Seit der technisch-industriellen Revolution hat das Wirtschaftswachstum eine rasante Entwicklung erfahren und den “Wohlstand der Nationen”, zumindest den der westlichen Hemisphäre, um ein Vielfaches gesteigert. In den letzten Jahren hat sich das ökonomische und gesellschaftliche System der kapitalistisch fundierten Marktwirtschaft in ihren verschiedenen Spielarten im Wettstreit der Ideologien durchgesetzt, der Kommunismus wird als gescheitertes Modell betrachtet. Grundlegend für die marktwirtschaftliche Denktradition ist die Überzeugung, daß der Markt das effizienteste Koordinationsinstrument menschlicher Handlungen darstellt. Nach klassischer Meinung reicht es aus, wenn jedes Individuum seinen Eigennutzen maximiert; die dem Markt inhärenten Kräfte tragen dann automatisch dafür Sorge, daß auch das Allgemeinwohl gefördert wird. Sofern keine Markthemmnisse oder -beschränkungen bestehen, ist die “unsichtbare Hand” des Marktes, wie sie Adam Smith beschrieb, in der Lage, die materiellen Bedürfnisse und Interessen der verschiedenen Wirtschaftssubjekte in harmonischer Weise zu befriedigen. Die modernen Nachfolger dieser Basiskonzeption beschreiben daraufhin auch unternehmerische Verantwortung wie folgt: “The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits.”
Diese Sichtweise des Marktes wird zunehmend in Frage gestellt. Die Wirtschaftsmaschinerie hat nicht nur Wohlstand geschaffen, sondern auch frappierende Gegensätze: bittere Armut, Hungersnot, wirtschaftliche Ausbeutung, Umweltzerstörung usw. auf der einen Seite, Luxus, Verschwendung, Überproduktion usf. auf der anderen. Insbesondere die Großunternehmen stehen im kritischen Interesse der Öffentlichkeit.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Möglichkeiten der Unternehmensethik hinsichtlich der Vermittlung von ökonomischer Rationalität und ethischer Reflexion zu untersuchen. Die Beschäftigung mit Wirtschafts- und Unternehmensethik kann als Reaktion auf zentrale Krisenphänomene unserer Zeit verstanden werden. Die kommunikative Unternehmensethik (Diskursethik, Dialogethik) hat in unternehmerischen Fragestellungen zumindest aus akademischer Sicht eine besondere Bedeutung erlangt, da sie die idealtypischen Bedingungen für eine argumentative Verständigung und Konsensfindung zwischen Unternehmensleitung und den verschiedenen Anspruchsgruppen des Unternehmens vorgibt.
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2. Das Anliegen der Ethik und begriffliche Bestimmungen
2.1 Gegenstand der allgemeinen Ethik
2.1.1 Begriffliche Eingrenzungen
2.1.2 Moral und Moralität
2.2 Gegenstand der Unternehmensethik
3. Darstellung der Kommunikationsethik zur Begründung einer Unternehmensethik
3.1 Das Moralprinzip Kants als Ausgangspunkt der Kommunikationsethik
3.2 Darstellung der Diskursethik nach Habermas und Apel
3.2.1 Grundgedanken der Diskursethik
3.2.2 Universalisierungsgrundsatz und diskursethischer Grundsatz
3.2.3 Die transzendentalpragmatische Begründung
3.2.4 Ideale und reale Diskurse
3.3 Darstellung des dialogethischen Ansatzes des Konstruktivismus
3.3.1 Zur Abgrenzung von “Frankfurter Schule” und “Erlanger Schule”
3.3.2 Grundgedanken der konstruktiven Wissenschaftstheorie
3.3.3 Konstruktive Fundierung der Dialogethik
4. Unternehmensethik im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Rationalität und ethischer Reflexion
4.1 Zur Verhältnisbestimmung zwischen Ökonomik und Ethik
4.1.1 Ordnung von Ökonomik und Ethik
4.1.2 Das Anwendungsmodell als Paradigma “reiner Ökonomik”
4.1.3 Das Beitragsmodell als Ausdruck des “ökonomischen Imperialismus”
4.1.4 Das Integrationsmodell als Brücke zwischen Ethik und Ökonomik
4.2 Defizitäre Rahmenordnung und subsidiäre Unternehmens- ethik nach Homann
4.2.1 Die Rahmenordnung als der systematische Ort der Moral
4.2.2 Die defizitäre Rahmenordnung als Grund für Unternehmensethik
4.3 Ansatz der dialogorientierten Unternehmensethik nach Steinmann
4.3.1 Der republikanische Legitimationszusammenhang unternehmerischen Handelns
4.3.2 Dialogethische Fundierung der Erlanger Schule
4.3.3 Unternehmensethik als situatives Korrektiv im Konfliktfall
4.3.4 Kritische Würdigung
4.4 Die diskursethische Transformation der ökonomischen Rationalität nach Ulrich
4.4.1 Unternehmensethik als Vernunftethik: Überwindung der Zwei-Welten-Konzeption
4.4.2 Die sprachpragmatische Wende der ökonomischen Rationalitätskonzeption
4.4.3 Sozialökonomische Konzeption betriebswirtschaftlicher Rationalität - das Drei-Ebenen-Modell
4.4.4 Wesen und Elemente der kommunikativen Unternehmensethik
4.4.4.1 Kommunikative Unternehmensethik als ökonomische Leitidee
4.4.4.2 Die Leitidee des konsensorientierten Managements
4.4.4.3 Die Leitidee der offenen Unternehmensverfassung
4.4.5 Kritische Würdigung
5. Schlußbetrachtung und Ausblick
LITERATURVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Seit der technisch-industriellen Revolution hat das Wirtschaftswachstum eine rasante Entwicklung erfahren und den “Wohlstand der Nationen”, zumindest den der westlichen Hemisphäre, um ein Vielfaches gesteigert. Jedes Jahrzehnt brachte neue Erfindungen und neue Produkte, die den Lebensstandard breiter Teile der Bevölkerung förderten. In den letzten Jahren hat sich das ökonomische und gesellschaftliche System der kapitalistisch fundierten Marktwirtschaft in ihren verschiedenen Spielarten im Wettstreit der Ideologien durchgesetzt, der Kommunismus wird als gescheitertes Modell betrachtet. Grundlegend für die marktwirtschaftliche Denktradition ist die Überzeugung, daß der Markt das effizienteste Koordinationsinstrument menschlicher Handlungen darstellt. Nach klassischer Meinung reicht es aus, wenn jedes Individuum seinen Eigennutzen maximiert; die dem Markt inhärenten Kräfte tragen dann automatisch dafür Sorge, daß auch das Allgemeinwohl gefördert wird. Sofern keine Markthemmnisse oder -beschränkungen bestehen, ist die “unsichtbare Hand” des Marktes, wie sie Adam Smith beschrieb, in der Lage, die materiellen Bedürfnisse und Interessen der verschiedenen Wirtschaftssubjekte in harmonischer Weise zu befriedigen.[1] Die modernen Nachfolger dieser Basiskonzeption beschreiben daraufhin auch unternehmerische Verantwortung wie folgt: “The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits.”[2]
Diese Sichtweise des Marktes wird zunehmend in Frage gestellt. Die Wirtschaftsmaschinerie hat nicht nur Wohlstand geschaffen, sondern auch frappierende Gegensätze: bittere Armut, Hungersnot, wirtschaftliche Ausbeutung, Umweltzerstörung usw. auf der einen Seite, Luxus, Verschwendung, Überproduktion usf. auf der anderen. Insbesondere die Großunternehmen stehen im kritischen Interesse der Öffentlichkeit. Sie bilden die Existenzgrundlage für Tausende von Menschen und üben durch ihre wirtschaftliche Macht erheblichen Einfluß auf die alltäglichen Lebensbedingungen aus. Unternehmenspolitische Entscheidungen, insbesondere solche, die sich auf nicht unmittelbar dem Unternehmen vertraglich verbundene Beteiligte auswirken, geraten vermehrt unter gesellschaftlichen Rechtfertigungsdruck. Die unterschiedlichen Anspruchsgruppen verlangen nach einem Steuerungs- und Ordnungssystem, das eine ausgleichende Wirkung auf die Aktivitäten des freiheitlichen Unternehmertums hat.
Grundsätzlich gibt es neben dem Markt zwei weitere Mechanismen, die menschliches (und institutionelles) Verhalten koordinieren. Einerseits kann der Staat Gesetze zur Verhinderung von Mißständen schaffen, andererseits kann die Ethik Kriterien für die moralische Legitimierung des Handelns formulieren.[3] Letzteres soll in den folgenden Abschnitten dargestellt werden. Ziel dieser Arbeit ist es, die Möglichkeiten der Unternehmensethik hinsichtlich der Vermittlung von ökonomischer Rationalität und ethischer Reflexion zu untersuchen. Die Beschäftigung mit Wirtschafts- und Unternehmensethik kann als Reaktion auf zentrale Krisenphänomene unserer Zeit verstanden werden.[4] Die kommunikative Unternehmensethik (Diskursethik, Dialogethik) hat in unternehmerischen Fragestellungen zumindest aus akademischer Sicht eine besondere Bedeutung erlangt, da sie die idealtypischen Bedingungen für eine argumentative Verständigung und Konsensfindung zwischen Unternehmensleitung und den verschiedenen Anspruchsgruppen des Unternehmens vorgibt.
1.2 Gang der Untersuchung
Die Arbeit ist in fünf Abschnitte eingeteilt. Nach dieser Einleitung folgen begriffliche Abgrenzungen des Gegenstandes der allgemeinen und der Unternehmensethik. Der dritte Abschnitt dient der Darstellung der kommunikativen Ethik, die ihren Ausgangspunkt in dem Moralprinzip Kants nimmt und in einen diskurs- und einen dialogethischen Ansatz gegliedert werden kann. Die wesentlichen Inhalte der Diskursethik und ihre transzendentalpragmatische Begründung werden ausführlich dargestellt. Eine kürzer gehaltene Erläuterung der konstruktiven Dialogethik schließt sich an. Im vierten Abschnitt erfolgt dann die Verbindung von Ethik und Ökonomik. Nach der Verhältnisbestimmung zwischen ökonomischer und ethischer Rationalität werden verschiedene unternehmensethische Ansätze vorgestellt. Neben einer ersten Ortung der Moral in der Rahmenordnung einer Marktwirtschaft soll insbesondere auf die Ansätze von H. Steinmann und P. Ulrich eingegangen werden, die die unternehmensethische Diskussion des letzten Jahrzehnts in Deutschland wesentlich bestimmt haben.[5] Beide Ansätze thematisieren zugleich Ordnungs- und Handlungsethik, indem sie das Handeln der Akteure systematisch immer in einen institutionellen Zusammenhang stellen. Sowohl Steinmann als auch Ulrich greifen auf die kommunikative Ethik zurück und wenden sie auf unternehmerische Fragestellungen an. Obwohl in ihren Aussagen in weiten Teilen identisch, gehen die Autoren von unterschiedlichen Begründungsstrategien für Unternehmensethik aus. Die wichtigsten Aussagen der beide Ansätze sollen herausgearbeitet und kritisch gewürdigt werden. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, auch praktische Bezüge herzustellen. Der fünfte und letzte Abschnitt beschließt die Arbeit mit den wesentlichen Schlußfolgerungen und einem kurzen Ausblick.
