In der folgenden Hausarbeit wird das Thema: "Vertrauensbildende Übungen mit 20- bis 30-Jährigen" beschrieben.
Dabei findet anfangs erst eine wissenschaftliche Betrachtung statt, gefolgt von dem Definieren und Verfolgen verschiedener Lernziele.
Die Hausarbeit geht auf 15 unterschiedliche Übungen ein und beschreibt diese genau. Dabei sind sowohl Partner- und Gruppenaufgaben enthalten.
Es wird zum Schluss eine detaillierte Stundenplanung vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung.
2. Wissenschaftliche Betrachtung
3. Lernziele der vertrauensbildenden Übungen
3.1.Motorische Lernziele
3.2. Kognitive Lernziele
3.3. Affektive Lernziele
3.4. Soziale Lernziele
3.5. Zusammenfassung der Lernziele
4. Übungssammlung
4.1. Das Sortierspiel
4.2. Die Mümmels
4.3. Blindenführung
4 4. Blindenruf
4.5. Blind im Kreis
4.6. Eisenbahn
4.7. Zauberstab.
4.8. Schoßsitz
4.9. Ballwurf
4.10. Auf einem Bein
4.11. Tunnelsprint
4.12. Lavaboden
4.13. Gemeinsames hüpfen
4.14. Vertrauenslauf.
4.15. Fallenlassen
5. Gruppenbeschreibung.
6. Rahmenbedingungen
7. Stundenplanung
8. Stundenverlaufs- und Organisationsplan
9. Literaturverzeichnis
9.1. Bücher.
9.2. ULR / Internetquellen
1. Einleitung
Ein Vertrauensbildungsprozess beginnt, soweit er Beziehungen zu Menschen betrifft, mit dem „Urvertrauen“ in der Mutter-Kind-Beziehung. Er erfolgt ständig und in (kleinen) Schritten und benötigt Zeit. Neue Situationen und neue Menschen können uns und unser Vertrauen das ganze Leben hindurch vor immer neue Herausforderungen stellen. Vertrauen muss erlernt werden. Dies gilt für das tägliche Miteinander im Familien- oder Freundeskreis bis hin zu Begegnungen zwischen nahezu fremden Menschen. Meistens bemerken wir dabei gar nicht erst, dass wir einer Person vertrauen, da dies nahezu alltäglich geschieht. Manches erfolgt bewusst, etwa bei einer Entscheidung für einen Arzt oder eine Therapiemethode, anderes unbewusst oder zumindest ohne ständiges Reflektieren, etwa beim Vertrauen auf die Entwicklung eines umfassend wirksamen Impfstoffes gegen Covid 19. Dabei geht es nicht nur darum, einfache Einschätzungen und situationsspezifische Erfahrungen mit Vertrauen in andere zu verfestigen. Ebenso wichtig sind im Lernvorgang die Erfahrungen, die alle Beteiligten mit sich selbst machen.
Diese prozesshafte Bildung von Vertrauen wird überwiegend an Beispielen von Partnerbeziehungen nachvollziehbar. Eins-zu-Eins Verhältnisse gibt es auch als besonderes Merkmal in der Physiotherapie1. Eine persönliche Beziehung wird in der Regel auf Basis wechselseitiger „(Vor-)Leistungen“ aufgebaut. Wir tauschen Freundlichkeiten und Anerkennung aus, die uns materiell nichts kosten. Wir lassen auch Raum für Zurückweisung und durch sofortige und genau bemessene Erwiderungen entsteht auch Raum für Misstrauen und Unsicherheiten.
Vertrauen und seine Ursachen, Wirkungen und Zielerreichung umfasst weit mehr, als hier im Rahmen der Stundenplanung analysiert werden kann. Im Einzelfall können wir schwer rekonstruieren, welche Verhaltensweise Vertrauen oder Misstrauen hervorgerufen hat. Beispielsweise kann optimistisch vertrauensvolles Handeln mit passiv, resignativen Haltung verwechselt werden, in der der Partner willensschwach und unsicher alles mit sich machen lässt. Differenzierter zu betrachten sind die Prozesse, wenn wir die Vertrauensbildung in kleinen oder größeren Gruppen im Rahmen der Bewegungserziehung einbetten.
Diese Arbeit bildet die Grundlage für eine Lehrstunde im Fachbereich Bewegungslehre mit vertrauensbildenden Übungen mit 20- bis 30-Jährigen. Ich selbst gehöre zu dieser Altersgruppe, kann mich damit auch in die Vertrauensbildungsprozesse einfühlen und habe selbst schon in Teams mitgewirkt, beispielsweise im Sport und bei Praktika, sodass ich weiß, wie wichtig Vertrauen ist.
