Ziel dieser Arbeit ist es, die besondere Relevanz eines funktionierenden Risikomanagements angesichts der veränderten Rahmenbedingungen in der Automobilindustrie aufzuzeigen.
Im zweiten Kapitel erfolgt zunächst eine Erläuterung des Risikobegriffs und der Grundlagen des Risikomanagements, sowie des Risikomanagement-Prozesses in Kapitel 3. In Kapitel 4 wird Bezug auf die aktuelle Situation in der Automobilindustrie genommen, bevor in Kapitel 5 auf ausgewählte aktuelle Risiken in der Automobilindustrie eingegangen wird. In Kapitel 6 werden zunächst einige Methoden und Instrumente des Risikomanagements genannt, zwei Instrumente werden näher betrachtet. Zunächst wird auf die Grundlagen der Balanced Scorecard eingegangen, anschließend wird eine Risiko Balanced Scorecard für den Daimler Konzern konzipiert und das Instrument einer kritischen Würdigung unterzogen. Danach wird zuerst die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse erläutert, ein Bezug zur Anwendung in der Automobilindustrie hergestellt und eine kritische Würdigung vorgenommen. Im siebten Kapitel folgt eine Diskussion der Möglichkeiten und Grenzen des Risikomanagements in der Automobilindustrie, bevor im anschließenden Fazit die Arbeit zusammengefasst wird.
Die Bedeutung eines funktionierenden Risikomanagements wurde spätestens in der Finanzmarktkrise 2008 aufgezeigt, als Unternehmen jeglicher Branchen und Größenklassen mit gravierenden Problemen bis hin zur Existenzgefährdung gekämpft haben. In den letzten Jahren hat die Relevanz einer systematischen Identifikation, Bewertung und Steuerung von Risiken durch das Risikomanagement weiter zugenommen. Aufgrund schneller technologische Veränderungsprozesse, oder ganz neue Risikokategorien, die sich durch Globalisierung und Digitalisierung ergeben, ist der Risikoumfang in Branchen wie der Automobilindustrie in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Hinzu kommt, dass die Branche durch veränderte Mobilitätsnachfragen, den Übergang zu Elektromobilität, Digitalisierung und neue Technologien in der wohl umfangreichsten Neustrukturierung der Geschichte steckt. Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist es für die Autohersteller entscheidend, Chancen zu nutzen und die damit einhergehenden Risiken frühzeitig zu identifizieren und einzuschätzen, um das die Unternehmenszukunft zu sichern.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2. Einführung in das Risikomanagement
2.1 Definition des Risikobegriffs
2.2 Ansätze zur Klassifizierung von Risiken
2.3 Rechtlicher Hintergrund des Risikomanagements
2.4 Aufgaben und Ziele des Risikomanagements
2.5 Integration von Risikomanagement, Corporate Governance und Compliance
2.1 Aufgaben und Ziele des Risikocontrolling 10
3. Der Risikomanagement-Prozess
4. Aktuelle Situation in der Automobilindustrie
4.1 Branchenprofil in Deutschland
4.2 Marktsituation
4.3 CASE – Transformation
4.4 Corona Krise
5. Risikomanagement in der Automobilindustrie
5.1 Bedeutung des Risikomanagements in der Automobilindustrie
5.2 Volkswirtschaftliche Risiken
5.3 Risiken durch die Transformation der Automobilindustrie
5.4 Produktspezifische Risiken
5.5 Risiken entlang der Wertschöpfungskette
6. Instrumente des Risikomanagements
6.1 Übersicht der Instrumente im Risikomanagement-Prozess
6.2 Risiko Balanced Scorecard
6.2.1 Einführung in die Risiko Balanced Scorecard
6.2.2 Konzeption einer Risiko Balanced Scorecard des Daimler Konzerns
6.2.3 kritische Würdigung
6.3 FMEA-Methode
6.3.1 Einführung in die FMEA Methode
6.3.2 FMEA im Produktlebenszyklus des Automobils
6.3.3 Kritische Würdigung
7. Möglichkeiten und Grenzen des Risikomanagements in der Autoindustrie
8. Fazit
Literaturverzeichnis
Internetverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Risiko als mögliche Planabweichung
Abbildung 2: Risikoarten nach Pfohl
Abbildung 3: Systematisierung von Risikobereichen und Querschnittsrisiken im Industriebetrieb nach Rogler
Abbildung 4: Three Lines of Defence
Abbildung 5: Risikomanagement Prozess
Abbildung 6: Risiko-Wechselwirkungen
Abbildung 7: Instrumente des Risikomanagements
Abbildung 8: Die Balanced Scorecard
Abbildung 9: Auflauf zur Erstellung einer BSC
Abbildung 10: Risiko Balanced Scorecard des Daimler Konzerns
Abbildung 11: Ablauf einer FMEA
Abbildung 12: Ermittlung der Aufgabenpriorität
Abbildung 13: Verschiedene FMEA's im Produktentwicklungsprozess (PEP).
Abkürzungsverzeichnis
AIAG – Automotive Industry Action Group
AktG – Aktiengesetz
AP – Aufgabenpriorität
BSC – Balanced Scorecard
CASE – Connected, Autonomous, Shared, Electrified (vernetzt, autonom, geteilt, elektrifiziert)
DCGK – Deutscher Corporate Governance Index
FMEA – Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse
FTA – Fehlerbaumanalyse
GRC – Governance, Risk and Compliance
IKS – Internes Kontrollsystem
KonTraG – Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
KZFH – Kundenzufriedenheit
PEP – Produktentwicklungsprozess
RC – Risikocontrolling
RM – Risikomanagement
RMP – Risikomanagement-Prozess
RMS – Risikomanagementsystem
RPZ – Risikoprioritätszahl
SARS-CoV-2 – neuartiges Corona-Virus
TLoD – Three Lines of Defence (Drei Verteidigungslinien)
UNECE – Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen
VDA – Verband der Automobilindustrie
1.Einführung
1.1 Problemstellung
Die Bedeutung eines funktionierenden Risikomanagements wurde spätestens in der Finanzmarktkrise 2008 aufgezeigt, als Unternehmen jeglicher Branchen und Größenklassen mit gravierenden Problemen bis hin zur Existenzgefährdung gekämpft haben.1
In den letzten Jahren hat die Relevanz einer systematischen Identifikation, Bewertung und Steuerung von Risiken durch das Risikomanagement weiter zugenommen. Aufgrund schneller technologische Veränderungsprozesse, oder ganz neue Risikokategorien, die sich durch Globalisierung und Digitalisierung ergeben, ist der Risikoumfang in Branchen wie der Automobilindustrie in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen.2 Hinzu kommt, dass die Branche durch veränderte Mobilitätsnachfragen, den Übergang zu Elektromobilität, Digitalisierung und neue Technologien in der wohl umfangreichsten Neustrukturierung der Geschichte steckt.3 Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist es für die Autohersteller entscheidend, Chancen zu nutzen und die damit einhergehenden Risiken frühzeitig zu identifizieren und einzuschätzen, um das die Unternehmenszukunft zu sichern.4
Ziel dieser Arbeit ist es, die besondere Relevanz eines funktionierenden Risikomanagements angesichts der veränderten Rahmenbedingungen in der Automobilindustrie aufzuzeigen.
