Das Ziel der Bachelor-Thesis ist es, den gegenwärtigen Forschungsstand des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) in Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland mittels systematischer Literaturrecherche darzustellen. Es sollen die Motive und Hemmnisse von Unternehmen bezüglich einer Einführung und Umsetzung sowie das Dagegen-Entschieden aufgezeigt werden. Zudem sollen die Ergebnisse der recherchierten Studien Anreize und Lösungsbeispiele zur Einführung eines BGMs bieten. Eine Gegenüberstellung aller ausgewählten Studien, mögliche Lösungsmöglichkeiten der Studien und die Beantwortung der zuvor aufgezeigten Forschungsfragen wird mittels Diskussion am Ende dieser Arbeit durchgeführt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
2 Zielsetzung
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
3.1 Begriffsdefinitionen
3.1.1 Betriebliches Gesundheitsmanagement
3.1.2 Betriebliche Gesundheitsförderung
3.1.3 Abgrenzung BGM zu BGF
3.1.4 Kleine- und mittelständische Unternehmen
3.1.4.1 Definition von KMU
3.1.4.2 Kennzahlen zu KMU
3.2 Gesundheitssituation der Bundesrepublik Deutschland
3.3 Wirksamkeitsnachweis und Hemmnisse von BGM
3.3.1 Wirksamkeitsnachweis von BGM und Maßnahmen der BGF
3.3.2 Kosten-Nutzen-Verhältnis / Return on Investment (ROI)
3.3.3 Nachgewiesene Hemmnisse von BGM und Maßnahmen der BGF
4 Methodik
4.1 Angewandte Filtereinstellungen
4.2 Einschlusskriterien der Studien
4.3 Ausschlusskriterien der Studien
5 Ergebnisse
6 Diskussion
6.1 Kritische Betrachtung der Ergebnisse
6.2 Ableitung von Schlussfolgerungen
6.3 Methodenkritik
6.4 Zukünftiger Ausblick
7 Zusammenfassung
8 Literaturverzeichnis
9 Abbildungs-, Tabellen-, Abkürzungsverzeichnis
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
„Gesundheit wird als Zustand des vollkommenen körperlichen, sozialen und geistigen/seelischen Wohlbefindens und nicht nur als das Freisein von Krankheit/Gebrechen beschrieben“ (WHO, 1946).
Diese Definition ist „Common Sense“ und wird von niemanden hinterfragt. Jedoch wird beim Lesen dieser Definition eines klar: es entsteht die Nachfrage konkreter Umsetzungsmaßnahmen zur Erreichung sowie der Aufrechterhaltung der Gesundheit (Uhle und Treier, 2018, S.1-2). Zugleich herrscht eine große Bandbreite an Gesundheitsindikatoren wie Haltungs- bzw. Einstellungsänderungen, physische als auch psychische Indikatoren etc. (Ulich und Wülser, 2018, S.30).
Derzeit findet in Deutschland ein Demografischer Wandel statt (Hollederer, 2016, S.132). Die geburtenstarken Jahrgänge Deutschlands, welche Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre geboren sind, den sogenannten „Babyboomern“, werden in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten das Renteneintrittsalter erreichen und somit den Rentneranteil der Bundesrepublik Deutschland (BRD) stark erhöhen (Zwiener, Blank, Logeay, Türk & Wöss, 2020, S35). In diesem Verlauf erhöht sich zugleich das Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung aber auch der Erwerbstätigen in den jeweiligen Unternehmen. Dies führt unmittelbar zu einer Situation, auf die sich Unternehmen einstellen müssen, denn je älter ein Mensch wird, desto höher ist das Risiko einer hohen Krankheitsdauer je Arbeitsunfähigkeitsfall (Bungard et al., 2013, S.22). Zugleich wird in Zukunft der schon derzeit herrschende Fachkräftemangel noch weiter ansteigen (Wunsch, Buchmann, 2019, S.43).
