prozesse und Strukturen sind somit dann transparent, wenn sie als nachvollziehbar erlebt werden. Die Voraussetzung für das Verstehen von Interesse und Intention der Akteur*innen ist deren Durchsichtigkeit. Unter Intransparenz können die Exklusion und undemokratische Strukturen verstanden werden (Moegling & Schude, 2016). „Transparenz im Unterricht und in der Schule ist eine ambivalente Angelegenheit“ (vgl. Moegling & Schude, 2016, S. 10). Wenn zu wenig Transparenz vorherrscht, findet eine Verhinderung der Partizipation von schulischen Akteur*innen statt. Findet zu viel Transparenz statt, kann ein institutioneller Missbrauch und übergriffige Kontrolle ausgelöst werden (Moegling & Schude, 2016). In der allgemeinen psychologischen Theoriebildung wird jedoch heute von zwei Komponenten ausgegangen, die im Zusammenhang von Transparenzbildung von Bedeutung sind: die Transparenzbereitschaft (Handlungstendenz, dass transparente Handeln umzusetzen) und das beobachtbare transparente Handeln (Thies et al., 2016).
2.8.1 Classroom Management
Ein klares und transparentes Regelsystem im Kontext von Schule kann das Classroom Management bieten. Dieses hat zum Ziel, einer Klasse viel reine Lernzeit bereitzustellen (Helmke, 2011). Das Regelsystem kann bereits zum Beginn des Schuljahres eingeführt werden, um die Störungen zu verhindern (Kiper, 2013 zitiert nach Thieset al., 2016). Laut empirischen Befunden gelingt es Lehrkräften, die das Classroom Management verwenden, den Schüler*innen kontinuierlich Feedback zu geben und sie systematischer zu beobachten. Die Transparenzbildung für das Classroom Management ist im Lehr-Lern-Kontext eher weniger explizit erforscht, das gemeinsame Aufstellen von Regelsystemen innerhalb der Klasse durch die Schüler*innen hingegen schon (z.B. Hattie, 2018).
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass „im Classroom Management und im Rahmen kognitive-behavioral konzipierter Erziehungstrainings Hinweise auf Transparenzbereitschaft, Transparenzhandlungen und die hieraus resultierenden Effekte [zu] finden[sind]“ (vgl. Thies & Misamer & Aurin & Hackbart, 2016, S. 113). Diese ergeben sich in Verbindung mit einem Regelsystem. Die Transbarenzbereitschaft leitet sich ab aus dem„Bedürfnis nach Struktur(-gebung) und […] der Bereitschaft, die Verhaltenserwartung zu kommunizieren“ (vgl. Thies&Mismar&Aurin&Hackbart, 2016, S. 113).Die Transparenzhandlungen leiten sich hingegen ab vom„(1) Aufstellen, Präsentieren und idealerweise Verschriftlichen eines Regelwerks [,] so dass die Wahrnehmung von Transparenz durch die [Schüler*innen] erhöht wird. (2) Deutliche[n] und klar[en] Kommunizier[en] [der] Verhaltenserwartungen an die [Schüler*innen] [… und] (3) Aufzeigen gewünschter Verhaltensweisen“ (vgl. Thieset al., 2016, S. 113).
2.8.2 Aufgabenstellung und Bewertung
Transparenz kann geschaffen werden, indem eine Klärung von Lernzielen sowie eine klare Strukturierung der Unterrichtsstunde stattfindet. Unterschiedliche Lernprozesse können „vor dem Hintergrund der Lernmotivation der [Schuler*innne] betrachtet werden“ (vgl. Jurkowski, 2016, S. 68). Aufgabenstellungen können die unterschiedlichsten Lern- und Leistungssituationen umfassen (z.B.: Gruppenarbeit, Einzelarbeit, usw.). Je schwieriger die Aufgabestellung ist, desto geringer ist die Erwartung der Schüler*innen diese erfolgreich lösen zu können (Jurkowski, 2016).