2. Das Anliegen der Ethik und begriffliche Bestimmungen
Bevor damit begonnen werden kann, die kommunikationsorientierte Theorie der Ethik darzustellen und deren Anwendung auf Fragen der Unternehmensethik zu erläutern, müssen einige wesentliche Grundbegriffe der Ethik geklärt und abgegrenzt sowie das Anliegen der Ethik, der Gegenstand ethischen Denkens expliziert werden.
2.1 Gegenstand der allgemeinen Ethik
2.1.1 Begriffliche Eingrenzungen
Der Mensch ist eine leiblich-seelisch-geistige Entität,[6] die als Person in einem sozialen Beziehungsgefüge mit anderen Menschen ihre gattungskonstituierenden Eigenschaften erfährt. Als vernunftbegabtes Wesen hat der Mensch zwei grundlegende Weisen der Einflußnahme auf seine externe Umwelt, nämlich durch Handeln und Denken (d.h. Urteilen, soweit sich dieses zumindest sprachlich äußert). Beide Aktivitäten werden vom (autonomen) Willen, der die prinzipielle menschliche Freiheit verbürgen soll, bestimmt.[7] Betrachtet man Denken bzw. Urteilen als Handeln i.w.S., so läßt sich der Gegenstand der Ethik als dasjenige menschliche Handeln auffassen, das Anspruch auf Moralität erhebt, also moralisches Handeln darstellt.[8] Das Individuum wird dabei als interaktives, verantwortungsbewußtes und -fähiges Mitglied einer Kommunikations- und Handlungsgemeinschaft verstanden.
Ethik wird generell als die kognitive Struktur moralischen Handelns, gleichsam als die Wissenschaft des moralischen Handelns, bezeichnet. Sie versucht, das menschliche Dasein und seine Äußerungsformen auf die Bedingungen der Moralität hin zu analysieren, zu kritisieren und zu begründen. Sie stellt einerseits Sollenssätze, die dem Anspruch auf Moralität genügen, in den Mittelpunkt der Untersuchung, andererseits ist sie auf einer Metaebene bemüht, intersubjektive Begründungs- und Rechtfertigungskriterien bereitzustellen, um die Gültigkeit oder Richtigkeit moralischer Urteile ermitteln zu können. Moralität wird dabei als Eigenschaft verstanden, die eine Handlung als eine moralische, mit anderen Worten sittlich gute und gebotene Handlung, auszeichnet.
Zur disziplinären Einordnung der Ethik in den Kanon der Wissenschaften wird auf Aristoteles und Kant zurückgegriffen, deren Darlegungen bestimmend sind. In klassischer Abgrenzung hat Aristoteles die Ethik aufgrund ihres Handlungsbezugs neben der Politik und der Ökonomik der praktischen Philosophie zugewiesen. Diese ursprünglich einheitliche Basis von Politik, Ökonomik und Ethik in der praktischen Philosophie wurde im Verlauf der Fortbildung der wissenschaftlichen Disziplinen aufgehoben. Insbesondere die wirtschaftswissenschaftliche Neoklassik sah es als notwendig an, die Ethik von der Ökonomik zu trennen mit dem Ziel, wertende Urteile aus dem wirtschaftlichen Denken zu eliminieren und die paradigmatischen Voraussetzungen einer wertfreien, “reinen” Ökonomik zu schaffen. Auf diese Problematik und den Versuch der Wiedervereinigung von Ökonomie und Ethik (und gegebenenfalls der Politik) anhand zeitgenössischer Beiträge wird unten vertieft eingegangen.
Kant teilt Vernunfterkenntnis in materiale, d.h. objektbezogene, und formale, d.h. strukturbezogene, Erkenntnis ein. Formale Philosophie ist Logik, materiale Philosophie befaßt sich mit den Gesetzen der Natur oder der Freiheit. Die Wissenschaft der Natur heißt Physik, die der Freiheit Ethik. Nach Kant wird Ethik also als materiale Philosophie von den Gesetzen der Freiheit definiert, sie heißt auch Sittenlehre.
