Die Covid-19-Pandemie bestimmt nun seit fast zwei Jahren den Alltag der Menschen. Nach anfänglicher Erwartung einer raschen Rückkehr in die Normalität sind Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und weitere Hygieneregeln zur Gewohnheit geworden. Hoffnungsträgerin ist weiterhin die Impfung. Im neuen Jahr liegt die Impfquote in Deutschland allerdings noch bei knapp unter 75 %. Ein Zustand, an dem laut BR24-Journalist Dominic Possoch die Esoterik mit Schuld haben könnte. Bei beispielsweise Homöopathie und Anthroposophie handele es sich um alternative Heilverfahren, deren Wirkung über den Placebo-Effekt wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden könne. Ihre Anhängerschaft lehne oft konventionelle Medizin ab. Impfungen würden als Eingriff in die körperliche Souveränität verstanden.
Im Luhmannschen Sinne handelt es sich beim Gesundheitssystem um ein gesellschaftliches Teilsystem, dessen Funktion die Wiederherstellung gesellschaftlicher Teilhabe durch Heilung ist. Die Figur des professionellen Arztes gibt den westlichen Standards der Biomedizin ein Gesicht. Sie ist als funktionales Äquivalent zu den Luhmannschen Erfolgsmedien zu deuten. In einer Welt, in der theoretisch die unterschiedlichsten Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind, reduziert die Arztfigur nämlich Überkomplexität und generiert Eindeutigkeit, wird zum Bezugspunkt persönlicher Entscheidungen. Auch angesichts der vernichtenden wissenschaftlichen Lage bezüglich der Effektivität unkonventioneller Behandlungsmethoden ist es deshalb verwunderlich, warum sie so viele Deutsche der Schulmedizin vorziehen, scheinbar unbeeindruckt von der professionellen Figur des Arztes. Was macht Komplementäre und Alternative Medizin (KAM) so attraktiv? Warum verzichten Menschen auf Impfungen?
Folgende Arbeit liefert zuerst eine soziologische Definition, in der KAM in westlichen Gegenwartsgesellschaften als Kategorie relational zur konventionellen Schulmedizin verstanden wird. Es folgt ein Überblick über die Geschichte der Soziologie der Alternativen Medizin und die Vorstellung aktueller Erkenntnisse, die KAM-Nutzung mit dem Thema Impfskeptizismus verbinden. Im zweiten Teil der Arbeit werden drei soziologische Theorien zusammenfassend erläutert, die beide Phänomene erklären können. Dabei handelt es sich um Ansätze von Gross et al. (1985), Mary Douglas (1996) und Anthony Giddens (1997). Jede Theorie wird anhand der aktuellen Covid-19-Pandemie verbildlicht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Soziologie der Alternativen Medizin
- Definition: Komplementäre und Alternative Medizin
- Die Geschichte der Soziologie der Alternativen Medizin
- Die Soziologie der Alternativen Medizin über Impfskepsis
- Erklärungsansätze für KAM-Nutzung und Impfskepsis
- Gross, Honer und Hitzlers Doktors Dilemma
- Mary Douglas Kulturtheorie
- Anthony Giddens' reflexive Moderne
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Nutzung komplementärer und alternativer Medizin (KAM) in der aktuellen Corona-Krise und untersucht den Zusammenhang zwischen KAM-Nutzung und Impfskepsis. Die Arbeit analysiert die soziologische Definition von KAM, beleuchtet die Geschichte der Soziologie der Alternativen Medizin und betrachtet aktuelle Erkenntnisse, die KAM-Nutzung mit Impfskepsis verbinden. Dabei werden drei soziologische Theorien vorgestellt und anhand der aktuellen Pandemie verbildlicht, die diese Phänomene erklären können.
- Die soziologische Definition von KAM
- Die Geschichte der Soziologie der Alternativen Medizin
- Der Zusammenhang zwischen KAM-Nutzung und Impfskepsis
- Soziologische Theorien zur Erklärung von KAM-Nutzung und Impfskepsis
- Die Rolle der Biomedizin im gesellschaftlichen Kontext
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Arbeit stellt die aktuelle Situation in Bezug auf die Covid-19-Pandemie dar, insbesondere die niedrige Impfquote in Deutschland. Sie beleuchtet die Verbindung zwischen dem Glauben an alternative Behandlungsverfahren und der Impfbereitschaft. Der Zusammenhang zwischen KAM-Nutzung und Impfskepsis wird anhand von aktuellen Forschungsergebnissen beleuchtet. Die Arbeit stellt die Rolle der Biomedizin im Kontext des Gesundheitssystems und die Frage nach der Attraktivität von KAM und der Impfskepsis.
Die Soziologie der Alternativen Medizin
Dieses Kapitel definiert den Begriff KAM und differenziert zwischen komplementären und alternativen Heilverfahren. Die Geschichte der Soziologie der Alternativen Medizin wird beleuchtet, mit Fokus auf die Forschungsfragen und Erklärungen für die Nutzung von KAM. Der Zusammenhang zwischen KAM-Nutzung und Impfskepsis wird erörtert.
Erklärungsansätze für KAM-Nutzung und Impfskepsis
Dieses Kapitel stellt drei soziologische Theorien vor, die die KAM-Nutzung und Impfskepsis erklären können. Dazu zählen die Theorie von Gross et al. (1985), Mary Douglas' Kulturtheorie (1996) und Anthony Giddens' reflexive Moderne (1997). Jede Theorie wird anhand der aktuellen Covid-19-Pandemie erläutert.
Schlüsselwörter
Komplementäre und Alternative Medizin, KAM, Impfskepsis, Soziologie der Gesundheit, Biomedizin, Schulmedizin, Gesundheitswesen, Covid-19-Pandemie, Reflexive Moderne, Kulturtheorie, Doktors Dilemma, Individuelle Gesundheitsversorgung, Impfbereitschaft, Vertrauen in die Wissenschaft.
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- Anonym (Autor), 2022, Biomedizin in der (Corona-) Krise. Warum Menschen auf Komplementäre und Alternative Medizin vertrauen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1244962