Im ersten Teil der Facharbeit erläutere ich die Einflüsse auf das Sprachverhalten und anschließend gehe ich auf die Veränderungen der Sprache ein. Außerdem werde ich meinen Eigenanteil ausführlich auswerten und diverse Variationen der Sprache im Schulalltag analysieren. Letztlich gebe ich einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Sprache. Ich habe diese Reihenfolge gewählt, weil man zunächst verschiedene Einflüsse auf die Sprache betrachten muss, um daraus ableiten zu können, inwieweit diese sich dadurch verändert.
Das Ziel dieser Facharbeit ist es, abschließend beurteilen zu können, ob wir noch die gleiche Sprache sprechen. Gerne möchte ich auch Außenstehenden einen besseren Einblick in die Thematik geben.
Da die Informationen sehr vielfältig sind, könnte es schwierig werden, diese im vorgegebenen Rahmen umfassend wiederzugeben. Deshalb beschränke ich mich auf die genannten Gliederungspunkte und lasse die geschichtliche Betrachtung außer Acht.
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkungen
1 Einflüsse auf das Sprachverhalten
1.1 Neue Medien
1.2 Andere Sprachen
1.2.1 Englisch
1.2.2 Französisch
1.2.3 Arabisch
2 Veränderungen der Sprache
2.1 grammatische Veränderungen
2.2 Syntaktische Veränderungen
2.3 Stilistische Veränderungen
3 Untersuchung zu sprachlichen Veränderungen in der Schule
3.1 Ziele und methodisches Vorgehen
3.2 Kontext des Gesprächs
3.3 Ergebnis
3.3.1 Diskussion der Ergebnisse
4 Mögliche Veränderungen in Zukunft
Schlussbemerkungen
Anlagen
Anlage A: Statistik zur Nutzung von Messanger-Diensten in der EU 2020
Anlage B: Transkription der Unterrichtsstunde am 23.11
Literaturverzeichnis
Vorbemerkungen
Die Idee, meine Facharbeit zu diesem Thema zu schreiben, kam mir, als ich letztes Jahr in einem Jugendurlaub mit vielen anderen Gleichaltrigen aus verschiedenen Teilen Deutschlands war. Als wir uns unterhielten, fiel mir direkt auf: wir sprechen alle Deutsch, aber jeder in einer anderen Form. Damit meine ich nicht nur die unterschiedlichen Dialekte, sondern es lassen sich auch Variationen wie beispielsweise Kiezdeutsch und diverse grammatische Veränderungen wie Satzverknappungen oder das Weglassen von Artikeln erkennen. Zudem fiel mir zunehmend auf, dass viele Wörter aus anderen Sprachen wie dem Englischen bereits Bestandteil unserer Alltagssprache sind. Im Zuge dieser Beobachtungen war mein Interesse geweckt und ich entschloss mich, meine Facharbeit diesem Thema zu widmen.
Mein erster Ansatz war, mich in meiner Umgebung im Alltag umzuschauen, um herauszufinden, welche Wortwahl meine Mitschüler treffen und welchen Satzbau sie verwenden. Daraufhin kam mir die Idee, eine Unterrichtsstunde aufzunehmen und sie auszuwerten, um zu verdeutlichen, wie vielfältig unser Sprachvermögen ist.
Im ersten Teil der Facharbeit erläutere ich die Einflüsse auf das Sprachverhalten und anschließend gehe ich auf die Veränderungen der Sprache ein. Außerdem werde ich meinen Eigenanteil ausführlich auswerten und diverse Variationen der Sprache im Schulalltag analysieren. Letztlich gebe ich einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Sprache. Ich habe diese Reihenfolge gewählt, weil man zunächst verschiedene Einflüsse auf die Sprache betrachten muss, um daraus ableiten zu können, inwieweit diese sich dadurch verändert.
Das Ziel dieser Facharbeit ist es, abschließend beurteilen zu können, ob wir noch die gleiche Sprache sprechen. Gerne möchte ich auch Außenstehenden einen besseren Einblick in die Thematik geben.
