Sklavenhandel und Sklaverei existieren bereits seit der Antike. Im Zuge der Kolonisierung begann der Sklavenhandel in Europa erst im 15. Jahrhundert. Frankreich war nach England die größte Kolonialmacht und somit auch wesentlich am Sklavenhandel beteiligt. Die heutigen französischen Überseegebiete, allem voran die Départements et Régions d’outre-mer Guadeloupe, Französisch-Guyana, Martinique und Réunion sind die letzten Spuren eines ehemaligen Kolonialreiches von 20 Millionen Quadratkilometer. La Réunion war von seiner ersten Besiedlung an geprägt von Sklavenhandel und Sklaverei. Bis Mitte des 17.Jahrhunderts war die Insel im Indischen Ozean unbewohnt. Erst mit der Kolonisierung durch Frankreich kamen Siedler auf die Insel, die für die Plantagenwirtschaft Sklaven aus Madagaskar, Ostafrika und Indien dorthin verschleppten. Während fast drei Jahrhunderten mussten nun die Sklaven unter unmenschlichen Bedingungen für die weißen Kolonialherren arbeiten. Die ganze Zeit lang war die französische Nation zusammen mit der Kirche Komplize der Sklaverei. Mit der Französischen Revolution begann zwar ein Kampf für die Abschaffung der Sklaverei, allerdings blieb er relativ erfolglos. Erst am 20. Dezember 1848 wurde die Abschaffung der Sklaverei auf La Réunion verkündet.
Wie der lange Weg zur Abschaffung der Sklaverei aussah und weshalb die Sklaverei mit dem Tag der Abschaffung dennoch nicht beseitigt wurde, soll im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Zudem möchte ich in dieser Arbeit näher erläutern, wie Frankreich und La Réunion im Laufe der Zeit mit dem Thema Sklaverei und deren Abschaffung umgegangen sind und wie schwierig sich die Identitätsfindung der Réunionesen gestaltete.
Inhaltsangabe
Einleitung
1. 1830 - 1848: Phase der Vorbereitung auf die Abschaffung der Sklaverei
2. 1848: Das Jahr der Abschaffung der Sklaverei
3. 1848: Endgültige Abschaffung oder Wiedergeburt der Sklaverei?
4. Auf dem Weg zur Freiheit : Kampf und Widerstand auf La Réunion
5. Die Position der Kirche in Bezug auf die Sklaverei
6. Der 20. Dezember: La Fèt Kaf
7. Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit
8. Der lange Weg der Identitätsfindung
9. Erinnerungskultur in Frankreich und auf La Reúnion
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Sklavenhandel und S klaverei existieren be reits seit der Antike. Im Zuge der Kolonisierung begann der Sklavenhandel in Eu ropa erst im 15. Jahrhundert. Frankreich war nach England die größte Kolonial macht und som it auch wesentlich am Sklavenhandel be teiligt. Die heu tigen f ranzösischen Übers eegebiete, allem voran die Départements et Régions d’outre-m er Guadeloupe, Französisch-Guyana, Martinique und Réunion sind die letzten Spuren eine s ehem aligen Kolonialreiches von 20 Millionen Quadratkilometer.
La Réunion war von seiner ersten Besied lung an geprägt von Sklavenhandel und Sklaverei. Bis Mitte des 17.J ahrhunderts war die Insel im Indischen Ozean unbewohnt. Erst m it der Kolonisierung durch Frankreich kam en Siedler auf die Insel, die für d ie Plantagenwirtschaft Sklaven aus Mada gaskar, Ostafrika und Indien dorthin verschleppten. W ährend fast drei Jahr hunderten m ussten nun die Sklaven unter unmenschlichen Bedingungen für die weißen Kolonialherren arbe iten. Die ganze Zeit lang war die französische Nation zusamm en mit der Kir che Kom plize der Sklave rei. Mit der Französischen Revolution begann zwar ein Kam pf für die Abschaffung der Sklaverei, allerdings blieb er relativ er folglos. Erst am 20. Dezem ber 1848 wurde die Abschaffung der Sklaverei auf La Réunion verkündet.