Zum Zwecke der begrifflichen Präzisierung und Gliederung der Ethik sollen noch folgende Bezüge hergestellt werden. Grundlegend ist die Klassifikation der Ethik in deskriptive, normative und Metaethik.[9] Während die erste das tatsächliche Verhalten, die Faktizität, des Menschen beschreibt, gibt die normative Ethik dem Menschen Vorgaben, nach denen er handeln soll. Die normative Ethik läßt sich dann wieder in formale und materiale Ethik einteilen. Formale Ethik benennt die Kriterien, nach denen eine Handlung als moralisch vertretbar gelten kann, ohne jedoch inhaltliche Vorgaben zu setzen (z.B. der Kategorische Imperativ Kants). Im Gegensatz dazu vermittelt die materiale Ethik besondere Inhalte von Sollensforderungen (z.B. die christliche Ethik). Eine normative Ethik heißt teleologisch, wenn sie als Kriterium für moralisch richtiges Verhalten einen außermoralischen Wert (z.B. eine Folge, einen Zweck, einen Nutzen) bestimmt. Der Utilitarismus, auf den die wirtschaftswissenschaftliche Wohlfahrtstheorie aufbaut, entstammt der Klasse teleologischer Ethiken. Deontologisch heißt eine Ethik, die moralisch gebotenes Handeln aus einer Pflicht ableitet, ungeachtet der möglicherweise eintretenden Folgen.[10] Kants Sittenlehre ist deontologisch. Als Metaethik bezeichnet man die Wissenschaftstheorie der Ethik, die sich mit den methodisch-systematischen und sprachlichen Bedingungen ethischer Reflexion befaßt. Auf andere begriffliche Unterteilungen und Eingrenzungen soll hier nicht eingegangen werden.
2.1.2 Moral und Moralität
Das Anliegen der (normativen) Ethik besteht in der Reflexion des Verhältnisses von Moral und Sitte einerseits und Moralität und Sittlichkeit andererseits. Diese Begriffe bedürfen einer genauen Erläuterung und Eingrenzung. Moral und Sitte sollen hier als synonyme Begriffe verwendet werden.[11] Sie gehören zur Kategorie der Ordnungsbegriffe, die geschichtlich hervorgegangene, aus der Tradition übernommene und aus wechselseitigen Anerkennungsprozessen entstandene Regelsysteme darstellen. Es handelt sich um
“[...] Ordnungs- und Sinngebilde, die in Form eines Katalogs materialer Normen und Wertvorstellungen einerseits die Bedürfnisbefriedigung der menschlichen Handlungsgemeinschaft regeln und andererseits in dem, was von dieser als allgemein verbindlich erachtet wird (Pflicht), Auskunft über das jeweilige Freiheitsverständnis der Gemeinschaft gibt”[12].
Moral ist folglich ein Institutionensystem, das sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht durch Unterschiede geprägt und Veränderungen unterworfen ist. Moral kann keine universellen Geltungsansprüche erheben.
“Jede Moral ist somit als geschichtlich entstandener und geschichtlich sich mit dem Freiheitsverständnis verändernder Regelkanon immer eine Gruppenmoral, deren Geltung nicht ohne weiteres über die Mitglieder der Gruppe hinaus ausgedehnt werden kann.”[13]
Moral ist eng mit dem Freiheitsbegriff verbunden; sie ist Ausdruck des Freiheitsverständnisses einer Gesellschaft. Erst durch die Selbstbindung des Menschen an die Regeln reziproker Freiheit kann Moral als Selbstverpflichtung entstehen. Moralisches Handeln setzt die prinzipielle Möglichkeit der Existenz von Freiheit voraus. Nur als autonomes Wesen hat der Mensch Wahlmöglichkeiten, um zwischen verschiedenen Alternativen “gut” und “böse” zu unterscheiden und damit qua Freiheit die Befähigung zum moralischen Handeln. Eine vorherrschende Moral kann und wird sich ändern, wenn sich das Freiheitsverständnis der betroffenen Gemeinschaft ändert.
Im Gegensatz zur Moral/Sitte handelt es sich bei den Begriffen Moralität und Sittlichkeit, welche wiederum synonym verwendet werden sollen,[14] um Prinzipienbegriffe. Moralität beschreibt die Qualität des Handelns, ein Handeln, das, sofern es sich als moralisches auszeichnet, sich einem unbedingten und allgemeinen Geltungsanspruch unterwirft. Moral als Ordnungsbegriff kann erst durch Prinzipienbegriffe der Moralität wie Gerechtigkeit oder Freiheit begründet werden. Der inhaltliche Aspekt der Moral kann sich, wie bereits erwähnt, verändern, Moralität als Reflexion über Moral, als prozedurale Instanz der Anspruchsbegründung ist hingegen keinen Veränderungen unterworfen. Moralität ist das Prinzip von Moral bzw. von Moralen. Sie hinterfragt geltende Moral und führt gegebenenfalls aufgrund veränderter Erkenntnisse und Einstellungen zur Revision und Neubegründung von Moral. Damit ist jede Moral relativ und an vorherrschende Umfeldfaktoren gebunden. Menschliches Handeln ist ohne eine sinnvermittelnde Moral kein humanes Handeln,
“[...] d.h. daß Handlungen sich an selbstgesetzten Normen orientieren, ist ein Indiz für die dem Menschen wesentliche Freiheit, die keine Willkürfreiheit, sondern durch Anerkennung intersubjektiv vermittelte Freiheit ist und als solche den Namen Moralität erhält. Eine Moral heißt so lange zu Recht eine Moral als sie Ausdruck von Moralität ist und die Realisierung eines Unbedingten im Bedingten fordert.”[15]
Menschliche Freiheit stellt dabei den unbedingten Geltungsanspruch der Moralität dar. Freiheit meint Selbstbestimmung. Aufgrund einer prinzipiellen Willensfreiheit als Fähigkeit oder Vermögen auf der Basis eines autonomen Willens frei von äußeren Bedingungen Zwecke und Ziele selbst zu setzen, erwächst menschliche Handlungsfähigkeit und überhaupt die Möglichkeit ihrer qualitativen Bestimmung. Auch wenn der Mensch nicht absolut frei von externen Umständen ist, so vermag er diese doch zu erkennen, zu beurteilen und sich in Beziehung zu ihnen zu setzen.
