Die Welt des 16. Jahrhunderts ist geprägt von Innovation und Angst. Neue Ideen und Erkenntnisse, wie zum Beispiel die Entdeckung Amerikas 1492 durch Christoph Kolumbus oder der Humanismus, finden durch den Buchdruck schnelle Verbreitung. Aber das Leben der Menschen ist auch geprägt von Angst. Besonders gegen Ende des Mittelalters steigert sich die Angst der Menschen um ihr Seelenheil. Die Kirche ist dabei oft keine große Hilfe. Die Kirche ist zwar eine mächtige Institution, steht aber als solche vielerorts in Konflikt mit anderen, weltlichen Herrschaftsträgern, die für sich selbst die Kontrolle kirchlicher Angelegenheiten beanspruchen. Nicht wenige werfen den Geistlichen vor, sich mehr um ihr eigenes, sehr irdisches Wohlbefinden zu kümmern, als um ihre eigentliche Aufgabe, nämlich das Seelenheil der Gläubigen. Unter diesen Kritikern ist auch ein Augustinermönch aus Wittenberg, Martin Luther. Geprägt von den Ideen und der kritischen Auseinandersetzung des Humanismus mit der katholischen Kirche einerseits und von der Angst um das eigene Seelenheil andererseits, beginnt Luther über den Glauben, die eigentliche Aufgabe und die Praktiken der katholischen Kirche zu reflektieren. Diese Arbeit soll nun an Hand zwei seiner bekanntesten frühen reformatorischen Veröffentlichungen, den 95 Thesen und der Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation, genauer analysieren, welche Mängel Martin Luther in der Kirche seiner Zeit sieht und wie er versucht dagegen vorzugehen. Der Ablasshandel spielt dabei eine wichtige Rolle, da er oft als Auslöser für die Veröffentlichung der 95 Thesen genannt wird, die wiederum als Beginn der Reformation stilisiert werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Luthers Kritik am Ablasshandel und an der Kirche
1. Definition des Ablasses
2. Der Ablass in Verbindung mit dem Bußwesen
3. Religiöse Voraussetzungen für den Ablass
4. Theologische Begründung des Ablasses
5. Über den Ablass zum Seelenheil
6. Albrecht II. von Brandenburg und der Ablasshandel
7. Luthers Kritik am Ablasshandel und die 95 Thesen
8. Kritik an der katholischen Kirche
9. An den christlichen Adel deutscher Nation
III. Schlussfolgerung
IV. Quellenangaben
I. Einleitung
Die Welt des 16. Jahrhunderts ist geprägt von Innovation und Angst. Neue Ideen und Erkenntnisse, wie zum Beispiel die Entdeckung Amerikas 1492 durch Christoph Kolumbus oder der Humanismus, finden durch den Buchdruck schnelle Verbreitung.
Aber das Leben der Menschen ist auch geprägt von Angst. Besonders gegen Ende des Mittelalters steigert sich die Angst der Menschen um ihr Seelenheil. Die Kirche ist dabei oft keine große Hilfe. Die Kirche ist zwar eine mächtige Institution, steht aber als solche vielerorts in Konflikt mit anderen, weltlichen Herrschaftsträgern, die für sich selbst die Kontrolle kirchlicher Angelegenheiten beanspruchen.
Nicht wenige werfen den Geistlichen vor, sich mehr um ihr eigenes, sehr irdisches Wohlbefinden zu kümmern, als um ihre eigentliche Aufgabe, nämlich das Seelenheil der Gläubigen. Unter diesen Kritikern ist auch ein Augustinermönch aus Wittenberg, Martin Luther.
Geprägt von den Ideen und der kritischen Auseinandersetzung des Humanismus mit der katholischen Kirche einerseits und von der Angst um das eigene Seelenheil andererseits, beginnt Luther über den Glauben, die eigentliche Aufgabe und die Praktiken der katholischen Kirche zu reflektieren.
Diese Arbeit soll nun an Hand zwei seiner bekanntesten frühen reformatorischen Veröffentlichungen, den 95 Thesen und der Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation, genauer analysieren, welche Mängel Martin Luther in der Kirche seiner Zeit sieht und wie er versucht dagegen vorzugehen. Der Ablasshandel spielt dabei eine wichtige Rolle, da er oft als Auslöser für die Veröffentlichung der 95 Thesen genannt wird, die wiederum als Beginn der Reformation stilisiert werden.