Die Bewertung der Leistung von Schüler*innen kann ebenfalls mit der Transparenz begründet werden. Die Bewertung von Schüler*innen ist demnach bedeutsam, weil es eine Orientierungs- und Rückmeldefunktion darstellt. Außerdem ist die Leistungsbeurteilung bildungstheoretisch begründet und dient den Kindern dazu Selbständigkeit zu erfahren (Grittner, 2010). Lernpsychologisch können Lernprozesse des Lernens gefördert und Fähigkeiten zur Bewertung trainiert werden (Winter, 2004a zitiert nach Grittner, 2010). Für Lehrkräfte kann es bedeutsam sein, dass sie Lernstände festhalten und gegebenenfalls Optimierungsmöglichkeiten im Lernprozess finden. Leistungsbewertungen können „sowohl prozess- als auch produktbezogen eingesetzt werden“ (vgl. Grittner, 2010, S. 39). Die Lehrkräfte sollten in der Bewertung drei Bezugsnormorientierungen unterscheiden: „die soziale, die individuelle und die sachliche Bezugsnormorientierung“ (vgl. Jurkowski, 2016, S. 69). Die soziale Bezugsnormorientierung beschreibt, dass die Lehrkräfte die Leistungsergebnisse mit den Mitschüler*innen vergleicht (Rheinberg & Krug, 2005 zitiert nach Jurkowski, 2016). Durch diese Orientierung können Leistungsunterschiede zwischen den Schüler*innen festgestellt und wenn nötig werden Fördermaßnahmen eingeleitet werden. Die individuelle Bezugsnormorientierung vergleicht „das aktuelle Lernergebnis mit zuvor gezeigten Lernergebnissen der Schüler*innen“ (vgl. Jurkowski, 2016, S. 70). Diese Bezugsnormorientierung bietet keine Basis für Selektionsentscheidungen.Die sachliche Bezugsnormorientierung vergleicht die im Vorfeld definierten und verankerten Leistungsanforderungen mit dem Lernergebnis der einzelnen Schüler*innen (z.B.: Bildungsstandards) (Rheinberg & Krug, 2005 zitiert nach Jurkowski, 2016). Der Konkurrenzgedanke zwischen den Mitschüler*innen kann durch diese Bezugsnormorientierung verringert werden, indem die Lehrkraft ihre Leistungsbewertung offenlegt (Jurkowski, 2016).
2.9 Prävention und Intervention
Präventions- und/oder Interventionsstrategien gegenüber Schulangst auszuwählen, ist nicht einfach, da bei jedem Kind die Angstproblematik unterschiedlich sein kann und dies bei der Auswahl therapeutischer Maßnahmen stets berücksichtigt werden muss. Ob ein Interventionsbedarf vorhanden oder nicht gegeben ist, hängt vom Charakter der psychischen Fehlentwicklung des Kindes bzw. Jugendlichen ab. Das RTI-Modell (Response-to-Intervention) bietet ein hilfreiches Rahmenkonzept, um den Interventionsbedarf einstufen zu können (Sulkowskiet al., 2012). Die ersten Ansätze von Fehlentwicklungen können anhand dieses Modells frühzeitig erkannt werden, wodurch eine Intervention sowie Diagnostik eng aufeinander abgestimmt werden können. Es findet eine Unterscheidung in drei Interventionsstufen statt:
Abbildung 4:RTI-Modell zum Umgang mit Schulängsten (vgl. Sulkowski et al., 2012, S. 377).
Die erste Stufe des Modells ist universell und für alle Schüler*innen von Nutzen. Alle Schüler*innen profitieren von den Präventionsmaßnahmen und einer angstfreien Gestaltung von Lern- und Prüfungssituationen. Wie bereits beschrieben, ist das positive Schul- und Klassenklima ebenfalls für alle Schüler*innen insgesamt ein Gewinn. Auf der zweiten Stufe werden Kinder (zehn bis 15 Prozent) verortet, die unter Ängsten leiden, die das Lernen in der Schule beeinträchtigen. Die Stufe Zwei repräsentiert Handlungskonzepte, bei denen gezielt Maßnahmen wie Beratung der Eltern/Schüler*innen sowie die Stärkung des Selbstkonzepts eingeleitet werden. Außerdem findet eine Förderung von Bewältigungskonzepten statt. Fünf Prozent der Kinder werden der dritten Stufe zugeordnet. Sie leiden unter akuten, d.h. behandlungsbedürftigen Angststörungen und eventuell komorbiden psychischen Störungen sowie psychosozialen Problemlagen. Hier werden individualisierte Therapie- und Förderpläne notwendig. Diese sollten kooperativ mit anderen Lehr-/Fachkräften erarbeitet werden (Bilz, 2017).