Da die Informationen sehr vielfältig sind, könnte es schwierig werden, diese im vorgegebenen Rahmen umfassend wiederzugeben. Deshalb beschränke ich mich auf die genannten Gliederungspunkte und lasse die geschichtliche Betrachtung außer Acht.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Die ausschließliche Verwendung dieser Form soll jedoch als geschlechtsunabhängig verstanden werden.
1 Einflüsse auf das Sprachverhalten
1.1 Neue Medien
Wir werden alle täglich in unserem Sprachverhalten beeinflusst. Beispielsweise wirken die Medien auf unsere Art der Kommunikation ein, jedoch können wir uns diesem Einfluss kaum noch entziehen. Ein Großteil der Bevölkerung kommuniziert über Plattformen wie WhatsApp, Facebook, Instagram oder auch einfach über die SMS- Funktion des Mobiltelefons. Der Austausch über Messenger-Dienste findet in allen Ländern der Welt statt, wobei in den EU-Ländern die Bevölkerung der Niederlande mit 90% am meisten auf diesem Weg kommuniziert. In Deutschland nutzen 79% der 16- bis 74-Jährigen Messenger-Dienste, um sich zu verständigen (vgl. Anlage A). Die wenigsten Menschen schreiben dabei in der deutschen Hochsprache, sondern kommunizieren umgangssprachlich mit Abkürzungen, Stichwörtern und verkürzten Sätzen. Die Nachrichten sind schriftbasiert, jedoch konzeptionell mündlich. Es wird versucht, die Nachricht so kurz wie möglich zu fassen, da die Informationen einer SMS in weniger als 160 Zeichen zusammengefasst werden sollen, um eine gelungene Nachricht zu erzielen.1s Ergänzend werden beispielsweise Emoticons, die in der Schriftlichkeit die Stimmung und Gefühle ausdrücken, sowie Emoji, welche Wörter eines Satzes durch ein Bild ersetzen, verwendet. Auch in Artikeln, welche im Internet veröffentlicht werden, wird oft keine Hochsprache verwendet, sondern zum Teil verknappte und grammatisch unkorrekte Sätze.
Außerdem gibt es noch eine so genannte ,,Internetsprache", welche hauptsächlich in der Schriftlichkeit stattfindet, jedoch teils auch in die Mündlichkeit übernommen wird. In Chats wird versucht, sich so kurz wie möglich auszudrücken, um schnell zu kommunizieren. Dies ist vor allem in Online-Spielen der Fall, welche größtenteils international sind. Dadurch erfolgt der Austausch meistens in englischer Sprache. Um sich die Zeit des Ausformulierens zu sparen, werden oft nur noch Buchstaben und Zahlen aneinandergereiht, welche dann einen Satz ausdrücken sollen. Deshalb findet man in Chats Ausdrücke wie zum Beispiel:
(1) ,,HDL" (Habe dich lieb)
(2) ,,CUL8R" (See You Later/ Bis später)2
(3) ,,isso" (ist so)
Bei (1) werden nur die Anfangsbuchstaben der Wörter eines unvollständigen Satzes, in dem das Subjekt fehlt, aneinandergereiht. In diese Verknappung werden häufig zusätzlich Zahlen eingesetzt, welche noch weitere Buchstaben vermeiden sollen, wie bei (2). Des Weiteren erkennt man an (2), dass auch einzelne Buchstaben anstelle ganzer Wörter verwendet werden, da sie ausgesprochen genauso klingen. Sehr oft wird deshalb ,,U" (You) anstatt des ausgeschriebenen ,,You" (Du) benutzt.
Verkürzte Ausdrucksweisen wie (3) werden nicht nur in der Schriftlichkeit verwendet, sondern finden auch in der Mündlichkeit Gebrauch.
