Das athenische Bauprogramm in den 440er und 430er Jahren v. Chr. gilt gemeinhin als ein wichtiger Beitrag zum sogenannten Goldenen Zeitalter Athens. Wurde das Bauprogramm früher oft als alleiniges Werk des Perikles betrachtet, so ist diese Deutung inzwischen angefochten und teils negiert worden. Eine wichtige Rolle spielt hierbei Thukydides‘ Aussage, dass Perikles der erste Mann Athens war. Plutarch schrieb im Anschluss hieran von einer 15 Jahre währenden Alleinherrschaft des Perikles in Athen.
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand des Bauprogramms, wobei hierunter sowohl das Bauprogramm selbst, als auch der politische Konflikt um das Bauprogramm verstanden werden, die Frage, ob Perikles zur Zeit des Bauprogramms tatsächlich der erste Mann des athenischen Staates war. Die Quellenlage betreffend das Bauprogramm ist dürftig. Es existieren neben der, von ihrem Aussagegehalt her umstrittenen, Periklesvita des Plutarch weiterhin Thukydides‘ Werk über den Peloponnesischen Krieg, eine vereinzelte Erwähnung des Perikles bei Aristophanes, verschiedene Bauinschriften sowie eine einzelne Erwähnung des Bauprogramms bei Isokrates. Thukydides erwähnt das Bauprogramm nicht, ebenso weisen nur wenige Inschriften Perikles als Bauherrn aus. Der ein halbes Jahrtausend später schreibende Plutarch sieht hingegen eindeutig Perikles als alleinigen Bauherrn. Isokrates stellt die einzige zeitgenössische Quelle dar, die das Bauprogramm Perikles zuschreibt.
Die Forschung zum athenischen Bauprogramm ist ähnlich zwiegespalten. Während die frühere Mehrheitsmeinung, so z.B. Kagan, Perikles als zentralen Akteur des athenischen Bauprogramms ansieht und eine, teils bis in die 460er Jahre zurückreichende, zentrale Rolle des Perikles in der athenischen Politik annimmt, hat die Forschung inzwischen, so z.B. bei Will oder Schubert, beide Punkte revidiert. Zentrale These dieser Hausarbeit ist, dass auf Basis der Untersuchung des Bauprogramms die These von der Alleinherrschaft des Perikles zur Zeit des Bauprogramms nicht haltbar ist. Vielmehr spricht die fehlende Erwähnung des Perikles bei Thukydides und in vielen Bauinschriften sowie die unsichere Faktenlage bei Plutarch dafür, dass Perikles lediglich einer unter mehreren einflussreichen Politikern seiner Zeit war.
Inhalt
Einleitung
Hauptteil
Die Quellenlage betreffend das Bauprogramm
Die Fachliteratur betreffend das Bauprogramm
Auswertung der Literatur betreffend das Bauprogramm
Auswertung der Quellen zum Bauprogramm
Die These von der Alleinherrschaft des Perikles im Spiegel des Bauprogramms
Fazit
Quellen
Literatur
Einleitung
Das athenische Bauprogramm in den 440er und 430er Jahren v. Chr. gilt gemeinhin als ein wichtiger Beitrag zum sogenannten Goldenen Zeitalter Athens. Wurde das Bauprogramm früher oft als alleiniges Werk des Perikles betrachtet, so ist diese Deutung inzwischen angefochten und teils negiert worden. Eine wichtige Rolle spielt hierbei Thukydides‘ Aussage, dass Perikles der erste Mann Athens war. Plutarch schrieb im Anschluss hieran von einer 15 Jahre währenden Alleinherrschaft des Perikles in Athen.
Diese Hausarbeit untersucht anhand des Bauprogramms, wobei hierunter sowohl das Bauprogramm selbst als auch der politische Konflikt um das Bauprogramm verstanden werden, die Frage, ob Perikles zur Zeit des Bauprogramms tatsächlich der erste Mann des athenischen Staates war.
Die Quellenlage betreffend das Bauprogramm ist dürftig. Es existieren neben der, von ihrem Aussagegehalt her umstrittenen, Periklesvita des Plutarch weiterhin Thukydides‘ Werk über den Peloponnesischen Krieg, eine vereinzelte Erwähnung des Perikles bei Aristophanes, verschiedene Bauinschriften sowie eine einzelne Erwähnung des Bauprogramms bei Isokrates. Thukydides erwähnt das Bauprogramm nicht, ebenso weisen nur wenige Inschriften Perikles als Bauherrn aus. Der ein halbes Jahrtausend später schreibende Plutarch sieht hingegen eindeutig Perikles als alleinigen Bauherrn. Isokrates stellt die einzige zeitgenössische Quelle dar, die das Bauprogramm Perikles zuschreibt.
