Bäume sind lebensnotwendig für uns Menschen. Als Straßengrün, als Alleen sowie an Wegen und auf Plätzen sind Bäume ein eminent wichtiger Bestandteil unseres Lebensraumes. Sie übernehmen nicht nur gestalterische oder architektonische Funktionen, sondern erfüllen zudem auch städtebauliche und landschaftsprägende Aufgaben. Auch für den Klimaausgleich und die Staubbindung sind die Holzgewächse relevant. Bereits bei der Planung von Baumpflanzungen kann entscheidend auf die Nachhaltigkeit eines Gehölzes Einfluss genommen werden. So muss die Baumartenwahl auf die jeweiligen, teils auch widrigen, standörtlichen Gegebenheiten abgestimmt sein. Dabei sollten insbesondere in urbanen Räumen eine Vielzahl ökologischer Auswahlkriterien beachtet werden, die allerdings nicht immer bei heimischen Bäumen zutreffen. Deshalb kann heutzutage in Städten nicht mehr auf fremdländische Bäume und Züchtungen verzichtet werden. Hierzu sei an dieser Stelle auf die GALK-Straßenbaumliste hingewiesen.
Weitere wichtige Aspekte bei der Baumartenwahl und –verwendung sind die Lebenserwartung, der Platzbedarf, die Wuchskraft und Kronenform, aber auch die Stand- und Bruchsicherheit. Nicht weniger ins Gewicht fallende Kriterien sind der Lichtbedarf bzw. die Lichtdurchlässigkeit, die Stadtklimatoleranz und die Resistenz gegenüber Krankheiten und Schädlingen.
Doch nicht nur die oberirdischen Aspekte wie die Baumartenwahl, das Lichtraumprofil oder der Raumbedarf, auf die übrigens ausführlich in den neuen Regelwerken der FLL (Empfehlungen für Baumpflanzungen – Teil 1: Planung, Pflanzarbeiten, Pflege) eingegangen wird, sind entscheidend für nachhaltige Baumpflanzungen. Es sind auch die unterirdischen Standortfaktoren, wie Bodenbelüftung und Wurzelentwicklungsraum.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Bäume im Lebensraum Stadt
2.1 Lebensbedingungen der Stadtbäume
3 Kriterien zur Baumartenwahl und -verwendung
3.1 Gestalterische Auswahlkriterien
3.2 Ökologische Auswahlkriterien
3.3 Ökonomische Auswahlkriterien
4 Beurteilung von Baumarten für die Verwendung in Städten
4.1 GALK-Straßenbaumliste
4.1.1 Erläuterungen zur Anwendung
4.1.2 Aufgaben und Ziele
5 Abschlussbetrachtung
6 Quellenverzeichnis
7 Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text auf die doppelte Nennung von femininen und maskulinen Formen verzichtet. Bezeichnungen in der maskulinen Form sind als neutral anzusehen und beziehen sich ausdrücklich auf Frauen und Männer.
1 Einleitung
„Dem Alter gebührt Respekt. Und welche in ihrem Ursprung gebliebene Lebensform ist älter als die der Bäume? Seit über 400 Millionen Jahren gibt es bereits die grünbekronten, hölzernen Riesen. Was sind dagegen schon die gerade mal drei Millionen Jahre, seit denen wir Menschen die Erde besiedeln?
So hat beispielsweise der Ginkobaum, der heutzutage bei uns ein beliebter Parkbaum ist und in Städten wie Tokio sogar mehr als 50 Prozent der Straßenbäume stellt, schon in der Prähistorie als stummer Beobachter der Dinosaurierwelt beigewohnt.
Doch wuchsen die Bäume damals noch wild in die Landschaft hinein und brauchten keine Widerstände zu fürchten, die sich ihrem Wurzelwerk entgegenstellen oder die freie Ausdehnung ihrer Baumkronen einschränkt, so haben diese Pflanzen gegenwärtig mit sehr vielen negativen Einflüssen zu kämpfen. Einflüsse, die das Leben gerade in urbanen Gebieten, Seite an Seite mit dem Menschen, mit sich bringt.“ (Zeitschrift Neue Landschaft, Ausgabe Juli 2005, S. 22 ff.)