Es werden jedoch ebenso Begriffe aus dem Mündlichen in das Schriftliche übernommen. Das ist zum Beispiel in Youtube-Videos der Fall. Dabei werden mündliche Ausdrücke benutzt, welche dann außerhalb des Videos in den Sprachgebrauch aufgenommen werden und später in der Schriftlichkeit wiederzufinden sind. Die Redeweise in Youtube-Videos wird als ,,Youtube-Slang" bezeichnet und spiegelt eine Vermischung von verschiedenen Veränderungen der Sprache wie Dialekten, Soziolekten, Ethnolekten und Anglizismen wider. Es ist eine einfache und prägnante Ausdrucksweise, welche größtenteils nur aus Fragmenten besteht. Besonders Jugendliche übernehmen dies in ihren alltäglichen Sprachgebrauch. Folglich werden die Begriffe und Fragmente des ,,Youtube-Slang" hauptsächlich unter Gleichaltrigen verwendet. Aus diesem Grund hört man besonders in Schulen Ausdrücke wie bro (Freund/Kollege) oder bullshit (Unsinn/ Nonsens). Da viele Jugendliche die YouTube-Sprache verwenden, ist diese mit der Jugendsprache sehr eng verbunden, jedoch nicht gleichzusetzen.
1.2 Andere Sprachen
1.2.1 Englisch
Der Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache umfasst nach Schätzungen des Verlags Duden 300.000 bis 500.000 Wörter. Dabei finden sich in der Wortwahl eines Muttersprachlers nur circa 12.000 bis 16.000 Wörter wieder. Darunter befinden sich rund 3.500 Fremdwörter.3 Diesen Schätzwerten zufolge haben Muttersprachler somit einen Anteil von 21-29% an Fremdwörtern in ihrem Sprachgebrauch.
Ein großer Teil der Fremdwörter ist aus der englischen Sprache in den deutschen Sprachgebrauch übernommen worden. Diese Wörter nennt man Anglizismen und sie stehen teils auch in Wörterbüchern, wie dem Duden. Beispielsweise ist das Wort ,,Shitstorm" seit 2013 darin vorzufinden.4 Die Aufnahme der Weltsprache Englisch in den deutschen Wortschatz wurde besonders durch die Globalisierung vorangetrieben. In den sozialen Netzwerken tauscht man sich größtenteils in englischer Sprache aus und große Firmen präsentieren sich in englischer Sprache. In der deutschen Berufswelt haben sich dadurch viele Begriffe aus dem Englischen, wie beispielsweise das ,,Meeting" (Termin) oder das ,,Management" (Verwaltung), etabliert. Diese Wörter haben auch eine deutsche Übersetzung, doch es wird zunehmend die englische Bezeichnung verwendet.
In der Arbeitswelt werden Berufsbezeichnungen durch englische Begriffe ausgetauscht, sodass beispielsweise der Hausmeister als ,,Facility Manager" und ein Hilfsarbeiter als ,,Jobber" betitelt werden. Dadurch wird ein weniger angesehener Beruf durch eine andere Benennung aufgewertet.
Zugleich gibt es Wörter wie ,,Shopping" oder ,,Controlling", welche keine direkte deutsche Übersetzung besitzen. Man kann sie umschreiben, jedoch nicht wortwörtlich mit der eigentlichen Bedeutung übersetzen. Aus diesem Grund werden sie im Deutschen ausschließlich in englischer Sprache benutzt. Beispielsweise verwendet man das Wort ,,Shopping", wenn man einen Einkaufsbummel durch eine Ladenstraße macht. ,,Shopping" wird mit ,,einkaufen" im Deutschen übersetzt, impliziert aber nicht, wie das deutsche Wort, dass man zwingend etwas kauft.
Zusätzlich findet man zunehmend deutsche Aussagen, die mit englischen Ausdrücken vermischt werden. Diese Zusammensetzungen beziehungsweise inkonsequenten Übersetzungen im Deutschen nennt man ,,Denglisch". Das bedeutet, dass diese Wörter Englisch klingen, so aber nicht existieren oder eine andere Bedeutung haben. Ein Beispiel dafür ist das Wort ,,Handy". Es ist ein englisch klingendes Wort, das aber im englischsprachigen Raum als ,,mobile phone" (Mobiltelefon) bezeichnet wird. Das in Deutschland gebräuchliche Wort ,,Handy", ist eigentlich ein englisches Adjektiv und bedeutet übersetzt ,,handlich". Ein weiteres Beispiel ist der Anrufbeantworter, welcher als ,,Mailbox" bezeichnet wird, was ein englisches Wort ist, aber übersetzt ,,Briefkasten" bedeutet. Der Anrufbeantworter wird in der englischen Sprache als ,,voice mail" betitelt.5 Diese Wortwahl benutzen nicht nur Jugendliche, sondern ältere Menschen haben diese Ausdrücke ebenfalls in ihren Wortschatz übertragen.