Somit müssen sich Unternehmen, neben einem hohen Wettbewerbsdruck, einer Beschleunigung von betrieblichen und gesellschaftlichen Prozessen sowie der steigenden Anforderungen von Kunden (Meyer, 2008, S.4) zusätzlich Gedanken um die eigenen Mitarbeiter machen. Sollte man denken, dass aufgrund dieser steigenden Anforderungen ein Unternehmen mehr Personal für dementsprechend komplexere und aufwändigere Arbeiten einstellt, so sieht es in der Realität oft anders aus. Die Mitarbeiter im eigenen Unternehmen müssen diesen erhöhten Arbeitsaufwand meist selbstständig stemmen.
Um den heutigen Standard im Unternehmen zu erfüllen, muss jeder Mitarbeiter in jedem Lebensalter die höchste Leistungsfähigkeit besitzen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Mitarbeiter gesund ist. Denn gesunde Mitarbeiter zeigen eine erhöhte Produktivität und Motivation (Meyer, 2008, S.30-33), was somit direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und somit wiederum auf den Unternehmenserfolg hat.
So stellt sich die Frage, wie sich der Mensch in der heutigen Zeit von physischen als auch psychischen Belastungen am Arbeitsplatz geschützt werden kann, da Vollzeitbeschäftigte einen großen Teil ihrer Lebenszeit auf der Arbeit verbringen.
Einige große Unternehmen haben die aktuelle Situation bereits erkannt, dass die Gesundheit der Mensch das wichtigste Gut im Unternehmen ist. Denn gesunde Mitarbeiter sind seltener krank und führen letztendlich zu einer Kostenersparnis im Unternehmen. Zudem erhöht ein Unternehmen, welches sich um die Gesundheit der Mitarbeiter aktiv kümmert, deutlich die Unternehmenskultur und das Image nach außen.
Und um Mitarbeiter gesund zu erhalten, sprechen immer mehr von einer Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements, kurz BGM. Das BGM soll in das vorhandene Managementsystem des jeweiligen Unternehmens integriert werden, mit dem Hintergrund, die Gesundheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz von der Geschäftsleitung bis zum letzten Mitarbeiter nachhaltig zu fördern als auch gesund zu erhalten.
Unternehmen wie „Rewe“ haben bereits eine erfolgreiche Einführung eines BGMs vollzogen (Kraemer und Lenze, 2011, S.169-177). „Amazon“ besitzt allein in Deutschland über 360 „Health Manager“, welche für die gesamte Gesundheitssituation der Arbeitnehmer der Logistikstandorten von Amazon in Deutschland verantwortlich sind (Ulrich, 2021).
In kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) scheint die derzeitige Situation im Vergleich zu großen Unternehmen zusätzlich verschlechtert. Die Verbreitung eines BGMs ist deutlich seltener vorhanden, denn besonders kleine und mittlere Unternehmen haben deutlich weniger Mittel/Ressourcen zur Verfügung als Große. Doch auch in ihrer Struktur unterscheiden sie sich deutlich. So lassen sich Konzepte von großen Unternehmen nicht so einfach auf kleine übertragen (Zelfel, Alles & Weber, 2011, S.516). KMU besitzen den Großteil aller Beschäftigten in Deutschland und erzielen 78% des Umsatzes im Bau- und Gastgewerbe. Sie sind somit eine nicht zu vernachlässigende Gruppe, da sie 99,4% aller Unternehmen in Deutschland ausmachen (Statistisches Bundesamt (Destatis), 2021). Doch gerade KMU haben häufig Probleme mit einem Betrieblichen Gesundheitsmanagement.
Obwohl kleine, mittlere, aber auch große Unternehmen, sich teilweise gegen ein Betriebliches Gesundheitsmanagement entscheiden, führen diese dennoch häufiger Einzelmaßnahmen durch. Hierbei werden von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) gesprochen, welche direkten Einfluss auf die Mitarbeiter im Unternehmen beziehen sollen. Diese einzelnen Maßnahmen der BGF werden jedoch seltener als nachhaltige Maßnahmen, mittels BGM, im bereits vorhandenen Management implementiert.
Den Nutzen eines BGMs ist für Unternehmen von besonderer Bedeutung, da Krankheiten, sei es physisch als auch psychisch, meist starke negative Auswirkungen auf das Unternehmen haben . Besonders psychische Belastungen, bedingt durch die heutige Situation der Arbeitswelt, scheint den Menschen steigend zu belasten. So sind seit 2010 bis 2020 die psychischen Erkrankungen um 56% gestiegen (Meyer, Wing, Schenkel & Meschede, 2021, S.443).
