Die Bachelorarbeit untersucht, wie die Europäische Union etwaige Steuerausfälle durch Online-Marktplätze minimieren möchte. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus den jeweiligen Maßnahmen? Der Onlinehandel gewinnt zunehmend an Bedeutung. Aber was bedeutet der Schritt vom stationären Einzelhandel hin zum eigenen Onlineshop oder gar zum Onlinehandel über eine elektronische Schnittstelle wie Amazon oder Ebay?
Auf der Ebene der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist der Onlinehandel nicht unbedingt vorteilhaft. Durch Online-Marktplatzanbieter, die Waren in der Europäischen Union verkaufen und dabei ihre Umsätze nicht ordnungsgemäß versteuern, verlieren die Mitgliedstaaten jährlich mehrere Millionen EUR an Steuereinnahmen. Außerdem entsteht dadurch ein Wettbewerbsnachteil für diejenigen Anbieter, welche die Steuer nach den Vorschriften abführen.
In dieser Bachelorarbeit werden die Neuregelungen durch die Einführung des Zwei-Stufen-Mehrwertsteuer-Digitalpakets erläutert. Hierzu werden die Regelungen zu Warenlieferungen genannt. Außerdem beschäftigt sich die Arbeit mit den umsatzsteuerlichen Regelungen im Rahmen sonstiger Leistungen über das Internet.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Grundlagen für die Umsatzsteuer im E-Commerce
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1 E-Commerce
2.1.2 B2B, C2C und B2C
2.2 Unternehmereigenschaft
2.3 Lieferungen oder sonstige Leistungen
2.4 Elektronische Schnittstelle
2.5 Kleinunternehmer
3 Lieferungen im E-Commerce
3.1 Innergemeinschaftlicher Fernverkauf (ab 01. Juli 2021)
3.1.1 Ausnahme
3.1.1.1 Kleinstverkäufer
3.1.1.2 Gelegenheitserwerber
3.1.1.3 Verkauf neuer Fahrzeuge
3.2 Fernverkauf aus dem Drittland in einen anderen EU-Mitgliedstaat als den Einfuhrstaat
3.3 Fernverkauf aus dem Drittland in den Einfuhrmitgliedstaat
3.3.1 Lieferungen über einen Online-Marktplatz – Reihengeschäft
3.3.2 Rücksendungen
4 Sonstige Leistungen im E-Commerce
4.1 Ort der sonstigen Leistungen im E-Commerce
4.2 Steuerbefreiungen
4.3 Besonderheiten beim Vertrieb von sonstigen Leistungen über einen Online-Marktplatz
4.4 „Unentgeltliche“ Dienstleistungen – Daten als Entgelt
4.5 Bestimmungslandprinzip und Ursprungslandprinzip
5 One-Stop-Shop
5.1 One-Stop-Shop nach § 18i UStG – Nicht-EU-Regelung
5.2 One-Stop-Shop nach § 18j UStG – EU-Regelung
5.3 Import-One-Stop-Shop nach § 18k UStG
5.4 Übersicht der OSS-Verfahren
5.5 Vorteile des OSS
5.6 Nachteile des OSS
6 Kleinsendungsfreigrenze
7 Herausforderungen
7.1 Herausforderungen für Onlinehändler
7.2 Herausforderungen für Betreiber elektronischer Schnittstellen
7.3 Herausforderungen beim Gesetzesvollzug
7.4 Leistungszurechnung
8 Problematik der Umsatzsteuer im Onlinehandel
8.1 Umsatzsteuerausfälle
8.2 Doppelbesteuerung im grenzüberschreitenden E-Commerce
8.2.1 Ursachen
8.2.2 Korrekturmöglichkeiten
8.3 Defizite beim Gesetzesvollzug
8.4 Identitätsbestimmung der Nutzer der Internetplattformen
8.5 Haftung und Aufzeichnungspflichten der Online-Marktplätze
8.5.1 Aufzeichnungspflichten
8.5.2 Haftung
8.6 Vertragsverletzung wegen elektronischer Marktplätze und Vorsteuervergütung – EuGH-Urteil vom 18. November 2020
8.7 Währungsumrechnung
8.8 Problembereiche im Zusammenhang mit Fernverkäufen
9 Prüfmöglichkeiten der Finanzverwaltung
10 Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen
Rechtsquellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Lieferkette mit Schnittstellenbetreiber
Quelle: Eckert, Karl-Hermann (2021): Mehrwertsteuer-Digitalpaket: Neue gesetzliche Regelungen zur Umsatzsteuer ab 1. Juli 2021, in: BBK Nr. 11 vom 04. Juni 2021, in: nwb-Datenbank, NWB-DokID [VAAAH-79516], S. 539.