1.2 Gang der Untersuchung
Im zweiten Kapitel erfolgt zunächst eine Erläuterung des Risikobegriffs und der Grundlagen des Risikomanagements, sowie des Risikomanagement-Prozesses in Kapitel 3. In Kapitel 4 wird Bezug auf die aktuelle Situation in der Automobilindustrie genommen, bevor in Kapitel 5 auf ausgewählte aktuelle Risiken in der Automobilindustrie eingegangen wird. In Kapitel 6 werden zunächst einige Methoden und Instrumente des Risikomanagements genannt, zwei Instrumente werden näher betrachtet. Zunächst wird auf die Grundlagen der Balanced Scorecard eingegangen, anschließend wird eine Risiko Balanced Scorecard für den Daimler Konzern konzipiert und das Instrument einer kritischen Würdigung unterzogen. Danach wird zuerst die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse erläutert, ein Bezug zur Anwendung in der Automobilindustrie hergestellt und eine kritische Würdigung vorgenommen. Im siebten Kapitel folgt eine Diskussion der Möglichkeiten und Grenzen des Risikomanagements in der Automobilindustrie, bevor im anschließenden Fazit die Arbeit zusammengefasst wird.
2. Einführung in das Risikomanagement
2.1 Definition des Risikobegriffs
Der Risikobegriff bildet die Basis für den Umgang mit Risiken und den Aufbau von Risikomanagementsystemen (RMS). Eine einheitliche Definition des Risikobegriffs hat sich aufgrund unterschiedlicher Auffassungen und Akzentuierung verschiedener Aspekte weder in der Theorie noch in der Praxis etabliert.5 Gleißner beschreibt das Risiko als eine durch die unvorhersehbare Zukunft verursachte Möglichkeit, von geplanten Zielen abzuweichen.6 Dabei kann wie in Abbildung 1 zwischen einer positiven Abweichung von einem Zielwert als Chance, aber auch einer negativen Abweichung, als Gefahr, unterschieden werden.7
Abbildung 1: Risiko als mögliche Planabweichung (Quelle: Gleißner, W./Romeike, F. (2015), S.22)
Risiken werden in reine und spekulative Risiken unterschieden.8 Reine Risiken entstehen nicht unmittelbar aus dem unternehmerischen Handeln (z.B. das Ausfallrisiko durch Feuer in der Produktion), wohingegen spekulative Risiken aus dem unternehmerischen Handeln entstehen und in der Regel nicht versicherbar sind, wie beispielsweise das Risiko bei der Markteinführung eines neuen Produktes. Spekulative Risiken wiederum bestehen aus der Verlustgefahr (Risiko im engeren Sinne) und der Chance (Risiko im weiteren Sinne).9
In dieser Arbeit wird das Risiko im engeren Sinne verstanden. Dabei handelt es sich um das sogenannte „Downside Risiko“, das heißt Risiken, die ein Unternehmen davon abhalten, die angestrebten Ziele zu erreichen.10
2.2 Ansätze zur Klassifizierung von Risiken
Ähnlich wie bei der Definition des Risikobegriffs haben sich auch bei der Klassifizierung von Risiken verschiedene Ansätze gebildet. Grund dafür ist die hohe Diversität von Unternehmen, die durch eine einheitliche Risikosystematik nicht gerecht abgebildet werden kann.11 Durch die Vielschichtigkeit und Komplexität ist die Abgrenzung zwischen den Risikokategorien schwierig. Die Risikokategorien dürfen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, da verschiedene Risiken durch Rückkopplungen miteinander verbunden sind.12
Die Risikoklassifizierung nach Pfohl in Abbildung 2 erfährt große Akzeptanz. Die Risiken können systematisch zu den neun Risikokategorien zugeordnet werden, sodass eine hohe Vielschichtigkeit sowie Praxisbezug gegeben ist.13
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Risikoarten nach Pfohl (Quelle: Erler, F. (2014), S. 67; Pfohl, H.C. (2002), S.11)
Eine weitere Systematisierung von Risiken im Industriebetrieb beschreibt Rogler in Abbildung 3. Die Autorin unterteilt Risiken in die Bereiche Beschaffung, Produktion und Absatz, denen spezifische Unterrisiken zugeordnet werden können. Die Besonderheit in diesem Ansatz liegt in den Querschnittsrisiken, sodass jedes Risiko einem Querschnittsrisiko und einem Unterrisiko der drei Bereiche zugeordnet und somit genauer beurteilt werden kann.14
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 : Systematisierung von Risikobereichen und Querschnittsrisiken im Industriebetrieb nach Rogler (Quelle: Erler, F. (2014), S. 68; Rogler, S. (2002), S.37ff.)
