Obwohl formale Gleichheiten im französischen Bildungssystem seit Jahrzehnten angestrebt und verwirklicht wurden, existieren - nach Meinung von Bourdieu und Passeron - nach wie vor Chancenungleichheiten aufgrund sozialer Herkunft. Die Autoren haben mit ihrer Studie einerseits aufgezeigt, dass es diese Unterschiede tatsächlich gibt, andererseits auch versucht dazulegen, dass gerade das Bildungssystem selbst die Chancengleichheiten verhindert - und dies sogar systematisch versucht zu legitimieren. „In der Schule geht es demnach also nicht nur um Erziehung und (Aus-)Bildung, sondern auch um Selektion.“
Das meritokratische Selektionssystem in Frankreich gibt vor, „alle“ nach ihren Fähigkeiten auszuwählen, ist aber in der Realität ein starres System der Privilegiertenauswahl. Die Selektion passiert schon weit vor dem Hochschulzugang und so bleibt vom Ruf nach „Bildung für alle!“ nur „Die Illusion der Chancengleichheit“. „Die soziale Herkunft ist zweifellos unter allen Differenzierungsfaktoren derjenige, der sich im Studentenmilieu am stärksten auswirkt, stärker jedenfalls als Geschlecht und Alter, vor allem aber stärker als ein so manifester Faktor wie die Religion.“
Eine Kurzbiographie des „großen“ französischen Soziologen Bourdieu steht am Beginn dieser Arbeit. Anschließend werden die wichtigsten Aspekte seiner „Kulturtheorie“ und seines – von ihm geprägtem – „Kapitalbegriffes“ dargestellt und erläutert. Hierbei soll auch verdeutlicht werden, dass Bourdieu sich immer um relationales Denken bemüht hat. Er versuchte die Struktur in einem Forschungsfeld aufzudecken und als Abbild der Gesellschaft darzustellen.
Dies erscheint notwendig, um die zentralen Aussagen der empirischen Studie „Die Illusion der Chancengleichheit“ (besser) verstehen zu können. Darin werden einerseits die unterschiedliche soziale Herkunft und der Studienerfolg der Studenten behandelt, andererseits die Theorien der Autoren vorgestellt, dass die Universitäten ihre Strukturen der Chancenungleichheiten – trotz formaler Reformen – bewusst beibehalten. Abschließend wird noch auf den Aspekt der „Kommunikation in der Pädagogik“, also der Sprache und ihrer Bedeutung im Bildungswesen näher eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kurzbiographie Pierre Bourdieu
3. „Die feinen Unterschiede“
3.1. Habitus
3.2. Soziale Felder
3.3. Kapital
3.3.1 Ökonomisches Kapital
3.3.2 Soziales Kapital
3.3.3 Kulturelles Kapital
3.3.4 Symbolisches Kapital
3.4. Sozialer Raum
4. Die Illusion der Chancengleichheit
4.1. Inhaltliche Zusammenfassung
4.2. Zentrale Aussagen der Studie
4.2.1. Soziale Klassen und soziale Herkunft
4.2.2. Wirtschaftliche Ungleichheiten
4.2.3. Kulturelles Privileg
4.2.4. Studentenmilieu
4.2.5. Starrheit des Hochschulsystems
4.3. Kommunikation in der Pädagogik
4.3.1. Missverständnis zwischen Professor und Student
4.3.2. Bürgerliche Sprache und Vulgärsprache
4.3.3. Sprachcodes nach Basil Bernstein
4.3.4. Bedeutung der Kommunikation in der Pädagogik
5. Zusammenfassung
6. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Pierre Bourdieu gilt auch heute noch (nach seinem Ableben) als einer der bedeutendsten europäischen Soziologen, Kulturphilosophen und Zeitkritiker des letzten Jahrhunderts. Sein umfangreiches Schaffen hatte Einfluss auf Soziologie, Politik, und Bildungsforschung. Im Mittelpunkt dieser Seminararbeit steht seine – in Kooperation mit Jean-Claude Passeron entstandene - empirische Bildungsforschung „Die Illusion der Chancengleichheit“ (1971).
Eine Kurzbiographie des „großen“ französischen Soziologen steht am Beginn dieser Arbeit. Anschließend werden die wichtigsten Aspekte seiner „Kulturtheorie“ und seines – von ihm geprägtem – „Kapitalbegriffes“ dargestellt und erläutert. Hierbei soll auch verdeutlicht werden, dass Bourdieu sich immer um relationales Denken bemüht hat. Er versuchte die Struktur in einem Forschungsfeld aufzudecken und als Abbild der Gesellschaft darzustellen.
Dies erscheint mir notwendig, um die zentralen Aussagen der empirischen Studie „Die Illusion der Chancengleichheit“ (besser) verstehen zu können. Darin werden einerseits die unterschiedliche soziale Herkunft und der Studienerfolg der Studenten behandelt (Teil 1, 1964), andererseits die Theorien der Autoren vorgestellt, dass die Universitäten ihre Strukturen der Chancenungleichheiten – trotz formaler Reformen – bewusst beibehalten (Teil 2, 1971).
Abschließend möchte ich noch auf den Aspekt der „Kommunikation in der Pädagogik“, also der Sprache und ihrer Bedeutung im Bildungswesen näher eingehen.
Anmerkung: Die im Text verwendeten maskulinen Personenbezeichnungen wurden aus den Originaltexten beibehalten, gelten aber hier für beiderlei Geschlechter.
2. Kurzbiographie Pierre Bourdieu
[vgl. http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/bourdieu/06bio.htm, letzter Zugriff am 7. Februar 2007 um 12:46 Uhr]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Pierre Bourdieu wurde 1930 in Denguin (Pyrenäen) geboren. Sein Vater war Postbeamter, seine Mutter Hausfrau. Er studierte Philosophie und Ethnologie in Paris. Von 1955 bis 1958 leistete er seinen Militärdienst in Algerien (damals französische Kolonie), und dort forschte er bis 1961 als Ethnologe.
