Die hier vorliegende Arbeit zum Seminar „Der Zerfall des Frankenreiches“ wird sich mit der Nachfolgeregelung Karls des Großen, der Divisio regnorum von 806 und der Nachfolgeregelung Ludwigs des Frommen, der Ordinatio imperii von 817 beschäftigen. Ludwig der Fromme war als Sohn der direkte und einzige legitime Nachfolger Karls des Großen, da seine beiden Brüder bereits vor Ableben des Vaters starben. Schon im Alter von 39 Jahren regelte er die Nachfolge in seinem Reich. Dabei verfolgte er 817 ein anderes Konzept als sein Vater ein gutes Jahrzehnt vorher. Gegenstand der Hausarbeit soll sein, die jeweiligen Gesetzgebungen aus dem frühen 9. Jahrhundert zunächst ausführlich vorzustellen. Dabei sollen einzelne Bestimmungen besondere Beachtung finden. Es soll nicht nur um den Inhalt und die Form gehen, sondern auch darum zu fragen, welche Motivation den Nachfolgeregelungen zugrunde liegt und was daran gegebenenfalls problematisch erschien. Ein weiterer Punkt versucht die beiden Gesetze einander vergleichend gegenüberzustellen. Dabei werden zunächst Gemeinsamkeiten und dann bedeutende Unterschiede in den Fokus der Betrachtung aufgenommen, ehe zum Schluss einige Folgerungen gezogen werden. Der Thematik liegen die beiden Hauptquellen (Divisio regnorum v. 806 und die Ordinatio imperii v. 817) zugrunde, die in Übersetzung als direkte Vorlage dienen. Zudem informieren die fränkischen Reichsannalen über die Ereignisse, sowie die Ludwig - Biographen Astronomus und Thegan. Weiterhin hilft umfangreiche Sekundärliteratur, den Ausführungen fundierte Forschungskenntnis zu geben. Herauszuheben sind dabei ein Aufsatz von Dieter Hägermann, der sich ausführlich mit der Divisio regnorum beschäftigt, eine Abhandlung von Peter Classen, der die Thronfolge Karls des Großen im Frankenreich thematisiert, die Ludwig der Fromme – Biographie von Egon Boshof und dazu ebenso ein Aufsatz von Franz-Reiner Erkens zur Teilungspraxis und Einheitsstreben bei der Thronfolge im Frankenreich. Neben der genannten Literatur, fanden auch andere Schriften Verwendung bei Betrachtung der vorliegenden Ereignisse.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Divisio regnorum von 806
3. Die Ordinatio imperii von 817
4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Nachfolgeordnungen
5. Schluss
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Die hier vorliegende Arbeit zum Seminar „Der Zerfall des Frankenreiches“ wird sich mit der Nachfolgeregelung Karls des Großen, der Divisio regnorum von 806 und der Nachfolgeregelung Ludwigs des Frommen, der Ordinatio imperii von 817 beschäftigen.
Ludwig der Fromme war als Sohn der direkte und einzige legitime Nachfolger Karls des Großen, da seine beiden Brüder bereits vor Ableben des Vaters starben. Schon im Alter von 39 Jahren regelte er die Nachfolge in seinem Reich. Dabei verfolgte er 817 ein anderes Konzept als sein Vater ein gutes Jahrzehnt vorher. Gegenstand der Hausarbeit soll sein, die jeweiligen Gesetzgebungen aus dem frühen 9. Jahrhundert zunächst ausführlich vorzustellen. Dabei sollen einzelne Bestimmungen besondere Beachtung finden.
Es soll nicht nur um den Inhalt und die Form gehen, sondern auch darum zu fragen, welche Motivation den Nachfolgeregelungen zugrunde liegt und was daran gegebenenfalls problematisch erschien. Ein weiterer Punkt versucht die beiden Gesetze einander vergleichend gegenüberzustellen. Dabei werden zunächst Gemeinsamkeiten und dann bedeutende Unterschiede in den Fokus der Betrachtung aufgenommen, ehe zum Schluss einige Folgerungen gezogen werden.