2.3 Rechtlicher Hintergrund des Risikomanagements
Anfang der 1990er Jahre wurde der deutsche Gesetzgeber durch zahllose Unternehmenskrisen dazu veranlasst, das Thema Risikovorsorge gesetzlich zu verankern. Den Grundstein für das heutige Risikomanagement legte somit das am 01. Mai 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG).15
Beim KonTraG handelt es sich um ein Artikelgesetz. Es enthält nur wenige eigenständige Gesetzestexte sondern verweist auf Gesetze, in denen wesentliche Änderungen zur Kontrolle und Transparenz vorgenommen wurden.16 Börsennotierte Unternehmen werden verpflichtet, ein Risikofrüherkennungssystem zu installieren, um Risiken frühzeitig zu erkennen und im Falle von Unternehmenskrisen durch den Vorstand nachweisen zu können, dass entsprechende Maßnahmen zur Risikoabwehr getroffen wurden.17 Die Angemessenheit und Wirksamkeit wird durch ein internes Kontrollsystem (IKS) überprüft. Zusätzlich zu dem Früherkennungssystem müssen angemessene Kommunikationsstrukturen etabliert werden.18
Das Gesetz richtet sich vor allem an Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsgremien eines Unternehmens und Wirtschaftsprüfer.19
Ein zentraler Bestandteil des KonTraG ist §91 AktG.20 Darin wird der Vorstand in die Pflicht genommen, ein entsprechendes internes Überwachungssystem einzuführen, um existenzbedrohende Risiken zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.21 Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Vorstand stellt ein persönliches Haftungsrisiko dar, das zum Schadensersatz führen kann. Bei den im Sinne von §91 AktG ausgeführten bestandsgefährdenden Risiken handelt es sich in der Regel nicht um Einzelrisiken, sondern um Kombinationseffekte die eine Risikoaggregation erforderlich machen.22
Außerdem fordert die „Business Judgement Rule“, die ebenfalls in §91 AktG zu finden ist, dass bei einer Entscheidung des Vorstands angemessene Informationen vorliegen müssen. Dies bedeutet, dass bereits vor der Entscheidung bekannt sein muss, welche Veränderung des Risikoumfangs und des Ratings durch diese Entscheidung zu erwarten ist.23
Durch die gesetzlichen Vorgaben soll erreicht werden, dass das Risikomanagement proaktiv erfolgt und nicht erst reagiert wird, wenn die Risiken bereits eingetreten sind.24
Zusätzlich sind Corporate Governance- und Compliance Richtlinien von hoher Bedeutung für das Risikomanagement.25 Im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) sind international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung verankert, in denen der Vorstand börsennotierter Unternehmen aufgefordert wird, ein „angemessenes Risikomanagement“ zu implementieren. Der DCGK ist zwar nicht rechtlich bindend, allerdings wird eine Verfehlung von der Öffentlichkeit und Kapitalgebern negativ bewertet.26 Compliance ist die Pflicht eines Unternehmens, Gesetze, Normen und interne Richtlinien einzuhalten, um Schadensersatzansprüche und Imageverluste zu vermeiden. Es ist ein Teil von Corporate Governance und richtet sich explizit an die Geschäftsführung.27
Weitere Regelungen mit Bezug zum Risikomanagement sind der Sarbanes-Oxley-Act, Basel I bis IV oder MaRisk für Banken sowie VAG und Solvency II im Versicherungsumfeld.28
2.4 Aufgaben und Ziele des Risikomanagements
Das Risikomanagement (RM) befasst sich mit allen Chancen und Risiken, die durch den Führungs- und Durchführungsprozess der unternehmerischen Tätigkeit entstehen können.29 Dies umfasst die Identifikation, Bewertung, Aggregation, Steuerung und Überwachung von Risiken.30 Das proaktive Management von Chancen und Risiken stellt die Grundlage der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens dar und ist von großer Bedeutung für den künftigen Unternehmensgewinn und -wertzuwachs.31
Das Risikomanagement erkennt frühzeitig potenzielle Gefahren und entwickelt Strategien zur Vermeidung bzw. Minimierung der Wirkung der Risiken. Dadurch werden kritische Situationen für das Unternehmen plan- und steuerbar, sodass auch unvorhersehbare Risiken gemeistert werden können.32
In der Vergangenheit hat das Risikomanagement erst auf Zielabweichungen reagiert, nachdem diese bereits eingetreten sind. Das Risikomanagement hat sich vermehrt auf die Optimierung des Versicherungsschutzes, die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften wie dem KonTraG oder den Brand- und Unternehmensschutz konzentriert.33
Ein vorausschauendes Risikomanagement bietet ökonomische Vorteile wie sinkende Risikokosten und besser vorbereitete unternehmerische Entscheidungen. Die Aktienkurse von Unternehmen mit einem niedrigen Gesamtrisikoumfang entwickeln sich deutlich besser als die des Gesamtmarktes.34 Neben der Reduzierung der Risikokosten steht die Sicherung des Fortbestands des Unternehmens im Vordergrund, dessen jeweiliger „Grad der Bestandsbedrohung“ durch die Insolvenzwahrscheinlichkeit ausgedrückt wird.35
Das Potenzial des Risikomanagements als Frühwarnsystem hat sich vermehrt zum Wettbewerbsfaktor entwickelt. Nur durch geeignete Strukturen, Systeme und Maßnahmen sowie dem frühzeitigen Auseinandersetzen mit potenziellen unternehmerischen Risiken, kann sich das Unternehmen auf jede konjunkturelle Phase vorbereiten.36
Um als Unternehmen erfolgreich zu sein, ist es entscheidend, dass alle potenziellen Chancen und Risiken bekannt sind und analysiert werden,37 damit bewusst und kontrolliert Risiken eingegangen werden, um die damit verbundenen Chancen zu sichern.38
Die übergeordneten Aufgaben des Risikomanagements sind die Identifikation, Bewertung, Aggregation, Überwachung und Steuerung von Risiken, die in einem Risikomanagement-Prozess zusammengefasst sind.39 Der RM-Prozess ist Teil des unternehmensweiten Risikomanagementsystems (RMS), das fortlaufend vom RM weiterentwickelt und an sich verändernde Rahmenbedingungen angepasst wird.40 Auf das Risikomanagementsystem wird in Kapitel 3 näher eingegangen.