Abbildung 2: Tabellarische Übersicht über die jeweiligen Verfahren
Quelle: Eckert, Karl-Hermann (2022): Besondere Besteuerungsverfahren - 3.5 Tabellarische Übersicht der besonderen Besteuerungsverfahren,
in: Kontierungslexikon vom 27. Januar 2022, in: nwb-Datenbank,
NWB-DokID [WAAAH-88819], o. S.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Der Onlinehandel gewinnt zunehmend an Bedeutung. Seit der Jahrtausendwende steigen die Umsätze im deutschen Onlinehandel jährlich an. Auch die Coronapandemie hat dem Onlinehandel nochmals einen deutlichen Wachstumsschub mitgegeben. Im Jahr 2020 wurde auf dem deutschen B2C-Onlinemarkt ein Umsatz in Höhe von 72,8 Milliarden EUR erwirtschaftet. Das entspricht einem Umsatz von rund 23 % mehr als noch im Jahr davor.1 Besonders umsatzstark ist die Kleiderbranche. Diese konnte in Deutschland im Jahr 2020 Schuhe und Kleider im Wert von ca. 21,2 Milliarden EUR handeln.2 Aber auch in anderen Bereichen boomt der Onlinehandel. Die Umsätze durch den Handel mit Elektroartikeln und vielen weiteren Waren steigen jährlich an.3 Als führende Onlinehändler in Deutschland gelten derzeit die Plattformen Amazon, Otto und Zalando. So konnte Amazon in Deutschland im Jahr 2020 einen Umsatz in Höhe von 25,88 Milliarden EUR erzielen.4 Das entspricht etwa dem Doppelten des Umsatzes der auf Platz zwei liegenden Plattform Otto. Diese konnte im Geschäftsjahr 2020/2021 in Deutschland einen Umsatz in Höhe von 4,5 Milliarden EUR erwirtschaften.5 Bezüglich der Geschlechter der Kunden kann man sagen, dass etwas mehr Männer als Frauen auf den Onlinehandel zurückgreifen. Betrachtet man das Alter der Kunden, kann man feststellen, dass ab dem Jahr 2020 zunehmend auch Kunden ab 50 online einkaufen. So hat diese Altersgruppe im Jahr 2020 etwa 56 % der deutschen Online-Umsätze getätigt. Dies ist vermutlich größtenteils auf die Coronapandemie zurückzuführen.6 Der Onlinehandel wächst stetig, aber trotzdem gibt es nach wie vor Konsumenten, welche lieber auf den stationären Einzelhandel zurückgreifen. So hat der Onlinehandel im Jahr 2020 einen Marktanteil in Höhe von 12,6 % am gesamten Einzelhandel. Auch die Händler stationärer Märkte bieten ihre Ware zunehmend online an, doch die Anforderungen an den Onlinehandel sind groß. Viele greifen daher auf die Variante zurück, ihre Ware auf dem Amazon-Marktplatz anzubieten.7 Aber was bedeutet der Schritt vom stationären Einzelhandel hin zum eigenen Onlineshop oder gar zum Onlinehandel über eine elektronische Schnittstelle wie Amazon oder Ebay?
Auf der Ebene der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist der Onlinehandel nicht unbedingt vorteilhaft. Durch Online-Marktplatzanbieter, die Waren in der Europäischen Union verkaufen und dabei ihre Umsätze nicht ordnungsgemäß versteuern, verlieren die Mitgliedstaaten jährlich mehrere Millionen EUR an Steuereinnahmen. Außerdem entsteht dadurch ein Wettbewerbsnachteil für diejenigen Anbieter, welche die Steuer nach den Vorschriften abführen.8
Fraglich ist in diesem Zusammenhang, was unternommen wird, um die Steuerausfälle zu minimieren und allen Anbietern gerecht zu werden und welche Vorteile, Nachteile und Herausforderungen sich hieraus ergeben.
Zur Beantwortung dieser Fragen werden zunächst in Kapitel 2 die Grundlagen erläutert, welche für den weiteren Verlauf wichtig sind. Im sich anschließenden Kapitel 3 werden ein paar Abgrenzungen genauer erklärt. Anschließend sollen die Neuregelungen durch die Einführung des Zwei-Stufen-Mehrwertsteuer-Digitalpakets erläutert werden. Hierzu werden die Regelungen zu Warenlieferungen in Kapitel 3 genannt. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich das Kapitel 4 mit den umsatzsteuerlichen Regelungen im Rahmen sonstiger Leistungen über das Internet. In Kapitel 5 werden die sich aus dem Zwei-Stufen-Mehrwertsteuer-Digitalpaket entstandenen Besteuerungsverfahren vorgestellt. Des Weiteren werden Herausforderungen und Problemfelder im Bereich des E-Commerce aufgegriffen und analysiert. Danach werden Möglichkeiten vorgestellt, die die Finanzverwaltung hat, um den Umsatzsteuerbetrug zu verhindern und eine bessere Kontrolle über bestimmte Umsätze zu haben. Die Arbeit schließt mit einer thesenförmigen Zusammenfassung.
In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.
2 Die Grundlagen für die Umsatzsteuer im E-Commerce
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1 E-Commerce
Der Begriff „electronic commerce“ bzw. „E-Commerce“ heißt übersetzt „elektronische Geschäftsabwicklung“9 und stellt ein Oberbegriff für alle Geschäfte dar, welche über das Internet abgeschlossen werden.10 Er umfasst sowohl den Onlinehandel als auch elektronisch erbrachte Dienstleistungen. Wird im Folgenden nun von Onlinehandel gesprochen, ist eine Lieferung von beweglichen und unbeweglichen Gegenständen gemeint, welche sich an eine Bestellung über das Internet anschließt. Eine Dienstleistung wird auch E-Service genannt und umfasst im Folgenden eine Übereignung über das Internet. Ein Beispiel für ein E-Service wäre das Bereitstellen einer App oder das zur Verfügung stellen von Musik.11
2.1.2 B2B, C2C und B2C
Bei jedem Kauf wird ein Kaufvertrag zwischen den Beteiligten geschlossen. Im EU-Recht gibt es drei verschiedene Arten von Verträgen über Waren und Dienstleistungen. Unterschieden wird zwischen einem Business to Business-Vertrag (B2B), einem Consumer to Consumer-Vertrag (C2C) und einem Business to Consumer-Vertrag (B2C). Die Komponente „Business“ umfasst einen Unternehmer, wohingegen der Consumer einen Verbraucher darstellt. Somit sind B2B-Verträge Verträge zwischen zwei Unternehmern. Bei C2C-Verträgen handelt es sich um Verträge zwischen zwei Verbrauchern und B2C-Verträge sind letztlich Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher.12 Da es sich bei einem Consumer um keinen umsatzsteuerlichen Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG handelt, sind C2C-Beziehungen im Folgenden wenig bedeutsam.
