Erziehung unterliegt einem stetigen gesellschaftlichen Wandel, was zur aktuellen Debatte führt, inwieweit Belohnung und Bestrafung noch angemessene Erziehungsmittel darstellen. Die Arbeit setzt sich deshalb mit der Anwendung des Verstärkermodells in der Erziehung auseinander.
Das Ziel ist mithilfe einer qualitativen Literaturanalyse und unter Einbezug relevanter Studien die Frage zu beantworten, welche Wirkung und Auswirkung Belohnung und Bestrafung auf die kindliche Entwicklung haben. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass Belohnung und Bestrafung richtig eingesetzt ein wirksames Mittel zur Verhaltenssteuerung sein können. Ihre Anwendung beinhaltet aber immer auch das Risiko unerwünschter und schädigender Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung. Die Art und Weise, in der Belohnung und Bestrafung als Erziehungsmittel eingesetzt werden, hat entscheidenden Einfluss darüber, ob diese eine positive oder schädigende Wirkung auf die kindliche Entwicklung entfalten. Die Anwendung kontrollierender Erziehungsmittel bedarf deshalb einer hohen fachlichen Reflexion.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2Methode
3Begriffsklärung
3.1 Erziehung und Erziehungsmittel
3.2 Belohnung
3.2.1 Materielle und immaterielle Belohnung
3.2.2 Lob
3.3 Bestrafung
3.3.1 Erziehungsstrafe
3.3.2 Disziplinarstrafe
3.3.3 Konsequenz als kaschierte Dominanz
4Belohnung und Bestrafung in der Lernpsychologie
4.1 Grundlagen des operanten Konditionierens
4.2 Rahmenbedingungen von Belohnung und Bestrafung
4.3 Verhaltenstherapeutische Methoden in der Erziehung
4.3.1 Token-Systeme
4.3.2 Time-out
5 Aspekte von Belohnung und Bestrafung in der Erziehung
5.1 Autorität
5.2 Macht
5.3 Disziplin
5.4 Gehorsam
6 Auswirkung auf die kindliche Entwicklung
6.1 Wirksamkeitvon Belohnung und Bestrafung
6.2 Emotionale Entwicklung
6.3 Moralentwicklung
6.4 Lernen und Motivation
6.4.1 Strafe und Lernen
6.4.2 Intrinsische und Extrinsische Motivation
6.4.3 Korrumpierungseffekt
6.4.4 Belohnung und Leistung
7 Ergebnisdiskussion
8 Fazit
Literaturverzeichnis
Abstract
Erziehung unterliegt einem stetigen gesellschaftlichen Wandel, was zur aktuellen Debatte führt, inwieweit Belohnung und Bestrafung noch angemessene Erziehungsmittel darstellen. Die vorliegende Arbeit setzt sich deshalb mit der Anwendung des Verstärkermodells in der Erziehung auseinander. Das Ziel ist mithilfe einer qualitativen Literaturanalyse und unter Einbezug relevanter Studien die Frage zu beantworten, welche Wirkung und Auswirkung Belohnung und Bestrafung auf die kindliche Entwicklung haben. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass Belohnung und Bestrafung richtig eingesetzt ein wirksames Mittel zur Verhaltensteuerung sein können. Ihre Anwendung beinhaltet aber immer auch das Risiko unerwünschter und schädigender Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung. Die Art und Weise, in der Belohnung und Bestrafung als Erziehungsmittel eingesetzt werden, hat entscheidenden Einfluss darüber, ob diese eine positive oder schädigende Wirkung auf die kindliche Entwicklung entfalten. Die Anwendung kontrollierender Erziehungsmittel bedarf deshalb einer hohen fachlichen Reflexion.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kontingenzschema deroperanten Konditionierung
1 Einleitung
Belohnung und Bestrafung in der Erziehung haben eine lange Tradition. Wolfgang Scheibe bemerkt treffend „Die Erziehungsstrafe ist so alt wie die Erziehung, das heißt: so alt wie die Menschheit.“ (Scheibe 1967, S. 15). Auch heute noch sind diese Erziehungsmittel im pädagogischen Alltag präsent, sowohl innerhalb der Familie als auch in öffentlichen Einrichtungen wie Kindertagesstätten. An Schulen sind Belohnung und Bestrafung schon aufgrund der Notengebung ein fester Bestandteil.
In den letzten 100 Jahren kam es zu einem rasanten Paradigmenwechsel in der Erziehung. Insbesondere mit der Strafe wurde sich in den 1970er Jahren in Fachliteratur und Forschung kritisch auseinandergesetzt, und seit einigen Jahren wird auch die Belohnung zunehmend hinterfragt. In der Fachliteratur besteht heute ein Konsens darüber, dass sowohl die Strafe als auch die Belohnung als Erziehungsmittel nicht frei von unerwünschten Nebenwirkungen sind (vgl. Hobmair 2017, S. 234). Im Jahr 2000 wurde die körperliche Bestrafung aufgrund der eindeutig schädlichen Wirkung in Deutschland gesetzlich verboten und wird seitdem gesellschaftlich geächtet. Aus einem selbstverständlichen Erziehungsmittel wurde so im Laufe von 100 Jahren eine Straftat (vgl. Richter 2018, S. 172). Der Begriff der Strafe wurde zunehmend negativ assoziiert, er verschwand infolgedessen weitestgehend aus dem pädagogischen Sprachgebrauch und aus der erziehungswissenschaftlichen Literatur. Die Strafe selbst aber existiert in veränderter Form und unter anderen Begriffen in der täglichen pädagogischen Praxis weiter (vgl. ebd. S.127).