Auch der Aufbau und die Integration einer Risikomanagement-Organisation zählt zum Aufgabenspektrum des Risikomanagements. Dabei sollen neben der gesamten Organisation bestimmte Gruppen oder Fachbereiche wie das Controlling gezielt Aufgaben übernehmen, um die Geschäftsführung zu unterstützen.41
Das Risikomanagement etabliert zusätzlich ein unternehmensweites Risikobewusstsein bzw. eine Risikokultur auf allen Hierarchieebenen. Um eine entsprechende Risikokultur von der gesamten Organisation einfordern zu können, sollte die Unternehmensführung diesbezüglich eine Vorbildfunktion übernehmen. In der Praxis werden dazu Leitlinien und risikopolitische Grundsätze festgelegt und kommuniziert, um der Organisation Orientierung zu geben.42 Die Risikokultur bildet die Voraussetzung für einen umfassenden und kontinuierlichen Risikomanagement-Prozess, durch den Risiken bzw. die aktuelle Risikolage transparent werden und die Steuerung möglich wird.43
Eine weitere Aufgabe des Risikomanagements besteht darin, sicherzustellen, dass die eingegangenen, aggregierten Risiken nicht die Risikotragfähigkeit des Unternehmens übersteigen oder auf ein akzeptables Maß zu begrenzen.44 Die Risikotragfähigkeit spiegelt die Fähigkeit dar, Verluste aus eingetretenen Risiken bzw. Gefahren selbst tragen zu können, ohne zahlungsunfähig zu werden.45
Gemeinsam mit dem Controlling werden außerdem Wahrnehmungsdefizite der beteiligten Akteure identifiziert und unternehmerische Entscheidungen auf Fehlwahrnehmungen untersucht.46
Das Risikomanagement sorgt dafür, dass die Streuung der wesentlichen Planungs- und Steuerungsgrößen im Unternehmen sinkt, wodurch z.B. das Risiko einer Fehlplanung vermindert wird.47 Durch die Reduzierung der Schwankungen wird die Planbarkeit und Steuerbarkeit von Gewinn und Cash Flow erhöht, was sich positiv auf das erwartete Ertragsniveau auswirkt.48
Hauptziel des Risikomanagements ist die möglichst vollständige Identifikation von Risikoquellen, Schadensursachen und Störquellen, um frühzeitig Risiken zu identifizieren, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden.49 Dabei sollen auf keinen Fall alle Risiken eliminiert bzw. eine vermeintlich absolute Sicherheit geschaffen werden, sondern die negativen Plan Abweichungen durch systematische Identifikation, Bewertung und Steuerung der Risiken reduziert werden.50 Eine Vermeidung sämtlicher Risiken lässt keine Entwicklung von Chancen aus positiven Plan Abweichungen zu und führt zu unternehmerischer Inaktivität.51
Weitere Ziele des Risikomanagements bzw. Beweggründe für die Etablierung eines Risikomanagementsystems nennt Brauweiler. Diese beinhalten die Verbesserung planungs- und steuerungsrelevanter Informationen, Informationssysteme und -prozesse und Abläufe bei internen (Innenrevision, interne Audits) und externen (Wirtschaftsprüfer, Betriebsprüfer, externe Audits, Zertifizierungen, Kunden- und Lieferanten- sowie je nach Branche auch staatl. Aufsichts- bzw. Regulierungsbehörden) Prüfprozessen. Durch die konsequente und regelmäßige Analyse, Bewertung und zielgerichtete Behandlung von Risiken soll die Transparenz von Ausmaß und Wirkung von externen und internen Einflussgrößen erhöht werden.52
Das Risikomanagementsystem baut auf den Zielen des Risikomanagements auf. Diese leiten sich von übergeordneten Unternehmenszielen ab und lassen sich in leistungswirtschaftliche, soziale, finanzielle und nachhaltige Bereiche gliedern.53
2.5 Integration von Risikomanagement, Corporate Governance und Compliance
Bereits in Kapitel 2.3 wurde die hohe Bedeutung von Compliance und Corporate Governance für das Risikomanagement deutlich. Dabei wird häufig von einem Dreiklang „Governance, Risk and Compliance“ (GRC) gesprochen, wodurch sichergestellt werden kann, dass sowohl bindende Gesetze (z.B. KonTraG), freiwillige Gesetze (z.B. Deutscher Corporate Governance Index), aber auch unternehmenseigene Verhaltensrichtlinien erfüllt werden.54 GRC beschreibt somit einen ganzheitlichen Unternehmenssteuerungs-Ansatz.55
Das in der Praxis weit verbreitete Kontroll- und Überwachungssystem „ Three Lines of Defence “ (TLoD) in Abbildung 4 wurde eingeführt, um der gestiegenen Notwendigkeit nach Kontrollmechanismen zu begegnen, die potenzielle und bestandgefährdende Risiken früher erkennen.56 Das TLoD Modell wird unter anderem im Audi Konzern verwendet, um das Unternehmen vor dem Eintritt bestandsgefährdender Risiken zu schützen.57
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Three Lines of Defence
(Quelle: Romeike, F. (2018), S. 48.; Romeike, F./Huth, M. (2016), S. 58.)
Die erste Verteidigungslinie (1st Line of Defence) richtet sich vor allem an das Interne Kontrollsystem (IKS) und die operativen Einheiten wie Produktion, Logistik, Einkauf etc. In ihren jeweiligen Bereichen sind die Risk Owner (Risikoeigentümer) dafür zuständig, die Balance zwischen Risiken und Chancen bzw. zwischen Risiken und der Risikotragfähigkeit zu halten.58
Auf der zweiten Verteidigungslinie (2nd Line of Defence) finden sich vor allem die Bereiche Risikomanagement, Compliance, Unternehmenssicherheit und IT-Sicherheit. Als „Inhouse Berater“ versorgen sie die operativen Einheiten mit Prozessen und Instrumenten und beeinflussen die Risikostrategie. Außerdem aggregieren sie alle Risiken auf Unternehmensebene und unterstützen die Geschäftsführung bei ihrer wertorientierten Unternehmensführung.59 Die dritte Verteidigungslinie (3rd Line of Defence) bildet die Interne Revision. Sie stellt eine eigenständige Organisationseinheit dar, die sowohl die untergeordneten Verteidigungslinien (v.a. das Risikomanagement) als auch den Vorstand und Aufsichtsrat bei der Kontrolle und Überwachung von Risiken unterstützt.60
Somit bleibt nach dem Durchlaufen der drei Verteidigungslinien nur noch ein unvermeidliches Restrisiko übrig.61