2.2 Unternehmereigenschaft
Gem. § 2 UStG ist ein Unternehmer, „wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. […] Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.“ Diese Information benötigt man über einen Kunden, um ein Online-Geschäft umsatzsteuerlich einordnen zu können. Außerdem muss man wissen, ob die Leistung für das Unternehmen des Kunden ist oder nicht.
2.3 Lieferungen oder sonstige Leistungen
Was eine Lieferung und was eine sonstige Leistung ist, wird im Umsatzsteuergesetz ausdrücklich genannt. Bei Lieferungen eines Unternehmers handelt es sich gem. § 3 Abs. 1 UStG um „Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen“. Eine sonstige Leistung ist gem. § 3 Abs. 9 UStG eine Leistung, die keine Lieferung ist. Dieser Unterschied ist entscheidend für die Bestimmung des Leistungsortes, welcher wiederum für die Steuerbarkeit der Leistung entscheidend ist.13 Bei Lieferungen von Waren ist es grundsätzlich so, dass sich der Ort der Lieferung nach dem tatsächlichen Warenweg bestimmt. Erfolgt die Ausführung der Lieferung im Inland, ist die Lieferung steuerbar. Erfolgt die Lieferung im Ausland, ist sie nicht in Deutschland umsatzsteuerbar und somit auch nicht umsatzsteuerpflichtig.14 Bei sonstigen Leistungen ist es grundsätzlich so, dass die Umsatzsteuer dort anfällt, wo der Leistende seine Betriebsstätte bzw. seinen Sitz hat.15 Grundsätzlich gilt also, dass nur im Inland stattfindende wirtschaftliche Vorgänge mit der Umsatzsteuer besteuert werden. Für die Ortsbestimmungen gibt es allerdings zahlreiche Ausnahmen. Der Leistungsort bei einer Lieferung ermittelt sich daher bspw. nach den §§ 3 Abs. 6 – 8 und 3c UStG. Liegen unentgeltliche Wertabgaben vor, wird der Leistungsort nach § 3f UStG bestimmt. Sonstige Leistungen werden nach den Regelungen des § 3a UStG bestimmt und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Beförderungsleistungen nach § 3b UStG.16 Im Zusammenhang mit dem Thema Onlinehandel und Dienstleistungen über das Internet stellt sich nun die Frage, ob es sich hierbei um Lieferungen oder sonstige Leistungen handelt, wann eine Lieferung vorliegt, in welchen Fällen eine sonstige Leistung vorliegt und wie der Leistungsort in diesen Fällen zu bestimmen ist? Auf diese Fragen wird im späteren Verlauf etwas genauer eingegangen.
2.4 Elektronische Schnittstelle
Eine elektronische Schnittstelle umfasst gem. § 25e Abs. 5 UStG einen „elektronischen Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches“. Diese Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet.
2.5 Kleinunternehmer
Ein Unternehmer hat die Möglichkeit umsatzsteuerlich als Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG aufzutreten, wenn er gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG im vorangegangenen Wirtschaftsjahr nicht mehr als 22.000 EUR Umsatz erwirtschaftet hat und eine Umsatzgrenze in Höhe von 50.000 EUR im laufenden Jahr voraussichtlich nicht überschreiten wird. Die Umsätze errechnen sich gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG aus dem Gesamtumsatz der vereinnahmten Entgelte abzüglich der Umsätze für darin enthaltene Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Als Kleinunternehmer nimmt man Gebrauch von der Vereinfachungsregelung, dass man in den Ausgangsrechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen muss und diese auch nicht abführen muss. Dafür darf er im Gegenzug keine Vorsteuer geltend machen. Diese Umsatzsteuerbefreiung gilt für Lieferungen und sonstige Leistungen, welche nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und steuerpflichtig sind (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG). Auch unentgeltliche Wertabgaben sind in dieser Regelung inbegriffen.17
Für Unternehmer, bei denen die Anwendung dieser Kleinunternehmerregelung in Betracht kommt, gilt abzuwägen, ob sich diese Regelung lohnt oder ob der Vorsteuerabzug ggf. höher ist als die Umsatzsteuerzahllast. Dies kann mithilfe einer betriebswirtschaftlichen Beratung überprüft werden.18 Zusätzlich gibt es im Gesetzestext genannte Umsätze, für die ein Unternehmer trotz Anwendung der Kleinunternehmerregelung Umsatzsteuer abführen muss, ohne dass er im Gegenzug Vorsteuer hierfür geltend machen darf. Hierunter zählen:
Ø die geschuldete Umsatzsteuer nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 sowie die nach § 13b Abs. 5, § 14c Abs. 2 und § 25 Abs. 2 UStG geschuldete Steuer (gem. § 19 Abs. 1 Satz 3 UStG)
Ø die innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge (gem. § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG)
Ø die innergemeinschaftlichen Erwerbe, Beförderungseinzelbesteuerungen und Einfuhren
Ø die Beträge, für welche i. S. d. § 14c Abs. 2 UStG unrichtiger Weise Umsatzsteuer ausgewiesen werden.19
Hiermit hat der leistende Unternehmer eine Belastung, ohne dass er im Gegenzug eine Vorsteuerabzugsberichtigung i. S. d. § 15 Abs. 4a UStG begründen kann. Zudem hat der Erwerber die Umsatzsteuer zu berücksichtigen. Der Kleinunternehmer kann in diesem Fall einen Erlassantrag aus sachlichen Billigkeitsgründen i. S. d. § 163 AO stellen.20
Gem. § 19 Abs. 2 UStG kann auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet werden. Die Entscheidung gegenüber dem Finanzamt für eine Regelbesteuerung bindet den Unternehmer gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG für fünf Kalenderjahre.