Im Umgang mit Betroffenen, die an Schulangst leiden, ist es von großer Bedeutung, dass ein Ausschluss von schulischer Überforderung stattfindet, indem psychologische Leistungs- und Intelligenzdiagnostiken zur Ermittlung des tatsächlichen Leistungsniveaus durchgeführt werden. Wenn dadurch eine Leistungsüberforderung erkennbar wird, kann eine gezielte Förderung eingesetzt werden. Manchmal sind jedoch sonderpädagogische Förderungen oder sogar ein Schulwechsel erforderlich, um der Schulangst zu begegnen. Es kommt entscheidend darauf an, dass die Leistungsanforderungen dem Leistungsniveau dem*der Schüler*in entsprechen. Die Unterrichtsmethodik trägt ebenfalls zum Abbau von Schulangst bei. Damit die Kinder gern zur Schule kommen, sollten die Aufgaben bewältigbar sein und Erfolgserlebnisse somit ermöglicht werden. Dies stärkt in der Regel das Selbstbewusstsein der Kinder. Eine weitere Maßnahme zur Reduzierung und Vermeidung von Schulangst ist die Bildungeines positiven sozialen Klassenmilieus. Denn bei Mobbing oder physischer sowie psychischerGewalt in/vor/während der Schule reichen die individuellen Bewältigungskompetenzen zur Stärkung der*des Schüler*in meistens nicht aus. Hier können Erwachsene begleitend das Problem lösungsorientierter bewältigen und als Unterstützer*innen zur Verfügung stehen.
Mögliche Umgangsweisen für Schüler*innen zur Bewältigung von Schulangst sind bspw. Punktepläne, die positive und konstruktive Verhaltensweisen von Schüler*innen attraktiv machen (Krowatschek & Domsch, 2006 zitiert nach Melfsen & Walitza, 2013). Die Methode der angstmachenden Gedanken verändern, kann den Schüler*innen insofern helfen, dass Angstgedanken durch mutmachenden Gedanken ersetzt werden (Krowatschek & Domsch, 2006 zitiert nach Melfsen & Walitza, 2013). Die Sorgenzeit eingrenzen zu können, kann den Schüler*innen dabei helfen, sich bspw. 10 Minuten pro Tag Sorgenauszeit zunehmen (Krowatschek & Domsch, 2006 zitiert nach Melfsen & Walitza 2013). Bei Mobbing oder Gewalt können individuelle Bewältigungskompetenzenunterstützend sein wie: (1) Mobbing durchschauen, (2) gegen Mobbing ankommen (Eltern davon berichten), (3) Verbündete suchen (Mitschüler*innen, Eltern, Lehrkräfte), (4) Rollenspiele in der Klasse durchführen, (5) und am wichtigsten ruhig bleiben, (Heiderich & Rohr, 2007 zitiert nach Melfsen & Walitza, 2013). Doch auch Körperübungen, wie das Trainieren in einem Sportverein (Freundschaften aufbauen, Erfolgserlebnis),Atemübungen(Angst/Nervosität kann gemildert werden) und Vorstellungsübung (für jüngere Kinder, um den Atem zu beruhigen) sind Methoden zur Minderung mit Schulangst (Melfsen & Walitza, 2013).
