Die nachfolgende Analyse widmet sich der Thematisierung und Inszenierung von Weiblichkeitskonzeptionen in William Shakespeares "Twelfth Night". In der Gegenüberstellung der Figuren Olivia und der Viola werden zwei unterschiedliche Weiblichkeitsmodelle dargestellt. Diese Darstellung wird durch Verwendung bestimmter Zeichensysteme und vor allem durch die doppeldeutige Inszenierung Violas bestimmt. Ich werde zunächst Olivia und ihre Weiblichkeit untersuchen. Anschließend werde ich Viola bzw. Cesario in ihrer Weiblichkeitsdarstellung betrachten. In einer abschließenden Schlussbetrachtung werde ich die beiden Frauen vergleichen und daraus meine Schlüsse bezüglich meiner These ziehen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Die dramatische Inszenierung und Thematisierung von Weiblichkeit in
Twelfth Night
2. 1 Ein einfaches Modell von Weiblichkeit? Eine Analyse der Figur Olivia
2.2 Viola- eine komplex inszenierte Figur? Eine Analyse der Figur der Viola
3. Schlussbetrachtung: Ein Vergleich zweier konträrer Entwürfe von Weiblichkeit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Frauen telefonieren und shoppen stundenlang. Das höchste Ziel ist es, zu heiraten und die familiäre Idylle zu bewahren. Ist das wirklich weiblich? Was ist Weiblichkeit? Diese Frage war zu Shakespeares Zeiten genauso aktuell wie auch heute noch. Aus heutiger Sicht müssen zwei Begriffe bezüglich der Geschlechterdebatte klar definiert werden: Der Begriff Sex beschreibt die biologischen Unterschiede, also die primären Geschlechtsmerkmale durch die Männer und Frauen in ihrer körperlichen Konstitution unterschieden werden. Der Begriff Gender hingegen beschreibt das soziale Geschlecht bzw. die soziale Geschlechtsidentität, die in unterschiedlichen Gesellschaften schon früh anerzogen werden. Man kann also sagen, dass geschlechtsspezifische Identitäten gesellschaftlich durch Zeichensysteme konstruiert werden. Kulturelle Zeichensysteme wie Sprache, Kleidung, Verhalten und Ding-Symbole variieren von Gemeinschaft zu Gemeinschaft, definieren aber klar weibliche und männliche Verhaltensweisen und Ansichten. Die Zeichensysteme werden individuell entschlüsselt und setzen den Rahmen für Verhalten.
Während des elisabethanischen Zeitalters (etwa 1550-1660) wurde im Rahmen der “formal controversy“ schon sehr früh die Definition von Weiblichkeit in Frage gestellt. Die Renaissance stellt eine Phase des Wandels dar, in der die kosmische Ordnung und damit auch die untergeordnete Rolle der Frau ins Wanken geriet. Bedingt durch die Regentschaft Elisabeths (1558-1603) entstand ein politisches crossdressing der Königin. Sie setzt sich gegen die missbilligenden Stimmen der patriarchalischen Gesellschaft durch, indem sie sich in ihrem Verhalten nicht gegen gängige Konventionen widersetzt. Gleichzeitig nimmt sie aber entschieden die Rolle der Herrscherin ein, die ihr von Gott gegeben wurde.[1] Aufgrund des weiblichen Einflusses (Elisabeth ist Königin und beeinflusst das öffentliche Leben) tragen Frauen plötzlich Männerkleidung und begehren gegen die vorherrschenden Konventionen auf.[2]
Die veränderte Haltung von Frauen wird u.a. auch in zahlreichen Dramen dieser Zeit sichtbar. Vor allem William Shakespeare nimmt das Motiv der crossdressed heroine in fünf seiner Dramen auf. In den Dramen werden neue Weiblichkeitsentwürfe dargestellt, indem die Frauen durch Verkleidung aktiv den main plot bestimmen und so bestehende Geschlechterverständnisse beginnen in Frage zu stellen.[3] Obwohl neue Konzeptionen entstehen, bleiben Frauen dennoch weiterhin im öffentlichen Leben eher passiv. Entwürfe der „neuen Frau“ werden von androgynen Knaben gespielt. Das heißt, dass das öffentliche Theater der englischen Renaissance weitestgehend „Männersache“ ist. Sowohl Schauspieler als auch Theatermanager sind männlichen Geschlechts. Dadurch entwickelt sich eine homoerotische Nuance, die zu dieser Zeit auf der Bühne dem Publikum deutlich wird. Die sittsame Frau hält sich aus dem öffentlichen Leben zurück und schweigt. Sich auf der Bühne zur Schau zur stellen widerspricht den Normen der weiblichen Keuschheit. Gleichwohl tritt die Frau auf der Bühne in Erscheinung und durch die Darstellung von jungen Männern tritt eine Kontorverse auf. Denn durch die theatergebundene Konvention der schauspielerischen Darstellung wird deutlich, dass bereits zu dieser frühen Zeit die Frage nach Geschlechteridentität gestellt wurde.
