Die hier vorliegende Arbeit befasst sich mit den Notbehelfssiedlungen der größten Stadt
Brasiliens, São Paulo, die gleichzeitig auch eine Megacity ist. Es wird versucht aufzuzeigen,
unter welchen Umständen große Teile der armen, städtischen Bevölkerung hier leben und
wohnen müssen.
Dabei wird zuerst auf die geschichtliche, wirtschaftliche und stadtplanerische Entwicklung
der Stadt eingegangen, um so zu erklären, wie die bevölkerungsstarken und vom
wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Leben ausgegrenzten Armenviertel
entstanden sind.
In einem späteren Punkt werden die verschiedenen Formen von Marginalsiedlungen
dargestellt, um sich ein Bild von den Lebensverhältnissen der Bewohner zu machen.
Am Ende der Arbeit werde ich noch staatliche Förderprogramme aus der heutigen Zeit für
diese Notbehelfssiedlungen erläutern, um die Bemühungen des brasilianischen Staates
darzustellen, dieses enorme soziale und damit auch stadtplanerische Problem zu verbessern
bzw. zu beheben.
Inhaltsverzeichnis:
I. Einleitung
II. Die Megacity São Paulo und seine Armenviertel
1. Die Entwicklung São Paulos zu einer Megacity
2. Die Entstehung der Armenviertel
3. Vier Typen von illegalen Wohnquartieren in São Paulo
3.1 Cortiços
3.2 Loteamentos Clandestinos
3.3 Favelas
3.4 Ocupações Coletivas de Terra
4. Staatliche Programme zur Förderung von Armenviertel
III. Fazit
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die hier vorliegende Arbeit befasst sich mit den Notbehelfssiedlungen der größten Stadt Brasiliens, São Paulo, die gleichzeitig auch eine Megacity ist. Es wird versucht aufzuzeigen, unter welchen Umständen große Teile der armen, städtischen Bevölkerung hier leben und wohnen müssen.
Dabei wird zuerst auf die geschichtliche, wirtschaftliche und stadtplanerische Entwicklung der Stadt eingegangen, um so zu erklären, wie die bevölkerungsstarken und vom wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Leben ausgegrenzten Armenviertel entstanden sind.
In einem späteren Punkt werden die verschiedenen Formen von Marginalsiedlungen dargestellt, um sich ein Bild von den Lebensverhältnissen der Bewohner zu machen.
Am Ende der Arbeit werde ich noch staatliche Förderprogramme aus der heutigen Zeit für diese Notbehelfssiedlungen erläutern, um die Bemühungen des brasilianischen Staates darzustellen, dieses enorme soziale und damit auch stadtplanerische Problem zu verbessern bzw. zu beheben.
II. Die Megacity São Paulo und seine Armenviertel
1. Die Entwicklung São Paulos zu einer Megacity
Mit knapp 19 Millionen Einwohnern ist São Paulo heute nach Tokio und Mexiko-City die drittgrößte städtische Agglomeration der Erde (Bantel 2004 S.118).
São Paulo liegt im Südosten Brasiliens, auf 23,5° südlicher Breite (südlicher Wendekreis) und 46,5° westlicher Länge.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Karte von Brasilien mit der Hauptstadt Brasilia und der Megacity São Paulo
Die Fläche des Munizip São Paulo beträgt 1509 km² und hat eine Einwohnerdichte von ca. 7500 Ew./ km² (Greiner 1992 S.41).
Die Geschichte der Stadt reicht bis ins Jahr 1554 zurück. Gegründet durch Jesuiten, war São Paulo ein Camp zur Erkundung des unerforschten brasilianischen Hinterlandes. Ab 1870 bewirkten dann der Kaffeeboom, die Abschaffung der Sklaverei im Jahre 1888 (Roggenbuck 1993 S.118) und die einsetzende Industrialisierung ein in hohem Maße unkontrolliertes Bevölkerungs- und ein damit verbundenes Stadtwachstum (Bantel 2004 S.118).
Um die Jahrhundertwende lag die jährliche Bevölkerungszunahme bei 14%, dafür waren vor allem Immigranten aus dem armen Nordostens Brasiliens, die in São Paulo auf einen Industriearbeitsplatz hofften, bzw. Immigranten aus Europa verantwortlich. In den 1930er
Jahren überschritt die Stadt die Eine- Million- Einwohner- Grenze (Bähr, J. & Wehrhahn, R. 2001 S. 252/253). Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts verdreifachte sich die Einwohnerzahl ungefähr alle 20 Jahre: 1940 hatte São Paulo 1,6 Millionen Einwohner, 1960 4,7 Millionen und 1980 12,6 Millionen (Bantel 2004 S.119). Heute hat die Stadt ca. 19 Millionen Einwohner, allerdings schwanken die Angaben in der Literatur zwischen 17 und 24 Millionen, was auf die unterschiedliche Abgrenzung des Stadtgebietes und die hohe Zahl an illegalen Bewohnern zurückzuführen ist.