2.1 Aufgaben und Ziele des Risikocontrolling
In Theorie und Praxis existiert keine einheitliche Definition des Controlling-Begriffs. Nach den gängigsten Ansätzen wird Controlling als Entscheidungsunterstützung des Managements verstanden, in dem es das Management mit relevanten Informationen versorgt und die Koordination von Planung, Steuerung und Kontrolle übernimmt. Dem entsprechend wird die Unternehmensführung bei der Umsetzung des Risikomanagements durch das Controlling unterstützt.62
Das Risikocontrolling (RC) unterstützt das Management mit risikorelevanten Informationen im Rahmen einer hierarchieübergreifenden Risikoberichterstattung für interne Entscheider und externe Adressaten.63 Zu den Aufgaben gehören die Koordination der einzelnen Phasen und Aktivitäten des operativen Risikomanagement-Prozesses (RMP) und die Bereitstellung von Instrumenten und Methoden, insbesondere der Risikoidentifikation und Risikobewertung.64 Die Koordinationsfunktion des Risikocontrollings spiegelt sich sowohl in der Systembildung als auch in der Systemkopplung nieder. Systembildend wird ein geeigneter Risikomanagement-Ordnungsrahmen inkl. Methoden und Instrumente entwickelt, systemkoppelnd muss der Ordnungsrahmen auf den operativen RM Prozess abgestimmt werden und die jeweiligen Aktivitäten der einzelnen Phasen koordiniert werden.65
Das Risikocontrolling übernimmt verschiedene Messaufgaben in den Phasen des Risikomanagement-Prozesses,66 Entlastungsaufgaben des Managements wie die Planung und Kontrolle von Risiken67 und schlägt unter Berücksichtigung externer und interner Rahmenbedingungen sinnvolle Limits für den Umgang mit Risiken vor.68 Die endgültige Entscheidung und Verantwortung für und über risikosteuernde Maßnahmen übernimmt weiterhin das (Risiko-)Management,69 es wird lediglich bei der Umsetzung der Aktivitäten organisatorisch, instrumentell und informatorisch durch das Risikocontrolling unterstützt bzw. beraten.70
Die Notwendigkeit eines Risikocontrollings geht außerdem aus regulatorischen Forderungen hervor. Nach dem KonTraG bzw. §91 AktG ist neben der Etablierung eines Risikomanagements und eines internen Kontrollsystems zusätzlich ein Risikocontrolling erforderlich. Auch im DCGK wird der Vorstand börsennotierter Unternehmen dazu aufgerufen, für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling zu sorgen.71 Empirische Studien belegen allerdings, dass die Zusammenarbeit von Risikomanagement und Controlling bzw. die Nutzung von Methoden des Risikomanagements nach wie vor unterentwickelt ist. Dadurch ist das Controlling nicht in der Lage, eine adäquate Entscheidungsgrundlage unter Einbezug der Risiken zu gewährleisten und die „Business Judgement Rule“ wird nicht erfüllt.72
Hinsichtlich der Integration des RM in das betriebliche Controlling existieren mehrere Ansätze, die in zwei Kategorien unterteilt werden können. Einerseits die teilweise bis vollständige Integration von Aufgaben des Risikomanagements in das Controlling, anderseits der Ansatz eines organisatorisch eigenständigen Risikocontrollings.73
Durch eine enge Abstimmung bzw. Integration von RM und Controlling können Synergien erzielt werden, beispielsweise wenn bei unsicheren Planannahmen oder Abweichungsanalysen gleichzeitig Risiken identifiziert und quantifiziert werden.74 Darüber hinaus sieht das KonTraG eine Integration von RM und Controlling vor.75
Ein eigenständiges Risikocontrolling wird in der Literatur teilweise als sinnvoll erachtet, wenn das Unternehmen sehr vielen Risiken ausgesetzt ist, deren Management eine spezifische Methodenkompetenz erfordert, die durch das Controlling nicht bereitgestellt werden kann.76 Auch ist das RC bei größeren Unternehmen auf Konzernebene eher selbstständig angeordnet, wohingegen die Aufgaben in den dazugehörigen Tochtergesellschaften und dezentralen Geschäftseinheiten tendenziell häufiger vom Controlling durchgeführt werden.77
3. Der Risikomanagement-Prozess
In Abbildung 5 wird der idealtypische Regelkreis nach dem internationalen Risikomanagement Standard ISO 31000 dargestellt.78
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Risikomanagement Prozess
(Quelle Romeike, F. (2018), S. 37.)
Zu Beginn muss eine Risikostrategie festgelegt werden, um die Rahmenbedingungen („establishing the context“) für das Risikomanagement festzulegen. Dabei werden unter anderem die Einbindung des Risikomanagements in die Aufbauorganisation und Schwellenwerte für Risiken thematisiert.79
Die erste Phase stellt die Risikoidentifikation dar. Durch Arbeitsprozessanalysen, Workshops, Benchmarks und Checklisten erfolgt eine systematische, strukturierte und auf die wesentlichen Aspekte fokussierte Identifikation von Risiken, die in einem Risikoinventar zusammengefasst werden. Strategische Risiken können beispielsweise identifiziert werden, indem die strategische Unternehmensplanung die wichtigsten Erfolgspotenziale (Kernkompetenzen, interne Stärken und für den Kunden wahrnehmbare Wettbewerbsvorteile) auf potenzielle Bedrohungen untersucht. Auch durch die Planannahmen von Controlling, Unternehmensplanung oder Budgetierung lassen sich Risiken identifizieren, da bei allen unsicheren Annahmen Planabweichungen auftreten können, die ein Risiko darstellen. Operative, rechtliche und politische Risiken und Risiken aus Unterstützungsprozessen (z.B. IT) lassen sich am besten durch Workshops und kritische Diskussionen erfassen.80 Die unterschiedlichen Methoden zur Risikoidentifikation unterscheiden sich stark von den spezifischen Risikoprofilen und der Branchenzugehörigkeit der Unternehmen, in der Praxis werden oft mehrere Methoden miteinander kombiniert. Ein wichtiges Instrument stellen außerdem Frühwarnsysteme dar. Durch Frühwarnindikatoren wie Konjunkturindizes, Zinsen oder die Fluktuation im Management werden rechtzeitig latente Risiken erfasst, sodass genügend Zeit zur Gegensteuerung besteht.81 Die identifizierten Risiken werden in einem Risikoinventar zusammengefasst. Die Risikoidentifikation erfolgt laufend, die Risikoinventur hingegen einmal jährlich.82
