Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten bei der ihm obliegenden Ausfertigung von Gesetzen gemäß Artikel 82 Abs. 1 Satz 1 GG ist ein Thema von weitreichender Bedeutung im deutschen Staatsrecht. Da es für die Bedeutung des Bundespräsidentenamtes ganz wesentlich ist, hat es zudem - wie viele andere verfassungsrechtliche Fragen auch - eine politische Dimension. Ist der Präsident nur „Staatsnotar“ wie dereinst bildreich von Roman Herzog dargelegt, also derjenige der die Gesetze auf formale Richtigkeit prüft und dann mit einem hübschen Siegel beurkundet, oder liegt eine inhaltliche, also eine materielle Prüfungskompetenz vor? Roman Herzog sah gleichwohl nur eine Aufgabe hierin. Er war ein Verfechter des materiellen Prüfungsrechts des Staatsoberhauptes, auch wenn er in seiner Amtszeit jedes ihm vorgelegte Gesetz verabschiedete. Privatisierungswünsche bezüglich der deutschen Flugsicherung wurden bereits vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker blockiert, Horst Köhler hat die Beurkundung nun wegen „evidenter Verfassungswidrigkeit“ abgelehnt. Worauf zielt das Gesetz ab und mit welchen Verfassungsnormen kollidiert die Gesetzesvorlage möglicherweise? Mit diesen beiden Fragen wird sich vorliegende Hausarbeit zu beschäftigen haben, aufgrund des geringen Umfangs der Hausarbeit handelt es sich vorwiegend um eine Literaturarbeit. Aus dem selben Grund kann allenfalls schemenhaft auf spezielle Fragen des Sachverhalts, wie beispielsweise teilnichtige Gesetzesvorlagen oder auch extreme Mindermeinungen eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung - Einordnung des Problems
2 Die Ausfertigungskompetenz des Bundespräsidenten
2.1 Materielles oder lediglich formelles Prüfungsrecht?
2.1.1 Herrschende Meinung
2.1.2 Mindermeinungen
3 Ergebnis
4 Inhaltliche Bedenken gegenüber dem Gesetz - evidente Verfassungswidrigkeit?
5 Einfluss des Europarechts?
6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
7 Literaturnachweis
1 Einleitung - Einordnung des Problems
Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten bei der ihm obliegenden Ausfertigung von Gesetzen gemäß Artikel 82 Abs. 1 Satz 1 GG ist ein Thema von weitreichender Bedeutung im deutschen Staatsrecht. Da es für die Bedeutung des Bundespräsidentenamtes ganz wesentlich ist, hat es zudem - wie viele andere verfassungsrechtliche Fragen auch - eine politische Dimension.
Ist der Präsident nur „Staatsnotar“ wie dereinst bildreich von Roman Herzog1 dargelegt, also derjenige der die Gesetze auf formale Richtigkeit prüft und dann mit einem hübschen Siegel beurkundet, oder liegt eine inhaltliche, also eine materielle Prüfungskompetenz vor? Roman Herzog sah gleichwohl nur eine Aufgabe hierin. Er war ein Verfechter des materiellen Prüfungsrechts des Staatsoberhauptes, auch wenn er in seiner Amtszeit jedes ihm vorgelegte Gesetz verabschiedete.
Privatisierungswünsche bezüglich der deutschen Flugsicherung wurden bereits vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker blockiert, Horst Köhler hat die Beurkundung nun wegen „evidenter Verfassungswidrigkeit“ abgelehnt. Worauf zielt das Gesetz ab und mit welchen Verfassungsnormen kollidiert die Gesetzesvorlage möglicherweise?2
Mit diesen beiden Fragen wird sich vorliegende Hausarbeit zu beschäftigen haben, aufgrund des geringen Umfangs der Hausarbeit handelt es sich vorwiegend um eine Literaturarbeit. Aus dem selben Grund kann allenfalls schemenhaft auf spezielle Fragen des Sachverhalts, wie beispielsweise teilnichtige Gesetzesvorlagen oder auch extreme Mindermeinungen eingegangen werden.
2 Die Ausfertigungskompetenz des Bundespräsidenten
Gemäß Artikel 82 Abs.. 1 Satz 1 des Grundgesetzes obliegt es dem Bundespräsidenten die „nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze“ auszufertigen. Inwieweit ihm dabei ein Prüfungsrecht bzw. eine solche Pflicht obliegt, ist zu prüfen.
2.1 Materielles oder lediglich formelles Prüfungsrecht?
Inhaltliches oder bloß formelles Prüfungsrecht? Die Beantwortung dieser Frage durch Verfassungsinterpretation scheidet aus, da diese Frage bei der Abfassung der Grundgesetzes vom Verfassungskonvent des Herrenchiemsees nicht erörtert wurde.1 Einigkeit herrscht darüber, dass der Bundespräsident die Unterschrift unter ein Gesetzes zu verweigern hat, bei dessen Verabschiedung Verfahrensvorschriften verletzt wurden. Wurde die erforderliche parlamentarische Mehrheit erreicht? Wurde, sofern es sich um ein Zustimmungsgesetz handelt, die Zustimmung des Bundesrates eingeholt? Derlei Fragestellungen umreißen das formelle Prüfungsrecht, andere sprechen von der Prüfungspflicht2.
Die materielle Prüfungskompetenz ist in ihrer Bedeutung weitreichender und somit juristisch wie auch politisch umstritten. Die historische Interpretation ist wenig ertragreich, da der Wille des Gesetzgebers nicht interpretiert werden kann, die Autoren des Grundgesetzes erörterten die Frage bei Abfassung nicht.
Auf die gelegentlich angeführte Argumentation, der Amtseid des Bundespräsidenten, wonach dieser sich verpflichtet das GG zu wahren und zu verteidigen, möchte ich nur am Rande eingehen:
Der darin liegende Zirkelschluss ist derart offenkundig, dass ich die Argumentation in neuerer Literatur überhaupt nicht mehr finden konnte. Wenn man nämlich annimmt, dass der Bundespräsident kraft Verfassung bei formeller Richtigkeit zur Ausfertigung verpflichtet ist, dann läge in einer Verweigerung aus inhaltlichen Gründen ja gerade ein Verstoß gegen den Amtseid vor. Anders wäre es nur, wenn dem Präsidenten ein materielles Prüfrecht zustünde, was ja nun gerade zu beweisen ist.
[...]
1 Vgl. Roman Herzog: „Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht“. In: B. Börner, H. Jahreiß und K. Stern (Hg.) Einigkeit und Recht und Freiheit, Festschrift für Carstens, Karl Bd. 2. Köln-Berlin-Bonn-München 1984, S. 624
2 Vgl. Presseerklärung Bundespräsidialamt: Bundespräsident Köhler fertigt Gesetz zur Neuregelung der Flugsicherung nicht aus. Online im Internet: URL: (24.10.2006) http://www.bundespraesident.de/ journalistenservice/Pressemitteilungen24102006 [Stand 25.12.2006]
1 Vgl. E. Stein, G. Frank: Staatsrecht. Tübingen 2000, S. 98
2 So E. Stein, G. Frank: a.a.O. S. 101
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