[Quelle - Photo: http://www.faculty.umb.edu/stephen_silliman/P565e-Bourdieu.jpg, letzter Zugriff am 14. Jänner 2006, 12:24 Uhr]
Von 1964 bis zu seinem Tod im Jahre 2002 war er als Professor und Direktor verschiedener Einrichtungen tätig, unter anderem dem „Centre de Sociologie Européenne“ (CSE). Seit 1982 hielt er am „Collége de France“ in Paris einen Lehrstuhl für Soziologie inne. Pierre Bourdieu war auch als Herausgeber verschiedener soziologischen Zeitschriften tätig. Zahlreiche Auszeichnungen und eine Fülle an Veröffentlichungen kennzeichnen seinen Lebensweg, der am 23. Jänner 2002 als Folge eines Krebsleidens beendet wurde.
Interessanterweise war eines seiner letzten Projekte die Mitarbeit an einer Ausstellung seiner ethnographischen Photographien aus seiner ersten Feldforschungsarbeit in Algerien (1958 bis 1961) – quasi eine „Rückkehr“ zum Beginn seines Wirkens.
[vgl. http://www.camera-austria.at/ca_events.cfm?start=2003&cat=1, letzter Zugriff am 12. Februar 2007 um 22:35 Uhr]
3. „Die feinen Unterschiede“
[vgl. http://projekte.vhs.at/lerntheorie/Bourdieu, letzter Zugriff am 12. Februar 2007 um 14:10 Uhr]
Seit den 1970er Jahren werden die Werke Bourdieus ins Deutsche übersetzt. Vor allem bekannt wurde seine Studie „Die feinen Unterschiede“, in der die Entstehung sozialer Ungleichheiten und der Begriff des „Habitus“ behandelt werden.
3.1. Habitus
„ Ein grundlegender Begriff bei Bourdieu ist Habitus, er versucht damit, die im Individuum gewordene Gesellschaft zu rekonstruieren, im Zentrum des Individuellen etwas Kollektives zu entdecken. Unter Habitus versteht er ein verinnerlichtes System aus Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster, … Der Habitus einer Person ist dauerhaft, verändert sich jedoch durch neue Erfahrungen.“ [a.o.O.]
Unabhängig vom individuellen Habitus verfügen Menschen in ähnlichen sozialen Klassen über einen vergleichbaren Klassenhabitus, wodurch Rückschlüsse auf die Klassenzugehörigkeit getätigt - und in weiterer Folge die Formen von Herrschaft aufgezeigt werden können. [vgl. BOURDIEU, Pierre: „Die verborgenen Mechanismen der Macht“. Schriften zu Politik und Kultur 3, Bd. 1, Hamburg 1992]
3.2. Soziale Felder
[vgl. TIEBEN Reemda, www.uni-muenster.de/FNZ-Online/theorien/modernisierung .htm, letzter Zugriff am 12. Februar 2007, um 14:35 Uhr]
Soziale Felder sind Teilräume der praktischen sozialen Welt mit externen, objektiven Strukturen. Bourdieu verbindet die objektiv gegebenen, sozial ungleichen Strukturen in der Gesellschaft (z.B. Bildung) und die dadurch unbewusst entstandenen subjektiven Denk- Wahrnehmungs- und Handlungsmuster eines Individuums (= Habitus einer Person) und unterstellt ihnen ein Verhältnis gegenseitiger Einflussnahme. Felder werden auch als Spielräume bezeichnet, in denen eine bestimmte Form von Kapital im Umlauf ist und Verfügungsmacht im Feld bedeutet.
3.3. Kapital
[BOURDIEU, Pierre, „Kapitalarten: Ökonomisches Kapital, Kulturelles Kapital, Soziales Kapital, In: Die verborgenen Mechanismen der Macht“. Schriften zu Politik und Kultur 3, Bd. 1, Hamburg 1992, S. 49 bis 79]
„ Kapital ist akkumulierte Arbeit, entweder in Form von Material oder in verinnerlichter, ’inkorporierter’ Form. … Kapital sorgt dafür, dass nicht alles gleich möglich oder gleich unmöglich ist.“ [a.o.O., S. 49]
Bourdieu unterscheidet hauptsächlich drei Formen von Kapital:
- Ökonomisches Kapital, - Soziales Kapital und - Kulturelles Kapital.
Bei der Analyse entsprechender Felder können auch weitere Kapitalarten hinzukommen. Alle Kapitalarten sind mit entsprechendem Transformationsaufwand ineinander transferierbar.
3.3.1 Ökonomisches Kapital
Ökonomisches Kapital ist alles, was direkt und indirekt in Geld umwandelbar ist und verkörpert alle Formen von Reichtum, wie Besitz und Vermögen. Es eignet sich vor allem zur Institutionalisierung von Eigentumsrechten. Alle anderen Kapitalarten lassen sich mit einem bestimmten Transformationsaufwand in ökonomisches Kapital umwandeln, es liegt aber auch allen anderen Kapitalarten zu Grunde.
3.3.2 Soziales Kapital
Soziales Kapital beruht auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder einem Netzwerk, wie z.B. Familie oder Vereine. Es entsteht durch Tauschbeziehungen, bedeutet Kreditwürdigkeit und die Schaffung und Erhaltung von gesellschaftlicher Institutionalisierung.
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- Citar trabajo
- Claudia Tusek (Autor), 2007, "Die Illusion der Chancengleichheit" nach P.F. Bourdieu und J.C. Passeron, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123817
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