Selbstverständlich brauchen Menschen das Grün und sie haben sich von jeher gerne im Grünen aufgehalten. Allerdings stellt dieses Verlangen Planer und Ausführende in der Außenbegrünung immer wieder vor schwierige und wichtige Entscheidungen. So sollten die Eigenschaften, die Ansprüche und der Verwendungszweck des Gehölzes dem gewählten Standort mit seinen spezifischen Bedingungen gerecht werden. Nur so können nachhaltige Pflanzungen unter den jeweiligen Standortbedingungen gewährleistet sein.
2 Bäume im Lebensraum Stadt
Linden können an ihrem natürlichen Standort mehr als tausend Jahre alt werden. Als städtischer Straßenbaum verwendet, hat diese vitale Baumart ihr Lebensoptimum teilweise bereits mit 50 Jahren überschritten. Auch andere Baumarten haben im Vergleich zum Naturstandort im Lebensraum Stadt eine verkürzte Lebenserwartung. (Dobner et al. 1993)
Dies lässt vermuten, dass in der Stadt und insbesondere an Straßen Umweltbedingungen herrschen, welche den Anforderungen vieler Baumarten nicht entsprechen.
2.1 Lebensbedingungen der Stadtbäume
Es wird häufig gesagt, dass im Artenspektrum der „heutigen potentiell natürlichen Vegetation“, die als Indikator für das Potential des jeweiligen Standorts dient, auch ausreichend Baumarten für die Stadtbegrünung zur Verfügung stehen. Dies gilt für den anthropogen veränderten Pflanzenstandort im städtischen Siedlungsbereich nur noch mit großen Einschränkungen. (www.xfaweb.baden-wuerttemberg.de 06.10.2006)
Es ist aus ökologischer Sicht zu bedenken, dass die Vegetation vom Boden und Klima sowie von biotischen und abiotischen Faktoren abhängig ist. Die meisten heimischen Waldgesellschaften sind gekennzeichnet von einer gewissen Tiefgründigkeit des Bodens mit einem relativ hohen Humusanteil und optimalen Gasaustausch. Viele Waldbäume sind auf eine Symbiose mit Pilzen angewiesen, wobei sich die Wurzelenden verpilzt haben und der Pilz für den Baum Wasser und Nährstoffe aufnimmt, dafür wiederum der Baum den Pilz ernährt. Man nennt diese Symbiose der Waldbäume mit Pilzen Mykorrhiza. Dabei unterscheidet man in eine obligate Ektomykorrhiza und fakultative Ektomykorrhiza, wobei der Baum sowohl mit als auch ohne den Pilz existieren kann, der Pilz sich aber positiv auf das Wachstum des Baumes auswirkt. Der Pilz ist sehr sauerstoffzehrend und empfindlich gegenüber Luftmangel. (Odum 1999, Dobner et al. 1993)
Im Gegensatz zu natürlichen Standorten liegen in städtischen Räumen andere standörtliche Rahmenbedingungen vor. Dort müssen Bäume teils unter extrem widrigen Einflüssen existieren.
Urbane Räume sind häufig durch folgende Standortbedingungen charakterisiert:
- künstliche humusarme, nicht natürlich gewachsene Böden (teilweise mit hohem Anteil an Bauschutt und hohen Kalkgehalten)
- Bodenversiegelung
(Daraus resultieren Wassermangel und Verhinderung des Gasaustausches zwischen Wurzelhorizont und Atmosphäre. Ein CO2-Stau unter der Versiegelung führt zu Sauerstoffmangel und Wurzeltod.)
- Nährstoffmangel
(Das Falllaub kann nicht mineralisiert und nicht vom Baum genutzt werden, weil es in der Regel entfernt wird und der Boden größtenteils versiegelt ist – unterbrochene Nährstoffkreisläufe.)
- Bodenverdichtung mit geringem Hohlraum- und Porenvolumen
(verursacht durch Befahren, Beparken, Betreten, indirekt durch Vibrationen vom Straßenverkehr usw.)
- mechanische Beschädigungen
(Straßenbäume erleiden durch Unfälle und infolge unzureichender Schutz- vorkehrungen bei Baumaßnahmen regelmäßig schwere Kronen-, Stamm- und Wurzelbeschädigungen.)
- Aufgrabungen für Leitungsverlegungen (Gas, Wasser, Elektrizität usw.)