Die Anwendung von Belohnung und Bestrafung in der Erziehung sind ein gesellschaftlich diskutiertes Thema, an dem sich die Meinungen spalten. Dies zeigt sich auch an der wachsenden Anzahl von Erziehungsratgeberliteratur, die eine Erziehung ohne Belohnung und Bestrafung zum Ziel haben, wie beispielsweise „Kindheit ohne Strafen“ (2017) von Katharina Saalfrank und „Erziehen ohne Schimpfen“ (2019) von Nicola Schmidt. Es werden aber auch immer wieder Stimmen laut, die für mehr Disziplin in der Erziehung plädieren und vom „Erziehungsnotstand“ sprechen, wie etwa die umstrittenen Publikationen von Bernhard Bueb „Lob der Disziplin“ (2006) oder Michael Winterhoff „Warum unsere KinderTyrannen werden“ (2009).
Während die einen also kontrollierende Erziehungsmittel mit Blick auf die schwarze Pädagogik der vergangenen Jahrhunderte ablehnen, sehen die anderen sie als notwendigen Bestandteil einer gelingenden Erziehung (vgl. Huber & Kirchschlager 2019, S. 17). Diese Diskussion führt auch bei pädagogischen Fachkräften und Eltern zunehmend zu einer Verunsicherung, ob und in welcher Form Belohnung und Bestrafung ein wirksames und angemessenes Erziehungsmittel sein können (vgl. Heidenreich, 2018).
Die vorliegende Arbeit setzt sich deshalb mit der Anwendung des Verstärkermodells in der Erziehung auseinander und möchte Strafe und Belohnung in der Form, in der sie gegenwärtig in der alltäglichen pädagogischen Praxis vorkommen, genauer betrachten. Dabei soll die Frage beantwortet werden, welche Wirkung und Nebenwirkung insbesondere moderne Formen von Strafe und Belohnung aufdie kindliche Entwicklung haben.
Um ein umfassenderes Bild über den Forschungsgegenstand zu gewinnen wird zunächst geklärt, was man unter Belohnung und Bestrafung aus moralischer und lernpsychologischer Sicht versteht und in welchem Zusammenhang diese Erziehungsmittel mit den Begriffen Macht, Disziplin, Autorität und Gehorsam stehen. Anschließend wird unter Bezugnahme aufdie empirische Forschung die Wirksamkeit dieser Erziehungsmethoden sowie deren Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung erläutert. Abschließend werden die Erkenntnisse der Forschung diskutiert.
2 Methode
Die Fragestellung dieser Arbeit wurde mithilfe einer qualitativen Literaturanalyse untersucht, bei der sowohl ältere Grundlagenliteratur als auch aktuelle pädagogische und psychologische Fachliteratur, sowie relevante Studien zum Thema verwendet wurden. Während das Thema der Belohnung unter anderem durch das Interesse der Wirtschaft im Fokus der Wissenschaft steht, gibt es zur
Strafe als Erziehungsmittel kaum aktuelle Literatur und Forschung. Dieses Phänomen wird auch in der Literatur diskutiert (vgl. Richter, 2018 S. 5). Aus diesem Grund wurde auch ältere Literatur miteinbezogen. Die in dieser Arbeit betrachteten Studien wurden anhand der Querverweise in der Literatur ausgewählt und in online Datenbänken gefunden (researchgate, pubpsych, FachportalPädagogik).
3 Begriffsklärung
Im Folgenden werden die Begriffe Erziehung und Erziehungsmittel, sowie Belohnung und Bestrafung und deren Ausprägungen und Erscheinungsformen näher erläutert, da insbesondere die Strafe ein vielschichtiger und nicht einheitlich zu verstehender Begriff ist.
3.1 Erziehung und Erziehungsmittel
Möchte man sich mit der Bedeutung von Belohnung und Bestrafung als Erziehungsmittel auseinandersetzen, muss geklärt werden was man unter den Begriffen „Erziehung“ und „Erziehungsmittel“ versteht. Zunächst einmal ist Erziehung nichts was isoliert geschieht, sondern sie ist Bestandteil jeder alltäglichen und zwischenmenschlichen Situation und geschieht stets auf der Grundlage einer Beziehung (vgl. Geissler 2006, S. 135). Erziehung ist damit als soziales Handeln zu verstehen, welches Lernprozesse bewusst herbeiführen will (vgl. Hobmair2016, S. 87).
Erziehungsmittel sind nach Geissler „Handlungen, Maßnahmen und Situationen, mit deren Hilfe Erziehende auf Heranwachsende einwirken, in der Absicht, zunächst deren Verhalten, diesem folgend aber auch Einstellungen oder Motive zu bilden, zu festigen oder zu verändern“ (Geissler 2006, S.136). Diese Definition macht deutlich, dass Erziehung nicht nur das Verhalten des Kindes beeinflussen will, sondern auch die dem Verhalten zugrunde liegenden Motive und Einstellungen. Hobmair fügt dem hinzu, dass die Verhaltensänderung des Kindes relativ dauerhaft sein sollte und den vom Erzieher gesetzten Erziehungszielen entsprechen. Er bevorzugt anstelle von Erziehungsmittel den Begriff der Erziehungsmaßnahmen, da der Begriff „Mittel“ suggeriert, damit jederzeit das gewollte Ziel erreichen zu können im Sinne einer mechanistischen Auffassung von Erziehung (vgl. Hobmair2017, S. 226).