Wie der lange W eg zur Abschaffung der Sk laverei aussah und weshalb die Sklaverei mit dem Tag der Abschaffung dennoch nicht be seitigt wurde, soll im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Zudem möchte ich in d ieser Arbeit näher erläutern, wie Frankreich und La Réunion im Laufe der Zeit m it dem Thema Sklaverei und deren Abschaffung umgegangen sind und wie schwierig sich die Identitätsfindung der Réunionesen gestaltete.
1. 1830 - 1848: Phase der Vorbereitung auf die Abschaffung der Sklaverei
Der Phase 1830 - 1848 komm t insofern eine besondere Bedeutung zu, als dass sie der Abschaffung der Sklaverei in allen französischen Überseegebieten vorausgeht. Obwohl der Kam pf für die Abschaffung der Sklave rei seit der Französischen Revolution existiert und bereits am 02.02.1794 erst malig die Abschaffung verkündet, am 20.05.1802 aber von Bonaparte wiedereingeführt wurde1, unternimmt die Julimonarchie erst seit 1831 ernsthafte Ve rsuche, den illegalen Sklave nhandel zu verhindern. Die französische Regierung hat zum Ziel, die Sklaverei zu „hum anisieren“. Allerdings scheitern die Unternehmungen Frankreichs, da diese in den französischen Kolonien aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nicht umsetzbar waren.
Im Kampf für die Abschaffung der Sklaverei stehen sich im Mutterland Frankreich zwei politische Bewegungen m it sehr unter schiedlichen Motiven gegenüber: les orléanistes libéraux und la gauche républicaine.2 Zu den orléanistes libéraux gehörten Bekanntheiten wie Tocqueville, Montalem bert und der Duc de Br oglie, der Leiter der Société française pour l’abolition de l’esclavage, die 1834 gegründet wurde und aus der Société morale chrétienne hervorging. Der Ha uptgrund für diese Vereinigung, die Sklaverei abzuschaffen, war wirtschaftlicher Natur. Die Skla verei führe zu f inanziellen Verlusten, schließlich arbeite der Sklave nur wenig, sei oft krank und sterbe früh. Jean- Baptiste Say spricht dabei sogar von einem „système anti-économique“.3 Obwohl die orléanistes libéraux die Notwendigkeit einer Absc haffung erkannten, hatten sie keine konkreten Lösungsvorschläge. Ihr Erfolg zeigt sich lediglich in der Verabschiedung der ordonnance sur le patronage des esclaves vom 05.01.1840 und in der Gründung der commission pour l’exament des questions relatives à l’esclavage am 26.05.1840.4 Obwohl auch die gauche républicaine unter Leitung von Vi ctor Schœlcher den wirtschaftlichen Aspekt nicht außer Acht ließ, stand ihr K ampf für Abschaffung der Sklaverei im Namen des bei der F ranzösischen Revolution verkündete n Freiheitsideals. La gauche républicaine hatte eine sofortige Emanzipation der Sklaven bei gleichzeitiger Entschädigung der Sklavenhälter zum Ziel. Das von Victor Schœlcher im Jahre 1842 veröffentlichte Werk Des colonies françaises. Abolition immédiate de l’esclavage kann als Vorreiter im Kampf für die Abschaffung der Sklaverei gesehen werden.
