Wunder. Schon in der Kindheit werden wir mit Wundern aller Art konfrontiert. Auch in der Bibel sind viele Geschichten über Wunder zu finden. Doch, was bedeuten solche Geschichten?
Diese neutestamentliche Exegese befasst sich mit dem Gleichnis "Die Heilung eines Aussätzigen" aus dem Matthäusevangelium. Sie beinhaltet alle gängigen Analyseschritte unter Nutzung verschiedenster, qualitativer Fachliteratur. Zudem wurde der Übersetzungsvergleich mit vier Bibeln gemacht, sodass ein weiter Überblick gegeben wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Der Text
1.1 Personliche Annaherung an den Text
1.2 Ubersetzungsvergleich
1.3 Abgrenzung des Textes und Einordung in den Kontext
2. Situationsanalyse
3. Sachanalyse
4. Die vertiefende Textbeschreibung
4.1.1 Syntaktische Analyse
4.1.2 Semantische Analyse
4.1.3 Pragmatische Analyse
4.2 Narrative Analyse
4.2.1 Die Ebene der Geschichte
4.2.2 Die Ebene des Erzahlens
5. Form-und Gattungsanalyse
6. Frage nach der Entstehungsgeschichte des Textes
6.1 Literarkritik
6.1.1 synoptischerVergleich
6.2 Redaktionsgeschichte
7. Traditions-und Motivanalyse
7.1 Traditions-und Motivanalyse
7.2 Religionsgeschichtlicher Vergleich
8. Interpretation des Textes
8.1 Versweise Exegese
8.2 Interpretation des Textes im Gegenwartskontext
9. Literaturverzeichnis
10. Anhang
1. Der Text
,,Als er aber herabgestiegen war vom Berg, folgten ihm viele Volksmengen. 2 Und siehe, ein Aussatziger, hinzukommend, fiel nieder vor ihm, sagend: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen. 3 Und ausstreckend die Hand, beruhrte er ihn, sagend: Ich will, werde gereinigt! Und sogleich wurde gereinigt sein Aussatz. 4 Und es sagt ihm Jesus: Sieh, dab zu keinem du sprichst, sondem geh fort, zeig dich dem Priester und bring dar die Gabe, die verordnete Moyses, zum Zeugnis ihnenU1
1.1 Personliche Annaherung an den Text
Wunder. Schon in der Kindheit werden wir mit Wundem aller Art konfrontiert. Auch in der Bibel sind viele Geschichten uber Wunder zu finden. Doch, was bedeuten solche Geschichten? Wenn wir damals uber Wundergeschichten in der Schule gesprochen haben, war das meistens uber die Heilung des blinden Bartimaus oder die Heilung eines Gelahmten. Andere Erzahlungen blieben meist unberuhrt. Doch schon damals waren solche Geschichten mit der kindlichen Fantasie und ohne Ruckbindung an den historischen Kontext schwierig zu begreifen. Beim ersten Uesen meiner ausgewahlten Perikope sticb ich auf einige Begriffe, welche mir nicht direkt gelaufig sind. Aussatz, Zeugnis und die Verbindung zu Mose kann ich ableiten und eine Verbindung dazu herleiten, allerdings nur vage. Der Begriff Aussatz bewirkt bei mir eine Verbindung zu Menschen, die aussatzig und nicht mehr Teil einer Gemeinschaft sind, aber die Krankheit Uepra, habe ich damit nicht primar in Verbindung gesetzt. Demnach setze ich mir zum Ziel, diese Begrifflichkeiten zu klaren und mit dem damaligen Verstandnis in Verbindung zu bringen, um die Botschaft des Textes zu verstehen und zu erkennen, welche Aussage fur die Gegenwart aus dem Text entspringen kann, damit die Wundergeschichte greifbar wird.