Erziehungsmaßnahmen lassen sich in unterstützende und gegenwirkende Maßnahmen einteilen. Unterstützend sind alle Handlungen des Erziehers, die verstärkend wirken und das Verhalten des Kindes dadurch fördern. Als gegenwirkend werden Handlungen bezeichnet, durch die Verhaltensweisen verringert werden sollen. Zu den unterstützenden Erziehungsmaßnahmen gehören Lob und Belohnung, sowie Erfolg und Ermutigung. Die häufigsten gegenwirkenden Maßnahmen sind Tadel und Strafe (vgl. Hobmair 2017, S. 226ff.). Darüber hinaus unterscheidet man Erziehungsmaßnahmen in direkte Erziehungsmaßnahmen zu denen Lob, Belohnung, Tadel, Erinnerung, Ermahnung, Gespräch und Strafe zählen, und in indirekte Erziehungsmaßnahmen wie das Spiel, Gewöhnung, Vorbild, Arbeit und Wetteifer. Während der Erzieher durch direkte Erziehungsmaßnahmen versucht unmittelbar Einfluss auf das Kind zu nehmen, geschieht die Einflussnahme bei den indirekten Erziehungsmaßnahmen über die Gestaltung und Beeinflussung der Umwelt oder Situation (vgl. Geissler 2016, S. 136).
3.2 Belohnung
Unter Belohnung versteht man vom Erzieher eingesetzte Verhaltenskonsequenzen, die für das Kind oder den Jugendlichen als angenehm erlebt werden. Damit soll erreicht werden, dass das erwünschte Verhalten vom zu Erziehenden häufiger gezeigt und erlernt wird (vgl. Hobmair 2017, S. 227). Belohnung ist also den unterstützenden Erziehungsmaßnahmen zuzuordnend. Sie kann darin bestehen, dass ein angenehmer Zustand entsteht oder ein unangenehmer Zustand beseitigt wird. Man spricht hier von Belohnung erster und zweiter Art. Belohnungen bewerten Verhaltensweisen des Belohnten positiv und zeigen ihm dadurch, dass diese Verhaltensweisen erwünscht sind.
Belohnungen sollen positive Gefühle auslösen, bestätigen und motivieren (vgl. ebd. 2017, S. 228).
3.2.1 Materielle und Immaterielle Belohnung
Welche Verhaltenskonsequenzen als Belohnung wirken ist relativ und hängt immer von der Situation, der Bedürfnislage sowie der Persönlichkeit und den individuellen Vorlieben des zu Erziehenden ab (vgl. Hobmair 2016, S. 254). Als Belohnung können materielle oder immaterielle Verstärker dienen. Materielle Verstärker sind meist Gegenstände wie Süßigkeiten, Spielzeug oder Geld. Zu den immateriellen Verstärkern gehört beispielsweise einer beliebten Beschäftigung nachzugehen oder als Belohnung zweiter Art, der Erlass einer unangenehmen Aufgabe. Auch die persönliche Zuwendung in Form gemeinsamer Tätigkeiten, wie dem Spielen, Basteln oder Ausflügen kann als immateriellerVerstärker eingesetzt werden (vgl. Hobmair, 2016 S. 252).
Die Lernpsychologie unterscheidet darüber hinaus primäre und sekundäre Verstärker. Als primäre Verstärker gelten alle Verstärker, die Grundbedürfnisse befriedigen, wie etwa die Nahrungsaufnahme oder das Schlafen. Sekundäre Verstärker dagegen sind meist symbolischer Natur und ihre verstärkende Wirkung wurde durch Konditionierung erlernt. Ein typisches Beispiel für einen sekundären Verstärker ist Geld, aber auch Schulnoten oder Verstärkerpläne, die mit Sammelpunkten arbeiten, gehören dazu (vgl. Bodenmann et al. 2011, S. 109f.).
3.2.2 Lob
Lob ist ein immaterieller und sozialer Verstärker, der in einer positiven Äußerung über eine andere Person besteht und durch Worte, Gesten und Blicke sowohl verbal als auch nonverbal erfolgen kann (vgl. Hobmair 2016, S. 252). Diese Äußerung kann sich auf Persönlichkeitseigenschaften, auf das Verhalten oder aufdie Leistung einer Person beziehen (vgl. Gordon 2014, S. 78).
Lob wird in der Literatur häufig als eine Form der Belohnung dargestellt. Geissler dagegen sieht die Belohnung als eine Unterform des Lobes. Er begründet dies damit, dass Lob an sich ein Ausdruck der Bejahung ist und nicht nur verbal erfolgen kann (vgl. Geissler 2006, S. 154). Belohnung als Erziehungsmittel ist nach seiner Auffassung ein Ausdruck der Anerkennung, die im Gegensatz zum Lob der Anerkennung noch einen zusätzlichen Vorteil hinzufügt. Ein wesentlicher Unterschied zum Lob besteht darin, dass man diese Vorteile in Aussicht stellen kann, noch bevor mit einer Tätigkeit begonnen wurde. Dies ist beim Lob nicht möglich (vgl. ebd. S. 179).
Lob ist immer eine wertende Aussage über eine andere Person und stellt dadurch eine Form der Machtausübung dar (vgl. Hobmair 2017, S. 226). In der Literatur wird deshalb von einigen Autoren versucht, den wertenden Inhalt des Lobes von anderen Formen verbaler Bestätigung abzugrenzen. Bendler und Heise beschreiben die wertschätzende Rückmeldung als eine Alternative zum Lob. Alle Menschen haben ein grundlegendes Bedürfnis nach Wertschätzung. Insbesondere Heranwachsende brauchen die Rückmeldung ihrer Mitmenschen um die Wirkung ihres eigenen Handelns einschätzen zu lernen. Im Gegensatz zur wertenden Aussage des Lobes ist die wertschätzende Rückmeldung eine neutrale Auskunft darüber, in welcher Weise die Handlung meines Gegenübers mein Leben und meine Gefühle beeinflusst. Ein Beispiel hierfür ist die Mithilfe des Kindes im Haushalt nicht mit „Toll, das hast du gut gemacht!“ zu bewerten, sondern stattdessen Auskunft über die eigenen Gefühle zu erteilen „Weil du mir hilfst den Tisch zu decken, bin ich schneller fertig, darüber freue ich mich!“ Die Aussage bleibt damit auf Augenhöhe ohne eine Bewertung im hierarchischen Kontext (vgl. Bendler and Heise 2018, S. 95). Ebenso wie Bendler und Heise grenzt auch Gordon das Lob von bewertungsfreien positiven Botschaften ab. Er beschreit die wertschätzende Rückmeldung als selbstoffenbarende Ich- Botschaft. Diese Botschaft teilt dem Gegenüber mit, wie sein Verhalten wirkt, ohne ihn dabei zu beurteilen (vgl. Gordon 2014, S. 88).