Zusammenfassend läßt sich das Anliegen der Ethik als fortdauernde Reflexion über die Beziehung zwischen relativen Ansprüchen der (einer) Moral und dem absoluten, unbedingten Anspruch der Moralität verstehen. Damit ist die Ethik vor allem ein Normenbegründungsprozeß.
2.2 Gegenstand der Unternehmensethik
Die Unternehmensethik läßt sich in einen übergeordneten Zusammenhang der Sozialethik einbinden.[16] Gegenstand der Sozialethik in einem weiteren Sinne sind Normen und Werturteile des menschlichen Zusammenlebens in institutionalisierten und nicht-institutionalisierten Bereichen.[17] Im engeren Sinne beschränkt die Sozialethik ihren Gegenstand auf Aussagen über Normen und sittliches Verhalten der Mitmenschen innerhalb gesellschaftlicher Grundinstitutionen, wie u.a. Familie, Staat, Wirtschaft, Recht.[18]
Die Wirtschaftsethik kann in diesem Sinne als Teilbereich der Sozialethik aufgefaßt werden. Sie legt Ziele und Normen des individuellen sowie des institutionalisierten Handelns in einem wirtschaftlichen Kontext und des Verhältnisses zwischen beiden fest. Wirtschaftsethik ist bemüht, einen Ausgleich zwischen ethischen Prinzipien und den Imperativen rein wirtschaftlicher Effizienz herzustellen bzw. ethische Normen vorzugeben, die den formalen und materialen Zwecken wirtschaftlichen Handelns übergeordnet sind und nicht aus diesen abgeleitet werden können.[19] Aus der Sicht des Unternehmens[20] stellt die Wirtschaftsethik eine Makroebene dar, die das aggregierte Entscheidungsverhalten der Wirtschaftssubjekte untersucht (z.B. Sektoren Unternehmen, Haushalte, Staat, Fragen der gerechten Verteilung des Sozialprodukts). Auf einer Mesoebene kann man die Unternehmensethik und auf einer Mikroebene die Führungsethik der Unternehmensleitung ansiedeln.
Führungsethik untersucht das Moralverhalten nicht aller in Institutionen tätigen Menschen, sondern nur der Führungskräfte.[21] Während die Wirtschaftsethik auf von dem einzelnen Unternehmen zu abstrahierender Ebene Rahmenbedingungen gesamtwirtschaftlicher Handlungen untersucht (sogenannte Rahmenordnung),[22] befaßt sich die Unternehmensethik mit dem moralischen Verhalten von Unternehmen und Unternehmensangehörigen. Die Hierarchisierung von Sozial-, Wirtschafts-, Unternehmens- und Führungsethik ist freilich nicht als strikt festgeschrieben anzusehen. Die Übergänge zwischen den Ebenen sind zum einen fließend bzw. bedingend, zum anderen wird der “Ort der Moral” von den verschiedenen “Wirtschaftsphilosophen” auch unterschiedlich lokalisiert.
Unternehmen sind Institutionen, deren Aufgabe darin besteht, die Beschaffung, Produktion und Verteilung von Sachgütern und Dienstleistungen vorzunehmen. Sie handeln in einer kapitalistischen, marktwirtschaftlich ausgerichteten Wettbewerbsordnung (nur privatwirtschaftliche Unternehmen in einer solchen Ordnung sollen betrachtet werden)[23] nach dem ökonomischen Prinzip (auch Rationalprinzip genannt) als Formalziel betrieblichen Handelns, das sich im wesentlichen als ein Effizienzkriterium darstellen läßt:[24] Es gilt, mit einem gegebenen Ressourcenbestand einen möglichst hohen Nutzen zu erzielen (Maximalprinzip) bzw. einen gegebenen Nutzen mit einem möglichst geringen Ressourceneinsatz zu erreichen (Minimalprinzip). Der Nutzen eines Unternehmens ist nach herkömmlicher Auffassung der Gewinn bzw. der Unternehmenswert (erwerbswirtschaftliches Prinzip).[25] Das ökonomische Prinzip stellt folglich nichts anderes als eine optimale Mittel-Zweck-Relation dar, d.h., bei genauer Betrachtung, einen hypothetischen Imperativ, so wie Kant ihn formulierte:
“Jene [d.h. hypothetische Imperative] stellen die praktische Notwendigkeit einer möglichen Handlung als Mittel zu etwas anderem, was man will (oder doch möglich ist, daß man es wolle), zu gelangen vor. [...] Der hypothetische Imperativ sagt also nur, daß die Handlung zu irgend einer möglichen oder wirklichen Absicht gut sei.”[26]
Das ökonomische Prinzip ist in Kantscher Terminologie ein (hypothetischer) Imperativ der Geschicklichkeit, bei dem die Frage nach der moralischen Vertretbarkeit des Zweckes nicht beleuchtet wird, sondern nur die Weise, wie dieser Zweck am günstigsten zu erreichen ist. Bestenfalls handelt es sich um einen (hypothetischen) Imperativ der Klugheit, sofern denn die Absicht auf Glückseligkeit gerichtet ist.[27] Hypothetische Imperative beziehen sich aber nicht auf einen absoluten Wert der Moralität, sie können damit auch keine moralische Qualität beanspruchen. Demzufolge muß wirtschaftliches Handeln, um als moralisch zu gelten, einen außerökonomischen Grund, z.B. das öffentliche Interesse, haben, der in der Unternehmensethik behandelt wird.[28] Da diese Problematik später nochmals aufgenommen wird, soll dieser Abschnitt mit einer vorläufigen Definition von Unternehmensethik enden:
“Unternehmensethik untersucht die aus den Wechselwirkungen zwischen Unternehmen, Politik, und Gesellschaft abgeleiteten Werturteile der Unternehmensmitglieder und deren Umsetzung in der Unternehmenspraxis.”[29] “[Sie] zielt auf die Entwicklung konsensfähiger Strategien des Unternehmens ab.”[30]