Doch gibt es kein ganzheitliches Konzept zur BGM-Anwendung, welches auf jedes Unternehmen angewendet werden kann. Denn im Vergleich zu großen Unternehmen besitzen KMUs individuelle Strukturen, welche sich zudem von Branche zu Branche nochmals unterscheiden (Meyer, 2008, S.18).
Dennoch gewinnt der Mensch immer mehr Wichtigkeit, da die Gesundheit der Mitarbeiter immer weiter in den Vordergrund rückt, welches mit der steigenden Bedeutsamkeit von BGM einhergeht.
Die Entscheidungen der Unternehmen gegen ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (Meyer, 2008, S.33-36; Bechmann, Jäckle, Lück & Herdegen, 2011, S.22-25; Schaefer, Drexler & Kiesel, 2016, S.164) sprechen jedoch gegen bereits erkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und führen unmittelbar zu einem Konflikt zur wissenschaftlichen Literatur. Denn die Umsetzung von BGM in Unternehmen verbessert nachweislich die Gesundheit der Mitarbeiter (Kraemer und Lenze, 2011, S.169-177; Köhler, Hoenemann & Altenhöner, 2020, S.289-291; Brinkmann, 2018, S.323-327). Obwohl der demografische Wandel und die damit einhergehenden Ängste vor einem Fachkräftemangel den Unternehmen durchaus bewusst zu sein scheint, ist die aktive Berücksichtigung mittels Maßnahmen dieser Thematik, besonders in kleinen und mittelständigen Unternehmen, deutlich niedriger (Zelfel et al., 2011, S.518).
Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und positiver Umsetzungsbeispiele eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bauen die folgenden Forschungsfragen dieser Bachelor-Thesis auf.
Welche Motive besitzen Unternehmen in Deutschland, um ein erfolgreiches BGM einzuführen und dies dauerhaft im Unternehmen zu implementieren. In diesem Zusammenhang wird die Verbreitung, Umsetzungsgrad, Maßnahmenergreifung und dessen Inanspruchnahme von BGM und BGF untersucht.
Zudem stellt sich auf der anderen Seite die Frage, welche Hemmnisse Unternehmen gegen die Einführung eines BGMs derzeit herrschen. Nebensächlich stellt sich die Frage, ob Unternehmen überhaupt die nötige Bereitschaft für ein BGM aufweisen. Auch wird untersucht, ob Unternehmen gezielte Maßnahmen der BGF speziell für ältere Beschäftigte einsetzen und ob solch eine Beeinflussung des Bewusstseins deutlich früher, wie z.B. während der Ausbildungszeit, geschehen kann. Ferner stellt sich die Frage nach praktischen Lösungsansätzen.
In diesem Rahmen widmet sich die Bachelor-Thesis dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement von kleinen, mittleren und großen Unternehmen in Deutschland mit dem Titel „Übersichtsarbeit zum Thema Motive und Hemmnisse für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement in deutschen Unternehmen – Eine erste Bestandsaufnahme“.
2 Zielsetzung
Das Ziel der Bachelor-Thesis ist es, den gegenwärtigen Forschungsstand des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland mittels systematischer Literaturrecherche darzustellen. Es sollen die Motive und Hemmnisse von Unternehmen bezüglich einer Einführung und Umsetzung sowie das Entgegenscheiden eines BGMs aufgezeigt werden. Zudem sollen die Ergebnisse der recherchierten Studien Anreize und Lösungsbeispiele zur Einführung eines BGMs bieten. Eine Gegenüberstellung aller ausgewählten Studien, mögliche Lösungsmöglichkeiten der Studien und die Beantwortung der zuvor aufgezeigten Forschungsfragen wird mittels Diskussion am Ende dieser Arbeit durchgeführt.
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
Die nachfolgenden Kapitel zeigen den derzeitigen Forschungsstand bzw. die aktuelle Studienlage zum Thema dieser Bachelor-Thesis auf. Zunächst werden Begriffsdefinition erläutert sowie anschließend der aktuelle Forschungsstand der Gesundheitssituation Deutschlands.