- Mangel an ausreichendem Raum für Wurzelentwicklung und Ernährung
- notwendige Baumscheibengrößen oft nicht realisierbar (mindestens 6 m2 und möglichst 16 m2)
- Grundwasserabsenkung im bebauten städtischen Raum
- wärmeres und lufttrockeneres Stadtklima als im Umland
(Im Jahresdurchschnitt 0,5 - 2 °C höhere Lufttemperaturen führen zu erhöhten Wasserverbrauch.)
- Luftverschmutzung
(Kohlenmonoxid, Stickoxide, Kohlenwasserstoffe, Ruß- und Staubteilchen usw.)
- Solitärstellung
(Der Schadstoffeinfluss ist somit gegenüber geschlossenen, sich gegenseitig abschirmenden Beständen gesteigert.)
- Salzbelastung
(insbesondere durch Tausalz im Winter)
- Hundeurin
(ätzt die Rinde junger Bäume)
- Chemikalien
(abtropfende Öle, Kraftstoffe usw.)
Es wird deutlich, dass Stadtbäume auf mehr oder weniger artfremden Extremstandorten stehen. Die Lebensbedingungen in der Stadt weichen in aller Regel hinsichtlich Klima und Boden erheblich von denen der natürlichen Standorte ab und sind durchaus mit denen von „Wüstenpflanzen“ vergleichbar. Hinzu kommen noch eine Vielzahl von anderen Umweltbelastungen und Stressfaktoren, die das Wachstum der Stadtbäume negativ beeinflussen.
Wenn man von diesem gedanklichen Hintergrund ausgeht und sich dazu noch bewusst macht, dass die Stadtbäume zum überwiegenden Teil „Waldpflanzen“ und keine an das Stadtklima angepassten „Wüstenpflanzen“ sind, dann wird deutlich, welche Bedingungen die künstlichen Standorte in der Stadt erfüllen müssten, damit ein Stadtbaum gut wachsen kann. (Dobner et al. 1993)
3 Kriterien zur Baumartenwahl und -verwendung
Die Auswahl der geeigneten Baumarten für Siedlungsbereiche muss unter Berücksichtigung der in Kapitel 2.1 dargelegten besonderen Standortbedingungen erfolgen. So sollten die Eigenschaften, die Ansprüche und der Verwendungszweck des Gehölzes dem gewählten Standort mit seinen spezifischen Bedingungen gerecht werden. Nur so kann ein optimales Wachstum unter den gegebenen Standort- bedingungen gewährleistet sein.
3.1 Gestalterische Auswahlkriterien
Gestalterische Kriterien bei Baumartenwahl und –verwendung außerhalb des Naturstandortes erlangen vor allem in Siedlungsbereichen eine hohe Bedeutung. Viele Faktoren wie z.B. die gestalterische Absicht, der standörtliche Charakter vor dem Baukörper, die Größe der Straße, der Abstand zwischen den Häusern usw., sind dabei zu beachten. (Mader und Neubert-Mader 2004)
Demnach könnte nach folgenden gestalterischen Kriterien die Auswahl erfolgen:
- Wuchscharakteristik: Kleinbaum, mittelgroßer Baum, Großbaum, Zwergstrauch, Kleinstrauch, mittelgroßer Strauch, Großstrauch
- Wuchsform: kleinkronig, großkronig, breitkronig, kegelförmig, kugelförmig, säulenförmig, pyramidal, straff aufrecht, überhängend, gleichmäßig/ungleichmäßig usw.
- Blütenschmuck: Blütezeitraum, Blütenduft, Blütenfarbe, Blütenform
- Fruchtschmuck: Fruchtfarbe, Fruchtform, Fruchtgröße, dekorative Frucht
- Belaubung: immergrüne Belaubung/Laub abwerfend
- Laub-/Nadelfarbe: besondere Laub-/Nadelfarbe, besondere Herbstfärbung
- Rindenfärbung: dekorative Rindenfärbung
3.2 Ökologische Auswahlkriterien
Die ökologischen Auswahlkriterien sind in der heutigen Zeit von besonders großer Bedeutung. Gefordert werden häufig heimische Gehölze, weil sie den Standort- bedingungen mit ihren biotischen und abiotischen Verhältnissen am ehesten entsprechen. (Dobner et al. 1993)
Zutreffend ist dies aber meist nur für die natürlichen Standorte. In der Stadt herrscht, wie bereits erwähnt, ein anderes Klima. Gewachsener Boden ist nicht vorhanden. Heimische Gehölze sind Waldgehölze, und Waldsituationen haben wir in den Städten kaum. Also müssen andere ökologische Auswahlkriterien gelten.