1.2 Ubersetzungsvergleich
Im folgenden Ubersetzungsvergleich wird die gewahlte Perikope in folgenden Ubersetzungen untersucht und verglichen: I. Uutherbibel 20172; II. ElberfelderBibel3; III. das MunchnerNeue Testament 19984.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Tabellarische Darstellung des Ubersetzungsvergleichs Legende: Gemeinsamkeite /Unterschiede
Die obige Tabelle zeigt, dass sich die Ubersetzungen nicht groB unterscheiden. In Anbetracht auf das genutzte Vokabular fallen einige Worter auf, die mittels anderer Begriffe ubersetzt wurden. Dazu gehort beispielsweise die Menge der Gefolgschaft Jesu vom Berg. In der Lutherbibel wird nur von einer Menge gesprochen, welche einen groBen Interpretationsraum bieten. In den anderen ausgewahlten Bibelausgaben wird die Menge durch die Begriffe „Volksmenge“ und „Menschenmenge“ definierter. Ebenso ein Begriff ist der des „niederfallen“ oder „vorwerfen“. In der Elberfelder Bibel wird der Begriff „vorwerfen“ gebraucht, welcher die Handlung etwas markanter und intensiver beschreibt, als „niederfallen“. Alles in allem sind die Begriffe dennoch ahnlich und tragen keinen anderen Bedeutungsinhalt, sondem konnen andere Sachverhalte starker betonen.
Die Ubersetzung nach Luther weist in Vers 4 weitere Abweichungen im Ausdruck auf. Bei Luther wird der Aussatzige aufgefordert, die Gabe zu opfem. In den weiteren Ubersetzungen, auch in der Bibel ,,Gute Nachricht“ ist von „darbringen“ die Rede. Darbringen ist in diesem Fall sanfter formuliert und wird in Verbindung mit Gabe darbringen wohl eher positiv konnotiert, als eine Gabe zu opfem. Opfergabe scheint meist eine negative Wirkung auf den Leser zu haben. Ebenso fallt ein Tempuswechsel bei Luther in Vers 4 auf. Das Munchner NT und die Elberfelder Bibel bleiben im Prasens „spricht“ und „sagt“. Bei Luther hingegen wird Prateritum gebraucht „sprach“.
Die Ubersetzung der Bibel ,,Gute Nachricht“ birgt Besonderheiten in der Wortwahl. Vergleichend zu den anderen gewahlten Ubersetzungen werden gegenwartige und vereinfachte Begriffe gebraucht, um den Text auch ohne weitreichendes Vorwissen verstehen zu konnen. Auffallend ist, dass die Reinigung mit „gesund machen“ ubersetzt wird, sodass die Thematik „rein und unrein“ nicht weiter an einer Bedeutungsrelevanz festhalt. Damit wird nicht tiefgrundiger danach gefragt und der Text oberflachlicher betrachtet.5 Auch mit der „Ubersetzung“ der Aussage ,,(...) zeige dich dem Priester und opfere die Gabe, die Mose befohlen hat, ihnen zum Zeugnis.“6 durch ,,(...) bring das Opfer, das Mose vorgeschrieben hat. Die Verantwortlichen sollen wissen, dass ich das Gesetz emst nehme.“7 wird gezeigt, dass hierbei Begrifflichkeiten, welche durch Traditionen gekennzeichnet sind, direkt erklart und anders ubersetzt werden. Diese Bibel ist eine freie Ubersetzung und hat, im Vergleich zu den anderen Ubersetzungen durchweg veranderte oder anders ausgelegte Ausdrucke. Dies fallt nicht nur in der ausgewahlten Perikope auf, sondem ist ganzlich zu beobachten.
Zusammenfassend wird deutlich, dass die Kemaussagen des zu ubermittelnden Inhalts in den Ubersetzungen unverandert bleiben. Daruber hinaus sind die Schlusselbegriffe, ausgenommen die Bibel ,,Gute Nachricht“, nahezu identisch ubersetzt, bis auf die andere Schreibweise „Mose“ im Munchner NT, welche aber keinerlei Auswirkungen hat. Die Bibel ,,Gute Nachricht“ hat auch einige dieser Schlusselbegriffe inne, aber nicht alle. Begriffe, welche mit einer Tradition behaftet sind, wie Zeugnis, werden umschrieben. Auch Erganzungen diesbezuglich sind zu finden, sodass beispielsweise die Funktion des Priesters beschrieben wird.