Die nachfolgende Analyse widmet sich der Thematisierung und Inszenierung von Weiblichkeitskonzeptionen in William Shakespeares Twelfth Night. In der Gegenüberstellung der Figuren Olivia und der Viola werden zwei unterschiedliche Weiblichkeitsmodelle dargestellt. Diese Darstellung wird durch Verwendung bestimmter Zeichensysteme und vor allem durch die doppeldeutige Inszenierung Violas bestimmt. Ich werde zunächst Olivia und ihre Weiblichkeit untersuchen. Anschließend werde ich Viola bzw. Cesario in ihrer Weiblichkeitsdarstellung betrachten. In einer abschließenden Schlussbetrachtung werde ich die beiden Frauen vergleichen und daraus meine Schlüsse bezüglich meiner These ziehen.
2. Die dramatische Inszenierung und Thematisierung von Weiblichkeit in Twelfth Night
2. 1 Ein einfaches Modell von Weiblichkeit? Eine Analyse der Figur Olivia
Vor allem in Shakespeares Komödien sind Frauenrollen quantitativ stark vertreten, die meist den romantischen Handlungsstrang vorantreiben und ihre Liebe offensichtlich darlegen. So auch in Twelfth Night. Zwei Frauenfiguren dominieren den Handlungsverlauf. Viola/Cesario steht als Protagonistin im Mittelpunkt der Komödie. Aufgrund deren Inszenierung kann der Rezipient den Eindruck erhalten, dass Olivia nur eine Nebenrolle in der Komödie übernimmt. Bei genauerer Lektüre wird jedoch deutlich, dass die Figur dennoch komplex inszeniert wird. Man kann erkennen, dass Olivia eine Entwicklung durchlebt, die durchaus kontrovers diskutiert werden kann. Wie aus der Einleitung bereits hervorgeht, wird die Inszenierung der Figuren durch die gängigen Theater- aber auch Gesellschaftskonventionen bestimmt. Olivia kann in der Komödie aus zwei Perspektiven betrachtet werden, die nun ausführlicher analysiert werden sollen.
Zum einen wird Olivia als typische Frau dargestellt, die vollständig dem elisabethanischen Schönheits- und Verhaltenskatalog gerecht wird. Die Gräfin wird über gängige Zeichensysteme inszeniert. Sowohl ihre Wortwahl als auch das Verhalten bedienen gesellschaftliche Zeichensysteme. Als die in Illyrien lebende Gräfin gehört sie dem Adel an und ist somit eine gesellschaftlich hochgestellte Dame, die vom Grafen Orsino heftig begehrt und verehrt wird. Für ihn stellt sie das Ideal einer Frau dar, die es zu erobern bzw. zu begehren gilt:
O, when mine eyes did see Olivia first
Methought she purged the air of pestilence;
That instant was I turned into a hart,
And my desires, like fell and cruel hounds,
E’er since pursue me.