Bäume außerhalb des natürlichen Standortes, insbesondere wenn es sich dabei um urbane Bereiche handelt, stehen auf mehr oder weniger artfremden Extremstandorten. Dabei ist festzustellen, je anspruchsloser die Baumarten vor allem in Bezug auf Boden, Nährstoffe und Klima sind, umso besser sind sie in der Regel für die Verwendung im Stadt- und Siedlungsraum geeignet. (www.galk.de 06.10.2006)
Baumarten mit weiter ökologischer Amplitude sind denen mit enger Amplitude vorzuziehen. Die Verträglichkeit von hohen Sommertemperaturen und von Trockenheit ist dabei ein wichtiges Kriterium. Auch der Resistenz gegenüber Schädlingen und Krankheiten sowie der Salzverträglichkeit und Toleranz gegenüber Immissionen sollte große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Abhängigkeit von der Mykorrhiza ist für Stadtbäume durchaus bedeutungsvoll.
Wie bereits im Kapitel 2.1 beschrieben, benötigen Bäume mit obligater Ektomykorrhiza im Wurzelhorizont viel Luft, weil der Pilz sehr sauerstoffzehrend ist. Die erforderliche Bodenluft ist aber meist nicht vorhanden. Sie ist der begrenzende Faktor für viele heimische Waldbäume, die als Straßenbäume im versiegelten Umfeld keine Chance haben, wie z.B. Lärche, Fichte, Tanne, Buche und Hainbuche. Deshalb sind Bäume, die ganz ohne Verpilzung der Wurzelenden leben können, in der Regel für die Stadt geeigneter als jene Bäume, welche auf die Symbiose mit Pilzen angewiesen sind.
Es zeigt sich nun deutlich, dass in urbanen Räumen erhebliche ökologische Auswahlkriterien beachtet werden sollten, die allerdings nicht immer bei heimischen Bäumen zutreffen. Deshalb kann heutzutage in Städten nicht mehr auf fremdländische Bäume und Züchtungen verzichtet werden. Hierzu sei an dieser Stelle besonders auf die GALK-Straßenbaumliste hingewiesen (siehe Kapitel 4.1).
Demnach könnte die Baumartenwahl und –verwendung nach folgenden ökologischen Kriterien erfolgen:
- Bodenanspruch: kalkhaltiger Boden, leichter/sandiger Boden, schwerer Boden, salzhaltiger Boden, humoser Boden, saurer Boden, tiefgründiger Boden, anspruchslos
- Wasseranspruch: verträgt Trockenheit, gegen Trockenheit empfindlich, gegen Staunässe empfindlich, verträgt niedrigen Grund- wasserstand, anspruchslos
- Lichtanspruch: vollsonnig, sonnig, absonnig, schattig, vollschattig
- Lichtdurchlässigkeit: stark, mäßig, gering
- Temperaturanspruch: Winterhärtezone 1, 2, 3, 4, 5a, 5b, 6a, 6b, 7a, 7b
- Symbiose: Abhängigkeit von Mykorrhiza
- Klimaverbesserung: Feinstaubbindung, Reduzierung von Luftverschmutzung
- Verwendung: Brut-, Rast- und Migrationsraum für heimische Fauna, Vogelnährgehölz, Bienenweide, Nutzholzlieferant, Pioniergehölz, Park-, Straßen-, Alleebaum, Parkplätze, Solitärgehölz, Gruppengehölz, Windschutz, Lärmschutz
- Besonderheiten: mehltaufest, trockenheitsresistent, industriefest, salzverträglich, stadtklimafest, hitzeverträglich, wind-/standfest, stark wurzelnd, schnittverträglich, Toleranz gegenüber Immissionen, Resistenzen gegenüber Schädlingen und Krankheiten
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- Citation du texte
- B.Sc. Ingo Schuch (Auteur), 2006, Entscheidungskriterien zur Baumartenwahl und -verwendung außerhalb des Naturstandortes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123810
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