Der Thematik liegen die beiden Hauptquellen (Divisio regnorum v. 806 und die Ordinatio imperii v. 817) zugrunde, die in Übersetzung als direkte Vorlage dienen. Zudem informieren die fränkischen Reichsannalen über die Ereignisse, sowie die Ludwig - Biographen Astronomus und Thegan. Weiterhin hilft umfangreiche Sekundärliteratur, den Ausführungen fundierte Forschungskenntnis zu geben. Herauszuheben sind dabei ein Aufsatz von Dieter Hägermann, der sich ausführlich mit der Divisio regnorum beschäftigt, eine Abhandlung von Peter Classen, der die Thronfolge Karls des Großen im Frankenreich thematisiert, die Ludwig der Fromme – Biographie von Egon Boshof und dazu ebenso ein Aufsatz von Franz-Reiner Erkens zur Teilungspraxis und Einheitsstreben bei der Thronfolge im Frankenreich. Neben der genannten Literatur, fanden auch andere Schriften Verwendung bei Betrachtung der vorliegenden Ereignisse.
2. Die Divisio regnorum von 806
Am 6. Februar des Jahres 806 wurde der fränkische Reichstag in der Pfalz Diedenhofen, dem heutigen Thionville, abgehalten.[1] Im Zuge der Reichsversammlung entstand die Divisio regnorum[2], das politische Testament Karls des Großen, welches auch als Reichsteilungsgesetz oder Nachfolgeregelung bekannt ist. Die Divisio regnorum galt ausdrücklich als eine „Verfügung für die Zukunft“[3], wie es Classen nannte, oder nach Hägermanns Worten als „Hausgesetz“[4]. Wer direkt anwesend war wird aus dem Urkundentext nicht ersichtlich. In den fränkischen Annalen von 806 liest man von „den Großen und Vornehmen der Franken“[5], die die Urkunde nach Aufsetzung auch eidlich bekräftigten. Wahrscheinlich wird noch ein Teil des Klerus vor Ort gewesen sein.[6]
Der aus der Versammlung resultierende Urkundentext, welcher aus zwanzig Kapiteln besteht, ist in zwei Abschnitte geteilt. Laut Verfasser des Annalentextes benannt als testamentum (Kapitel 1-5) und constitutiones pacis (Kapitel 6-20).[7] So geht es in den ersten fünf Punkten um die Reichsteilung unter den Söhnen Ludwig, Pippin und Karl (1-3), die Teilungsmodalitäten, falls jemand eher sterben sollte (4) und was geschieht, wenn bei den Söhnen Karls ein Sohn als potentieller Nachfolger des verstorbenen Vaters in Frage kommen kann (5). Die folgenden fünfzehn Paragraphen beinhalten weitere wichtige Bestimmungen. Anordnungen, die unter anderem die Beziehungen der Teilreiche der Brüder untereinander regeln sollten, innen- als auch außenpolitische Belange thematisieren und die darüber hinaus als Leitregeln für das zukünftige Leben verstanden werden können. Den einzelnen Kapiteln voran geht eine Präambel, welche neben Karl dem Großen als Aussteller auch die Adressaten benennt, nämlich „[…] an alle Getreuen der heiligen Kirche Gottes und an unsere eigenen Getreuen, an die Gegenwärtigen wie auch an die Zukünftigen.“[8] Von vornherein wird betont, dass es Gottes Wille war, dass dem Herrscher drei Söhne geschenkt wurden, um daraufhin zu erklären, warum eine Nachfolgeordnung von Nöten sei, denn man wolle „[…] ihnen [den Söhnen] den Staat nicht in Verwirrung und Unterordnung hinterlassen […].“[9]
Noch vor den Paragraphen nimmt der Einleitungstext den einzelnen Teilungsbestimmungen vorweg, dass das ganze Reich in drei Teile zerlegt werden soll, damit jeder „[…] mit seinem Anteil zufrieden sein und die Grenzen seines Reiches, die ans Ausland stoßen, mit Gottes Hilfe zu verteidigen suchen […]“ soll.[10]
Wie bereits angedeutet, geht es in den ersten drei Artikeln der Urkunde um die genaue Gebietsaufteilung unter den Söhnen Karls des Großen. So sollte Ludwig, Aquitanien, den größten Teil von Burgund und die Provence zugewiesen bekommen; Pippin zusätzlich zu Italien auch Bayern und das südliche Alemannien und Karl der Jüngere, der älteste der drei Brüder, Neustrien, Austrien und dazu Sachsen, Thüringen, Friesland, Teile Bayerns, Alemanniens und Burgunds erhalten.[11] Die Länder Aquitanien, Italien und Francien blieben dabei als Einheit erhalten, die restlichen Grenzen hingegen wurden recht „willkürlich gezogen“[12] – interessant dabei ist: Die Divisio regnorum beginnt im Artikel 1 mit den Ländereien für Ludwig, dann geht es im 2. Artikel um Pippin und der älteste Sohn wird erst im 3. Artikel thematisiert.