Mögliche Umgangsweisen mit Schulangst für Lehrkräfte sind bspw., die Kinder anzunehmen. Dazu gehört, dass eine Klassenatmosphäre mit wechselseitigem Respekt herrscht, wobei der*die Einzelne ernst genommen wird. Auch die Lehrkraft sollte verlässlich und hilfsbereit sein und Lob und Erfolgserlebnisse aussprechen können. Allgemein ist dasgrundsätzliche Angenommenwerdender Kinder durch die Lehrkraft wichtig. Lehrkräfte sollten niemals die Kinder bloßstellen. Die Entwicklung eines sozialen Klassenmilieus mit Lehrkräften als Vorbildfunktion, Klassen- und Schulregeln ohne Ausgrenzung von Personengruppen, freundlicher Umgang, gegenseitiger Respekt, keine Tolerierung von Rassismus oder/und Fremdenfeindlichkeit sowie Gewalt (z.B. Kummerkasten, Präventionstage, etc.) sind wichtige Faktoren, die dazu beitragen, der Schulangst von Kindern zu begegnen und vorzubeugen (Melfsen & Walitza, 2013).
2.10 Familiärer Hintergrund
Die Familie kann einen großen Einfluss auf das Schulverhalten sowie auf die Entwicklung von Schulängsten oder -leistungen der Kinder haben (Dunkake, 2010).Manfred Hofer (2002) geht dabei von einer weitgefassten psychologischen Definition von Familie aus. Eine Familie stellt nach Hofer Mitgliedern dar, die
- „durch nahe und dauerhafte Beziehungen miteinanderverbunden sind,
- welche sich auf eine nachfolgende Generation hin orientieren und
- einen erzieherischen bzw. sozialisatorischen Kontext sowie einen Ort der informellen Bildung für die Entwicklung der nachkommenden Generation bereitstellt“ (vgl. Hofer, 2002 zitiert nach Wild&Hollmann, 2018, S. 99).
Familienmitglieder sind in wichtigen Fragen Bezugspersonen sowie Ansprechspartner*innen für das Kind (Engel&Hurrelmann, 1989). Die Kinder können in vielfältiger Weise von ihren Eltern in der schulischen Ausbildung und der lernrelevanten Einstellung beeinflusst werden. Sie, die Eltern, nehmen im Laufe des Heranwachsens eines Kindes verschiedene Rollen in der Familienentwicklung ein. Zum einen können die Elternteile die Bindungspersonen sein, die motorische, kognitive, sprachliche sowie sozio-emotionale Entwicklungsprozesse stimulieren. Zum anderen können Eltern ebenso Provider sein, indem sie die häusliche Umgebung für das erfolgreiche Lernen entsprechend ausstatten. Die Kommunikation innerhalb einer Familie spielt auch eine große Rolle, denn diese kann beispielsweise die Ausbildung von Argumentationskompetenzen in der Sekundarstufe unterstützen. Eltern sollten hierbei ihre Position deutlich vertreten und keine negativen Emotionen in der Diskussion unterdrücken.
Unterschiedliche Meinungen sollten grundsätzlich in der Familie toleriert werden. Natürlich sollte aber auch die Rolle der Eltern als Erzieher vorhanden sein. Es gibt dabei verschiedene Stile der Erziehung (z.B. der autoritäre oder der liberale Erziehungsstil). Eltern könnensomit entscheidende Begleiter ihrer Kinder in der schulischen Entwicklung sein. Der Einstieg und/oder Übergang in die (neue) Schulform beinhaltet dabei oft eine neue Auslegung der Rollenanforderungen auch auf Seiten der Eltern. Sie können somit ihrem Kind im Laufe des Schullebens das notwendige Selbstvertrauen geben (Wild&Hollmann, 2018).
Die Ausführungen zeigen, welchen Stellenwert der familiäre Hintergrund und vor allem Eltern bzw. Erziehungsberechtigte im Leben eines Kindes haben. Vom Verhalten der Eltern hängen in großem Umfang die schulischen Entwicklungen und Entscheidungen der Kinder ab. Die Kinder brauchen in ihren Eltern Vorbilder, denen sie sich anvertrauen und bei denen sie sich eventuell Rat einholen können. Eltern/Erziehungspersonen haben die Verantwortung, ihre Kinder auf das Leben und auf soziale Verantwortung vorzubereiten (Wild&Hollmann, 2018).Bei der Entwicklung von Strategien zur Vermeidung bzw. Überwindung von Schulangst stellt der familiäre Hintergrund einen bedeutenden Faktor dar.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2022, Schulangst bei Kindern und Jugendlichen. Diagnostik, Prävention und Intervention für Lehrkräfte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1247607
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