3.3 Bestrafung
Strafe ist ein komplexer, unscharfer und schwer zu definierender Begriff, da er interdisziplinär gebraucht wird und unterschiedliche Phänomene vereinigt (vgl. Richter 2017, S.15 und Geissler 2006, S. 189). Strafen unterliegen laut Richter dem gesellschaftlichen und historischem Wandel und können deshalb immer nur in einem Kontext erfasst werden. Meist liegt der Strafe eine hierarchische Beziehung und eine Ordnung zugrunde, die eine Handlung als Recht oder Unrecht bewertet (vgl. Richter 2018, S. 15).
Im Wesentlichen lassen sich zwei Formen der Strafe unterscheiden, die Geissler in Erziehungs- und Disziplinarstrafe einteilt. Während die Erziehungsstrafe als moralische Strafe zu verstehen ist, stellt die Disziplinarstrafe ein Lenkungsmittel dar, um störende Verhaltensweisen des Kindes zu beeinflussen (vgl. Geissler 2006, S. 190). Beiden Strafformen gemeinsam ist das zugefügte Strafleid (vgl. ebd. S. 205). Huber und Kirchschlager betonen, dass in der pädagogischen Praxis häufig mit einer Mischform der zwei Ausprägungen von Strafe zu rechnen ist (vgl. Huber und Kirchschlager 2019, S. 26).
3.3.1 Erziehungsstrafe
Folgt man den Überlegungen von Scheibe und betrachtet die Strafe im allgemeinen gesellschaftlichen Kontext, lassen sich drei wesentliche Strukturmerkmale von Strafe erkennen. Zuerst das Vorhandensein einer Ordnung, eines Gebotes oder einer allgemein anerkannten Norm. Als Zweites das schuldhafte Übertreten eines solchen Gebotes und infolgedessen das schuldig sprechen durch eine übergeordnete Autorität. Zuletzt die Strafe selbst, als Zufügung eines Leides, das der Täter auf sich nehmen muss. Das Strafleid ist immer mit der Strafe verbunden und macht ihr Wesen aus. Scheibe spricht milder ausgedrückt auch vom Moment des Unangenehmen. Das Unangenehme der Strafe setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, der Missbilligung durch die Autorität und dem jeweiligen Inhalt der Strafe (vgl. Scheibe 1967, S. 303).
Fragt man nach Sinn, Zweck und Bedeutung der moralischen Strafe, so kann zwischen den absoluten Straftheorien, auch Vergeltungstheorien genannt, und den relativen Straftheorien, auch Präventionstheorien genannt, unterschieden werden (vgl. Richter 2018, S. 36f.). Die absoluten Straftheorien haben einen retroperspektivischen Ansatz und beziehen sich auf die Vergangenheit, mit dem Ziel, das begangene Unrecht auszugleichen. Es geht also um Schuldausgleich und der Wiederherstellung von Gerechtigkeit. Strafe rechtfertigt sich vor der Schuld, die jemand durch eine Tat begangen hat. Schuld setzt allerdings die Einsichtsfähigkeit, Verantwortlichkeit und das freiwillige Handeln voraus (vgl. Richter 2018, S. 36f.). Die Strafe als Wiedergutmachung und Sühne erreicht erst dann einen tieferen Sinn, wenn die schuldige Person ein Gefühl der Verantwortung für die eigene Tat entwickelt und Reue in Form eines schlechten Gewissens zeigt (vgl. Scheibe 1967, S. 337). Die relativen Straftheorien verfolgen dagegen das Ziel der Verhinderung zukünftiger Taten zum Schutz der Gemeinschaft. Im Zentrum steht hierbei der Präventionsgedanke. Gestraft wird damit kein Unrecht geschieht. Es geht einerseits um Besserung und andererseits um die Abschreckung vor einer erneuten Tat. Diese Abschreckung zielt als Generalprävention auch auf die gesamte Gesellschaft ab (vgl. Richter 2018, S. 39ff.).
Die abschreckende Wirkung der Strafe wird in der Erziehung häufig als Druckmittel benutzt. Der Hinweis auf die Strafe ist eine Drohung und soll abschreckend wirken, damit das Kind das gewünschte Verhalten zeigt und das unerwünschte unterlässt. Scheibe beschreibt die Drohung als Vorstufe zur Strafe und hält sie für ein fragwürdiges Erziehungsmittel (vgl. Scheibe 1967, S. 229f.). Eine wirkliche erzieherische Wirkung durch Strafe wird nach Geissler erst dann erreicht, wenn das Kind sein Verhalten aus einer inneren gewonnenen Einsicht und Überzeugung heraus ändert und nicht nur aus Angst vor einer drohenden Strafe (vgl. Geissler 2006, S. 205). Geissler verortet die Erziehungsstrafen eher am Rande der Erziehung. Erziehungsstrafen in Form von Wiedergutmachung, symbolischen Strafen oder temporärer Distanzierung sind immer Ermessenstrafen und müssen vom Entwicklungsstand und der Einsichtsfähigkeit des Heranwachsenden abhängig gemacht werden. Er empfiehlt diese Art der Strafe nur bei Leichtsinn und Negativismus anzuwenden. Leichtsinn zeichnet sich durch das wissentliche und bewusste in Kauf nehmen negativer Folgen aus. Negativismus attackiert das Umfeld und beinhaltet Vandalismus, aggressive Belästigung und Handgreiflichkeiten (vgl. Geissler 2006, S. 209f.).