Auffällig ist, dass Karl der Jüngere das gesamte fränkische Kernland erben sollte und sich somit möglicherweise nicht unberechtigt die Frage stellt, ob er als ältester Sohn damit in besonderer Weise bevorzugt wurde. Nach Karl der Große- Biograph Hägermann ist diese Tatsache eher auszuschließen. Karl sei nicht in besonderer Weise bevorzugt worden. Er begründet dies, indem er aufzeigt, dass Karl der Jüngere, im Gegensatz zu seinen Brüdern, erst spät zum König gekrönt wurde und sich die Nachfolge im Kernreich eher „von selbst [ergab].“[13] Zudem hätte jener „[…] keinerlei protokollarische Sonderbehandlung oder Auszeichnung“[14] erhalten.
Ludwig und Pippin als die jüngsten Söhne erhielten bereits 781 einen Teil des Reiches. Karl wurde im Gegensatz zu seinen Brüdern erst im Dezember 800 zum König gesalbt und
gekrönt.[15]
Wurde dem ältesten Sohn tatsächlich schon weit vor 806 eine höhere Position zugedacht? – und war aufgrund dessen zunächst zurückgestellt worden? Nahm er somit doch eine besondere Stellung ein? Ursprünglich waren es ohnehin vier erbberechtigte (es herrscht jedoch keine Einigkeit darüber, ob Pippin der Bucklige erbberechtigt war) Söhne, doch Pippin der Bucklige rebellierte 792 und besiegelte damit seinen Fall.[16] Karl der Jüngere rückte an seine Stelle und blieb folglich als potentiell alleiniger Erbe des Kernfrankenreiches zurück.
Nach Classen zu urteilen wurde Karl der Jüngere „[…] ganz ungewöhnlich bevorzugt […].“[17] In der Literatur liest man oft davon, dass das Teilungskonzept Karls des Großen, welches in der Divisio regnorum deutlich wird, der traditionellen fränkischen Erbfolge unterstellt war.[18] Peter Classen zweifelt dies an, denn das eigentliche Frankenreich blieb nach der Teilungsanordnung von 806 ungeteilt. Classen folgert: „Damit wird die gentile Einheit des fränkischen Reichsvolkes bewahrt: wenn die jüngeren Brüder rex Langobardorum und rex Aquitanorum sind, so Karl der Jüngere rex Francorum. […] die Zentren der Herrschaftsverwaltung Karls des Großen sollten fast sämtlich dem ältesten Sohn zukommen.“[19]
Walter Schlesinger hingegen vertritt die Ansicht, dass die Reichsteilung „altfränkischem Rechtsdenken“ entsprach und begründet dies damit, dass Karl in seinem Handeln auf vorkaiserliche Bräuche zurückgriff.[20] Bei all dem ist Fakt: Karl der Jüngere war der einzige Sohn, von dem sicher belegt ist, dass er seine Königswürde vom Papst in Rom erhielt.[21]
Selbst wenn „[…] für die tatsächliche politische Stellung […] keine Änderung ein[trat][…]“[22] könnte man, und diese Ansicht vertritt Classen, vielleicht sogar zusätzlich gestützt durch die Vorkommnisse vor 806, doch auf eine Sonderbehandlung, die dem ältesten Sohn durch seinem Vater zukam, schließen. Ob dies wirklich der Fall war, bleibt letztendlich offen.
