Die vorliegende Arbeit dient dazu, die für das Verständnis des Begriffs flight to liquidity
nötigen Aspekte zu beleuchten und eine differenzierte Darstellung des Phänomens zu geben.
Dazu werden zunächst einige notwendige Definitionen erläutert, um anschließend darzulegen,
wie in der Literatur im Rahmen unterschiedlicher Fragestellungen das Thema flight to
liquidity behandelt wird. Es werden unterschiedliche Methoden zur Identifizierung eines flight
to liquidity vorgestellt. Eng verbunden mit dem empirischen Nachweis des Phänomens ist die
Untersuchung der zugrunde liegenden Motive der Marktteilnehmer. Die Übergänge zwischen
empirischen Nachweis und Ursachenforschung sind fließend. Zur besseren Orientierung wird
die Literatur nach den Märkten, die betrachtet werden, sortiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsdefinitionen und Erläuterungen
2.1. Definition flight to liquidity
2.2. Definition flight to quality
3. Empirische Evidenz von flights
3.1. Innerhalb des Aktienmarktes
3.2. Innerhalb des Anleihemarktes
3.2.1. Europäischer Anleihemarkt
3.2.2. US-amerikanischer Anleihemarkt
3.2.3. Operativer Schätzer für flights
3.3. Gemeinsamkeiten der verwendeten Methoden
4. Determinanten eines flight to liquidity
4.1. Abgrenzung flight to liquidty vs. flight to quality
4.2. Ursachen eines flight to liquidity
5. Schlussbemerkungen
Bibliographie
1. Einleitung
Wirtschaftliche Krisensituationen erfahren nicht nur die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit, sondern ziehen insbesondere auch das Interesse der Wissenschaft auf sich. Die Ausnahmesituation einer Krise bietet die Möglichkeit, wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, sowohl über die Krise selbst als auch über die allgemeine Funktionsweise der Märkte. Im Hinblick auf die Aktienmarktkrise von 1987[1] heißt es in dem Artikel „Liquidity and the 1987 stock market crash” (1990) von Yakov Amihud, Haim Mendelson und Robert A. Wood: „Thus, the crash and subsequent events have produced new information about the markets themselves rather than fundamental news about the economy” (Amihud, Mendelson, Wood 1990, S.65).
Speziell für die Aktienmarktkrise von 1987 beobachten die Autoren des oben angeführten Artikels eine Neubewertung der Marktliquidität durch die Marktteilnehmer. Besonders die unterschiedliche Erholung nach dem sog. schwarzen Montag von 1987 führen sie auf unterschiedliche Liquidität der einzelnen Aktien zurück. Allgemein lässt dies auf die Fragestellung schließen, welche Rolle Liquiditätsüberlegungen in Krisenzeiten spielen.
Im Zusammenhang mit Liquidität ist in Krisenzeiten wiederholt ein Phänomen beobachtet worden, welches in der Literatur als flight to liquidity bezeichnet wird.
Wissenschaftlich stellt sich die Frage, wie ein flight to liquidity zu definieren ist, um darauf aufbauend das Phänomen in die bestehende Kapitalmarkttheorie zu integrieren. Dazu gilt es die Ursachen, das Wesen und die Relevanz der Beobachtung zu ergründen und ein operationales Maß dafür zu entwickeln.
Die vorliegende Arbeit dient dazu, die für das Verständnis des Begriffs flight to liquidity nötigen Aspekte zu beleuchten und eine differenzierte Darstellung des Phänomens zu geben. Dazu werden zunächst einige notwendige Definitionen erläutert, um anschließend darzulegen, wie in der Literatur im Rahmen unterschiedlicher Fragestellungen das Thema flight to liquidity behandelt wird. Es werden unterschiedliche Methoden zur Identifizierung eines flight to liquidity vorgestellt. Eng verbunden mit dem empirischen Nachweis des Phänomens ist die Untersuchung der zugrunde liegenden Motive der Marktteilnehmer. Die Übergänge zwischen empirischen Nachweis und Ursachenforschung sind fließend. Zur besseren Orientierung wird die Literatur nach den Märkten, die betrachtet werden, sortiert.