Wenn der Strafbegriff in einem moralischen Zusammenhang gebraucht wird, so setzt er das Vorhandensein eines Täters voraus, der ein Unrecht begeht und sich somit schuldig macht (vgl. Geissler 2006, S. 202). Prange und Strobele-Eisele verweisen darauf, dass es schwierig ist, den Begriff der Schuld in Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen zu gebrauchen (vgl. Prange & Strobele-Eisele 2015, S. 146). Schuldfähigkeit setzt Verantwortungsfähigkeit, Einsicht für sein eigenes Handeln und damit Mündigkeit voraus. Mündigkeit ist aber das eigentliche Ziel, das im Laufe der kindlichen Entwicklung und Erziehung erst erreicht werden soll. Mündigkeit steht also eher am Ende des Erziehungsprozesses (vgl. Geissler2006, S. 211 und Richter2018, S. 43).
3.3.2 Disziplinarstrafe
Im lernpsychologischen Kontext hat die Strafe keinen moralischen Zusammenhang, sondern stellt eine Methode der Verhaltenssteuerung dar (vgl. Brühlmeier 1994, S.7). In diesem Sinne definiert Hobmair Strafe als gegenwirkende Erziehungsmaßnahme, die zum Ziel hat, beim zu Erziehenden eine unangenehme Wirkung auszulösen und dadurch die Auftretenswahrscheinlichkeit eines unerwünschten Verhaltens zu vermindern. Man unterscheidet Bestrafung erster und zweiter Art. Bei der Bestrafung erster Art wird dem zu Erziehenden eine unangenehme Konsequenz zugefügt. Bei der Bestrafung zweiter Art wird ein für den zu Erziehenden angenehmer Zustand beendet oder ihm die Möglichkeit verwehrt diesen zu erreichen(vgl. Hobmair 2017, S. 230 f.).
Das Ziel der Disziplinarstrafe ist die Regeln und Abläufe des gemeinsamen Zusammenlebens zum Wohle aller durchzusetzen. Dazu gehören beispielsweise ritualisierte Tagesabläufe, soziale Rücksichtnahme und Ordnung halten. Disziplinarstrafen treten sozusagen bei Ordnungswidrigkeiten in Kraft und sollen, wie ihr Name schon sagt, eine gewisse Disziplin aufrechterhalten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Regeln für alle Mitglieder der Gemeinschaft verbindlich sind und sich der Inhalt der Strafe als logische Konsequenz direkt von der Art des Verstoßes ableitet. So kann das Kind beispielsweiße erst auf den Spielplatz gehen, wenn es seine Hausaufgaben erledigt hat. Geissler betrachtet die Disziplinarstrafe als notwendige Voraussetzung zur Herstellung von Ordnung, damit Erziehung überhaupt erst stattfinden kann (vgl. Geissler 2006, S. 190ff.).
Geissler setzt die Disziplinarstrafe mit der von Ruldolph Dreikurs beschriebenen „logischen Folge“gleich (vgl. Geissler 2006, S.192 und Dreikurs 2019, S. 91).
Die „logische Folge“ ist eine Verhaltenskonsequenz, die durch ihren sachlichen Zusammenhang mit dem kindlichen Verhalten in der Nähe der „natürlichen Folge“ steht. Eine natürliche Folge ergibt sich immer direkt aus der Handlung und dem Verhalten des Kindes und entsteht alleine durch die Lebensrealität, ganz ohne, dass Erwachsene diese herbeiführen müssen. Wenn ein Kind trödelt und den Schulbus verpasst, ist die natürliche Folge, dass es zu Fuß zur Schule gehen muss. In manchen Fällen gibt es keine natürliche Folge oder diese ist dem Kind nicht zumutbar, ohne es zu gefährden. Weigert sich ein Kind seine Zähne zu putzen, kann die natürliche Folge die Entstehung von Karies sein. Da die Eltern aber die Verantwortung für die Gesundheit des Kindes tragen, muss eine logische Folge an die Stelle der natürlichen Folge treten. Eine logische Folge wäre in diesem Beispiel, dem Kind zuckerhaltige Lebensmittel zu verwehren, bis es bereit ist seine Zähne zu putzen. Logische Folgen kennzeichnet, dass sie möglichst unmittelbar und logisch aus der jeweiligen Situation abzuleiten sind. Das Kind soll aus logischen Folgen lernen für sein Verhalten und Handeln Verantwortung zu übernehmen (vgl. Dreikurs 2019, S. 97).
Hobmair fasst die natürliche und logische Folge unter dem Begriff „sachliche Folge“ zusammen. Unter sachlichen Folgen sind unangenehme Konsequenzen zu verstehen, die sich unmittelbar aus einem bestimmten Verhalten ergeben (vgl. Hobmair 2016, S. 261). Er sieht die sachliche Folge nicht als Zwang oder Machtbeweis, sondern als eine Unannehmlichkeit, die man sich selbst zugezogen hat (vgl. Hobmair & Treffer 1979, S. 78 zitiert nach Hobmair 2016, S. 262). Während Geissler die logische Folge als Disziplinarstrafe betitelt und damit den Begriff der Strafe benutzt, grenzen Dreikurs und Hobmair die logische Folge von der Strafe ab. Laut Hobmair steht die Strafe im Gegensatz zur sachlichen Folge nicht in einem sinnvollen Zusammenhang mit dem Vergehen und wird vom Kind aus einer hierarchischen Perspektive von Mächtigem und Unterlegenem erlebt (vgl. Hobmair & Treffer 1979, S. 77 zitiert nach Hobmair 2017, S. 232). Dreikurs sieht den Unterschied auch in der Art und Weise und mit welcher Intention eine Konsequenz durchgeführt wird. Wird eine logische Folge als Drohung benutzt oder von Ärger, Wut, Belehrung und Schimpfen des Erziehenden begleitet, bekommt diese dadurch den Charakter einer Strafe (vgl. Dreikurs2019, S. 99).