3.1 Begriffsdefinitionen
3.1.1 Betriebliches Gesundheitsmanagement
Die Definition „Gesundheit“ (vgl. Kapitel 1) ist „Common Sense“ (vgl. Kapitel 1). Die Begriffsdefinition des Betriebliches Gesundheitsmanagement hingegen wird jedoch in der Literatur nicht immer einheitlich verwendet (Struhs-Wehr, 2017, S.6). Dies kann zunächst zu Verwirrung führen, der Grundgedanke bleibt jedoch gleich. Im Folgenden werden zwei Definitionen zur besseren Verständlichkeit vorgestellt:
„Betriebliches Gesundheitsmanagement hat die Aufgabe, verschiedene gesundheitsbezogene Maßnahmen in einem Unternehmen zu planen, zu adressieren, zu organisieren und untereinander abzustimmen. Es entwickelt Strategien, die sich an den Unternehmenszielen orientieren und setzt diese in spezifische Zielwerte und Kennzahlen um (…). “ (Bamberg, Ducki & Metz, 2011, S.128).
„Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung betrieblicher Strukturen und Prozesse, um Arbeit, Organisation und Verhalten am Arbeitsplatz gesundheitsförderlich zu gestalten. Sie sollen den Beschäftigten und dem Unternehmen gleichermaßen zugutekommen. BGM betrachtet die Gesundheit der Beschäftigten als strategischen Faktor, der Einfluss auf die Leistungsfähigkeit, die Kultur und das Image der Organisation hat. BGM bezieht Gesundheit in das Leitbild, in die (Führungs-) Kultur, in die Strukturen und in die Prozesse der Organisation ein“ (Badura Ritter & Scherf, 1999, S.17).
Diese Definitionen führen folglich zu einem nicht endenden Arbeitskreislauf und umfassen die systematischen Prozesse der Analyse, Kommunikation, Intervention und Evaluation (Abbildung 1) (Uhle und Treier, 2018, S.39; Esslinger und Krause, 2010, S.243).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: BGM als Zyklus (Uhle und Treier, 2018, S.39)
Die „Bestandteile des BGMs sind die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF), der Arbeits- und Gesundheitsschutz (AGS), das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), die Personalpflege, die Sozialarbeit sowie spezifische Bereiche der Personal- und Organisationsentwicklung“ (Uhle und Treier, 2019, S.36). Hieraus kann abgeleitet werden, dass das Betriebliche Gesundheitsmanagement als „Dachorganisation aller Handlungsfelder rund um die Gesunde Arbeit“ (Uhle und Treier, 2019, S.36) anzusehen ist. „Sie bündeln und koordinieren diejenigen Aufgaben, die nicht im klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutz und in der Arbeitssicherheit schon abgebildet sind“ (Uhle und Treier, 2019, S.36). Somit geht ein BGM über die gesetzlichen Vorschriften weit hinaus.
Abbildung 2: Das BGM-Haus (Barth, 2018, S.88) (eigene Darstellung)
Die Abbildung 2 verdeutlicht, dass ein BGM als ein Oberbegriff der gesunden Arbeitsführung gesehen werden kann. Hierbei ist wichtig zu benennen, dass der Arbeitsschutz sowie das Betriebliche Eingliederungsmanagement gesetzlicher Regelungen unterliegt. Das BGF hingegen ist eine nicht verpflichtende Aufgabe des Unternehmens (Barth, 2018, S.88). Hinzukommend ist, dass das Zusammenspiel der Führungskräfte und den Mitarbeitern ausschlaggebend für den Erfolg des BGMs ist (Meyer, 2008, S.22). Denn unmotivierte Führungskräfte, aber auch eine geringe Teilnahme solcher Maßnahmen seitens der Mitarbeiter, können den Erfolg eines BGMs erheblich hemmen (Altenhöner, Köhler, Philippi & Alaze, 2014, S.6; Bechmann et al., 2011, S.18). Somit ist der Erfolg eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements maßgeblich abhängig von der Teilnahme jedes Einzelnen.