Die Anglizismen und ,,denglischen" Begriffe sind ein umstrittenes Thema in der Gesellschaft, da einige Menschen der Meinung sind, die deutsche Sprache würde durch deren vermehrte Verwendung aussterben. Doch auf der anderen Seite wachsen die heutigen Kinder und Jugendlichen mit der englischen Sprache auf. Es gibt in Deutschland bereits bilinguale Kindertagesstätten, Schulen und englischsprachige Studiengänge. Somit findet von Kindheit an eine Vermischung der Sprachen statt, sodass diverse Ausdrücke aus der Fremdsprache in den alltäglichen Sprachgebrauch übernommen werden. Die Sprache befindet sich demzufolge in einem ständigen Wandel und für die Gesellschaft wird die neue Art der Sprache zur Normalität. Dem stimmt auch der Linguist Uwe Heinrichs von der Universität Leipzig zu: ,,[.] grundsätzlich würde ich sagen, dass sich meine Ohren sehr schnell an sprachliche Veränderungen gewöhnen. Ich versuche, das nicht zu verurteilen, sondern erst einmal zu registrieren. Kein Fehler ist zufällig."6 Das bringt zum Ausdruck, dass die Sprache sich verändert, aber jede Veränderung irgendwann nicht mehr wegzudenken ist und ein fester Bestandteil der Standardsprache wird.
1.2.2 Französisch
Die französische Sprache hat ebenfalls einen großen Einfluss auf das Deutsche. Bereits im Mittelalter wurde an europäischen Höfen Französisch gesprochen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Zeit der französischen Besetzung unter Napoleon wurden immer mehr Wörter und Redewendungen aus der französischen Sprache übernommen. Die preußischen Könige sprachen mehr Französisch als Deutsch und beherrschten die französische Sprache deshalb sogar besser.? Lediglich mit Soldaten und anderen ,,niederen" Menschen wurde in deutscher Sprache kommuniziert. Begriffe aus dem eher vornehmen Bereich wurden in den deutschen Sprachgebrauch übernommen. Diese Wörter, wie Konfitüre, Cousin, Parfum und Reportage, nennt man Gallizismen.7 Es gibt allerdings auch sogenannte Schein-Gallizismen. Diese stammen vermeintlich aus der französischen Sprache, ihr Ursprung liegt allerdings woanders.
Ein Beispiel hierfür ist die ,,Blamage". Es scheint ein französisches Wort zu sein, doch die Franzosen bezeichnen einen beschämenden Vorfall nicht als ,,Blamage", sondern mit ,,honte".8
1.2.3 Arabisch
Neben dem Englischen und Französischen ist die deutsche Sprache ebenfalls von dem Arabischen geprägt. Die arabische Sprache wurde auf der einen Seite durch Handelsbeziehungen Arabiens nach Europa gebracht, insbesondere nach Italien. Dabei war Arabisch eine Vehikularsprache und diente somit der überregionalen Kommunikation für den Handel im europäischen, asiatischen und afrikanischen Raum. Auf der anderen Seite fanden in Arabien viele wissenschaftliche Fortschritte, vor allem in den Bereichen Mathematik und Astronomie, statt. Die arabischen Fachbegriffe aus diesen wissenschaftlichen Bereichen wurden in andere Sprachen übernommen. So wurden beispielsweise während der Besatzung Spaniens durch die Araber im Mittelalter viele arabische Wörter in die spanische Sprache übernommen.