Die Forschung zum athenischen Bauprogramm ist ähnlich zwiegespalten. Während die frühere Mehrheitsmeinung, so z.B. Kagan, Perikles als zentralen Akteur des athenischen Bauprogramms ansieht und eine, teils bis in die 460er Jahre zurückreichende, zentrale Rolle des Perikles in der athenischen Politik annimmt, hat die Forschung inzwischen, so z.B. bei Will oder Schubert, beide Punkte revidiert.
Zentrale These dieser Hausarbeit ist, dass auf Basis der Untersuchung des Bauprogramms die These von der Alleinherrschaft des Perikles zur Zeit des Bauprogramms nicht haltbar ist. Vielmehr spricht die fehlende Erwähnung des Perikles bei Thukydides und in vielen Bauinschriften sowie die unsichere Faktenlage bei Plutarch dafür, dass Perikles lediglich einer unter mehreren einflussreichen Politikern seiner Zeit war.
Hauptteil
Das athenische Bauprogramm auf der Akropolis begann kurz nach dem Kalliasfrieden (449 v. Chr.) im Jahre 448 v. Chr. und endete mit Ausbruch des Peloponnesischen Krieges (431 v. Chr.).1 Die 15 Jahre von 443 v. Chr. bis 429 v. Chr. galten Plutarch im Gefolge von Thukydides als Zeit der Alleinherrschaft des Perikles.2
Die Quellenlage betreffend das Bauprogramm
Die Quellenlage für die Konflikte um das Bauprogramm und das Bauprogramm selbst ist spärlich. Als Quellen für die Zeit des Bauprogramms dienen Plutarch, Thukydides, verschiedene Bauinschriften, der Theaterdichter Aristophanes und Isokrates.
Plutarch beschreibt Perikles‘ Bauprogramm in seiner Periklesbiographie. Das Bauprogramm ist für ihn ein stark umstrittener Teilpunkt des Konfliktes der demokratischen Partei mit der aristokratischen Partei. Keiner der anderen Akte des Perikles habe solch eine innerattische Kritik durch seine Gegner erfahren, welche ihn in der Volksversammlung angegriffen hätten. Perikles habe in einer seiner Reden geäußert, dass die Bauwerke auf der Akropolis der Stadt ewigen Ruhm bringen würden. Außerdem würden sie die wirtschaftliche Wohlfahrt in der Stadt extrem steigern. Die Leitung des Bauprogramms sei Pheidias anvertraut worden, welcher ein Freund des Perikles gewesen sei. Perikles und Pheidias seien Opfer von Verleumdung und Neid geworden. Schließlich habe das Scherbengericht zwischen Perikles und dem Führer der Aristokraten Thukydides Melesiou eine Entscheidung treffen müssen, welche zu Ungunsten des Thukydides ausfiel.3
Thukydides selbst erwähnt zwar Perikles oft in seinem Werk über den Peloponnesischen Krieg, schreibt aber nie direkt über das Bauprogramm.
Die Bauinschriften an den verschiedenen Bauten des Bauprogramms erwähnen Perikles größtenteils nicht.
Aristophanes erwähnt Perikles in seinen Komödien mehrmals und vergleicht ihn an einer Stelle mit Zeus. Das Bauprogramm selbst erwähnt er jedoch nicht.
„Deshalb ließ der Olympier Perikles im Zorn Es blitzen, donnern, rührte Hellas um und um, Erließ Edikte, wie Trinklieder abgefasst […]“4
Isokrates zeichnet ein Bild von Perikles als weisem Mann und schreibt, dass Perikles, „da er ein guter Volksführer und ausgezeichneter Redner war, die Polis mit Tempeln, öffentlichen Bauten […]“ ausstattete.5
Die Fachliteratur betreffend das Bauprogramm
Die Fachliteratur ist betreffend die Frage, ob Perikles das Bauprogramm selbst verantwortete, zwiegespalten.