3 Lieferungen im E-Commerce
Zum 01. Juli 2021 gab es eine Änderung im Bereich des Versandhandels. Die Versandhandelsregelung wurde zur sogenannten Fernverkaufsregelung geändert.21 Der Begriff des Fernverkaufs tritt seit dem 01. Juli 2021 in einigen Stellen des Umsatzsteuergesetzes auf. Für die unterschiedlichen Definitionen bzw. Auslegungen des Begriffs sind sowohl der liefernde Unternehmer und der Erwerberkreis als auch der tatsächliche Warenweg und die (Nicht-)Einbindung elektronischer Schnittstellen von Bedeutung.22 Die Unterschiede der einzelnen Fernverkäufe in Abhängigkeit der genannten Faktoren wird im Folgenden dargelegt. Betroffen von der Änderung der Versandhandelsregelung zur Fernverkaufsregelung sind im Großen und Ganzen alle B2C-Verkäufe. Dies bedeutet, Unternehmer, die einen Gegenstand an einen Endverbraucher in einem anderen EU-Mitgliedstaat selbst befördern oder versenden. Steuerbar sind die Fernverkäufe in der Regel dort, wo die Beförderung oder Versendung endet.23
3.1 Innergemeinschaftlicher Fernverkauf (ab 01. Juli 2021)
Um einen innergemeinschaftlichen Fernverkauf handelt es sich laut Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL bei einer Lieferung von einem Unternehmer an einen Nichtunternehmer. Ein Nichtunternehmer umfasst zum einen eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person und zum anderen einen Erwerber nach den Vorschriften des § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG.24 Fraglich ist, wie der Unternehmer den Status des Käufers bestimmen kann. Hierfür gibt es lediglich eine Möglichkeit: die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.). Wird für den Kauf eine USt-IdNr. verwendet, so kann der leistende Unternehmer davon ausgehen, dass es sich beim Endkunden um einen Unternehmer handelt und sich der Ort der Lieferung nicht nach § 3c UStG, sondern nach den Regelungen des § 3 Abs. 6 bis 8 UStG bestimmt.25 In diesem Fall könnte eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung i. S. d. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG in Verbindung mit § 6a UStG vorliegen. Hinzu kommt die Verpflichtung in diesem Fall eine zusammenfassende Meldung abgeben zu müssen.26
Bei einem innergemeinschaftlichen Fernverkauf wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder für dessen Rechnung und durch indirekte oder direkte Beteiligung dessen an einen Erwerber aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaats versendet oder befördert. Maßgebend hierfür ist lediglich der Warenweg, nicht der Ansässigkeitsort der beiden Vertragsparteien.27 Bei einer Abholung der Ware durch den Kunden kann die Fernverkaufsregelung nicht angewendet werden. Wird der Transport der Ware durch den Abnehmer veranlasst, kann diese Regelung ebenfalls nicht angewendet werden. In diesen Fällen erfolgt die Besteuerung im Ursprungsland.28 Ebenfalls nicht von der Regelung des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs betroffen sind Gegenstände, die montiert oder installiert werden. Auch Lieferungen von neuen Fahrzeugen sind von dieser Regelung ausgeschlossen.29 Weiterhin fallen differenzbesteuerte Lieferungen30 und B2B-Lieferungen, also Lieferungen an Unternehmer, nicht unter diese Regelung. Diese werden als innergemeinschaftliche Lieferung i. S. d. § 6a UStG behandelt.