2. Begriffsdefinitionen und Erläuterungen
Der Begriff der Liquidität gilt in der Wissenschaft als nicht eindeutig definiert (Beber, Brandt, Kavajejecz 2008, S.7). Für die Zwecke dieser Arbeit ist die allgemeine Feststellung ausreichend, dass Liquidität die Möglichkeit der unmittelbaren Umwandlung eines Wertpapiers in Bargeld ohne großen Preisverlust bezeichnet (Amihud, Mendelson, Wood 1990, S.65). Es soll ein kurzer Einblick in die Vielschichtigkeit und Problematik des Liquiditätsbegriffes gegeben werden, da dadurch das Phänomen flight to liquidity verständlicher wird.
Liquidität auf den Finanzmärkten hängt davon ab, ob die gebotenen Preise der Käufer (die sog. Geldkurse) und die geforderten Preise der Verkäufer (sog. Briefkurse) zu einem Handel führen, bei dem die Preisabweichung des Vermögensgegenstandes nicht allzu groß ist. Dies bedeutet bei schwankenden Geld- und Brief- Preisen eine gewisse Varianz der Liquidität. Jene Varianz eines bestimmten Wertpapiers kann sich nicht nur im Zeitablauf ändern, sondern weist oftmals auch eine Korrelation mit den gehandelten Mengen an Wertpapieren auf (Amihud, Mendelson, Wood 1990, S.66). Somit weist Liquidität ein Risiko auf, dass sich ein Investor durch eine Liquiditätsprämie kompensieren lassen möchte. Dabei lässt sich die Liquiditätsprämie als der Preisunterschied zwischen zwei Wertpapieren auffassen, die sich nur hinsichtlich ihrer Liquidität unterscheiden (Vayanos 2004, S.1).
Liquidität ist ein wertbestimmender Faktor für ein Wertpapier, da der Ertrag mit einer Zunahme der Geld- Brief- Spanne, bzw. der Illiquidität, steigt (Amihud, Mendelson 1986, S.246).
Liquidität lässt sich als Form von Transaktionskosten auffassen. Die Liquiditätskosten umfassen die Geld-Brief-Spanne, Such- und Verzögerungskosten sowie Gebühren und Abgaben (Amihud, Mendelson, Wood 1990, S.65).
Die Geld-Brief-Spanne stellt, als ein populäres und natürliches Maß für Liquidität, ein Maß für die Kosten einer unmittelbaren Ausführung eines Handels dar, wobei es die Kosten des Käufers und Verkäufers abbildet (Amihud, Mendelson 1986, S.223f.). In der Literatur sind jedoch eine Reihe weiterer Liquiditätsmaße bekannt und es herrscht keine Einigkeit über ein allgemein akzeptiertes Maß (Beber, Brandt, Kavajejecz 2008, S.7). Demnach sind die verwendeten Maße vielmehr als Annäherung, als Schätzer, für die wahre Liquidität zu verstehen. Neben dem Problem, dass die Schätzer Liquidität unterschiedlich quantifizieren, gibt es auch Zweifel an der Güte einzelner Schätzer (Lei 2005, S.13). Dies erschwert die Vergleichbarkeit der Ergebnisse in der Literatur.
2.1. Definition flight to liquidity
Unter einem flight to liquidity, einer „Flucht in die Liquidität“, ist ein Phänomen des Finanzmarktes zu verstehen, welches verstärkt in den letzten Jahren zu beobachten ist. Es wird von einem flight to liquidity gesprochen, wenn viele Marktteilnehmern plötzlich sehr liquide Wertpapiere gegenüber weniger liquiden Papieren in ihren Portfolios bevorzugt (Longstaff 2004, S.512).[2]
Die Bedeutsamkeit des Begriffs flight to liquidity ergibt sich nicht allein aus der Definition, sondern auch aus der beobachteten Bedeutung im Kontext des Finanzmarktes, besonders der Krisensituationen der vergangenen Jahre. Die Notwendigkeit, sich einem flight to liquitidy wissenschaftlich zu nähern, gründet auch auf der Tatsache, dass solche flights im Zusammenhang mit dem Aktienmarktcrash von 1987 oder der LTCM - Krise von 1998[3] beobachtet wurden (Lei 2005, S.1). Inwieweit bereits zu früheren Zeitpunkten, insbesondere früheren Krisen, von einem flight to liquidity gesprochen werden kann, hängt wesentlich davon ab, ob entsprechende Daten verfügbar sind.