Die Aufgabe der Unternehmensethik ist in diesem Sinne auch immer ein Versuch der Lösung von Konflikten zwischen Interessen des Unternehmens (d.h. im System der Marktwirtschaft die der Kapitaleigner, im Neudeutschen “Shareholder” genannt) und denen durch Unternehmensentscheidungen betroffener Anspruchsgruppen (den übrigen “Stakeholder”). Eine an diesen Zielen ausgerichtete Unternehmensführung ist damit auch “Konsensmanagement” und um die Legitimation betrieblicher Maßnahmen bemüht.[31]
Die oben genannte Definition von Unternehmensethik stellt eine vorläufige begriffliche Orientierungshilfe dar. Im Rahmen der weiter unten erläuterten Beiträge zur Unternehmensethik kann diese Definition gegebenenfalls noch spezifiziert oder modifiziert werden. Nach dieser begrifflichen Klärung ethischer Begriffe werden im nächsten Kapitel die Grundzüge der Kommunikationsethik erläutert.
3. Darstellung der Kommunikationsethik zur Begründung einer Unternehmensethik
3.1 Das Moralprinzip Kants als Ausgangspunkt der Kommunikationsethik
In weiten Teilen ist die Kantsche Moralphilosophie bedeutsam für die Entwicklung der kommunikativen Ethik.[32] Es erscheint daher sinnvoll, die Grundzüge der Ethik Kants, soweit sie die Kommunikationsethik betrifft, darzustellen. Insbesondere soll der Universalisierungsgrundsatz als Moralprinzip, der in kritischer Erörterung als Ausgangspunkt der Diskursethik dient, herausgearbeitet werden.
Ethik dient der Normenbegründung, welche einerseits Fragen der Existenz und Rechtfertigung andererseits auch Fragen der allgemeinen Verbindlichkeit von Normen umschließt. Begrifflich lassen sich Normen als generelle Aufforderungen verstehen, die eine Orientierungshilfe für das rechtliche und moralische Handeln einzelner Individuen oder Gruppen darstellen. Normen sind damit Handlungsregeln. Die normative Ethik versucht, sittliche Normen und Werturteile in einen systematischen Begründungszusammenhang zu stellen, dessen Struktur durch ein Moralprinzip konstituiert wird. Unter einem Moralprinzip versteht man ein oberstes, nicht mehr ableitbares Gebot, einen letzten Grundsatz und Maßstab, aus dem heraus ein Gefüge konsistenter Normen und Werturteile deduziert und gerechtfertigt wird. Das Moralprinzip, auch Sittengesetz genannt, erhält in der deontologischen Ethik Kants die formale Struktur eines Universalisierungsgrundsatzes, der seinen Ausdruck im Kategorischen Imperativ findet. Die Kriterien für das moralisch Gute werden prozedural in der folgenden Regel formuliert:
“Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.”[33]
Es handelt sich bei dieser Regel um ein (selbst-) verpflichtendes Handlungsgebot (Imperativ), dessen Herkunft in der praktischen Vernunft zu suchen ist: Man kann nicht etwas wollen, von dem man nicht will, daß es auf einen selbst angewandt wird.[34] Dies würde zwingend zu einem Denkwiderspruch führen, welcher der praktischen Vernunft des Menschen zuwiderläuft. Der Imperativ, der formelhaft das gebietende Verhältnis, die Nötigung, der Vorstellung eines objektiven Prinzips zu einem Willen bedeutet, ist ein kategorischer, weil er absolut, unbedingt und nicht im Hinblick auf die Verfolgung eines bestimmten Ziels (wie die Mittel-Zweck-Beziehung hypothetischer Imperative) zu beachten ist bzw. durch die Selbstverpflichtung des autonomen Willens beachtet wird.[35] Nur der Kategorische Imperativ als Imperativ der Sittlichkeit kann moralische Qualität erheben und begründen.
Dem Wesen nach stellt der Kategorische Imperativ eine Verallgemeinerungsregel dar: Nur diejenigen Handlungen sind als gut oder richtig zu qualifizieren, deren zugrundeliegende subjektive Grundsätze in Form von Maximen[36] verallgemeinerungsfähig sind, denknotwendig zu keinem Widerspruch führen und damit einen intersubjektiven, allgemein gültigen und notwendigen Geltungsanspruch erheben können. Der Kategorische Imperativ an sich gibt keine Inhalte vor,
“[...] denn da der Imperativ außer dem Gesetze nur die Notwendigkeit der Maxime enthält, diesem Gesetz gemäß zu sein, das Gesetz aber keine Bedingung enthält, auf die es eingeschränkt war, bleibt nichts als die Allgemeinheit eines Gesetzes überhaupt übrig, welchem die Maxime der Handlung gemäß sein soll, und welche Gemäßheit allein den Imperativ als notwendig vorstellt.”[37]
Eine Handlung wird weder von den möglichen Folgen her noch auf Basis der die Handlung motivierenden Absicht moralisch bewertet, sondern durch die Universalisierbarkeit der subjektiven Maxime zu einem allgemein gültigen (Natur-)Gesetz. Die moralische Qualität ergibt sich nicht nach den Grundsätzen einer teleologischen Ethikauffassung (wie z.B. gemäß den größtmöglichen Nutzen aller Handlungsbetroffenen im Utilitarismus) oder nach sonstigen pragmatischen Überlegungen, sie entsteht vielmehr in deontologischer Sicht aus einer Verpflichtung des guten Willens.[38] Denn
“[...] es ist nichts in der Welt, ja auch überhaupt außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille”[39].