Auf Grund dieser großen Einwohnerzahl gilt São Paulo auch seit langem als eine Megacity. Je nach Definition leben in solchen Megacities mehr als fünf, acht oder zehn Millionen Einwohner. Manchmal wird auch noch ein Mindestwert der Bevölkerungsdichte von 2000 Ew./ km² gefordert und auch eine monozentrische Stadtstruktur muss gegeben sein (Kraas 2001 S.17). Ein relativ neuer Begriff ist in letzter Zeit in der Literatur aufgetaucht: die Hyperstadt. Hyperstädte haben eine Bevölkerung, die 20 Millionen Einwohner und mehr beträgt (Davis 2006 S.5). São Paulo stellt in absehbarer Zeit - je nach Literaturquelle auch schon heute - eine dieser Hyperstädte dar.
2. Die Entstehung der Armenviertel
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Favela Morumbi in São Paulo
„Wenn die Stadt São Paulo Augen besäße und sie sich in einem großen Spiegel anschaute, würde sie das gebrochene und erschreckende Bild ihrer Ungleichheit sehen. Aber ihre beiden Augen wären auch verschieden. Wie ein Volkslied: Während vielleicht ein Auge die Stadt überblickt, bliebe das andere nur daran hängen. Denn hier, in dieser Stadt, scheint alles ungerecht zu sein.“ (dos Santos 1999 S.8)
Dieses Zitat verdeutlicht sehr gut die soziale Polarisierung, die seit langem in São Paulo herrscht. Einer großen armen Bevölkerungsgruppe steht eine für Brasilien ebenfalls große Gruppe von wohlhabenden Menschen gegenüber (Bähr, J. & Wehrhahn, R. 2001 S.254).
Im Folgenden soll das Augenmerk besonders auf die Armutsbevölkerung gerichtet werden, die etwa vier Millionen Menschen umfasst.
Im Zuge der Industrialisierung kamen viele Migranten aus dem armen, agrarischen Nordosten Brasiliens nach São Paulo, um hier Arbeit zu finden, und mit der Hoffnung auf bessere Lebensverhältnisse. Zu dieser Zeit entstanden dann auch die ersten Notbehelfsunterkünfte nahe dem Stadtzentrum.
Die ersten peripheren Marginalsiedlungen entstanden um 1940 (Bantel 2004 S.119). Zu dieser Zeit begann die Stadtplanung mit der Vertreibung der ärmeren Bevölkerung aus dem Stadtzentrum, um die Modernisierung und die Segregation der Stadt voranzutreiben. Folglich wuchs São Paulo kreisförmig in alle Richtungen, denn auch die in der Regel armen Zuwanderer siedelten vor allem am Stadtrand (Novy 1994 S.208).
Das Stadtgebiet São Paulos vergrößerte sich dementsprechend zu dieser Zeit enorm. Der Grüngürtel um die Stadt wurde durch nicht-legale Siedlungen in Parzellen aufgeteilt und überformt (dos Santos 1999 S.10).
Mitte der 1970er Jahre setzte in ganz Brasilien eine Wirtschaftsrezession ein, welche São Paulo auf Grund seiner starken ökonomischen Stellung innerhalb Brasiliens ganz besonders traf. Zu dieser Zeit schwächte sich dann auch die räumliche Segregation der unterschiedlichen Einkommensschichten ab. Der Mittelstand, welcher sich zwischen der reichen Bevölkerung im Stadtzentrum und der armen Bevölkerung am Stadtrand angesiedelt hatte (sozusagen im mittleren Kreis), veramte und begann sich an der Peripherie anzusiedeln. Dadurch erhöhten sich die Mieten am Stadtrand, was zu einer Verdrängung der hier situierten armen Bevölkerung führte. Diese kehrten entweder in die städtischen Mietskasernen zurück oder zogen in eine Kommune außerhalb São Paulos (Novy 1994 S.213/214).
Durch diese Prozesse veränderte sich die Stadtstruktur von konzentrischen Kreisen zu einer heterogenen Struktur. Der Rückgang der räumlichen Segregation ist aber nicht positiv zu bewerten, „da es sich großteils um eine Nivellierung nach unten handelt“ (Novy 1994 S.214). Heute sind die Armensiedlungen zwar an der Peripherie gelegen - jede acht Tage eine neue Favela (Hart 2004 S.171) -, aber innerstädtische Marginalviertel sind ebenfalls vorhanden.
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- Citation du texte
- Diplomand Rasso Bernhard (Auteur), 2007, Die Megacity Sao Paulo und seine Armenviertel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124665
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