I. Luthers Kritik am Ablasshandel und an der Kirche
1. Definition des Ablasses
Der Ablass ist in der katholischen Kirche ein teilweiser oder vollständiger Erlass von Strafen von begangenen Sünden, also der Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind. Dieser Nachlass ist außersakramental und von kirchlichen Autoritäten gewährt, besonders wenn finanzielle Zuwendungen an die Kirche fließen. Mit dem Ablass wird also nur die Buße erlassen, nicht aber die Sünde selbst.[1]
Der Ablass hat zwar keine Vorlagen im Neuen Testament, knüpft aber doch an kirchliche Traditionen an. Er steht in Verbindung zum altkirchlichen und frühmittelalterlichen Bußwesen.[2]
2. Der Ablass in Verbindung mit dem Bußwesen
In Westeuropa kann man drei Phasen der Buße feststellen:
- Die kanonische Kirchenbuße im frühen Christentum
- Die Tarifbuße im frühmittelalterlichen Christentum
- Die Privatbeichte ab dem 12. Jahrhundert
Im frühen Christentum ermöglichen die harten, lebenslänglichen Bußauflagen die Wiederaufnahme eines Sünders in die christliche Gemeinschaft. Im Gegensatz dazu sind die Bußauflagen der Tarifbuße weniger hart und zeitlich begrenzt. Die Absolution erfolgt nach geleisteter Buße, oder das Bußwerk erwirkt die Vergebung ohne Absolution. Ab dem 12. Jahrhundert werden die oft unerfüllbaren Bußauflagen der Tarifbuße mehr und mehr durch Kommutationen und Redemptionen abgelöst, also vor allem durch Wallfahrten, Gebete und Geldspenden.[3]
Der Ablass steht als eine Form der Geldspende an die Kirche in direkter Verbindung zum Beichtsakrament, welches aus drei Teilen besteht:
- Contrition cordis, die Reue
- Confessio oris, das Schuldbekenntnis
- Satisfactio operas, die Wiedergutmachung, die Genugtuung.[4]
Laut Martin Luther gliedern einige Kirchenlehrer, wie Petrus Lombardus und Thomas von Aquin den Ablass in die Satisfactio operas ein.[5]
3. Religiöse Voraussetzungen für den Ablass
In der Zeit vor der Reformation wächst die Angst vor dem bevorstehenden nahen Ende der Zeiten und somit auch das Sündenbewusstsein der Menschen. Die Sorge um das eigene Seelenheil beschäftigt die Menschen mehr und mehr, so dass immer mehr Messen, Gebete und Wallfahrten die Angst kaum mehr beruhigen können.[6] Außerdem verstärkt sich die Gewissheit, dass es unmöglich sei für alle Sünden im Leben büßen zu können, weshalb sich die Buße bis ins Jenseits hinein zieht. Der Sünder muss so lange im Fegefeuer seine Sünden büßen, bis er seine Strafe abgesessen hat und seine Seele reingewaschen ist.
Das Fegefeuer ist in der Lehre der römisch-katholischen Kirche ein Ort der Reinigung der Seele vor dem Eintritt in das Paradies. Im Gegensatz zur Hölle, wo der Sünder ewige Qualen erleidet, ist die Zeit im Fegefeuer begrenzt. Durch seinen Lebenswandel, Buße oder Ablass kann man seine Zeit im Purgatorium verkürzen.[7]
Während einerseits die Bußzeit bis ins Jenseits verlängert wird, gibt es von Seiten der Kirche vermehrt Anstrengungen, die Bußleistungen zu reduzieren, wobei der Ablass bald große Bedeutung gewinnt. Der erste Almosenablass wird für das Jahr 1035 nachgewiesen, der erste Kreuzzugsablass für das Jahr 1063.[8] Wer also Almosen spendet oder an einem Kreuzzug teilnimmt, dem werden durch einen Ablass seine Sündenstrafen erlassen oder aber zeitlich begrenzt. Der Straferlass ist allerdings immer noch an die Bedingung des Werkes, das heißt in diesem Fall der Almosengaben oder der Kreuzzugsteilnahme, gebunden. Im 13. Jahrhundert kommt der Brauch auf, dass Lebende für Verstorbene einen Ablass erwerben können. Sie verkürzen so die Qualen für ihre verstorbenen Verwandten, als Akt der nachhaltigen Nächstenliebe.[9]
4. Theologische Begründung des Ablasses
Hinsichtlich des Ablasses stößt man auf zwei Problemstellungen. Die erste Problematik besteht darin, zu ergründen, ob es wirklich einen Straferlass geben kann, wenn die Buße nicht geleistet, oder lediglich durch einen unangemessenen Ersatz abgetragen wird.