Der gute Wille ist das Konstitut des Kategorischen Imperativs. Von der inhaltlichen Handlung bleibt nur die formale Struktur, die allgemeine Gesetzmäßigkeit, bestehen. Man muß demnach wollen können, daß die die Handlung motivierende Maxime ein allgemeines Gesetz werden soll. Daraus leitet Kant dann den Begriff der Pflicht ab, der die innere Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung vor dem Gesetz impliziert.[40] Moralität drückt sich durch das selbstgesetzte Sollen des Kategorischen Imperativs als Moralprinzip aufgrund der Universalisierbarkeit subjektiver Handlungsregeln des Menschen aus.[41] Ihr Ursprung liegt in der apriorischen Möglichkeit einer Autonomie des Willens.
Dieser monologische Universalisierungsgrundsatz wird in veränderter bzw. ergänzter Form in der Diskursethik Habermas’ wieder aufgegriffen, die nachfolgend erörtert wird.
3.2 Darstellung der Diskursethik nach Habermas und Apel
3.2.1 Grundgedanken der Diskursethik
Aufbauend auf der deontologischen Logik geht die diskursive Theorie der Ethik von dem Ansatz aus, das Problem der Begründung von Normen durch einen im Diskurs erzeugten Konsens aller durch die von der Norm Betroffenen lösen zu können. Die diskursive Methodik wurde hauptsächlich von J. Habermas und K.-O. Apel entwickelt und stellt einen der wichtigsten zeitgenössischen Beiträge zur Ethikdiskussion dar. Habermas führt den Begriff des Diskurses als “[...] die durch Argumentation gekennzeichnete Form der Kommunikation ein, in der problematisch gewordene Geltungsansprüche zum Thema gemacht und auf ihre Berechtigung hin untersucht werden”[42][43].
Der Habermas’sche Ansatz des “kommunikativen Handelns” wurde im Verlauf der letzten Jahre zur Begründung einer Wirtschafts- und Unternehmensethik herangezogen, worauf noch detailliert eingegangen wird. Zunächst sollen aber die Grundlagen der Diskursethik umschrieben werden.
[...]
[1] Vgl. Smith (1776).
[2] Milton Friedman (1970), Friedman erhielt 1976 den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften.
[3] Daneben sind weitere Koordinationssysteme wie z.B. Religion denkbar.
[4] Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S.112.
[5] Vgl. Homann/Blome-Drees (1995), S.98f.
[6] Vgl. Höffe (1992), S.176.
[7] Die getroffenen Abgrenzungen und Definitionen basieren bereits auf bestimmten ethischen oder anthropologischen Theorien. Das spezielle Ziel einer Theorie legt die Definitionen fest. Zur Diskussion der menschlichen Willensfreiheit und die sich daraus ergebenden Konsequenzen, die in dieser Arbeit nicht weiter geführt werden kann, siehe Frankena (1994), S.90ff.
[8] Vgl. Pieper (1994), S.12; Frankena (1994), S.20.
[9] Vgl. Höffe (1992), S.61f; Kreikebaum (1996), S.11.
[10] Zur teleologischen und deontologischen Abgrenzung der Ethik vgl. Frankena (1994), S.32ff.; Höffe (1992), S.201f.
[11] Vgl. Pieper (1994), S.26; Höffe (1992), S.185f.
[12] Pieper (1994), S.42; vgl. dazu auch Beck (1976), S.110ff.
[13] Pieper (1994), S.32; ähnlich auch Patzig (1971), S.79f.
[14] Die Gleichsetzung von Moralität und Sittlichkeit folgt den Vorgaben Kants. Hegel hat bspw. diese Begriffe nicht synonym verwendet. Vgl. Höffe (1992), S.247ff.
[15] Pieper (1994), S.43.
[16] Vgl. Enderle (1988), S.55ff; Kreikebaum (1996), S.12ff; Koslowski (1990), S.10f.
[17] Vgl. Höffe (1992), S.253.
[18] Vgl. Schweitzer (1957), Sp.159ff; Höffe (1992), S.253. Die Sozialethik stellt somit das Pendant zur Individualethik dar, der es um die Verantwortung des Individuums zu seinen Mitmenschen geht. Die Sozialethik kann damit auch als Institutionenethik verstanden werden. Anthropologische Grundannahme ist das Menschenbild eines “zoon politikon”, d.h. der Mensch ist seiner Natur nach ein gesellschaftsfähiges und -bedürftiges Wesen.
[19] Vgl. Pieper (1994), S.88f; Höffe (1992), S.307f; Koslowski (1990), S.9f.
[20] Zu dieser Einteilung und Notation siehe Enderle (1988), S.55ff; Kreikebaum (1996), S.12ff.