In der Risikoanalyse werden die Quellen bzw. Ursachen der Risiken, die möglichen Auswirkungen und die Häufigkeit bzw. die Wahrscheinlichkeit des Eintretens analysiert. Die qualitativen Erkenntnisse der Risikoanalyse fließen in die nachfolgende Risikobewertung ein.83 Die Risiken im Risikoinventar werden zudem durch eine erste Einschätzung anhand einer Relevanzskala („1“ = unbedeutend; „5“ = bestandsgefährdend) priorisiert.84
Die dritte Phase ist die Risikobewertung, bzw. Risikoquantifizierung. Um die wichtigsten Risiken zu quantifizieren, werden diese durch geeignete mathematische Verteilungsfunktionen beschrieben. Mit Hilfe einer Binomialverteilung werden die Risiken hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und ihrer (sicheren) Schadenshöhe quantifiziert. Für Risiken wie Abweichungen bei Umsatzwachstum, Instandhaltungskosten oder Zinsaufwendungen wird dagegen eine Normalverteilung mit Standardabweichung und Erwartungswert verwendet, da sie mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit unterschiedliche Höhen erreichen können. Neben der Binomialverteilung und der Normalverteilung zählt auch die Dreiecksverteilung zu den gängigsten Verteilungsfunktionen im Risikomanagement von Industrie- und Handelsunternehmen.85
Bei der Quantifizierung der Risiken muss zwischen Brutto- und Netto-Bewertung unterschieden werden. Bei der Brutto-Bewertung werden keine bereits eingeleiteten Steuerungsmaßnahmen berücksichtigt, die relevantere Netto-Bewertung hingegen bezieht sich auf das Restrisiko, das trotz sämtlicher Maßnahmen bestehen bleibt.86 Anschließend müssen die Verteilungsfunktionen in eine reelle Zahl, das Risikomaß, umgerechnet werden, wodurch die Risiken verglichen und priorisiert werden können. Das Risikomaß kann durch Standardabweichung, Varianz, oder den „Value at Risk“ dargestellt werden.87 Mit Hilfe von analytischen Verfahren oder Simulation werden die Einzelrisiken inklusive der Wechselwirkungen mit anderen Risiken aggregiert, sodass die Risikotragfähigkeit im Sinne des Gesamtrisikoumfangs des Unternehmens beurteilt werden kann.88 Ohne die Risikoaggregation ist eine mögliche Bestandsbedrohung des Unternehmens nicht erkennbar.89
Die Risikosteuerung baut auf den Ergebnissen der Risikobewertung auf. Ziel ist die positive Veränderung der Unternehmenslage bzw. ein Gleichgewicht zwischen Ertrag (Chance) und Verlustgefahr (Risiko) zu schaffen, um den Unternehmenswert zu steigern. Dabei sollte die Risikosteuerung mit den in der Risikostrategie definierten Zielen konform sein.90 Durch die Bedeutung der Einzelrisiken und des Gesamtrisikoumfangs lassen sich Maßnahmen für eine gezielte Risikobewältigung ableiten, die auf die Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder des Risikoausmaßes abzielen. Strategien der Risikosteuerung sind die Risikovermeidung (Verzicht auf risikoreiche Aktivitäten), die Risikoverminderung (Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder der Auswirkung) und der Risikotransfer (z.B. Übertragung des Risikos auf Versicherungen).91
In der Risikoüberwachung wird der korrekte Ablauf des RMP überwacht, damit die Maßnahmen zu Risikosteuerung richtig umgesetzt werden und die beabsichtigten Wirkungen eintreten.92
Parallel zu den RM-Phasen sollte eine effektive Risikokommunikation eingeführt werden, die beim Aufbau und der Weiterentwicklung einer „gelebten“ Risikokultur unterstützt.93
4. Aktuelle Situation in der Automobilindustrie
4.1 Branchenprofil in Deutschland
Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist die Automobilindustrie die größte Branche des verarbeitenden Gewerbes und erzielt mit Abstand den meisten Umsatz aller Industriezweige in Deutschland. Sie gehört aus diesem Grund zu den Schlüsselbranchen Deutschlands.94 2019 erwirtschaftete die deutsche Automobilindustrie 436 Mrd. Euro Umsatz, dies entspricht einer Steigerung um 2,3% zum Vorjahr.95
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Fokus speziell auf den Fahrzeugbau gerichtet. Daraus bedingt sich die hohe Exportquote von 75% (2018) und der hohe Anteil der deutschen Autoindustrie an der globalen Wertschöpfung. Durch die Spezialisierung wird diese anfälliger für kurzfristige Schwankungen.96 Weiterhin spielt die Volatilität der Absatzmärkte, aber auch der Rohstoffreise eine große Rolle für die Autoindustrie.97
Die Wertschöpfungskette in der Autoindustrie ist durch die Teilevielfalt sehr stark differenziert. Dadurch sind auch andere Branchen im Wertschöpfungsprozess eines Automobils beteiligt, wie die chemische Industrie, die Textilindustrie, der Maschinenbau usw. Die Wertschöpfungstiefe der Automobilhersteller beträgt mittlerweile nur noch ca. 70%,98 wodurch die reibungslose Zusammenarbeit der verschiedenen Wertschöpfungsstufen wichtiger wird, aber auch die Abhängigkeit der Autohersteller und Zulieferer voneinander steigt.99
Durch die fortschreitende Digitalisierung, steigenden Wettbewerb und Kundenanforderungen hat sich der durchschnittliche Produktlebenszyklus von acht auf sechs Jahre verkürzt, während die Fahrzeugvielfalt gestiegen ist.100
Die deutsche Automobilbranche steckt seit mehreren Jahren in einem tiefgehenden Transformationsprozess.101 Durch veränderte Mobilitätsnachfragen, den begonnenen Übergang zur Elektromobilität, der Digitalisierung, Klimaziele und neue Technologien steht die Automobilindustrie nach Einschätzung von Harald Krüger, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von BMW, vor der größten Neugestaltung aller Zeiten.102
4.2 Marktsituation