3.3.3 Konsequenz als kaschierte Dominanz
Die unterschiedliche Auffassung darüber was unter dem Begriff Strafe zu verstehen ist, weist auf ein zentrales Problem in der Debatte um Grenzsetzung und Strafen in der Erziehung hin. Da die Strafe in den letzten Jahrzehnten als Erziehungsmittel kritisch betrachtet wurde, ist der Strafbegriff aus dem Sprachgebrauch weitestgehend verschwunden. Anstelle der Strafe tritt heute in der Praxis häufig der Begriff „Konsequenz“. Das Wort Konsequenz leitet sich vom lateinischen „consequi“ ab und meint in seiner ursprünglichen Bedeutung „folgen, daraus folgt, logisch“. Wenn man seine Jacke nicht anzieht bevor man im Winter das Haus verlässt, ist die Konsequenz, dass man friert. Eine Konsequenz ist also die Folge eines bestimmten Verhaltens. Während Frank Natho eine echte Konsequenz dadurch definiert, dass sie ohne jedes zutun von Eltern und Pädagogen eintritt wird der Begriff in der Praxis häufig auch für Strafen wie Taschengeldentzug oder Hausarrest verwendet (vgl. Natho 2013, S. 9ff.). Dadurch kommt es zu einer begrifflichen Verschleierung der Strafe, die auch als kaschierte Dominanz bezeichnet wird (vgl. Reichenbach 2011, S. 121).
Auch die Darstellung der logischen Folgen als eine Alternative zur Strafe wird von verschiedenen Autoren kritisiert. Dreikurs beschreibt als Beispiel für eine logische Folge, dass ein Kind, dass zu spät zum Abendessen kommt, ohne Essen ins Bett gehen muss. Gordon argumentiert dagegen, dass es überhaupt nicht logisch sei ein Kind ohne Essen ins Bett zu schicken. Stattdessen könnte die logische Folge auch sein, einen kalten Snack zu essen oder das Essen in der Mikrowelle aufzuwärmen (vgl. Gordon 2014, S. 61). Ebenso sehen Bendler und Heise, sowie Kohn logische Folgen und Konsequenzen als verschleierte Strafen an. Bendler und Heise kritisieren insbesondere, dass Kindern eine scheinbare Wahlmöglichkeit geboten wird, indem man beispielsweise sagt: „Entweder du machst jetzt deine Hausaufgaben oder du darfst nachher nicht Fernsehen“. Somit liegt die Schuld für die verpasste Fernsehsendung beim Kind selbst. Damit wälzt der Erwachsene seine Verantwortung für das Verhängen einer Strafe auf das Kind ab (vgl. Bendler & Heise 2018, S. 168 sowie Kohn 2016, S. 81). Huber und Kirchschlager kritisieren, dass mit der begrifflichen Verschleierung häufig der Versuch unternommen wird, die Machtverhältnisse in der Erziehung zu verdecken. Dies sollte aber nicht im Sinne einer kritischen Pädagogik sein(vgl. Huber & Kirchschlager 2019, S. 30).
In der Literatur besteht also kein Konsens darüber, was in der Erziehung als Strafe anzusehen ist. Betrachtet man die moralische und lernpsychologische Definition von Strafe, so bildet das bewusste Zufügen eines Leides den gemeinsamen Nenner. Das bedeutet, dass in diese Sinne jede unangenehme Konsequenz, die bewusst zugefügt wird, unter die Definition der Strafe fällt.
4 Belohnung und Bestrafung in der Lernpsychologie
Belohnung und Bestrafung werden in der Erziehung heute weniger moralisch, sondern eher als ein Mittel der Verhaltensbeeinflussung eingesetzt. Deshalb werden im Folgenden die lernpsychologischen Grundlagen des operanten Konditionierens und ihre Rahmenbedingungen im Kontext der Erziehung erläutert.
4.1 Grundlagen des operanten Konditionierens
Die historischen Wurzeln des operanten Konditionierens gehen auf Edward Lee Thorndike zurück. Dieser hatte bei Experimenten mit Katzen in Käfigen beobachtet, dass Belohnung Verhalten verstärkt und Bestrafung es abschwächt. Die Katzen lernten den Riegel des Käfigs zu öffnen, gelangten dadurch an Futter und zeigten dieses Verhalten im Anschluss erneut. Thorndikes Theorie des Lernens am Erfolg, wurde von Burrhus Skinner weiterentwickelt. Skinner befasste sich als Vertreter des Behaviorismus damit, wie Verhalten kontrolliert werden kann. Er ließ dabei jegliche Introspektion, d.h. nicht beobachtbare innere Vorgänge, außer acht. Für seine Experimente mit Tauben konstruierte er die nach ihm benannte Skinner-Box. In diesem Käfig konnten die Tiere durch das Picken an bestimmte Stellen automatisch mit Futter belohnt oder durch Strom bestraft werden. Skinner gebrauchte für diese Methode der Verhaltenssteuerung den Begriff des operanten Konditionierens (vgl. Trimmel 2015, S. 113f.). Unter operanter Konditionierung versteht man die Erhöhung oder Reduzierung der Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise, des sogenannten Operanten, aufgrund der darauffolgenden Konsequenzen. Diese Konsequenzen werden Verstärker genannt. Angenehme Konsequenzen steigern die Auftretenswahrscheinlichkeit, während unangenehme Konsequenzen die Auftretenswahrscheinlichkeitsinken lassen (vgl. Bodenmann et al. 2011, S. 105). Als Verstärker gilt jeder Reiz, welcher auf ein bestimmtes Verhalten möglichst unmittelbar folgt, und die zukünftige Auftretenswahrscheinlichkeit des gezeigten Verhaltens erhöht oder senkt (Reinecker, 1986 zitiert nach Bodenmann et al. 2011, S. 108).