3.1.2 Betriebliche Gesundheitsförderung
Wie bereits genannt, ist die Betriebliche Gesundheitsförderung, im Folgenden „BGF“ genannt, ein Bestandteil des BGMs (vgl. Kapitel 3.1.1).
Bereits seit der ersten Hälfte der 1980er Jahre wurde der Begriff „BGF“ in den USA verwendet, wobei sich die Maßnahmen ausschließlich auf die lebensstilorientierten Maßnahmen zur Beeinflussung des individuellen Gesundheitsverhaltens bezogen (Kühn, 1993, S. 381).
Allerdings wurde schnell klar, dass eine Vielfalt von Untersuchungs-, Beratungs- und Trainingsangeboten nicht ausreichend sind, um den Begriff „Gesundheit“ (vgl. Kapitel 1.) vollkommen abzudecken.
Die ersten Grundbausteine der Betrieblichen Gesundheitsförderung fanden schließlich Fuß in einem grundlegenden präventionspolitischen Programmdokument, welches am 21. Oktober 1986 auf der „Ersten internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung“ verabschiedet wurde. Durchgeführt wurde die präventionspolitische Strategiediskussion durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der Name des Dokuments zur BGF ist die „Ottawa-Charta“, benannt durch den Austragungsort der Konferenz in der Stadt Ottawa (Kanada) (Lenhardt, 2005, S.1; WHO, 1986).
Der Begriff „Gesundheitsförderung“ erhielt nach der WHO von 1986 eine völlig neue Bedeutung. Es wurde beschlossen, dass Gesundheitsförderung als politisch-emanzipatorischer Prozess gefasst ist, der darauf abzielt, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Lebensumstände zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen (Lenhardt, 2005, S.1; WHO, 1986). Dieses Konzept wurde auch in der BRD in den 1980er Jahren aufgegriffen.
Heute wird die Betriebliche Gesundheitsförderung als Oberbegriff von Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit von Mitarbeiter am Arbeitsplatz genutzt. Solche Maßnahmen sollen die System- und Organisationsprävention sowie die Verhaltens- und Verhältnisprävention enthalten (Stumpf, 2012, S.9).
3.1.3 Abgrenzung BGM zu BGF
Der Unterschied BGM zu BGF wird in der Praxis, inhaltlich als auch sprachlich, zunehmend aufgehoben. Dies könnte in Anbetracht der komplexen Herausforderungen ihren Ursprung besitzen (Uhle und Treier, 2019, S.38).
Zusätzlich trug die Luxemburger Deklaration negativ zur Begriffsabgrenzung bei, da die Deklaration ein BGM System darstellt und dennoch den Begriff BGF nutzte (Barth, 2018, S.91).
Die Betriebliche Gesundheitsförderung legt jedoch den Fokus auf die Gesundheit der Beschäftigten. Arbeitsbelastungen sollen, bedingt durch entsprechende Maßnahmen entgegengesteuert werden, indem die Präventionsfeldern: „Bewegung, Stressbewältigung, Entspannung und Suchtprävention“ durch verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen im Unternehmen umgesetzt werden (Barth, 2018, S.91).
Wird das Betriebliche Gesundheitsmanagement betrachtet, so findet nach Barth (2018 , S.139-142) eine reine Implementierung in die Organisation sowie in die Prozesse des Unternehmens statt.
3.1.4 Kleine- und mittelständische Unternehmen
3.1.4.1 Definition von KMU
Die Definition KMU weist in der Literatur Unterschiede auf. Demnach existieren derzeit zum einen die Definition des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) und zum anderen die der EU-Kommission. Die in Tabelle 1 & 2 aufgeführten Daten veranschaulichen die Eingrenzungskennzahlen von KMU nach IfM und EU-Kommission.
Tabelle 1: KMU-Definition des IfM Bonn (eigene Darstellung) (IfM Bonn, 2016)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: KMU-Definition der EU-Kommission (eigene Darstellung) (EU-Kommission, 2003)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Somit ist eindeutig, dass nach IfM-Definition Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und >50 Millionen Umsatz €/Jahr als große Unternehmen bezeichnet werden, während nach EU-Kommission >250 Mitarbeitern, > 50 Millionen Umsatz €/Jahr und > 43 Millionen Bilanzsumme €/Jahr erfüllt sein müssen.