Der weltweite PKW-Markt verzeichnete 2019 mit 82,9 Mio. verkauften Fahrzeugen einen Rückgang von rund 4%. Die Absatzzahlen in Nord-/Südamerika sowie Asien-Pazifik waren rückläufig, wohingegen die Neuzulassungen in West-, Zentral-, und Südeuropa stiegen.103
In Europa wurden 2019 insgesamt 15,8 Mio. PKW neu zugelassen, dies entspricht einer Steigerung von 1% zum Vorjahr, speziell in Deutschland konnte das Marktvolumen um 5% ausgebaut werden. Die USA wiederum konnte mit einem Absatz von knapp 17 Mio. Fahrzeugen nicht ganz an das Vorjahresniveau anknüpfen (-1%). Im weltweit größten Automobilmarkt China sank das Marktvolumen an Neufahrzeugen sogar um 10% im Vergleich zum Vorjahr. Das schwächere gesamtwirtschaftliche Wachstum Chinas spiegelt sich überproportional im PKW-Markt nieder.104 Weitere Gründe stellen die Verunsicherung der Autokäufer durch den Handelsstreit der USA mit China und anhaltend negative Nachwirkungen der Marktstimuli der vergangenen Jahre dar.105
Die schwächelnde Nachfrage in China ist maßgeblich für die weltweit sinkende Nachfrage, „(…) China hat sich vom Wachstumsmotor zum Sorgenkind der Autobranche entwickelt“.106 Der Nachfragerückgang spiegelt sich (noch) nicht in den Gewinnen wider, da der Trend zu größeren Autos wie Pick-ups und SUV‘s und teureren Autos derzeit noch die Auswirkungen sinkender Stückzahlen abfedert und für steigende Gewinne sorgt.107
In Deutschland ist der PKW-Markt im Jahr 2019 um 5% auf 3,6 Mio. Neuzulassungen gestiegen, das Marktvolumen war zuletzt im Jahr 2009 (3,8 Mio.) höher. Die Inlandsaufträge der deutschen Autobauer stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 6%, bei den Auslandsaufträgen erfolgte allerdings ein Rückgang um 2%. Durch die sinkende Nachfrage aus dem Ausland wurden 2019 knapp 4,7 Mio. PKW produziert, dies entspricht einem Rückgang von 9%.108
Die stärksten Zuwächse konnten SUV’s (21%) und Geländewagen (20%) verbuchen, aber auch die Nachfrage nach Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. So wurden im vergangenen Jahr 134.000 mehr Fahrzeuge mit Elektro-, Hybrid-, oder Gasantrieb zugelassen, wodurch deren Marktanteil von 5% auf 9% gesteigert werden konnte. Der Anteil reiner Elektroautos ist mit 1,8% aller Neuzulassungen allerdings weiterhin gering.109
4.3 CASE – Transformation
Die Transformation in der Automobilindustrie steht ganz im Zeichen von CASE – Connected (vernetzt), Autonomous (autonom), Shared (geteilt) und Electrified (elektrifiziert).110
Das „Connected Car“ (vernetztes Auto) ist mit der Außenwelt vernetzt. Dabei kann zwischen dem Car2Car Konzept, der Vernetzung des Fahrzeugs mit anderen Fahrzeugen und dem Car2X Konzept, der Kommunikation mit zum Beispiel der Verkehrsinfrastruktur wie Ampeln unterschieden werden. Darüber hinaus beinhaltet das Connected Car auch die Vernetzung der Fahrzeuginsassen mit der Außenwelt, sodass diese während der Fahrt kommunizieren, arbeiten oder Multimedia-Dienste nutzen können.111 Hier rücken Software Konzerne wie Google in den Vordergrund, deren Softwareprogramme beim autonomen Fahren den Programmen der Autohersteller deutlich überlegen sind.112 Konnektivität stellt aber auch eine Voraussetzung für flächendeckendes autonomes Fahren dar.113
Durch rasante Fortschritte in Bereichen der künstlichen Intelligenz, maschinellem Lernen und neuronalen Netzwerken rückt die Entwicklung autonomer Fahrzeuge in den Mittelpunkt, wodurch die Nutzung individueller Mobilität neu definiert wird.114 Autonomes Fahren kann in fünf Stufen unterteilt werden. Auf der ersten Stufe hat der Mensch uneingeschränkte Kontrolle und Verantwortung für sein Fahrzeug, auf den nachfolgenden Stufen übernimmt das System mehr Aufgaben, wodurch mit steigender Automatisierung menschliche Kontrolle, Aufmerksamkeitsniveau und Verantwortung abnehmen. Auf Stufe fünf existieren weder Lenkrad noch Pedale und der Fahrer hat keinerlei Kontrolle über das Fahrzeug.115
Durch die doppelte Herausforderung der Finanzierung des technologischen Umbruchs und dem Rückgang der Verkaufszahlen rücken Kostensenkungen und Economies of Scale in den Fokus von Autoherstellern. Dies soll durch Fusionen und Kooperationen der Branche erreicht werden. So arbeiten BMW und Daimler künftig hinsichtlich autonomem Fahren zusammen und haben ein Joint Venture ihrer Mobility Services car2go und Drive-now, beides Car-Sharing Marken, auf den Weg gebracht.116 Bis vor kurzem haben sich die Kunden meist für ein einziges Auto entschieden, um eine Reihe von Bedürfnissen zu erfüllen.117 In Zukunft wird der reine Mobilitätsgedanke eine bedeutende Rolle spielen, da es für die Mehrheit der Menschen nur darauf ankommt, von A nach B zu kommen, das Transportmittel hat dabei eine untergeordnete Bedeutung.118 Auch wenn der Fahrer der Vergangenheit vielleicht ein Modell gewählt hat, das alle Bedürfnisse am besten erfüllen kann, wird der Autonutzer der Zukunft für jedes Bedürfnis die beste Lösung suchen. Je nach den örtlichen Gegebenheiten kann das ein Mitfahrservice, ein Taxi, ein Mietwagen, ein Carsharing-Service, ein öffentliches Verkehrsmittel oder ein eigenes Auto sein.119
[...]
1 Vgl. Löhr, B. (2018), S. 1.
2 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, G. (2019), S. 3.
3 Vgl. Proff, H. (2020), S. 50.
4 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 308.
5 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 307.
6 Vgl. Gleißner, W. (2017), S. 25.
7 Vgl. Romeike, F./Huth, M. (2016), S. 52; vgl. Gleißner, W./Romeike, F. (2005), S.27.
8 Vgl. Löhr, B. (2018), S. 29.
9 Vgl. Seidel, U. (2011), S.26.
10 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 308.
11 Vgl. Erler, F. (2014), S. 93.
12 Vgl. Romeike, F./Huth, M. (2016), S. 57.
13 Vgl. Erler, F. (2014), S. 93.
14 Vgl. Erler, F. (2014), S. 93.
15 Vgl. Schneck, O. (2011), S.88.
16 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 5.