Bei den einzelnen Teilungsbestimmungen des Reiches achtete Karl der Große darauf, dass ein jeder seiner Söhne Zugang nach Italien hatte, „[…] um notfalls ihrem Bruder [Pippin] Hilfe bringen zu können […].“[23] So war der gemeinsam gewährleistende Schutz des Papstes von vornherein garantiert. Im 15. Kapitel des Rechtstextes wird dieser Punkt noch einmal deutlich, wenn dort dazu aufgerufen wird, „[…] dass die drei Brüder gleichermaßen die Sorge und die Verteidigung für die Kirche des heiligen Petrus wahrnehmen [sollten] […].“[24] Ein weiteres Indiz für die Achtung der Kirche in Rom kann man den fränkischen Annalen entnehmen, wenn dort steht, dass, nachdem der Text aufgeschrieben wurde, dieser „[…] durch Einhard an Papst Leo zur eigenhändigen Unterschrift übergeschickt [wurde].“[25]
Auch erschien es Kaiser Karl als wichtig, dass das Reich über die Teilung zwischen den Söhnen hinaus nicht weiter zerteilt werden durfte. So verfügte er im 5. Abschnitt, dass ein Sohn einer seiner Söhne vom Volke des jeweiligen Teilreiches zum Nachfolger gewählt werden könne.[26]
[...]
[1] Vgl. Hägermann, Dieter: Reichseinheit und Reichsteilung. Bemerkungen zur Divisio regnorum von 806
und zur Ordinatio imperii von 817. In: Historisches Jahrbuch 95(1975), S. 283.
[2] Divisio regnorum (806); ed. Alfred Boretius, in: MGH Capitularia 1, 45, Hannover 1883, S. 126-130.
[3] Classen, Peter: Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich. In: Festschrift für Hermann
Heimpel, Bd. 3, Göttingen 1972, S. 121.
[4] Hägermann, Dieter: Reichseinheit und Reichsteilung. Bemerkungen zur Divisio regnorum von 806 und
zur Ordinatio imperii von 817 (wie Anm. 1) S. 283.
[5] Annales regni Francorum. In: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Erster Teil, hg. v. Reinhold
Rau (=Ausgewählte Quellen zum Mittelalter. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 5), Darmstadt
1966, S. 83.
[6] Hägermann, Dieter: Reichseinheit und Reichsteilung. Bemerkungen zur Divisio regnorum von 806 und
zur Ordinatio imperii von 817 (wie Anm. 1) S. 283.
[7] Vgl. Annales regni Francorum; ed. Georg Heinrich Pertz (MGH SS rer Germ [6]) Hannover 1895, S.
121.
[8] Divisio imperii (806). In: Mittelalter. Reich und Kirche, hg. v. Wolfgang Lautemann (=Geschichte in
Quellen, Bd. 2), 2. Aufl., München 1978, S. 103.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
[11] Vgl. Classen, Peter: Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich. (wie Anm. 3) S. 123.
[12] Ebd.
[13] Hägermann, Dieter: Karl der Große, Berlin 2000, S. 499.
[14] Ebd.
[15] Vgl. Becher, Matthias: Karl der Große, München 1999, S. 112.
[16] Vgl. Classen, Peter: Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich. (wie Anm. 3) S. 118-120.
[17] Classen, Peter: Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich. (wie Anm. 3) S. 132.
[18] Vgl. Boshof, Egon: Ludwig der Fromme, Darmstadt 1996, S. 84.; Schlesinger, Walter: Kaisertum und
Reichsteilung. Zur Divisio regnorum von 806. In: Zum Kaisertum Karls des Großen, hg. v. Gunther
Wolf (=Wege der Forschung, Bd. 38), Darmstadt 1972, S. 155.
[19] Classen, Peter: Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich. (wie Anm. 3) S. 126-127.
[20] Vgl. Schlesinger, Walter: Kaisertum und Reichsteilung. Zur Divisio regnorum von 806 (wie Anm. 18)
S. 155.
[21] Vgl. Classen, Peter: Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich. (wie Anm. 3) S. 121.
[22] Ebd.
[23] Divisio imperii (806) (wie Anm. 8) S. 104.
[24] Ebd. S. 106.
[25] Annales regni Francorum (wie Anm. 5) S. 83.
[26] Vgl. Hägermann, Dieter: Karl der Große (wie Anm. 13) S. 500.
- Arbeit zitieren
- Elias Steger (Autor:in), 2008, Die Divisio regnorum von 806 und die Ordinatio imperii von 817, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123993
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