Nach dem Kongress in Nîmes im Jahre 1844 wurde in Frankreich zudem die Zeitschrift „ Abolitionniste français “ in Um lauf gebracht, welche sich gegen die Anhänger der Sklaverei richtet.5
Auf der île Bourbon dagegen ist die Situation ganz anders. Obwohl auch hier eine große Unzufriedenheit m it der wirt schaftlichen und sozialen Situ ation herrscht, bleibt die Frage der Abschaffung der Sklaverei im mer i m Hintergrund der politischen Diskussionen. Aus Misstrauen gegenüber Fran kreich und aus Angst vor Unstabilität wurde am 12.10.1833 auf Bourbon der Conseil Général gegründet. Er diente als W affe gegen die P olitik der H umanisierung von Louis-Philipp e.6 Mit dem Vorwand, die von der französischen Regierung getroffene n Entscheidungen in B ezug auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Skla ven ließen sich nicht m it den lokalen Realitäten vereinbaren, wurden jegliche Pro jekte abgelehnt. So zum Beispiel auch das Gesetz von Mackau vom 18.07.1845, das die Le bensumstände der Sklaven bezüglich der Arbeitsverhältnisse, Unterkunft, Kl eidung und Ernährung eindeutig verbessern sollte. Der Misse rfolg des Gesetze s ist vorwie gend zurück zuführen auf den Unwillen der Umsetzung, teilweise aber auch auf die Unmöglichkeit der Umsetzung auf Bourbon. Auch weitere Verordnungen in Bezug au f die Disziplin der Sklaven (04.06.1846) und die Gesundheit (05.06.1846) blieben auf Bourbon weitgehend ungeachtet.
Insgesamt kann m an eine fortschreitende Em anzipation feststellen, dennoch bleibt das koloniale Denken weiterhin bestehen. Im Gegensatz zum Mutterland ist man auf der île Bourbon auch weiterhin von der Notwendigkeit der Sklaverei überzeugt:
« L’esclavage devient alors une nécessité, car si on les laisse en liberté ils ne font rien et leur vie devient un long repos entrecoupé de rares instants d’activité. «7
Neben diesem Minderwertigkeitsdenken und den Vorurteilen gegenüber den Sklaven wurde Mauritius ein Beispiel für die Sinnlos igkeit der Absch affung der Sklaverei. Die Insel erlebte nach der Abschaffung der Sklaverei 1834 einen wirtschaftlichen Rückschlag. Genau dieses Ereignis rief auf der île Bourbon, wie auch in vielen anderen Kolonien, Unsicherheit und Angst hervor.8
2. 1848: Das Jahr der Abschaffung der Sklaverei
Das Jahr 1848 steht für eine große soziale und wirtschaftlic he Krise Frankreichs. Die bürgerlich-demokratische Fe bruarrevolution von 1848 in Frankreich beendete am 24. Februar 1848 die Herrschaft des K önigs Louis-Philipp e vo n Orléans und führte zur Ausrufung der Zweiten Französischen Republik . Am 10. Dezem ber 1848 wurde der Neffe des ehem aligen Kaisers Napoléon Bonaparte , Louis Napoléon Bonaparte zum Staatspräsidenten gewählt. Die zw eite und dam it gültige Abschaffung der Sklav erei vom 27.04.1848 verlief auf Initiati ve von Victor Schœlcher „ Nulle terre française ne peut plus porter d’esclaves.“9. Obwohl in einer Veror dnung die Sklaverei als „ Attentat contre la dignité humaine “10 bezeichnet wurde, sah die französische Regierung paradoxer Weise die Entschädigung der Kol onisten und der Sklavenhalter vor, nicht aber d ie derer, d ie es eigen tlich verdie nten. Außerdem galt statt der Devise der Französischen Revolution „Freiheit, Gleic hheit, Brüderlichkeit“ die Devise „Gott, Frankreich und die Arbeit“.11 Hierbei wird deutlich, dass die Situation in Frankreich nicht mit derer Réunions vergleichbar ist « La République dans les colonies n’est pas la République dans la m étropole. «12 Obwohl Sarda Garriga bereits am 13.10.1848 auf der île Bourbon landete, wurde die Abschaffung der Sklaverei auf La Réunion13 im Namen der Republik erst am 20.12.1848 auf dem place du Barachois in Sain t Denis verkündet. Die Verkündung verlief sehr ruhig auf La Réunion, es gab keinerlei Unruhen oder Aufstände. Die Kolonisten scheinen da s Gesetz zur Abschaff ung der Sklaverei zu akzeptieren. Sarda Garriga war Receveur Général des Finances und Commissaire Général de la République à la Réunion. Mit dem Ziel eine ne ue koloniale Gesellschaft zu gründen, vertrat er offiziell die Intere ssen der ehem aligen Sklaven und die der Herren. Deshalb erhielt er in der Bevölkerung den Nam en „protecteur des Blancs“ und „père des Noirs.“14 Garriga definierte zudem de n von nun an gültig en Begriff von Freiheit:
»La lib erté, c’e st le pr emier des b esoins d e l’ humanité, o ui, m ais ce suprême bienfait impose d’autres obligations. La liberté élève le travail à la hauteur du devoir. E tre libre, ce n’ est pas avoir la faculté de ne rien faire, de désertér les cham ps, les i ndustries,...le trava il, (...) c’est une mission imposée à l’homme par Dieu. »15
Alle 62 000 Sklaven auf La Réunion wurden befreit un d gleich zeitig französis che Staatsbürger. Dennoch stand für sie, wie auch zuvor, die Arbeit an oberster Stelle. Trotz der Abschaffung der Sklaverei bleibt der Kolonialismus weiterhin bestehen.