Der Dominikaner und spätere Kardinal Hugo von St. Cher (1190-1263) hat sich um 1230 mit dieser Problematik befasst. Die christliche Grundaussage voraussetzend, dass alles Heil in Christus begründet ist, entwickelt er die Idee des thesaurus meritorum, bzw. thesaurus ecclesiae. Die Verdienste Christi und der Heiligen bilden den Schatz der Kirche, mit dessen Hilfe die noch abzuleistenden Bußleistungen der Sünder getilgt werden.[10]
Diese Theorie findet immer weitere Verbreitung und schließlich legt Papst Clemens VI. (1290-1352) in der Jubiläumsbulle Unigentius Dei Filius (27.01.1343) die Lehre vom Kirchenschatz als Grundlage fest. Durch die Idee des thesaurus ecclesiae werden die geistlichen Verdienste materialisiert und quantifiziert. In Folge dessen besteht die Möglichkeit diese geistlichen Verdienste Christi und der Heiligen in einer irdischen und juristischen Handhabung zu verwenden. Die Kirche verwaltet sozusagen diesen unerschöpflichen Gnadenschatz und kann aus ihm den sündigen Menschen die Heiligkeit geben, an der es ihnen durch ihre Sündhaftigkeit mangelt.[11]
Das zweite Problem hinsichtlich des Ablasses besteht in der Rechtmäßigkeit der Verwendung und Verwaltung dieser Verdienste durch die Kirche. Hier beruft sich die Kirche, genau wie bei der Buße, auf ihre Binde- und Lösegewalt. Das 4. Laterankonzil von 1215 stellt eine wichtige Etappe bezüglich des Ablasses dar, da hier der Ablass definitiv in das Bußwesen und somit in die Rechtsordnung der römisch-katholischen Kirche eingebunden wird.[12]
Die Idee des durch Christus und die Heiligen gefüllten Kirchenschatzes fällt besonders bei den Theologen der Hochscholastik auf fruchtbaren Boden, gerade bei Thomas von Aquin (1225-1274) und Bonaventura (1221-1274). Thomas von Aquin vertritt die Auffassung, dass ein Ablass sowohl unmittelbar, wenn man die vorgeschriebene Buße selbst verrichtet, als auch mittelbar, wenn ein anderer dieses Werk verrichtet, erworben werden kann. Für die Verstorbenen kommt nur letzteres in Frage. So werden ab dem 13. Jahrhundert die jenseitige Wirksamkeit des Ablasses und die deprekative Zuwendung der Ablässe für die Verstorbenen möglich.[13]
[...]
[1] Schorn-Schütte, Luise: Die Reformation, Vorgeschichte, Verlauf, Wirkung: Freiburg: 20064, 19961, Seite 121.
[2] Müller, Gerhard Ludwig: Ablaß, in: Kasper, Walter (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche, Bd 1, Freiburg im Breisgau: 1993, Spalte 51-55, hier Spalte 52.
[3] Nikolasch, Franz: Buße: Allgemeine Grundzüge, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München: 1983, Spalte 1130-1131.
[4] Luther, Martin: Ein Sermon von Ablass und Gnade, 1518, in: Aland, Kurt (Hrsg.): Martin Luthers 95 Thesen, mit den dazugehörigen Dokumenten aus der Geschichte der Reformation, Hamburg: 1965, Seite 62-66, hier Seite 62.
[5] Luther, Martin: Ein Sermon von Ablass und Gnade, 1518, Seite 62.
[6] Schnyder, Caroline: Reformation, Stuttgart: 2008, Seite 21.
[7] Le Goff, Jacques: Wucherzins und Höllenqualen, Stuttgart: 20082, 19881, Seite 107-108. Zum Fegefeuer vergl. auch Le Goff, Jacques: Die Geburt des Fegefeuers, Stuttgart: 1984.
[8] Decot, Rolf: Luthers Reformation zwischen Theologie und Reichspolitik, Frankfurt am Main: 2007, Seite 130-131. Vergl. auch: Paulus, Nicolaus: Geschichte des Ablasses im Mittelalter, Bd. I, Paderborn: 1922, Seite 138-139.
[9] Müller, Gerhard Ludwig: Ablaß, Spalte 53.
[10] Decot, Rolf: Luthers Reformation zwischen Theologie und Reichspolitik, Seite 132-133.
[11] Müller, Gerhard Ludwig: Ablaß, Spalte 53.
[12] Decot, Rolf: Luthers Reformation zwischen Theologie und Reichspolitik, Seite 133. Vergl. auch: Moeller, Bernd: Die letzten Ablaßkampagnen: der Widerspruch Luthers gegen den Ablaß in seinem geschichtlichen Zusammenhang, in: Boockmann, Hartmut; Moeller, Bernd; Stackmann, Karl (Hrsg.): Lebenslehre und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Göttingen: 1989, Seite 539-567.
[13] Hödl, Ludwig: Theologie und kirchliche Praxis des Ablasses im Hoch- und Spätmittelalter, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München: 1980, Spalte 44-46.
- Arbeit zitieren
- Isabelle Schleich (Autor:in), 2009, Der Ablasshandel und Luthers Kritik an der römisch-katholischen Kirche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124728
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