Will weist eine große Skepsis gegenüber Plutarch auf und betont, dass Perikles zumindest nicht der alleinige Bauherr war.6 Plutarch habe in den ihm vorliegenden Quellen nichts aufgefunden, was Perikles als Kulturheroen anzeigte. Er habe Perikles aber im Gefolge von Thukydides für den ersten Mann Athens gehalten und ihm demzufolge auch bei den Bauten eine bedeutende Rolle zugemessen.7
Will führt mehrere Beteiligungen des Perikles an Baukommissionen auf, hält diese aber nicht für ausreichend, um von einem Perikleischen Bauprogramm zu sprechen.8 Insbesondere sei Perikles in demokratische Kontrollmechanismen eingebunden gewesen, die eine alleinige Aufsicht über das Bauprogramm verhinderten.9 Plutarch habe außerdem die Gegebenheiten des römischen Parteienkampfes auf die Zeit des Perikles übertragen und sei von einer von Perikles angeführten demokratischen Partei und einer aristokratischen Partei ausgegangen.10
Schubert vertritt eine ähnliche Position wie Will. Sie betont die tiefgreifende politische Auseinandersetzung mit Thukydides Melesiou um das Bauprogramm, welche in einem Ostrakismos im Jahre 443/2 endete.11 Schubert sieht allerdings die Möglichkeit, dass der Ostrakismos des Thukydides Melesiou erst in den 430er Jahren stattgefunden hat.12 Auch hält sie Plutarch für unglaubwürdig, da dieser von einem Arbeitsbeschaffungsprogramm schrieb. Dem hält sie entgegen, dass eine Inschrift des Erichtheions angibt, dass beim Bau desselben nur 107 Handwerker beschäftigt wurden.13
Ameling nimmt ebenfalls an, dass Plutarch Verhältnisse seiner Zeit auf die Zeit des Perikles überträgt.14 Er betont, dass bei Plutarch keinerlei Quellen aufgeführt werden. Plutarch scheint vielmehr, mit Ausnahme von Thukydides, dessen Wertungen er übernimmt, keine Quellen verwendet zu haben.15 Ameling verwirft ebenfalls die These vom Bauprogramm als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Übernahme von Verhältnissen aus der römischen Zeit. Vielmehr scheint für ihn in Athen eher ein Mangel an Arbeitskräften geherrscht zu haben.16
Zudem verwirft Ameling den Gedanken einer Freundschaft zwischen dem hochadeligen Perikles und Pheidias. Ein solcher trete nur bei Plutarch auf.17 Überhaupt habe „autoritäres Bauherrentum“ neben den Kommissionen im demokratischen Athen keine Durchsetzungskraft gehabt.18 Perikles werde nicht in den Bauinschriften des Parthenon aufgeführt, auch die Errichtung des Odeions durch Perikles sei fraglich.19
Frost sieht ebenfalls eher einen Mangel an Arbeitskräften zur Zeit des Bauprogramms und betont, dass das Bauprogramm vermutlich von einigen wenigen sehr fachkundigen Handwerkern ausgeführt wurde.20
Stadter verwirft die Ansicht, dass Perikles und Pheidias befreundet waren und verneint ebenso die Aussage, dass Pheidias das gesamte Bauprogramm übersah. Pheidias stellt für Stadter lediglich einen der mit dem Bauprogramm betrauten Baumeister dar.21
Lehmann und Kagan stellen die Gegenposition hierzu dar. Lehmann stellt betont Perikles‘ wichtige Rolle beim Bauprogramm und verwirft die Skepsis gegenüber Plutarch. Er nennt als Argumente, dass Perikles Mitglied der Leitungskommission der Epistatai für die Errichtung des Parthenon war und auch in der Kommission zur Aufstellung der Athenastatue saß. Ebenfalls hebt er die Freundschaft des Perikles mit Pheidias als Indiz für Perikles‘ Verantwortung für das Bauprogramm hervor. Perikles habe außerdem seine politische Stellung für das Bauprogramm aufs Spiel gesetzt.22
Kagan zeichnet Perikles als Lehrer, der das Bauprogramm als Vision für Athen de facto im Alleingang geplant habe.
„This project was at the center of Pericles‘ policies. He was personally involved in the planning and supervision of much, if not all of the building […]“.23
Er habe außerdem die Experten für das Bauprogramm ausgewählt und alle notwendigen Angelegenheiten dieses betreffend mit Pheidias diskutiert.24
Auswertung der Literatur betreffend das Bauprogramm
Die Skepsis der Fachliteratur gegenüber dem ein halbes Jahrtausend nach den Ereignissen um das Bauprogramm schreibenden Plutarch ist berechtigt. Insbesondere die Abhängigkeit Plutarchs von Thukydides‘ Erzählung des Perikles als des ersten Mannes Athens muss berücksichtigt werden. Weiterhin ist die Erwähnung eines Arbeitsbeschaffungsprogramms, auch im Angesicht des Arbeitskräftemangels zur Zeit des Bauprogramms, schlicht ein Anachronismus.