3.1.4.2 Kennzahlen zu KMU
Das Statistische Bundesamt veröffentlicht seit 2007 jährlich Kennzahlen zu KMUs (Statistisches Bundesamt (Destatis), 2021).
Seit 2018 nutzt das Statistische Bundesamt als Grundlage die EU-Unternehmensdefinition als Eingrenzung. Die Abbildung 3 zeigt deutlich, dass der Bestand von Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland sich stark von den Großunternehmen in deren Anzahl unterscheidet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Anzahl der Unternehmen in Deutschland nach Unternehmensgröße im Jahr 2019 (Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022) (eigene Darstellung)
Nach dem Statistischen Bundesamt (2021) betrug der Anteil der Erwerbstätigen in KMU der BRD im Jahr 2019 56,3%. Dies zeigt deutlich, dass der größere Anteil der arbeitenden Bevölkerung in KMU tätig ist, obwohl der Umsatz mit insgesamt 29,4% deutlich geringer als die der Großunternehmen ist (Statistisches Bundesamt (Destatis), 2021). Dies hängt meist an der Unternehmensgröße selbst und der damit verbunden hohen Mitarbeiterzahlen, welche meist im Verhältnis größere Absatzmärkte als kleine und mittelständige Unternehmen aufweisen. Die folgende Tabelle 3 verdeutlicht das Verhältnis von KMU zu Großunternehmen.
Tabelle 3: Wirtschaftsabschnitte insgesamt für das Jahr 2019 (Statistisches Bundesamt (Destatis), 2021) (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Gesundheitssituation der Bundesrepublik Deutschland
Die Anzahl der Erwerbstätigen mit einem Wohnsitz in Deutschland betrugen im November 2021 insgesamt 45,133 Millionen. Dieser Wert gehört zu den höchsten seit 2016 (Statistisches Bundesamt, 2022). Der Begriff „Gesundheit“ wurde bereits in Kapitel 1 definiert und stellt somit ein weites Spektrum dar. Um die gesamte Situation in Deutschland genauer beurteilen zu können, bedarf es verschiedener Analysen unterschiedlicher Bereiche. Hierbei ist zu nennen, dass die verschiedenen Quellen nur eine Annäherung des aktuellen Gesundheitszustandes in Deutschlands sind.
Im Auftrag der Deutschen Krankenversicherung (DKV) realisiert und wertet seit 2010 das Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) eine repräsentative Umfrage zum individuellen Gesundheitsverhalten der Deutschen aus (Froböse und Wallmann-Sperlich, 2021, S.8-9).
Die Tabelle 4 fasst die Studie „Wie gesund lebt Deutschland?“ von 2021 zusammen. Es handelt sich dabei um die sechste Auflage des DKV-Reports.
Tabelle 4: Zusammenfassung DKV-Report 2021 – „Wie gesund lebt Deutschland?“ (Froböse und Wallmann-Sperlich, 2021) (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die folgende Abbildung 4 wurde dem DKV-Report 2021 entnommen und beinhaltet die Benchmark-Realisierung im Jahresvergleich von 2010, 2012, 2014/2015, 2016,2018 sowie 2021.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Benchmark-Realisierung im Jahresvergleich (Quelle: DKV-Report 2021)
Das Ergebnis der Studie „Wie gesund lebt Deutschland“ zeigt auf, dass nur 11% der Befragten alle Benchmarks erreichen. Dies sind 7% weniger im Vergleich zum DKV-Report 2010. Es handelt sich somit um den bisher niedrigsten gemessenen Wert.
Werden die einzelnen Punkte genauer betrachtet, zeigen die Aktivitätsprozentpunkte einen starken Rückgang von 83% auf 70%. Das Rauchverhalten sowie der Alkoholkonsum stagnieren (±1 Prozentpunkte) im Vergleich von 2010 zu 2021. Ein hoher Anstieg ist beim Stressempfinden zu verzeichnen. Somit können 60% der Deutschen Bundesbürger ihr Stressniveau nicht mehr kompensieren. Der Benchmark „Ernährung“ zeigt, dass 47% der deutschen Bundesbürger eine subjektiv gesunde Ernährung haben.