[21] Nach Ulrich (1995), S.1, befaßt sich Führungsethik “[...] mit den ethischen Fragen der Legitimation (Berechtigung), der Begrenzung und der verantwortungsvollen Ausübung der Weisungsbefugnisse (Verfügungsmacht) von Führungskräften über ihre Mitarbeiter in formal organisierten, arbeitsteilig und hierarchisch strukturierten sozialen Systemen”. Vgl. auch Enderle (1991). Führungsethik soll nicht im Besonderen behandelt werden.
[22] Vgl. Göbel (1992), S.290; Spaemann (1982), S.14.
[23] Die Frage nach einer “adäquaten” Wirtschaftsordnung, insbesondere nach den Eigentumsverhältnissen in einer Volkswirtschaft, die hervorgehobene Bedeutung in wirtschaftsethischen Kontexten erhält, soll in dieser Arbeit nicht näher thematisiert werden. Sofern nicht anders dargestellt, wird das Wirtschaftsgefüge der sozialen Marktwirtschaft nach deutschem Muster unterstellt. Unternehmensethik bettet sich dann in diesen wirtschaftlichen-politischen-gesellschaftlichen Rahmen ein.
[24] Vgl. Schierenbeck (1989), S.3; Wöhe (1990), S.1; Woll (1993), S.53; Kreikebaum (1996), S.5.
[25] In finanzwirtschaftlicher Präzisierungen führen die Größen Gewinn und Unternehmenswert nicht automatisch zu identischen Unternehmensentscheidungen und -handlungen. Gerade in jüngster Zeit hat sich in Deutschland die Kontroverse um den sogenannten “Shareholder-Value Ansatz”, d.h. die Forderung an das Management, den monetären Nutzen (Marktwert des Eigenkapitals und Ausschüttungen) der Anteilseigner einer Gesellschaft zu maximieren, in der wirtschaftlichen Fach- und Populärliteratur entfaltet. Vgl. z.B. Rappaport (1994).
[26] Kant (1786), S.58f.
[27] Vgl. Kant (1786), S.59ff.
[28] Ob Unternehmen stets zweckrational nach dem ökonomischen Prinzip handeln, ist hinterfragbar und empirisch durchaus nicht immer anzutreffen. Daß unternehmerisches Handeln, das dem ökonomischen Prinzip folgt, zunächst keine moralische Qualität beanspruchen kann, erhellt aus der Interpretation des ökonomischen Prinzips als hypothetischer Imperativ. In diesem Sinne müßte ethische Reflexion das wirtschaftliche Handeln ergänzen. Bspw. Herms (1991), S.78, sieht dies anders: “Der moralische Charakter kommt zum rationalen Handeln nicht hinzu, sondern steckt in ihm selbst.” Siehe dazu die Diskussion weiter unten.
[29] Kreikebaum (1996), S.21.
[30] Steinmann/Löhr (1994), S.106.
[31] Vgl. Steinmann/Löhr (1994), S.94ff.
[32] Der Begriff der Kommunikationsethik bzw. kommunikativen Ethik soll die Begriffe der Diskursethik und Dialogethik umfassen. Vgl. Höffe (1992), S.42f.
[33] Vgl. Kant (1786), S.68.
[34] Vgl. Ricken (1989), S.96f. Die Möglichkeit des Kategorischen Imperativs ist nach Kant a priori zu untersuchen, vgl. Kant (1786), S.66. Kant erörtert in der “Kritik der reinen Vernunft” die Bedingungen der transzendentalen Freiheit. Die Antinomie der Freiheit, d.h. die prinzipielle Möglichkeit der Freiheit trotz der Naturnotwendigkeit, der sich der Mensch als Sinnenwesen unterworfen sehen muß, wird durch die Dualität von Erscheinung (“causa phaenomenon”) und Ding an sich (“causa noumenon”) überwunden. Die Koexistenz von Willensfreiheit im Bereich des Ansichseins und Naturnotwendigkeit im Phänomenalbereich erscheint denkmöglich. Vgl. Baumanns (1989), S.21f. Auf die transzendental-philosophische, metaphysische Begründung des Kategorischen Imperativs und ihrer Schwierigkeiten soll im einzelnen nicht eingegangen werden.
[35] Vgl. Kant (1786), S.57f; Baumanns (1989), S.53ff.
[36] Als Maxime bezeichnet Kant (1786), S.67 (Fußnote), ein subjektives Handlungsprinzip, das vom praktischen Gesetz als objektives Prinzip zu unterscheiden ist. Die Maxime ist der praktische Grundsatz, nach dem das Subjekt handelt, das objektive Prinzip, d.h. der Imperativ, ist der für jedes Vernunftwesen gültige Grundsatz, nachdem es handeln soll. Vgl. auch Baumanns (1989), S.48.
[37] Kant (1786); S.67f.
[38] Vgl. Ferber (1994), S.157f.
[39] Kant (1786), S.28.
[40] Vgl. Kant (1786), S.38f; dazu auch Frankena (1994), S.49ff.
[41] Vgl. Höffe (1992), S.249f.
[42] Grundlegend zum Abschnitt Diskursethik vgl. Habermas (1972), (1973), (1976), (1981), (1983), (1991); Apel (1973), (1976).
[43] Habermas (1972), S.130. Unter Geltungsansprüche werden Ansprüche verstanden, die anerkannt sind. Zum Begriff Diskurs und Konsens siehe auch Abschnitte unten.
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