Die Mitgliedschaft des Perikles in Baukommissionen ist indes auch kein weiterer Beleg für eine angeblich umfangreiche Bautätigkeit. Die Kommissionen, in denen Perikles saß, zeigen auf, dass er ein bedeutender Politiker war, aber nicht, dass er die alleinige Macht innehatte. Es stellt sich ebenfalls die Frage, nimmt man die Alleinherrschaftsthese an, wie Perikles diese Kommissionen kontrollierte. Hätte er nicht Mitglied in allen Kommissionen sein müssen, um das Bauprogramm zentral zu steuern?
Dem ließe sich entgegenhalten, dass Perikles es womöglich nicht nötig hatte, allen Kommissionen vorzusitzen, da er die Politik ohnedies kontrollierte. Auch wäre es, im Anschluss hieran, möglich, dass Perikles es sogar gezielt vermied, Mitglied in Baukommissionen zu werden, da er seine Macht nicht überstrapazieren wollte. Dieses Argument läuft aber ins Leere, da er in diesem Fall in keiner der Baukommissionen hätte sitzen müssen, er war aber nachweislich im Falle des Parthenon und der Athenastatue Mitglied der Kommissionen.
Einen weiteren wichtigen Punkt stellt die Auseinandersetzung des Perikles mit Thukydides Melesiou dar. Diese stellt die These von der 15-jährigen Alleinherrschaft infrage, da eine derart große Opposition, wie sie sich unter Thukydides gegen das Bauprogramm wandte, nicht einfach verschwinden konnte. Sollte der Ostrakismos des Thukydides erst in den 430er Jahren erfolgt sein, so wären die 15 Jahre der Alleinherrschaft schon rein rechnerisch nicht mehr zu erreichen. Setzt man den Ostrakismos auf das klassische Datum von 443, so stellt sich die Frage, was Thukydides unternahm, als er im Jahre 433 nach Athen zurückkehren durfte. Zu diesem Zeitpunkt wären Perikles zwar 10 Jahre verblieben, um seine zentrale Stellung zu sichern, jedoch wäre es unglaubwürdig, anzunehmen, dass Thukydides nach seiner Rückkehr nicht erneut in ein Kräftemessen mit Perikles eingetreten wäre.
[...]
1 Will, Wolfgang: Perikles, Hamburg 1995, S. 59.
2 Thuk 2,65. (Übersetzung Landmann); Plut. Perikles 16. (Übersetzung Ziegler)
3 Plut. Perikles 12-14. (Übersetzung Ziegler)
4 Aristoph. Ach. 530-532. (Übersetzung Rau)
5 Isokr. Briefe 15,234. (Übersetzung Ley-Hutton)
6 Will: Perikles, S. 61-64.
7 Will: Perikles, S. 66.
8 Will: Perikles, S. 64, 67.
9 Will: Perikles, S. 67-8.
10 Will: Perikles, S. 72-3.
11 Schubert, Charlotte: Perikles. Tyrann oder Demokrat?, Stuttgart 2012, S. 197.
12 Schubert, Charlotte: Perikles, Darmstadt 1994, S. 119.
13 Schubert, Perikles, 1994, S. 92-93.
14 Ameling, Walther: Plutarch, Perikles 12-14, in: Historia: Zeitschrift für alte Geschichte 34.1 (1985), S. 47–63, S. 47.
15 Ameling: Plutarch, S. 50.
16 Ameling: Plutarch, S. 53-4.
17 Ameling: Plutarch, s. 56.
18 Ameling, Plutarch, s. 57.
19 Ameling, Plutarch, S. 57-8.
20 Frost, Frank J.: Pericles, Thucydides, son of Melesias, and Athenian politics before the war, in: Historia: Zeitschrift für Alte Geschichte Bd. 13 (1964), S. 385-399, S. 391.
21 Stadter, Philip A.: Pericles among the Intellectuals, in: Illinois Classical Studies Vol. 16 (1991), S. 111-124, S. 119-120.
22 Lehmann, Gustav Adolf: Perikles. Staatsmann und Stratege im klassischen Athen, München 2008, S. 140.
23 Kagan, Donald: Pericles of Athens and the birth of democracy, New York 1991, S. 154.
24 Kagan: Pericles, S. 154.
- Quote paper
- Timo Matys (Author), 2021, Das athenische Bauprogramm und die Alleinherrschaft des Perikles, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1237484
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