2. Wissenschaftliche Betrachtung
Vertrauen ist variabel und kann in zahlreichen, verschiedenen Beziehungen zu Menschen oder in Dinge bestehen, ohne, dass wir es bemerken (vgl. Nölke 2009: 23). Auch wenn es keine allgemeinverbindliche Definition des Begriffs Vertrauen gibt, so beschreibt im alltäglichen Sprachgebrauch Vertrauen die Qualität einer persönlichen Beziehung (vgl. Petermann 2013: 11f.). Vertrauen in diesem Sinne ist ein Merkmal, dass das Verhalten eines Menschen gegenüber einer bestimmten Person oder Personengruppe prägt (vgl. Petermann 2013: 11). Wir spüren dabei nicht, dass wir vertrauen, weisen keine körperlichen Vertrauenssymptome auf, sondern vertrauen einfach (vgl. Hartmann 2011: 165). Dies umfasst auch das Vertrauen in sich selbst bzw. in die eigenen (Problemlösungs-)Fähigkeiten und in die Zukunft (vgl. Hartmann 2011: 275) Ein Mindestmaß an Vertrauen, ein „Urvertrauen“ (Hartmann 2011: 63f.) in das Funktionieren der Welt müssen wir schaffen, damit wir unser tägliches Leben organisieren können (vgl. Nölke 2009: 23). Ohne dieses „Grundrauschen“ (Nölke 2009: 23) könnten wir unseren Alltag schwerlich meistern.
Dabei stützt sich der Prozess des Vertrauensaufbaus auf die bisherigen Erwartungen und Erfahrungen (vgl. Luhmann 2014: 23 f.). Vertrautheit ist grundsätzlich Voraussetzung für Vertrauen (vgl. Nölke 2009: 26). Vertrautheit basiert primär auf der Vergangenheit. Vertrauen ist primär in die Zukunft gerichtet (vgl. Luhmann 2014: 23f.). Aber Vertrauen ist keine alleinige Folgerung aus der Vergangenheit. Wir kombinieren Informationen aus der Vergangenheit mit einer risikobasierten Bestimmung der Zukunft (vgl. Petermann 2013: 15f.). Wir geben einen Vertrauensvorschuss. Bitten um Hilfe und Feedback können Hinweise auf vertrauensvolles Handeln sein (vgl. Petermann 2013: 46). Vertrauen kann personales Vertrauen und Kompetenz-Vertrauen sein (vgl. Nölke 2009: 34). Vertrauen manifestiert sich im Verhalten (vgl. Nölke 2009:44) und im Moment der Vertrauensbildung wird die Komplexität zukünftiger Welt reduziert (vgl. Luhmann 2014: 27f.; vgl. Nölke 2009: 95). Der Vertrauende verhält sich so, als ob es in der Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine bestimmte Möglichkeit gäbe. Er hofft auf eine bestimmte Zukunft. Dies eröffnet Handlungspotential (vgl. Petermann 2013: 12), die ohne Vertrauen unwahrscheinlicher geblieben wären, ein sogenannter „Hebeleffekt von Vertrauen“ (Nölke 2009: 28). Darin liegt der Gewinn des Vertrauens. Einer vertraut dem anderen, dass er Lagen meistert, und der andere hat aufgrund solchen Vertrauens größere Chancen, tatsächlich erfolgreich zu sein (vgl. Luhmann 2014: 31). „Der vertrauensvoll Handelnde blickt also optimistisch in eine Zukunft“ (Petermann 2013: 12). Unser Vertrauen und unser Selbstvertrauen sind so miteinander verknüpft (vgl. Petermann 2013: 15). In der Kommunikation zwischen Menschen wird Vertrauen nur zum Teil verbalisiert. Jedoch sind auch non-verbale Indikatoren für vertrauensvolles Handeln wichtig (vgl. Petermann 2013: 17). Vertrauen können wir schaffen, indem wir uns körpersprachlich auf den anderen einstellen (vgl. Nölke 2009: 84). Dies ist gerade bei der Physiotherapie von besonderer Bedeutung, da auch unmittelbare, mit körperlichem Kontakt verbundene Maßnahmen eingesetzt werden.