Zu erkennen, wann von einem flight gesprochen werden kann, unterliegt der Schwierigkeit zu bestimmen, in welcher Zeitspanne wie viele Marktteilnehmer eine Reallokation ihres Portfolios vornehmen müssen. Es ist einerseits eine quantitative Frage, ob von großen Umstrukturierungen der Portfolios oder fluchtartigen Umschichtungen gesprochen werden kann, andererseits eine qualitative, aus welchen Motiven diese Kapitalbewegungen veranlasst wurden.
In der Literatur unterscheiden sich die betrachteten Wertpapiere sowie die Messung ihrer Liquidität (Lei 2005, S.9). Hauptsächlich kann man unterscheiden, ob Beobachtungen innerhalb einer Wertpapierart gemacht wurden, z.B. im Anleihenmarkt, oder zwischen verschieden Wertpapierarten, z.B. Aktien und Anleihen. Außerdem unterscheidet sich der empirische Ansatz zum Nachweis eines flight to liquidity. Dies ist Gegenstand des 3. Kapitels.
2.2. Definition flight to quality
Mit dem Phänomen des flight to liquidity eng verknüpft ist der so genannte flight to quality. Diese enge Verknüpfung sowie das häufig gleichzeitige Auftreten der beiden Phänomene machen es unabdingbar im Kontext des flight to liquidity auch den flight to quality zu erläutern. Quality ist in diesem Zusammenhang als „geringes Verlustrisiko“ und nicht im weiteren Sinne als „Güte“ einer Finanzanlage zu verstehen.
Ein flight to quality ist identisch mit einem flight to liquidity, allerdings findet bei einem flight to quality keine Reallokation zu liquideren Wertpapieren statt, sondern zu solchen, die ein geringeres Risiko aufweisen (Lei 2005, S.1).
Amihud, Mendelson und Wood (1990) schlagen vor, das Phänomen flight to liquidity als Spielart des flight to quality zu betrachten. Nachfolgende Autoren, insbesondere Francis A. Longstaff (2004), betonen, dass der flight to liquidity mit dem flight to quality oftmals verbunden ist, jedoch als eigenständiges Phänomen zu betrachten sei (Longstaff 2004, S.512). Dies ist relevant, da die dahinter liegende Frage lautet, ob ein flight to liquidity immer zusammen mit einem flight to quality auftritt. Longstaffs Darstellung, warum dies nicht zwingend der Fall sein muss, ist Gegenstand des 3. Kapitels.
[...]
[1] Am 19. Oktober 1987 kam es an der New Yorker Börse zu einem großen Aktienmarktcrash, der in Anlehnung an den schwarzen Freitag von 1929 der „schwarze Montag“ genannt wird. Infolge dessen kam es zu weltweit großen Einbrüchen an den Aktienmärkten.
[2] Es sei anzumerken, dass die zitierten Quellen den gesamten oder Teile des Finanzmarktes betrachten. Die genannte Definition bzw. die Struktur des flights to liquidity scheint aber auch auf andere Formen der Kapitalanlage in anderen Märkten übertragbar.
[3] Damit ist der Zusammenbruch des Long Term Capital Management Hedge Fond gemeint, der eine Folge des Zahlungsausfalls Russlands war (Longstaff 2004, S.512).
- Quote paper
- Rene Klauke (Author), 2009, Flight to liquidity - Definition, Empirische Evidenz von flights, Determinanten eines flight to liquidity, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124532
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.