17 Vgl. Glaser, C. (2015), S. 2.
18 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 20.
19 Vgl. Schneck, O. (2011), S. 88.
20 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 5.
21 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 20.
22 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 5.
23 Vgl. Klein, A./Gleißner, W. (2017), S. 26.
24 Vgl. Romeike, F. (2003), S. 65.
25 Vgl. Glaser, C. (2015), S. 4.
26 Vgl. Löhr, B. (2018), S. 44.
27 Vgl. Glaser, C. (2015), S. 5.
28 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 20.
29 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 9.
30 Vgl. Gleißner, W./Romeike, F. (2015), S. 22f.
31 Vgl. Brauweiler, H.-C. (2019), S. 2.
32 Vgl. Brauweiler, H.-C. (2019), S. 1.
33 Vgl. Romeike, F. (2003), S. 65.
34 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 4.
35 Vgl. Gleißner, W. (2017), S. 23.
36 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 323.
37 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 10.
38 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 311.
39 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 4.
40 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 313.
41 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 312.
42 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 314; vgl. Braun, H. (1984), S. 58f; vgl. Hornung, K./Reichmann, T./Diederichs, M. (1999), S. 319.
43 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 312.
44 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 311.; vgl. Baetge, J. (1998), S. 65.
45 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 312.
46 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 323.
47 Vgl. Romeike, F./Huth, M. (2016), S. 54.
48 Vgl. Gleißner, W./Romeike, F. (2015), S. 23; vgl. Gleißner, W./Romeike, F. (2005), S. 28f.
49 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 9.
50 Vgl. Glaser, C. (2015), S. 1.
51 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 311.
52 Vgl. Brauweiler, H.-C. (2019), S. 2.
53 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 310.
54 Vgl. Glaser, C. (2015), S. 5.
55 Vgl. Glaser, C. (2015), S. 295.
56 Vgl. Romeike, F./Huth, M. (2016), S. 58.
57 Vgl. Audi AG (2019), S. 90.
58 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 48.
59 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 48.
60 Vgl. https://www.roedl.de/themen/kapitalmarktorientierte-unternehmen/three-lines-of-defense-modell (Zugriffsdatum: 11.05.2020).
61 Vgl. Kreipl, C. (2020), S. 88.; vgl. Welge, M. K./Eulerich, M. (2014), S.59ff.
62 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 287.
63 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 287.
64 Vgl. Löhr, B. (2018), S. 68.
65 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 288.
66 Vgl. Löhr, B. (2018), S. 67.
67 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 288.
68 Vgl. Diederichs, M. (2018), S. 321.
69 Vgl. Löhr, B. (2018), S. 68.
70 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 288.
71 Vgl. Löhr, B. (2018), S. 66.
72 Vgl. Gleißner, W./Kalwait, R. (2017), S. 42.
73 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 289.
74 Vgl. Gleißner, W./Kalwait, R. (2017), S. 39.
75 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 289; vgl. Kajüter, P. (2009), S. 116ff.
76 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 290; vgl. Gleißner, W. (2011), S.224f.
77 Vgl. Vanini, U. (2016), S. 290.
78 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 36.
79 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 36.
80 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 6f.
81 Vgl. Romeike, F./Huth, M. (2016), S. 66.
82 Vgl. Vanini, U. (2017), S. 69.
83 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 36.
84 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 7.
85 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 14f.
86 Vgl. Löhr, B. (2018), S. 59.
87 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 20.
88 Vgl. Romeike, F./Huth, M. (2016), S. 71.
89 Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2019), S. 6.
90 Vgl. Romeike, F./Huth, M. (2016), S. 71.
91 Vgl. Seidel, M. (2011), S. 44.
92 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 37.
93 Vgl. Romeike, F. (2018), S. 38.
94 Vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-automobilindustrie.html (Zugriffsdatum: 23.05.2020).
95 Vgl. https://www.vda.de/de/services/zahlen-und-daten/jahreszahlen/allgemeines.html (Zugriffsdatum: 24.05.2020).
96 Vgl. Jannsen, N. (2019), S. 451.
97 Vgl. Audi AG (2020), S. 99.; vgl. Audi AG (2020), S. 141.
98 Vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-automobilindustrie.html (Zugriffsdatum: 23.05.2020).
99 Vgl. Hundertmark, H. (2013), S. 2.
100 Vgl. Deloitte (2020), S. 3.
101 Vgl. PricewaterhouseCoopers GmbH (2017), S. 8.
102 Vgl. Proff, H. (2020), S. 50.
103 Vgl. Audi AG (2020), S. 19.
104 Vgl. https://www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/200116-Europ-Pkw-markt-2019-leicht-im-plus.html (Zugriffsdatum: 23.05.2020).
105 Vgl. Daimler AG (2020a), S. 66.
106 https://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/autoindustrie-gewinne-im-dritten-quartal-2019-gestiegen-laut-ey-a-1299597.html (Zugriffsdatum: 23.05.2020).
107 Vgl. https://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/autoindustrie-gewinne-im-dritten-quartal-2019-gestiegen-laut-ey-a-1299597.html (Zugriffsdatum: 23.05.2020).
108 Vgl. https://www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/200106-Deutscher-Pkw-Markt-2019-im-Plus.html (Zugriffsdatum: 24.05.2020).
109 Vgl. https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/bmw-vw-daimler-produktionsrueckgang-in-2019-aber-deutschland-boomt-a-1303814.html (Zugriffsdatum: 24.05.2020).
110 Vgl. Dudenhöffer, F. (2019), S. 456.
111 Vgl. PricewaterhouseCoopers GmbH (2017), S. 9.
112 Vgl. Dudenhöffer, F. (2019), S. 458.
113 Vgl. PricewaterhouseCoopers GmbH (2017), S. 23.
114 Vgl. PricewaterhouseCoopers GmbH (2017), S. 8.
115 Vgl. Grothenhermen, J.-G./Schwere, G. (2020), S. 28.
116 Vgl. Dudenhöffer, F. (2019), S. 459.
117 Vgl. Oliver Wyman (2019), S. 6.
118 Vgl. Deloitte (2015), S. 4.
119 Vgl. Oliver Wyman (2019), S. 6.
- Citation du texte
- Anonyme,, 2020, Risikomanagement in der Automobilindustrie. Besondere Relevanz und ausgewählte Instrumente, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1246940
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