3. 1848: Endgültige Abschaffung oder Wiedergeburt der Sklaverei?
Sklaverei ist ein System der Verneinung der Menschlichkeit. Wie bedeutsam war a lso die endgültige Abschaffung der S klaverei im Jahre 1848. Den Sklaven wurde die Freiheit geschenkt und im selben Augenblic k aber wieder geno mmen, schließlich kann man ab dem Tag der Abschaffung weiterhin von einer „condition servile“ sprechen, die sogar bis ins Jahr 1998 hineinreicht.16 Nach Sudel Fuma erkenne die neue Situation den Menschen als solches zwar an, dennoch nicht in Bezug auf seine W ürde und seine Grundrechte, die eben nicht respektiert werden würden. Das neue System der Unterwürfigkeit und Leibeigenschaft entwic kelte sich auf La Réunion ab dem 20.12.1848 unter folgenden zwei Formen: l’engagisme und le colonat patiaire.17
Die engagés waren billige Arbeiter aus Afrika und Asien (Indien und China), die auf Grundlage eines Vertrages offiziell für 5 -10 Jahre eingestellt worden. Die Realität aber war ganz anders. An der Situation der neuen Arbeiter änderte sich im Vergleich zu den ehemaligen Sklaven fast nichts. Ein erstes Gesetz zur Abschaffung eines solchen Coolie Trade wurde von am erikanischen Präsidenten Abrahan Lincoln unterzeichnet.18 In den französischen Kolonien wurde 1886 die Immigration von Billiglöhnern verboten.
Le colonat patiaire, eine Teilpacht, wurde 1848 von Charles Desbassyns eingeführt und hat sich vor allem in den 1880er Jahren weiterentwickelt.19
[...]
1 Vgl. Christiane Taubira, Codes Noirs, S. 69-72
2 Vgl. Sudel Fuma, Le Grand Blocage 1830 -1848. S. 27
3 Ebd. S. 9
4 Ebd. S. 10
5 Vgl. Sudel Fuma, Le Grand Blocage 1830 -1848. S. 11
6 Ebd. S. 13
7 Zitiert nach ebd. S. 27
8 Ebd. S.27
9 Zitiert nach Michel Baleinier, La « FET KAF’ » de 1848 à nos jours. S. 32
10 Ebd.
11 Vgl. Africultures, Esclavage : enjeux d’hier à aujourd’hui. S. 14
12 Zitiert nach ebd.
13 Namensänderung der île Boubon in La Réunion am Tag der Ankunft von Sarda Garriga am 13.10.1848
14 Zitiert nach Michel Baleinier, La « FET KAF’ » de 1848 à nos jours. S. 38
15 Ebd. S. 37
16 Zitiert nach Reynolds Michel, Esclavage et Colonisation. S. 40
17 Vgl.ebd.
18 Vgl. Africultures, Esclavage : enjeux d’hier à aujourd’hui. S. 14
19 Vgl.ebd. S. 43
- Citar trabajo
- Ulrike Weiher (Autor), 2007, Die Abschaffung der Sklaverei und deren Bedeutung für die Identitätsfindung und Erinnerungskultur auf La Réunion, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124007
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