Bedingt durch die aktuelle COVID-19-Pandemie ist davon auszugehen, dass diese Werte davon zusätzlich negativ beeinflusst wurden. Besonders der Benchmark „Aktivität“ und „Stressempfinden“ können dadurch negativ beeinflusst worden sein. Vergleicht man jedoch die Werte aus 2018 und 2016 wird deutlich, dass noch immer 42% bzw. 43% der Deutschen ihr Stressempfinden als zu hoch empfinden. Somit kann abschließend gesagt werden, dass, laut des DKV-Reports 2021, die Bürger der Bundesrepublik Deutschland unter einem erheblichen Mangel an Gesundheit leiden (DKV-Report, 2021).
Zudem gehören zu den größten Gesundheitsproblemen in Deutschland Rückenschmerzen, denn 55-75% der Erwachsenenbevölkerung leiden im Laufe eines Jahres an solchen Schmerzen (Fahland, Kohlmann & Schmidt, 2016, S.4). Schlussfolgernd können somit Rückenschmerzen als Volkskrankheit bezeichnet werden (Eckardt, 2011, S.2).
Die Techniker Krankenkasse bestätigt dies, indem sie 2020 als zweithäufigsten Grund für AU-Tage (Arbeitsunfähigkeitstage) Rückenschmerzen verzeichnete (Gesundheitsreport TK, 2021, S.6). Zusätzliche Informationen werden im Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) sowie des Fehlzeitenreports 2021 vorgestellt. Ende 2020 besaß die TK insgesamt 5,44 Millionen Erwerbspersonen als Mitglied, welches ca. 15,7% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten der Bundesrepublik Deutschland ausmacht (Gesundheitsreport TK, 2021, S.6). Insgesamt verzeichnete die TK 5,28 Millionen Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU-Fälle) und 86 Millionen Fehltage (Gesundheitsreport TK, 2021, S.3).
Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) besaß im Jahr 2020 insgesamt rund 14,1 Millionen erwerbstätige AOK-Mitglieder und nennt Muskel- und Skeletterkrankungen als dominierende Krankheitsart (Fehlzeitenreport, 2021, S.443).
Insgesamt werden volkswirtschaftliche Produktionsausfälle im Jahr 2019 auf 88 Mrd. € bzw. 149 Mrd. € geschätzt, welche in Folge von insgesamt 712,2 Millionen AU-Fällen in der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind (Fehlzeitenreport, 2021, S.444).
Im Berichtsjahr 2018 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2020a, S.114-115) sind allein durch psychische Erkrankungen im Jahr 2017 insgesamt 107 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage der GKV-Mitglieder (Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassenversicherung) ermittelt worden. Arbeitsunfähigkeit führt somit zu einem jährlich hohen volkswirtschaftlichen Schaden.
Eine weitere Möglichkeit eine Übersicht der aktuellen Gesundheitssituation der Bundesrepublik Deutschland zu erfahren ist das „Bundesministerium für Arbeit und Soziales“, da jährlich ein Bericht über die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in Deutschland veröffentlicht wird. So wird zu Beginn des Berichtsjahres ein Vergleich zum Vorjahr aufgezeigt wie z.B. Erwerbstätige, meldepflichtige Arbeitsunfälle, tödliche Unfälle. Bezogen auf das Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ ist ein wichtiger Faktor der Punkt „Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit“, welches unter anderem ein Faktor zur Beurteilung der derzeitigen Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer darstellt. Dieser Faktor scheint jedoch zu steigen, da 2018 gegenüber 2017 dieser Wert um 3,6% gestiegen ist (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2020a), zusätzlich ist dieser Wert enorm von 2019 zu 2020 mit einem Zuwachs von 30,9% gestiegen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2020b). Dieses enorme Wachstum kann jedoch auch mit der aktuellen COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehen. Dennoch ist dies ein Zeichen für einen negativen Trend.
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- Citar trabajo
- Anónimo,, 2022, Betriebliches Gesundheitsmanagement deutscher Unternehmen. Motive und Hindernisse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1245657
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