Der Ort eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs bestimmt sich nicht nach den allgemeinen Ortsregeln gem. § 3 Abs. 6 bis 8 UStG, sondern gem. § 3c UStG und liegt gem. § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG am Ende der Versendung oder Beförderung an den Erwerber.31 Dieser liegt dann in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Das hat zur Folge, dass die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe in diesem EU-Land umsatzsteuerpflichtig sind. Daher sollte sich der Unternehmer in diesem Land mit der Umsatzsteuer auskennen, denn dort muss die Umsatzsteuer erklärt und bezahlt werden. Er muss sich in diesem Land bei der zuständigen Finanzbehörde registrieren und dort sowohl Steuererklärungen und Steueranmeldungen abgeben als auch die Umsatzsteuer dort abführen. Seit dem 01. Juli 2021 gibt es ein neues Verfahren, welches es den Unternehmern erspart, sich in dem Mitgliedstaat registrieren zu müssen und die Erklärung der Umsätze aus den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen anmelden und erklären zu müssen. Dieses Verfahren i. S. d. § 18j UStG wird OSS (One-Stop-Shop) genannt und wird später etwas genauer erklärt.32
3.1.1 Ausnahme
3.1.1.1 Kleinstverkäufer
Eine Ausnahme von der in Kapitel 3.1 genannten Regelungen gibt es für Kleinstverkäufer. Ist ein Unternehmer, der die Leistung erbringt, in nur einem Mitgliedstaat ansässig und überschreitet er mit den Umsätzen aus innergemeinschaftlichen Fernverkäufen33 saldiert mit den Umsätzen aus auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen nach § 3 Abs. 5 Satz 2 UStG und den Umsätzen aus sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Rundfunk und Fernsehdienstleistungen34 sowohl im vorangegangenen Kalenderjahr als auch im laufenden Kalenderjahr eine Schwelle von 10.000 EUR nicht, so gilt für die Ortsbestimmung der Beginn der Versendung oder Beförderung. Somit sind diese Umsätze in dem Land steuerbar, in welchem der Transport der Ware beginnt. Meist handelt es sich hierbei um das Land, in welchem der Unternehmer ansässig ist, sodass sich dieser ausschließlich mit dem Umsatzsteuersystem in diesem Land beschäftigen muss und nicht mit dem eines anderen Mitgliedstaats. Dem Unternehmer ist es möglich, auf die Anwendung dieser 10.000 EUR-Schwelle zu verzichten. Erklärt der Unternehmer diesen Verzicht gegenüber dem Finanzamt, bindet ihn diese Entscheidung für mindestens zwei Kalenderjahre.35 Vorteilhaft ist der Verzicht auf die Anwendung der Umsatzschwelle vor allem dann, wenn der Umsatzsteuersatz im Bestimmungsland niedrigerer ist als im Ursprungsland.36 So hat beispielweise Luxemburg einen Mehrwertsteuersatz von 17 %.37 Deutschland hat gem. § 12 UStG hingegen einen Steuersatz in Höhe von 19 %. Somit bezahlt ein Unternehmer, welcher hauptsächlich Waren von Deutschland nach Luxemburg befördert oder versendet, lieber 17 % Umsatzsteuer in Luxemburg als 19 % Umsatzsteuer in Deutschland. Verzichtet er auf die Abführung der Umsatzsteuer im Ursprungsland, so gilt dies für alle innergemeinschaftlichen Fernverkäufe. Der Verzicht auf die Vereinfachungsregelung kann folglich auch zu Ungunsten des Unternehmers erfolgen, wenn er Ware in einen Mitgliedstaat mit einem höheren Steuersatz, wie z. B. Dänemark (25 %), befördert oder versendet.38 Hier muss der Unternehmer ggf. abwägen, ob ein Verzicht auf die Anwendung der Schwelle im Zusammenhang mit den jeweiligen Ländern und den dort geltenden Umsatzsteuersätzen sinnvoll ist oder nicht. Arbeitet ein Unternehmer verhältnismäßig viel mit Ländern zusammen, die einen niedrigeren Steuersatz haben, kann sich ein Verzicht aus steuerlicher Sicht lohnen.
3.1.1.2 Gelegenheitserwerber
Der Begriff des Gelegenheitserwerbers hatte besonders vor der Einführung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets eine zentrale Bedeutung. Lieferte ein Unternehmer Waren an einen im Bestimmungsland ansässigen Gelegenheitserwerber, unterlagen diese nicht der Erwerbsbesteuerung, wenn sie die im jeweiligen Land geltende Erwerbsschwelle nicht überschritten. Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren, wie bspw. der Lieferung von Tabakwaren oder alkoholischer Getränke, fand diese Regelung der Erwerbsteuerbefreiung keine Anwendung.
Gelegenheitserwerber sind vor allem in diesem Zusammenhang Kleinunternehmer, nicht unternehmerische juristische Personen, pauschalierende Landwirte und Abnehmer, welche keine USt-IdNr. haben und nur steuerfreie Umsätze ausführen und kein Vorsteuerabzugsrecht haben.39
3.1.1.3 Verkauf neuer Fahrzeuge
Handelt es sich um eine Lieferung eines neuen Fahrzeugs nach den Vorschriften des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Buchst. b MwStSystRL, so bestimmt sich der Lieferort nach den Vorschriften des § 3 Abs. 6 UStG. Hiernach gilt die Lieferung als dort ausgeführt, wo die Versendung oder Beförderung des neuen Fahrzeugs beginnt.40
3.2 Fernverkauf aus dem Drittland in einen anderen EU-Mitgliedstaat als den Einfuhrstaat
Endet die Lieferung eines Gegenstands bei einem Fernverkauf aus einem Drittland nicht im Einfuhrmitgliedstaat sondern in einem anderen Mitgliedstaat, so bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3c Abs. 2 Satz 1 UStG und liegt dort, wo sich der Gegenstand am Ende der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet.41 Gem. § 3 Abs. 3a Satz 4 und 5 UStG ist der Abnehmerkreis äquivalent zum Abnehmerkreis eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs. Ebenfalls gelten dieselben Ausnahmen wie bei einem innergemeinschaftlichen Fernverkauf.