1.3 Abgrenzung des Textes und Einordung in den Kontext
Mit Beginn der Perikope Mt 8,1-4 wird von der Bergpredigt zu einer neuen Geschichte ubergeleitet. Bedeutet, die erste groBe Rede Jesu wird beendet. Die dort gesprochenen Worte werden unmittelbar in die Tat umgesetzt und direkt das Gesetz erfullt, welches in der Bergpredigt thematisiert wird. Dabei fallt ein Ortswechsel auf, bei diesem Jesus gemeinsam mit seiner Volksmenge vom Berg hinabsteigt. Da die Perikope lediglich den Weg vom Berg hinunter beschreibt, findet kein zeitlicher Wechsel statt. Alle drei Heilserzahlungen des Kapitels weisen Verben der Bewegung auf. Die erste ist die gewahlte Perikope mit der Heilung eines Aussatzigen, die mit der Beschreibung des Wegs vom Berg herab beginnt. Der Chronologie entsprechend folgt die Erzahlung uber den Hauptmann von Kapemaum, bei dem Jesus nach seiner Bergpredigt in Kapemaum eintrifft. Zuletzt kam Jesus in das Haus des Petrus.8 Der nachste groBe Block ist die Aussendungsrede. Nach der Grobgliederung von Karl-Wilhelm Niebuhr befmdet sich die Perikope in dem Block ,,Jesus als der Messias des Wortes und der Tat“ und folgt der ersten groBe Rede Jesu, der Bergpredigt.9 Mit Blick auf das gesamte Evangelium lasst sich die ausgewahlte Perikope an den Beginn des Evangeliums einordnen.
Fur Matthaus stehen erzahlerische Momente im Vordergrund und bilden einen erzahlerischen Aufbau. Anzumerken hierbei ist, dass Matthaus die Jesusgeschichte chronologisch darstellen mochte. Diese beginnt mit Jesu und seinem Volk und endet mit seiner Kreuzigung und der darauffolgenden Auferstehung, wenn die Perikope in ihr Umfeld eingebettet wird. Seine Chronologie ist stimmig und aufeinander aufbauend, da er die einzelnen Geschichten zeitlich und geografisch miteinander verknupft, aber historisch nicht korrekt. Der Schweizer Theologe Ulrich Luz nennt diese Aneinanderreihung der Erzahlungen fiktiv und betont, dass es dem Redaktor Matthaus bewusst gewesen sein muss.10
2. Situationsanalyse
Dem Verfasser des Evangeliums wurde der Name Matthaus (Mt) erst im Nachhinein verliehen. Zudem schreibt man ihm einejudische Herkunft zu, da sich eine Nahe zum Judentum zeigt. Dies kann durch Bibelstellen belegt werden, bei diesen sieh eine Toratreue zur Gemeinde herausstellt und die Annahme der judischen Hcrkunft bekraftigt wird.11 Anzumerken ist hierbei, dass fur Matthaus die Erfullung des Gesetzes, sowie auch die Gerechtigkeit im Vordergrund stand.12 Auch die Anerkennung der Vollmacht Jesu, im Namen Gottes zu handeln, ist ein wichtiges Motiv fur das Matthausevangelium. An Jesus zu glauben bedeutet fur Mt, den Willen Gottes zu tun und sein personliches Handeln nach diesem Willen auszufuhren. Das Gesetz zu wahren besteht fur Mt nicht darin, Vorschriften oder Gebote einzuhalten, sondem es besteht die Forderung nach dem Tun des Willen Gottes.13
Matthaus setzt die Tempelzerstorung in seinem Evangelium voraus (vgl. Mt 22,7). Dies bezeugen auch die auBeren Umstande zu der Zeit, als der Tempel zerstort wurde und die stetig starker werdende Ausgrenzung und Verfolgungen der fruhchristlichen Gemeinde zur Sprache kommt. Durch die Zerstorung des Tempels veranderte sieh die Situation der judischen Bevolkerung, da ein Umbruch stattfand und die fruhchristliche Gemeinde vom Gemeindeleben ausgeschlossen wurde.14 Demnach stieBen sie auf Ausgrenzung und Diskriminierung seitens der Schriftgelehrten und der Pharisaer. Das pharisaische Judentum setzte sieh durch und verfolgte andere religiose Gruppen, auch die judenchristliche Gemeinde, an diese Mt sein Evangelium richtete.15 Die matthaische Gemeinde hatte keinen Ort fur Versammlungen mehr und man entzog ihnen das Recht auf diese.16 Dies brachte einen Prozess in Gang, bei diesen sieh die fruhchristliche Gemeinde eine neue Identitat aufbauen musste, denn durch Verfolgung, Diskriminierung und Verbote, konnten sie ihre Religion nicht mehr ausleben. Weiterhin kann Syrien als Abfassungsort festgehalten werden, denn Matthaus nutzt Verweise, welche auf Syrien hindeuten, wie beispielsweise in Mt 4,24, bei dem Syrien direkt erwahnt wird. Durch das Zusammenspiel dieser Fakten lasst sieh die Entstehungszeit auf 80. und 90 n. Chr. festlegen.17
Fur den weiteren Verlauf ist die Anerkennung von Jesu Vollmacht und die auBere Situation der matthaischen Gemeinde ausschlaggebend. Sein Evangelium ist dahingehend aufgebaut, an die Gemeindesituation anzuknupfen, um das Auftreten der „Gesetzlosigkeit“, wie Mt dies beschreibt, zu unterbinden und mit seinem Evangelium eine „bessere Gerechtigkeit“ aufzuzeigen, bei dem sieh die Gemeinde zu Jesus Christus bekennt und verbindliche christliche Verhaltensnormen hervorbringt und etabliert.18
3. Sachanalyse
Um die Perikope fur weitere Analyseschritte im vollen Umfang verstehen zu konnen, muss die folgende Sachanalyse an den Anfang gestellt werden. Die Kemaussagen der Perikope betreffen Begriffe, welche eine sachliche Klarung bedurfen, um dessen Bedeutung in dem Verstandnis des damaligen Kontextes zu begreifen.