„Man kann Vertrauen nicht verlangen“ (Luhmann 2014: 55) Vertrauensbeziehungen können wir nicht durch Forderungen anbahnen (vgl. Luhmann 2014: 55). Unser gegenseitiger „Lernprozess“ ist dabei nicht immer kontinuierlich wachsend. Wer Vertrauen erwerben will, muss am sozialen Leben teilnehmen und in der Lage sein, fremde Erwartungen in die eigene Selbstdarstellung einzubauen. „Selbstreflektion muss ohne Schönfärberei erfolgen“ (vgl. Nölke 2009: 92). Beispielsweise sind nicht alle Wünsche und Hoffnungen der Teilnehmer immer erfüllbar. Das Vertrauen, die Leistung, die eingefordert wurde, muss sich in der Praxis bewähren (vgl. Nölke 2009: 161). Vertraut der Teilnehmer nicht, ist auch seine Bereitschaft zu aktiven, selbstständig ausgeführten Bewegungen bis hin zu eigenständigen Übungen wesentlich geringer. Ein Vertrauensverhältnis ermöglicht beispielhaft, dass der Teilnehmer sich gegenüber Übungselementen öffnet, Muskeln sich an- oder entspannen, um Dehnungen erst zuzulassen, ein Erfolg sich einstellen kann. Folgerichtig muss der Übungsleiter vertrauensvoll wirken, aufmerksam und zuversichtlich sein (vgl. Petermann 2013: 17). Das aufzubauende Vertrauen kann immer Störungen ausgesetzt sein. Erwartungen können sich verändern (vgl. Nölke 2009: 147), auch Aspekte der Ungewissheit, des Risikos hinzukommen und die Möglichkeit der Enttäuschung (vgl. Petermann 2013: 11). Das Vertrauen kann beispielhaft Missverständnisse, Ablehnungen, Eifersucht, Gefühle der Ausgrenzung ausgesetzt sein. Bei Gruppenübungen ist beachtenswert, dass die angestrebten Ziele auch vom Vertrauensklima in der Gruppe abhängig sind. Die Vertrauensbereitschaft von Gruppenmitgliedern hängt von der vermuteten Vertrauenswürdigkeit der Übungsleitung und der anderen ab. Vertrauen beruht u.a. auf Kompetenz und ist auch eine Frage der Gruppenzugehörigkeit (vgl. Nölke 2009: 61). Wenn beispielsweise der Übungsleiter oder ein Teilnehmer etwas leisten kann, was einem andern nützt, kann Vertrauen entstehen (vgl. Nölke 2009: 79). Dies äußert sich u.a. in der Bereitschaft der Teilnehmer mehr oder weniger präzise Anweisungen zu folgen und/oder Informationen über sich preiszugeben. Je größer die Gruppe ist, sind auch die Mechanismen des Vertrauens untereinander und zum Übungsleiter komplexer; umso schwieriger kann sich die Herausbildung eines Vertrauensverhältnisses gestalten. Der vertrauensgebende Übungsleiter darf zwar fordern, aber die Teilnehmer nicht enttäuscht im Stich lassen. Sonst ist das Vertrauensverhältnis untergraben (vgl. Nölke 2009: 159). Die Möglichkeit von Misserfolgen ist einzuplanen, ohne dass grundsätzlich entstandenes Vertrauen zerstört wird.
3. Lernziele der vertrauensbildenden Übungen
Vertrauensbildung ist kein Selbstzweck, sondern eine unverzichtbare Rahmenbedingung, der Schlüssel um die motorischen, kognitiven, affektiven und sozialen Ziele anzustreben. Beispielhaft werden mit vertrauensbildender Motivation des Übungsleiters kognitive und affektive Ziele definiert, durch Erreichung motorischer Ziele verstärkt und so die Teilnehmer langfristig für die damit verbundenen Erfolge begeistert. Die ausgewählten Übungen verfolgen das Ziel, das Vertrauen in sich selbst, in körperliche und mentale Fähigkeiten zu fördern. Das Vertrauen ist auch zwischen den Teilnehmern aufzubauen und zu festigen. Dabei ist zwischen Fern- und Nahzielen zu differenzieren.
3.1. Motorische Lernziele
Ziel ist die Verbesserung der motorischen Eigenschaften der Teilnehmer: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit. Vertrauen in die eigenen motorischen Fähigkeiten ermöglicht eine verbesserte Kontrolle des Körpers. Die untereinander verzahnten, koordinativen und konditionellen Fähigkeiten werden als Fernziel, beispielsweise bezüglich Kraftausdauer, Koordination und Schnelligkeit zwar nicht unmittelbar durch die ersten Übungen spürbar verbessert. Aber Nahziel ist es, diese Fähigkeiten zu erkennen, Vertrauen in die eigene Körperwahrnehmung zu stärken und damit die Grundlagen für eine positive Entwicklung der motorischen Fähigkeiten jedes Einzelnen zu legen. Dabei hat jede Übung das Ziel, durch gruppendynamische Faktoren, wie gegenseitiges Anfeuern und Loben, die Zielerreichung zu ermöglichen. Der Teilnehmer darf sich nicht zurückziehen, auch wenn seine motorischen Fähigkeiten Unterschiede zu anderen aufweisen. Insbesondere die Übungen Nummer acht und Nummer dreizehn verfolgen diese Ziele.
3.2. Kognitive Lernziele
Handlungen werden durch innere Erwartungen und Rollen kontrolliert und reguliert. Diese beruhen auf Informationsverarbeitung aus der Umwelt und dem Gedächtnisinhalt. Die Beherrschung von Variation, Verbesserung der Genauigkeit und die Gedächtnisleistung der Teilnehmer sind kognitive Ziele der Übungen. Mittels vertrauensbildender Übungen werden die kognitiven Fähigkeiten, die mit Wahrnehmung, Lernen, Erinnern, Denken und Wissen in Zusammenhang stehen bis hin zu Akzeptanz verschiedener Charaktere in der Gruppe angeregt.
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1 So der Deutscher Verband für Physiotherapie: https://www.physio-deutschland.de/patienten-interessierte/physiotherapie/einsatzbereiche.html
- Citation du texte
- Alexander Pietsch (Auteur), 2021, Bewegungserziehung. Vertrauensbildende Übungen mit 20- bis 30-Jährigen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1240171
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