3.3 Fernverkauf aus dem Drittland in den Einfuhrmitgliedstaat
Bei einem Einfuhr-Fernverkauf aus einem Drittland ohne die Einbindung einer
elektronischen Schnittstelle i. S. d. § 3c Abs. 2 und 3 UStG, bei dem das Ende der Versendung oder der Beförderung im Einfuhrmitgliedstaat liegt, liegt auch der Ort der Lieferung unabhängig vom Status des Leistungsempfängers in diesem Staat (Bestimmungslandprinzip).42 Dies gilt gem. § 3c Abs. 3 Satz 1 UStG allerdings nur unter der Bedingung, dass die Steuer auf diesen Gegenstand gemäß dem One-Stop-Shop-Verfahren, also dem besonderen Besteuerungsverfahren gem. § 18k UStG, erklärt wird. Findet das One-Stop-Shop-Verfahren keine Anwendung, so wird der Ort der Lieferung gem. § 3 Abs. 6 und 7 UStG bestimmt (Ursprungslandprinzip). Gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG liegt der Ort der Lieferung dann dort, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. In einem Fall, bei dem der Gegenstand weder versendet noch befördert wird, gilt die Lieferung gem. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG als dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Bezüglich des Abnehmerkreises gilt dasselbe wie bei einem innergemeinschaftlichen Fernverkauf.43
3.3.1 Lieferungen über einen Online-Marktplatz – Reihengeschäft
Wird ein Betreiber eines Online-Marktplatzes (wie z. B. Amazon oder Ebay) in die Lieferkette involviert, liegt fiktiv ein Reihengeschäft vor. Hierbei wird der Marktplatzbetreiber so behandelt, als hätte er die Lieferung von dem Versandhändler erhalten und diese Lieferung selbst an den Kunden des Versandhändlers durchgeführt. Es gibt zwei Arten von Lieferungen, für welche dies gilt. Zum einen gilt dies für eine Lieferung durch den Versandhändler, welcher ein Unternehmer ist, aber nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, an einen Nichtunternehmer, bei der die Versendung oder Beförderung sowohl im Gemeinschaftsgebiet beginnt als auch in einem EU-Mitgliedstaat endet. Zum anderen gilt dies für Lieferungen i. S. d. Fernverkaufs aus dem Drittland.44 Hierbei darf der Wert der Sendung maximal 150 EUR betragen und an einen Gelegenheitserwerber oder einen Nichtunternehmer erfolgen.45 Montagelieferungen und die Lieferung neuer Fahrzeuge sind auch in diesem Fall von der Regelung ausgenommen. Die Reihengeschäftsfiktion betrifft somit nur Lieferungen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets, welche von Unternehmer in einem Drittland getätigt werden. Ist der Versandhändler also in der EU ansässig oder überschreitet der Sachwert eines Fernverkaufs aus dem Drittland eine Grenze von 150 EUR, greift die Reihengeschäftsfiktion nicht.46
Erfüllt die Lieferkette die oben genannten Voraussetzungen, so wird der Warenweg gem. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG wie zwei Lieferungen behandelt: die Lieferung eines Versandhändlers an den Betreiber des Online-Marktplatzes und die Lieferung des Marktplatzbetreibers an einen Kunden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten47
Abbildung 1: Lieferkette mit Schnittstellenbetreiber
Gem. § 3 Abs. 6b UStG wird die Warenbewegung der Lieferung des Marktplatzbetreibers zugeordnet. Die Lieferung des Versandhändlers, der in einem Drittstaat ansässig ist, an den Betreiber des Online-Marktplatzes, welcher in diesem Fall sein Lager in DE hat, ist eine ruhende Lieferung und ist gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG in DE steuerbar. Allerdings ist diese fiktive, ruhende Lieferung gem. § 4 Nr. 4c UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Lieferung vom Marktplatzbetreiber an den Kunden, welcher in DE wohnt, ist gem. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG sowohl in DE steuerbar als auch steuerpflichtig.48 Steuerschuldner ist der Betreiber der elektronischen Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a UStG.49 Zur Erklärung dieser Umsatzsteuer gibt es für den Betreiber des Online-Marktplatzes entweder die Möglichkeit, die Steuer über den One-Stop-Shop zu erklären oder die Erklärung über das allgemeine Besteuerungsverfahren in DE abzugeben.50
Die Änderungen durch den im Jahr 2021 neu eingeführten § 3 Abs. 3a UStG haben zusätzlich zum Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Betreiber der elektronischen Schnittstelle Auswirkungen auf die Haftung der Betreiber.51
3.3.2 Rücksendungen