Das Arabische wurde folglich nicht direkt nach Deutschland gebracht, sondern über andere Sprachen, welche ,,Vermittlersprachen" genannt werden. Somit sind Sprachen wie Italienisch oder Spanisch primäre Vermittlersprachen und das Deutsche die sekundäre Empfängersprache.9
Man findet Arabismen vor allem in den Bereichen:
(4) Handel (z.B. Magazin)
(5) Botanik (z.B. Kaffee)
(6) Medizin (z.B. Balsam)
(7) Mathematik (z.B. Algebra)
(8) Chemie (z.B. Alkohol)
(9) Astronomie (z.B. Zenit)10
Da Arabisch über andere Sprachen nach Deutschland kam, wurden keine Wörter direkt übernommen, sondern nur Lehnwörter, die an die Schreibung und Lautung der Wörter in der jeweiligen Sprache angepasst sind. Beispielsweise werden einzelne Buchstaben nicht mit übernommen, sondern teils durch ähnliche klingende Vokale ersetzt:
(10) arabisch: sukkar --- italienisch: succhero --- deutsch: Zucker
(11) arabisch: yäsamTn --- spanisch: jazmin --- deutsch: Jasmin
Doch auch heutzutage werden immer noch neue Arabismen in die deutsche Sprache übernommen. Besonders in multiethnischen Gebieten, in denen Kiezdeutsch gesprochen wird, sind arabische Ausdrücke vorzufinden. Vor allem im jüngeren Teil der Gesellschaft findet man Sätze wie:
(12) ,,Habibi lass ma' raus gehen, yallah!" (habibi = Schatz, Liebling; yallah = los, komm)
Dass die arabische Sprache ein fester Bestandteil der deutschen Sprache ist, beweist das Jugendwort des Jahres 2013, welches das arabische Wort ,,Babo" (Chef/Anführer) ist. Bekannt wurde es 2012 durch den Song ,,Chabos wissen wer der Babo ist" von dem Künstler Haftbefehl. Daraufhin fand dieser Begriff im deutschen Sprachgebrauch öfter Verwendung.
2 Veränderungen der Sprache
2.1 grammatische Veränderungen
Die deutsche Sprache befindet sich in einem ständigen Wandel, indem sich nicht nur die Wortwahl verändert, sondern auch die Grammatik. Dies geschieht sowohl in der Schriftlichkeit, als auch in der Mündlichkeit.
Zum einen werden die deutschen Kasus mittlerweile anders verwendet als früher. Der Genitiv wird vor allem in der Mündlichkeit, aber auch in der Schriftlichkeit, durch den Dativ ersetzt. Das bedeutet, dass die Frage ,,Wessen?", welche den Genitiv erfordert, nicht mit Beispiel (13), sondern mit Beispiel (14), beantwortet wird. Darüber hinaus erfordert die Präposition ,,wegen" ebenfalls den Genitiv, wie beispielsweise bei der Wortgruppe (15). Verwendet wird jedoch oftmals der Dativ, welcher im Beispiel (16) zu erkennen ist.
(13) ,,das Auto meines Vaters" (Genitiv)
(14) ,,das Auto von meinem Vater" (Dativ)
(15) ,,wegen des schlechten Wetters" (Genitiv)
(16) ,,wegen dem schlechten Wetter" (Dativ)
Besonders in multiethnischen Vierteln großer Städte, wie in Berlin-Kreuzberg, wird von vielen Menschen Kiezdeutsch gesprochen. Da sich in diesen Gebieten vor allem Jugendliche verschiedener Herkunft verständigen, spricht ein Großteil nur in Nominalphrasen. Dabei werden die Artikel vor Substantiven in Sätzen weggelassen, in denen Artikel erforderlich sind, da sie für einen grammatisch korrekten Satz benötigt werden. Es kommen Aussagen wie im Beispiel (17) auf, die eigentlich wie Beispiel (18) lauten müssten. Diese unvollständigen Sätze treten primär in der Mündlichkeit auf.
Allerdings gibt es auch in der deutschen Sprache schon immer bestimmte Redewendungen, bei denen kein Artikel erforderlich ist. Das ist bei Abstrakta (19),
Eigennamen (20) und Stoffsubstantiven (21) der Fall.11
(17) ,,Wir gehen erst noch Stadt."
