Das Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit ist der grammatische Aspekt
der Festigkeit von Phraseologismen. Das Ziel der Untersuchung ist festzustellen,
wo die Grenze zwischen Phraseologismen und freien Wortverbindungen liegt.
Zuerst werden terminologische und definitorische Probleme aufgearbeitet.
Danach folgt ein selektiver Forschungsüberblick über die deutsche
Phraseologie. Die analysierten Phraseologismen werden aus folgenden
Wörterbüchern exzerpiert: Duden-Reihe, 1992, “Redewendungen und
sprichtwörtliche Redensarten: Wörterbuch der deutschen Idiomatik” Band 11,
Mannheim: Dudenverlag.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Begriffschaos in der Phraseologie
3. Phraseologismus oder freie Wortverbindung?
4. Festigkeit von Phraseologismen
4.1 Strukturelle und pragmatische Festigkeit
4.2 Externe Valenz der Verben
4.3 Interne Valenz der Verben
5. Relativierung der strukturellen Festigkeit
6. Variationen
6.1. Veränderungen einzelner Komponenten
6.2. Austausch einzelner Komponenten
6.3 Erweiterung des Komponentenbestandes
7 Der Ursprung der Varianten
8. Grammatische Restriktionen
9. Fazit
1. Einleitung
In der Phraseologie steht wohl als einzige bisher fest, dass noch nichts feststeht.
(Pilz 1981: 16)
Das Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit ist der grammatische Aspekt der Festigkeit von Phraseologismen. Das Ziel der Untersuchung ist festzustellen, wo die Grenze zwischen Phraseologismen und freien Wortverbindungen liegt. Zuerst werden terminologische und definitorische Probleme aufgearbeitet. Danach folgt ein selektiver Forschungsüberblick über die deutsche Phraseologie. Die analysierten Phraseologismen werden aus folgenden Wörterbüchern exzerpiert: Duden-Reihe, 1992, “Redewendungen und sprichtwörtliche Redensarten: Wörterbuch der deutschen Idiomatik” Band 11, Mannheim: Dudenverlag.
2. Begriffschaos in der Phraseologie
Das Lexikon einer Sprache besteht nicht nur aus einzelnen Wörtern und grammatischen Konstruktionen, sondern auch aus festen Wortverbindungen, die ebenso wie einzelne Wörter als ein Äusserungsverfahren dienen. Solche Wortverbindungen nennt man Phraseme oder Phraseologismen, aber es gibt auch andere Termini dafür. K. Pilz gibt die folgende Liste: Idiotismus, locution phraseologique (frz.), idiom (engl.), Wortgruppenlexem, phraseologische Einheit, phraseological unit (engl.), Phraseolexem, fixierte Wortfügungen (Pilz 1981: 25). In der russischen Literatur herrscht auch ein Begriffschaos. A.V. Kunin verwendet den Begriff “fraseologičeskaja edinica” (Phraseologische Einheit) (Kunin 1970: 7). Nichtsdestotrotz scheint sich “Phraseologismus” immer mehr durchzusetzen. In dieser Arbeit wird den Begriff Phraseologismus (PH) verwendet. Von den Phraseologismen unterscheidet man Sprichwörter und Redensarten, die in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden.
3. Phraseologismus oder freie Wortverbindung
Palm definiert Phraseme oder Idiome als:
nicht satzwertige Wortgruppen mit unterschiedlicher syntaktischer Struktur und mehr oder weniger ausgeprägter Umdeutung der Komponenten (der in der Gruppe eingehenden Wörter). Ein Phrasem hat die Minimalstruktur einer Wortgruppe d.h. es besteht aus mindestens zwei Einheiten des lexikalischen Systems, Lexemen (Wörter). Die Verknüpfung dieser Lexeme kann regulär oder irregulär sein. Regulär verknüpfte Phraseme haben in der Regel auch eine Bedeutung als freie Wortgruppen (Palm 1995: 2).
Bierich gibt andere Definition, die sich dadurch von der Definition von Palm unterscheidet, dass Phraseme als Satzglieder bestimmt werden:
Phraseme sind relativ feste, reproduzierbare, expressive Lexemverbindungen, die eine idiomatische Bedeutung aufweisen und die sich als Satzglieder in den Satz einfügen bzw. als satzwertige Einheiten an den Kontext anschließen, ohne einen eigenen Text zu bilden (Bierich 2005: 10).
Nach Burger (2003: 11) besteht ein Phraseologismus “mehr als aus einem Wort und die Wörter sind nicht für dieses eine Mal zusammengestellt, sondern es handelt sich um Kombinationen von Wörtern, die [...] genau in dieser Kombination (eventuell mit Varianten) bekannt sind ...” und nicht voll erklärbare Einheit bilden (Burger 2003: 15).
Gläser (1986: 16) definiert ein Phraseologismus als:
ein usuelles Wortgruppenlexem, das sich durch syntaktische und semantische Stabilität, durch potentiell mehrere Arten der Bedeutung sowie fakultativ durch eine intensivierende Funktion im Text auszeichnet.