Fraglich ist, wie Retouren behandelt werden müssen. Gefällt dem Kunden der gelieferte Gegenstand nicht, ist dieser beschädigt oder liegt ein anderer Grund für die Unzufriedenheit des Kunden mit dem gelieferten Gegenstand vor, so kann dieser eine Rücksendung veranlassen. Diese Retoure führt zu einer Rückgängigmachung der ursprünglich stattgefundenen Lieferung i. S. d. Abschn. 17.1 Abs. 8 Satz 2 UStAE. Der Onlinehändler überweist dem Kunden das Geld zurück bzw. erhält der Kunde seine erbrachte Gegenleistung zurück. Gleichzeitig muss der Onlinehändler den Umsatz gem. § 17 UStG rückgängig machen. Im selben Zug muss er die Umsatzsteuer berichtigen, damit er die abgeführte Umsatzsteuer wieder zurückerstattet bekommt. Etwas komplizierter ist eine Rücksendung über einen Drittanbieter, wie z. B. über den paneuropäischen Versand durch Amazon.52 Händler, die dieses System nutzen, senden ihre Ware nur noch an ein inländisches Amazon-Lager. Amazon verteilt und lagert die Waren europaweit in Amazon-Versandzentren bzw. in denjenigen Ländern, die für die Lagerung ausgewählt wurden. Somit kann die Ware aus jedem beliebigen Lager im Inland oder im Ausland schneller und günstiger zum Kunden gelangen.53 Bei der Rücksendung wird die Ware in das Land des jeweiligen Marketplace versendet und nicht zwingend in das Ursprungsland. Dadurch sinkt der Lagerbestand, ohne dass ein Ausgangsumsatz entgegensteht. Fraglich ist, ob in diesem Zusammenhang ein Verbringen erklärt werden muss. Zum Zeitpunkt des Beginns der Rücksendung, hat der Kunde die Verfügungsmacht über die Ware. Damit kann auch kein Verbringen eines Gegenstandes vorliegen, welcher dem Unternehmer gehört und folglich muss der Unternehmer auch kein Verbringen von dem Land des Kunden in das Land des Marketplace und auch kein Verbringen vom Ausgangsland ist das Ansässigkeitsland des Kunden erklären. Ein Problem dieses Systems ist auch, dass es in der Praxis zu Nachfragen der Steuerbehörden kommt, wenn der Lagerbestand aufgrund der Retouren in andere Länder nicht zu den Umsätzen im Bestimmungsland passt und gleichzeitig in einem anderen Land viele innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Eingangsumsätze im Verhältnis zu wenigen Ausgangsumsätzen verbucht sind. Eine große Herausforderung für die Unternehmer im Zusammenhang mit dem Pan-EU-Programm über Amazon sind auch die länderübergreifenden Registrierungspflichten und die Erklärungspflichten im Ausland. Trotz des einfachen Einstiegs mit ein paar wenigen Klicks im Internet, erfordert die Teilnahme an diesem System eine ausführliche steuerliche Beratung im Voraus. Ansonsten kann es bei Unwissenheit schnell zu Problemen hinsichtlich Steuernachforderungen im Ausland oder auch im Inland kommen. Zusätzlich muss sich der Unternehmer über die zusätzlichen Kosten im Klaren sein und sich dessen bewusst sein, dass nicht nur Steuerberatungskosten auf ihn zukommen, sondern auch Kosten im Bereich der IT und möglicherweise interne Verwaltungskosten, bspw. für Personal.54
4 Sonstige Leistungen im E-Commerce
Bei sonstigen Leistungen handelt es sich im Gegensatz zu Lieferungen nicht um körperliche Gegenstände i. S. d. § 90 BGB, an welchen man sich die Verfügungsmacht schaffen kann. Stattdessen werden bei online erbrachten sonstigen Leistungen Nutzungsrechte übertragen. Diese unterliegen laut Abschn. 3.1 Abs. 4 UStAE wie eine regional erbrachte sonstige Leistung der Besteuerung.55 Gem. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG und Art. 58 Abs. 1 MwStSystRL werden folgende drei Arten von auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen / elektronisch erbrachte Dienstleistungen unterschieden: sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen.
Unter den auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen zählen gem. Art. 7 Abs. 2 MwStVO bspw. die Bereitstellung digitaler Produkte, wie z. B. einer Software und die dazugehörigen Upgrades, die Bereitstellung von Websites und Webhoustings, die Fernwartung von Webseiten oder das Recht, gegen Entgelt eine Leistung auf einem Online-Marktplatz anzubieten, „wobei die potentiellen Käufer ihr Gebot im Wege eines automatisierten Verfahrens abgeben und die Beteiligten durch eine automatische, computergenerierte E-Mail über das Zustandekommen eines Verkaufs unterrichtet werden“ (Art. 7 Abs. 2 Buchst. b MwStVO). Aber auch die Bereitstellung von Texten, Bildern, Musik, Filmen und Fernunterricht sowie die Bereitstellung von Datenbanken, Informationen und die Nutzung von Lotterien und Glücksspielen und die Ausstrahlung von Sendungen und Veranstaltungen stellen eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung dar.56 Auch die Verträge über elektronische Dienstleistungen werden meist elektronisch abgeschlossen.57
Für die Ortsbestimmung hat der Status der Kunden eine zentrale Bedeutung.58 Wie die besondere Bestimmung des Leistungsorts dieser drei Arten von sonstigen Leistungen erfolgt, wird im Folgenden erläutert.
4.1 Ort der sonstigen Leistungen im E-Commerce
Für die Ortbestimmung muss unterschieden werden, ob es sich beim Empfänger um einen Unternehmer (B2B-Leistung) oder um einen Endverbraucher (B2C-Leistung) handelt. Für beide Parteien wird weitgehend das Bestimmungslandprinzip angewendet.