Es lassen sich vier klassische Grundformen der Konsequenzen unterscheiden, die häufig in einem sogenannten Kontingenzschema dargestellt werden.
Abb. 1: Kontingenzschema deroperanten Konditionierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Skinner & Holland 1974, S. 218
Positive Verstärkung: etwas Positives wird dargeboten z.B. Süßigkeiten (Belohnung ersterArt)
Negative Verstärkung: etwas Negatives wird weggenommen z.B. Arbeit (Belohnung zweiterArt)
Direkte Bestrafung: etwas Negatives wird verabreicht z.B. Schmerzen (Bestrafung ersterArt)
Indirekte Bestrafung: etwas Positives wird weggenommen z.B. Fernsehen (Bestrafung zweiterArt) (vgl. Trimmel 2015, S.115)
Bestrafung und Belohnung können somit direkt durch die Zufügung oder indirekt durch die Wegnahme eines Reizes geschehen. Lob und materielle Belohnung sind direkte positive Verstärker und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten noch einmal gezeigt wird (vgl. Bodenmann et al. 2011, S. 112). Als negative Verstärkung bezeichnet man eine indirekte Belohnung, bei der unangenehme Konsequenzen vermieden oder beendet werden. Auch dies führt dazu, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird. Ein Beispiel für eine negative Verstärkung ist der Erlass der Mithilfe im Haushalt, weil das Kind brav seine Hausaufgaben gemacht hat. Häufig begegnet man dieser Form derVerstärkung im Alltag als Vermeidungslernen. Indem man unangenehmen Situationen und Tätigkeiten aus dem Weg geht und diese aufschiebt, wird man indirekt dafür belohnt (vgl. Hobmair 2016, S. 163).
Ebenso wie die Belohnung kann auch die Bestrafung direkt durch das Zufügen eines unangenehmen Reizes oder indirekt durch die Wegnahme eines angenehmen Reizes erfolgen. Tadel ist demnach eine direkte Bestrafung und das Entziehen von Privilegien, Gegenständen oder sozialer Zuwendung sind indirekte Formen von Bestrafung (vgl. Bodenmann et al. 2011, S. 115).
Wird ein zuvor durch Verstärkung gelerntes Verhalten über länger Zeit nicht mehr verstärkt, kann das Verhalten wieder abnehmen und schließlich ganz verlernt werden. Man spricht dann von Extinktion oder Löschung. Das bewusste Ignorieren störender kindlicher Verhaltensweisen bedient sich beispielsweise der Methode der Löschung (vgl. Bodenmann etal.2011,S. 116).
Verstärker können in primäre, sekundäre und generalisierte Verstärker unterteilt werden. Verstärker, welche ohne vorausgegangenen Lernprozess wirken, nennt man primäre Verstärker. Diese Verstärker beziehen sich insbesondere auf biologische Grundbedürfnisse, dazu gehören beispielsweiße Nahrung als ein positiver primärer Verstärker oder Schmerzen als negativer primärer Verstärker. Sekundäre Verstärker hingegen sind konditionierte Reize, welche erst durch die Koppelung mit primären Verstärkern ihre Wirkung erhalten. Dazu gehören beispielsweise Schulnoten und Geld. Geld gilt auch als generalisierter Verstärker, da er gegen primäre Verstärker eingetauscht werden kann (vgl. Bodenmann et al. 2011, S. 109). Verstärker können auch nach der Quelle der Motivation unterschieden werden. Belohnung und Bestrafung gelten als extrinsische Verstärker, da sie von außen motivieren. Im Gegensatz dazu stehen die intrinsischen Verstärker, die als Motivation von innen heraus wirken und in der Person oder der Sache selbst liegen. Intrinsische Motivation entsteht beispielsweiße durch den Neuigkeitsgrad, den Schwierigkeitsgrad oder die Erfolgsaussichten einerAufgabe (vgl. ebd. 2011, S. 110).
4.2 Rahmenbedingungen von Belohnung und Bestrafung
Verhaltensbeeinflussung durch operantes Konditionieren begegnet uns täglich im Alltag. Nicht nur die Werbung bedient sich dieser Methode, sondern jede zwischenmenschliche Interaktion funktioniert nach dem Prinzip. Ein Gesprächspartner, der einen nicht ansieht oder sein Interesse nicht durch Gesten und Worte bekundet, verliert schnell an Attraktivität (vgl. Bodenmann et al. 2011, S. 131f.). Möchte man das Verstärkungslernen jedoch gezielt als Erziehungsmittel einsetzen, um erwünschte Verhaltensweisen zu fördern und unerwünschte abzubauen, so gilt es verschiedene Rahmenbedingungen und Faktoren im Blick zu behalten, die Wirksamkeit und Erfolg der Methode beeinflussen.
Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei die Relativität von Verstärkern. Verhaltenskonsequenzen wirken immer nur dann verstärkend, wenn sie den jeweiligen Bedürfnissen und persönlichen Neigungen des zu Erziehenden entsprechen. Bei einem Kind, das nicht gerne im Wasser spielt, wirkt ein in Aussicht gestellter Schwimmbadbesuch nicht als Belohnung. Die Relativität von Verstärkern kann sich auch darin äußern, dass eine als Bestrafung gedachte Konsequenz des Erwachsenen vom Kind gar nicht als Strafe empfunden wird. Ein Beispiel hierfür ist der Ausschluss eines störenden Kindes vom Unterricht. In der pädagogischen Praxis haben strafende Konsequenzen häufig sogar eine positiv verstärkende Wirkung. So können die Zurechtweisung und der Tadel eines Erwachsenen das Bedürfnis nach Beachtung und Zuwendung des Kindes befriedigen und das störende Verhalten dadurch noch verstärken. Pädagogische Fachkräfte und Eltern neigen dazu, erwünschtes Verhalten als Selbstverständlich zu sehen und zu ignorieren, während unerwünschte Verhaltensweisen meist die Aufmerksamkeit erregen. Andersherum kann ein von der Lehrkraft ausgesprochenes Lob dem Kind auch peinlich sein, weil es nicht gerne im Mittelpunkt steht oder nicht als Streber gelten möchte (vgl. Hobmair 2016, S. 166f.).
Weitere wichtige Bedingungen, die im direkten Zusammenhang mit der Wirksamkeit des operanten Konditionierens stehen, sind der Zeitpunkt, die Konsistenz und die Stärke der Bestrafung. Sigfried Uhl fasste die Ergebnisse verschiedener Studien und Experimente zur Strafwirksamkeit zusammen und kommt zu dem Schluss, dass der Erfolg der Strafe dann am Größten ist, wenn diese gleich beim ersten Auftreten einer Handlung und unmittelbar auf das Verhalten erfolgt. Je länger der zeitliche Abstand zwischen Handlung und Strafe, desto geringer ist auch die erzielte Wirkung. Ebenso verhält es sich mit der Konsistenz der Strafe. Der Erfolg ist hier umso größer, je konsistenter die Strafe erfolgt. Insbesondere ein Wechsel von Belohnung und Bestrafung sollte vermieden werden. Am wirksamsten ist die Bestrafung, wenn sie am Anfang kontinuierlich auf das störende Verhalten erfolgt und anschließend nur noch intermittierend, also in regelmäßig größer werdenden Abständen bestraft wird. In der erzieherischen Praxis ist jedoch oft der umgekehrte Fall anzutreffen. Man beginnt mit gelegentlichen Ermahnungen und versucht die Stärke und Häufigkeit der negativen Konsequenz zu steigern, wenn die Ermahnungen nicht wirken. Dies kann dazu führen, dass das Kind sich durch das häufige Strafen nicht mehr beeindrucken lässt. Um eine ausreichende Wirksamkeit zu zeigen muss, auch die Stärke oder Strenge einer Strafe richtig gewählt werden. Schwache Strafen wie ein missbilligender Blick oder eine Ermahnung wirken oft nicht abschreckend genug. Ein stufenweises Steigern der Strafstärke wirkt sich aber ungünstig auf den Erfolg aus, da sich Menschen auch an verhältnismäßig schwere Strafen gewöhnen, wenn diese langsam gesteigert werden. Am besten wirken Strafen, wenn sie gleich beim ersten Mal ausreichen stark gewählt werden. Zu starke oder ungerecht wirkende Strafen sollten aber vermieden werden, denn sie führen zu Angst oder Rebellion (vgl. Uhl 2012, S. 81 ff.).
Lewin weist darauf hin, dass Belohnung und Bestrafung nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Auch in der erzieherischen Praxis ist es selten möglich, diese getrennt anzuwenden (vgl. Lewin 1964, S. 53). Bendler und Heise bezeichnen Lob und Strafe als zwei Seiten einer Medaille. Dies liegt unter anderem an der schon beschriebenen Relativität der Verstärker durch die eine Bestrafung auch als Belohnung wirken kann und umgekehrt (vgl. Bendler & Heise 2018, S. 97). Zum anderen liegt es auch daran, dass die In-Aussicht-Stellung eine Belohnung oftmals eine versteckte Strafandrohung impliziert. Ein Beispiel hierfür ist das Zensuren System der Schule. Die gute Note ist die Aussicht auf die Belohnung, die schlechte wirkt wie eine Strafe. Man wird also für seine Leistung in der Schulaufgabe entweder belohnt oder bestraft (vgl. Lewin 1964, S. 53). Wenn Lob oder Belohnung häufig als Verstärker eingesetzt werden, kann sich beim Kind auch eine Erwartungshaltung entwickeln, durch die alleine das Ausbleiben der Belohnung dann schon als Strafe empfunden wird (vgl. Gordon 2014, S. 75). Insbesondere wenn nur ein Teil einer Kindergruppe gelobt oder belohnt wird, kann dies für die nicht gelobten Kinder die Botschaft enthalten weniger gut zu sein und deshalb wie eine Bestrafung wirken (vgl. Bendler & Heise 2018, S. 97).
Um Bestrafung und Belohnung als Erziehungsmittel in der pädagogischen Praxis effektiv anzuwenden und das gewünschte Ziel damit zu erreichen, muss dies sehr reflektiert geschehen, es sollte möglichst immer der gesamte Kontext miteinbezogen und die beeinflussenden Faktoren beachtet werden.
4.3 Verhaltenstherapeutische Methoden in der Erziehung
Die Form der Belohnung und Bestrafung in der Erziehung hat sich in den letzten hundert Jahren verändert. Insbesondere die körperliche Bestrafung ist aus der Erziehung weitestgehend verschwunden. An ihre Stelle traten unter anderem operante Methoden aus der Verhaltenstherapie, die in Familien, Kindertagesstätten und Schulen angewendet werden, um Verhalten von Kindern zu beeinflussen. Dazu gehören in erster Linie das „Time-out“ sowie „TokenSysteme“, die im Folgenden beschrieben werden.
[...]
- Citation du texte
- Raphaela Spanfelner (Auteur), 2021, Das Verstärkermodell im erzieherischen Kontext, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1245234
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.