Ein Begriff, welcher beim ersten Lesen direkt ins Auge fallt und gegenwartig keinen Gebrauch mehr hat, ist der des Aussatzigen. Unter einem Aussatz versteht sieh eine von vielen Hautkrankheiten, unter anderem Lepra. Sie ist heutzutage als eine bakterielle Infektionskrankheit bekannt. Eine Erkrankung mit einem solchen Aussatz bedeutet fur den Betroffenen eine Ausgrenzung aus der Gesellschaft.19 Diese sachliche Klarung ist
[...]
1 MunchnerNeues Testament. https://bibel.github.io/MuenchenerNT/nt/Mt_13.html. Datum desZugriffs: 27.08.2021
2 Im Folgenden nur „Lutherbibel“, bezieht sich auf die letzte revidierte Ausgabe aus dem Jahr 2017.
3 Im Folgenden nur „Elberfelder Bibel”. bezieht sich auf die letzte revidierte Ausgabe aus dem Jahr 2006.
4 Im Folgenden nur „Munchner N. T.“, bezieht sich auf die letzte revidierte Ausgabe aus dem Jahr 1998.
5 Vgl. Gute NachrichtBibel: Verfugbar uber: https://www.bibleserver.com/GNB/Matth%C3%A4usl3%2C31-33 Datum des Zugriffs: 28.08.2021.
6 Vgl. Munchner NT
7 Vgl. Gute Nachricht Bibel.
8 Vgl. Konradt, Matthias: Das Evangelium nach Matthaus. (NTD 1,1.) Gottingen2015. S. 131.
9 Feldmeier, Reinhard: Die synoptischen Evangelien. In: Karl-Wilhelm Niebuhr (Hrsg.): Grundinformation Neues Testament. Eine bibelkundlich-theologische Einfuhrung. 5. Auflage. Gottingen 2020. S. 75f.
10 Vgl. Luz, Ulrich: Das Evangelium nach Matthaus (Mt. 1-7), Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament 1/1 -Dusseldorf u. Zurich 2002. S. 5ff.
11 Vgl. Feldmeier, Reinhard: Die synoptischen Evangelien. S. 82
12 Vgl. Schnelle, Udo: Einleitung in das Neue Testament. 4. Auflage. Gottingen 2002. S. 302.
13 Vgl. Schnelle: Einleitung in das Neue Testament. S. 302.
14 Vgl. Feldmeier: Die synoptischenEvangelien. S. 85ff.
15 Bull, Klaus-Michael: Bibelkunde des Neuen Testaments. Die kanonischen Schriften und die Apostolischen Vater. Uberblicke - Themakapitel - Glossar, Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 8. Aufl. 2018. Verfugbar uber: https://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/neues-testament/evangelien/matthaeus/. Datum des Zugriffs: 04.09.2021.
16 Vgl. Feldmeier: Die synoptischenEvangelien. S. 82ff.
17 Vgl. Schnelle: Einleitung in das Neue Testament. S. 303.
18 Vgl. Bull: Bibelkunde des Neuen Testaments. Verfugbaruber: https://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/neues- testament/evangelien/matthaeus/. Datum desZugriffs: 04.09.2021.
19 Vgl. Aussatz: Verfugbaruber: https://www.die- bibel.de/lightbox/basisbibel/sachwort/sachwort/anzeigen/details/aussatz-2/. Datum des Zugriffs: 07.09.2021.
- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Biblische Exegese für Matthäus 8,1-4, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1242711
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