Ist der Empfänger der sonstigen Leistung nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig, so bestimmt sich der Ort der in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG genannten sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 4 Satz 1 UStG und liegt dort, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz hat. Auch der Ort von auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen sowie der Rundfunk- und Fernseherdienstleistungen und auch bei Telekommunikationsdienstleistungen liegt seit dem 01. Januar 2015 gem. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG dort, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz bzw. seinen Wohnsitz hat. Der Sitz der Betriebsstätte des Unternehmers ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.59 Diese Regelung ergibt sich aus Artikel 58 Abs. 1 MwStSystRL, welche bis zum 31. Dezember 2014 gegolten hat. Die neue Fassung des § 3a Abs. 5 UStG entstand am 25. Juli 2014 durch das sog. Kroatiengesetz.60 Diese Neufassung „entspricht Artikel 58 MwStSystRL in der Fassung des Artikel 5 der Richtlinie 2008/8/EG vom 11. Februar 2008“.61
Hierfür gibt es jedoch seit dem 01. Januar 2019 eine Ausnahme: hat der Unternehmer seinen Sitz in nur einem EU-Mitgliedstaat und erbringt er eine Rundfunk-, Fernseher- oder auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung an einen Nichtunternehmer, dessen Ansässigkeit in anderen Mitgliedstaaten der EU liegt, dann bestimmt sich der Ort abweichend von § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG und liegt dann gem. § 3a Abs. 1 UStG dort, wo der leistende Unternehmer seine Betriebsstätte hat oder dort, wo die Leistung tatsächlich ausgeführt wird. Auch hiervon gibt es eine Bedingung, welche sich auf die Überschreitung der 10.000 EUR-Schwelle bezieht. Überschreitet der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den oben genannten sonstigen Leistungen summiert mit den Einkünften aus innergemeinschaftlichen Fernverkäufen
i. S. d. § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG entweder im Vorjahr oder im laufenden Jahr diese Grenze, so findet die Ortsbestimmung gem. § 3a Abs. 1 UStG keine Anwendung.
[...]
1 Vgl. Statista Research Department (2021), o. S.
2 Vgl. Beyondata (2021), o. S.
3 Vgl. Statistisches Bundesamt (2022), o. S.
4 Vgl. Hielscher (2021), o. S.
5 Vgl. Surholt (2021), o. S.
6 Vgl. Statista Research Department (2021), o. S.
7 Vgl. idw (2021), o. S.
8 Vgl. Wengerofsky (2021), S. 14.
9 Vgl. Trieß (2017), S. 1.
10 Vgl. Kollmann (2011), o. S.
11 Vgl. Trieß (2017), S. 1.
12 Vgl. Schmidt (2021), o. S.
13 Vgl. Wenning (2021), S. 1.
14 Vgl. Henseler (2020), Rz. 1.
15 Vgl. Boehme-Neßler (2001), S. 204.
16 Vgl. Wenning (2021), S. 1.
17 Vgl. Henseler (2020), Rz. 5.
18 Vgl. Trieß (2017), S. 46.
19 Vgl. Henseler (2020), Rz. 5.
20 Vgl. Henseler (2020), Rz. 4.
21 Vgl. BMF-Schreiben vom 01. April 2021, III C 3 – S 7340/19/10003 :022, BStBl. I 2021, S. 629.
22 Vgl. Ramb (2021), S. 1615.
23 Vgl. Huschens (2021), HI863703, o. S.
24 Vgl. Gerhards (2021), S. 194.
25 Vgl. Fietz / Kranzfelder (2022), S. 615 – 631.
26 Vgl. Eckert (2021), S. 1054.
27 Vgl. Gerhards (2021), S. 194.
28 Vgl. Eckert (2021), S. 1053.
29 Vgl. Langer (2021), Rz. 18.3.
30 Vgl. Huschens (2021), S. 79.
31 Vgl. Huschens (2021), HI14369064, o. S.
32 Vgl. Huschens (2021), HI863705, o. S.
33 Vgl. Huschens (2021), S. 79.
34 Vgl. BMF-Schreiben vom 01. April 2021, III C 3 – S 7340/19/10003 :022, BStBl. I 2021, S. 629.
35 Vgl. Damm / Köllmann (2021), Rz. 106.
36 Vgl. Neeser (2021), S. 300.
37 Vgl. Weymüller (2019), Rz. 7.
38 Vgl. Neeser (2021), S. 300.
39 Vgl. Huschens (2021), HI863709, o. S. i. V. m. Huschen (2021), HI14369062, o. S.
40 Vgl. Langer (2021), Rz. 18.6.
41 Vgl. Haufe Online Redaktion vom 23. März 2021, o. S.
42 Vgl. Kratz / Barros (2021), S. 1014.
43 Vgl. Haufe Online Redaktion vom 23. März 2021, o. S.
44 Vgl. Huschens (2021), Rz. 4.2 – 4.5.
45 Vgl. Röck (2021), HI14467686, o. S.
46 Vgl. Huschens (2021), Rz. 4.2 – 4.5.
47 Eckert (2021), S. 539.
48 Vgl. Huschens (2021), HI14369068, o. S.
49 Vgl. BMF-Schreiben vom 01. April 2021, III C 3 – S 7340/19/10003 :022, BStBl. I 2021, S. 629.
50 Vgl. Huschens (2021), HI14369068, o. S.
51 Vgl. BMF-Schreiben vom 01. April 2021, III C 3 – S 7340/19/10003 :022, BStBl. I 2021, S. 629.
52 Vgl. Trieß (2017), S. 45.
53 Vgl. Hammerl / Fietz (2017), S. 1755.
54 Vgl. Hammerl / Fietz (2017), S. 1762 f.
55 Vgl. Kirsch / Keiper (2021), S. 2208.
56 Vgl. Geeb (2019), S. 12.
57 Vgl. Dürrschmidt, S. 20.
58 Vgl. Janzen (2022), Rz. 1.
59 Vgl. Langer (2021), Rz. 17.
60 Vgl. Langer (2021), Rz. 23.
61 Langer (2021), Rz. 23.
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- Anonymous,, 2022, Der Onlinehandel in der Umsatzsteuer. Vorteile, Nachteile und Herausforderungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1244147
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