Es gibt eine Reihe von Kriterien, nach denen man einen Phraseologismus von der freien Wortverbindung unterscheiden kann:
1 Tabelle 1:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus der Tabelle folgt, dass alle Autoren sich einig sind, dass ein Phraseologismus mehr oder eine weniger feste morphosyntaktische Struktur hat und eine übertragene Bedeutung aufweist. Außerdem besteht ein PH mindestens aus 2 Wörtern, wobei es keine Einigkeit gibt, ob diese Wörter Autosemantika oder Synsemantika sein müssen. Burger (2003:16) nennt die Phraseologismen, die keine Autosemantika enthalten, “minimale” Phraseologismen wie hin und her, im Nu.
Es lässt sich also festhalten, dass die folgenden drei Kriterien am wichtigsten sind, um einen Phraseologismus von einer freien Wortverbindung zu unterscheiden:
3. Das Kriterium der Idiomatizität,
4. Das Kriterium der Stabilität oder Festigkeit,
5. Das Kriterium der Polylexikalität.
Jedoch muss sofort einschränkend hinzugefügt werden, dass das Kriterium der morphosyntaktischen/grammatischen Festigkeit eine gewisse Unsicherheit hervorruft. Zur Demonstration der Probleme in diesem Bereich wollen wir uns auf grammatische Aspekte konzentrieren.
4. Festigkeit von Phraseologismen
Unter Festigkeit versteht man, dass der Phraseologismus in nur einer Kombination von Wörtern vorkommt, und er in der Sprachgemeinschaft – ähnlich wie ein Wort – gebräuchlich ist. (Burger 2003: 14) Es gibt verschiedene Arten von Festigkeit. Burger unterscheidet psycholinguistische, strukturelle und pragmatische Festigkeit, Bierich spricht von lexikalisch-semantischer und strukturell-syntaktischer Festigkeit.
4.1 Strukturelle und pragmatische Festigkeit
Nehmen wir als Beispiel den Phraseologismus “jmdm den Kopf waschen”. In einem Satz kann diese Wortverbindung entweder seine direkte Bedeutung haben oder als ein Phraseologismus auftauchen.
(1a) Die Mutter hat gestern Abend dem Jungen den Kopf gewaschen.2
Bei der wörtlichen Bedeutung können noch weitere Konstituenten eingesetzt werden. Z.B.:
(1b) Die Mutter hat gestern Abend dem Jungen den Kopf mit dem duftigen Shampoo gewaschen.
Wenn es um einen Phraseologismus mit der Bedeutung “schelten, die Meinung sagen” geht, dann bleibt die Struktur unverändert. Also, “Phraseologismus weist eine (relativ) feste lexikalische Besetzung auf. Man kann eine Komponente [...] nicht ohne weiteres bzw. nicht in jedem Fall durch ein synonymes oder bedeutungsähnliches Wort ersetzen, ohne dass das Idiom seine phraseologische Bedeutung verliert, also zu freien Wortverbindung wird” (Burger 1998: 23)3 Man muss die Bedeutung von einem PH, so wie Bedeutung von einzelnen Wörtern in der Sprache lernen. Darüber hinaus gibt es noch eine Frage, wie stark die Struktur von PH unverändert ist.
4.2 Externe Valenz der Verben
Jedes Verb hat Valenz und eröffnet bestimmte obligatorische, manchmal auch fakultative syntaktische Leerstellen. Wenn ein PH ein Verb enthält, muss man die von dem Verb geöffneten Leerstellen mit Wörtern, die syntaktisch und semantisch passen, auffüllen.
In dem PH „jemand lässt keinen guten Faden an jemandem (etwas)“ ist ein Subjekt jemand und ein Präpositionalobjekt an jemandem (etwas) obligatorisch, die in den Grenzen des semantischen Feldes mit den Substantiven oder Pronomina, aufgefüllt werden können. Dabei muss das Subjekt das Merkmal ‹menschlich› haben. Burger (2003:21) nennt diese Leerstellen die externe Valenz.
Die externe Valenz lässt eine Reihe von Varietäten. Das Subjekt kann sowohl im Singular als auch im Plural auftauchen, dadurch ändert sich die Form des Verbs.
(2a) Deine Schwester kann Fritz nicht leiden und lässt keinen guten Faden an ihm. (Griesbach 1977: 28)
(2b) Die Kritiker haben an der neuen Oper keinen guten Faden gelassen. (Taylor 1966: 123)
Im zweiten Beispiel wird das Verb “lassen” im Perfekt verwendet und nach dritter Person Plural konjugiert. Andererseits fällt es auf, dass das Präpositionalobjekt im ersten Satz das Merkmal ‹+belebt› und im zweiten ‹-belebt› hat.
[...]
1 Tabelle Bezeichngen: „+“ - das Merkmal kommt in der Definition des genannten Autors vor, „-“ - das Merkmal kommt mit der Negation vor, „+/-“ - das Merkmal kommt mit einer gewissen Unsicherheit vor.
2 Das Beispiel aus Palm 1995 S. 10
3 Zitiert nach Bierich 2005, S. 18
- Citation du texte
- M.A. Yana Lobunez (Auteur), 2007, Grammatischer Aspekt der Festigkeit von Phraseologismen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124752
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