(1.1.18-22)
Olivia lebt in selbstgewählter Abgeschiedenheit, da sie ihrem jüngst verstorbenen Bruder eine siebenjährige Trauerzeit versprochen hat. Sie hat der Männerwelt abgeschworen und zieht Isolation vor: “They say, she hath abjured the sight/ And company of men“ (1.2.36-37). Dieser Schwur macht Olivia gleichwohl interessanter und erhöht die petrakistische Verehrung Orsinos, da Olivia unerreichbar scheint. Der elisabethanischen Konvention entsprechend, bleibt sie dem öffentlichen Leben fern und führt ein Leben jenseits der Gesellschaft. In ihrer Trauer um den verstorbenen Vater und Bruder entsagt sich Olivia jeglicher Aufmerksamkeit und agiert in der „kulturellen Codierung des zeitgenössischen Geschlechterverständnisses“.[4] Alle Liebeswerbungen wehrt sie ab und möchte niemanden zu sich lassen. So ist auch ihr Hauspersonal dazu angeleitet, keine Gesellschaft zu empfangen: “Go you, Malvolio. If it be a suit from the/ Count, I am sick, or not at home-what you will to dismiss it“ (1.5.93-94). Ihr ablehnendes Verhalten führt zu noch größerer Leidenschaft, die Orsino dazu anleiten, seinen jungen Pagen Cesario zur Liebeswerbung bei Olivia zu schicken. Diese Begegnung führt schließlich zum veränderten Verhalten Olivias. Im Verlauf des ersten Akts wird Olivias anfängliche Zurückhaltung dann von dem jungen Cesario (die von der verkleideten Viola dargestellt wird) durchbrochen. Als der Liebesbote bei Olivia erscheint, wird ihre liebesfeindliche Einstellung langsam aufgehoben. Zunächst agiert Olivia ganz der Konvention entsprechend zurückhaltend und ist nicht gewillt, den fremden Pagen zu sich zu lassen bzw. verhüllt ihr Gesicht vor ihm: “Give me my veil. Come, throw it o’er my face. /We’ll once more hear Orsino’s embassy“ (1.5.147-148). Sie ist sehr passiv und skeptisch und kann das rüde Auftreten des vermeintlichen Pagen gegenüber ihrer Person kaum akzeptieren (1.5.187). Olivia verfolgt die Liebesschwüre Orsinos kaum mit Interesse und spricht auch ihre hochgelobte Schönheit ab (1.5.215-218). Sie gibt dem Pagen klar zu verstehen, dass sie seinen Grafen trotz aristokratischer Herkunft nicht lieben kann, weil sie der Männerwelt abgeschworen hat. Sie fasst Orsinos Werbung eher als Heuchelei auf und ist nicht gewillt, Orsinos Liebe zu erwidern: “Your lord does know my mind, I cannot love him“ (1.5.226). Dennoch verändert Olivia ihr Verhalten vollständig, je länger sie in der Gegenwart von dem Pagen Cesario ist. Olivia wird nun in ihrem vom Verhalten von der doppelt inszenierten Identität Violas/Cesarios beeinflusst. Viola bedient sich verschiedener Zeichensysteme, nämlich sowohl Verhalten als auch Kleidung, die männlich kodiert sind. Olivia wird ein Mann gegenübergestellt, der ihr Interesse weckt, obwohl Cesario nicht ihrem gesellschaftlichen Stand entspricht. Olivia sieht in Cesario einen forschen Jüngling und ist von dessen Erscheinung beeindruckt. Somit wird Olivia zu Beginn der Handlung unbewusst mit der Problematik gender und sex konfrontiert, die nun das Auftreten Olivias bestimmen. Olivia wird Teil des Verwirrspiels um Violas Identität und agiert entgegen gesellschaftlicher Normen, indem sie nun einen aktiven Part übernimmt. Olivias Rückschluss von Cesarios „fiktivem“ Geschlecht auf das biologische Geschlecht muss scheitern, weil Cesarios gesellschaftliches und biologisches Geschlecht nicht übereinstimmen“, so argumentiert Elke Schuch.[5] Diese durchaus kritische Betrachtung scheint sich nicht negativ auf Olivia auszuwirken.
[...]
[1] Vgl. Elke Schuch (2003:34-35): „Elisabeth war einerseits Englands rechtmäßige Thronerbin, aber anderseits war die Herrschaft einer Frau über Männer denkerisch ausgeschlossen.“ Elke Schuch macht in ihrer Argumentation weiterhin deutlich, dass „die Regentschaft Elisabeths, die mit ihrer innen- und außenpolitischen Erfolgsbilanz das männliche Vorurteil der „schwachen Frau“ wirkungsvoll widerlegte“, eine Königin darstellt, di sich durchaus geschickt inszenierte und sich gegen Kritiker durchaus erfolgreich durchsetzte.
[2] Vgl. Elke Schuch (2003:26): „Da Kleider Insignien für das biologische Geschlecht und den gesellschaftlichen Stand des Trägers waren, kam durch diese Nichtbeachtung der strengen elisabethanischen Kleiderordnung ein fest gefügtes Signifikationssystem ins Wanken.“
[3] Vgl. Anette Simonis (2004:36): „In den Komödien gestattet die Konvention der Verkleidung den Frauenfiguren, aus ihrer konventionalisierten sozialen Geschlechterrolle, die überwiegend durch Passivität und gehorsame Einordnung in die patriarchalische Ordnung gekennzeichnet ist, vorübergehend herauszutreten und männliche Aufgaben zu übernehmen.“
[4] Anette Simonis (2004:36)
[5] Elke Schuch (2003: 135)
- Citar trabajo
- Franziska Wandtke (Autor), 2006, Thematisierung und Inszenierung von Weiblichkeit am Beispiel der Figuren Olivia und Viola in William Shakespeares "Twelfth Night", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124375
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