(18) ,,Wir gehen erst noch in die Stadt."
(19) ,,Er hat Geduld."
(20) ,,Das ist Max."
(21) ,,Er trinkt gerne Wasser."
Der Gebrauch der verschiedenen Zeitformen hat sich ebenfalls geändert. In der Schriftlichkeit werden Sachverhalte der Vergangenheit zunehmend im Perfekt, statt im Präteritum, ausgedrückt. Das Perfekt findet normalerweise nur in der Mündlichkeit Verwendung, um von Erlebtem zu berichten. In der Schriftlichkeit wird primär das Präteritum verwendet, um die Vergangenheit zu schildern. Mittlerweile wird auch in der niedergeschriebenen Sprache zunehmend das Perfekt verwendet. Das liegt daran, dass das Perfekt im Wortlaut näher an der Grundform des Verbes ist, wie im Beispiel (22), als das Präteritum im Satz (23).
(22) ,,Er hat ihr zum Geburtstag einen Kuchen gebacken." (Perfekt)
(23) ,,Er buk ihr zum Geburtstag einen Kuchen." (Präteritum)
2.2 Syntaktische Veränderungen
Syntaktische Veränderungen der Sprache bezeichnen eine abwandelnde Wortstellung in Sätzen. Beipielsweise werden häufig ,,weil"-Sätze wie ,,denn"-Sätze, und nicht wie ,,da"-Sätze, gebildet. Dabei ist Aussage (24) grammatisch korrekt gebildet, Satz (25) hingegen nicht.
(24) ,,Ich muss mich beeilen, weil ich noch etwas kaufen will, bevor die Läden schließen." (wie ein ,,da"-Satz gebildet)
(25) ,,Ich muss mich beeilen, weil ich will noch etwas einkaufen, bevor die Läden schließen." (wie ein ,,denn"-Satz gebildet)12
Darüber hinaus gibt es eine Verbzweitstellung nach der Konjunktion ,,weil". Das bedeutet, dass das Verb des Nebensatzes an die zweite und nicht an die letzte Satzgliedstelle gesetzt wird. Das ist bei Satz (26) der Fall und müsste korrekt wie Satz (27) gebildet sein.
(26) ,,Ich komme nicht, weil ich habe keine Zeit." (finites Verb an zweiter Stelle)
(27) ,,Ich komme nicht, weil ich keine Zeit habe." (finites Verb an letzter Stelle)
2.3 Stilistische und Regionale Veränderungen
Die deutsche Sprache besitzt in ihrer Vielfalt mehrere verschiedene Dialekte. Diese sind eine regionale Variante des Deutschen. Es gibt 16 große Dialektverbände, die nochmals verschiedene Abwandlungen besitzen.13 In Deutschland sprechen 60 Prozent der Bevölkerung mit einem Dialekt, wobei die meisten Menschen mit Dialekt in den südlichen sowie südwestlichen Landesteilen und in Berlin leben.14 Der bayrische Dialekt ist international der bekannteste. Er wird bayernweit sowohl in der ländlichen Region, als auch in den Städten gesprochen.
Doch neben dem Bayrischen sind in Deutschland ebenfalls Schwäbisch und Sächsisch sehr bekannt. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Deutsche Sprache von 2009 ist der sächsische Dialekt der unbeliebteste Dialekt, wohingegen der Norddeutsche der sympathischste ist. Einige Dialekte, wie auch Sächsisch, erwecken in der Gesellschaft den Anschein, dass der Sprechende ungebildeter ist als Menschen mit anderen Mundarten. Jedoch stellte das Institut für Sprache in Mannheim fest: ,,Es zeigt sich kein Zusammenhang zwischen Dialektkompetenz und Bildungsgrad". Somit lässt sich nicht bestätigen, dass mit Dialekt sprechende Menschen weniger kompetent sind.
Die Dialekte verändern sich im Laufe der Zeit. Beispielsweise ist die niederdeutsche Sprache, auch als ,,Plattdeutsch" bezeichnet, ein sehr alter Dialekt, der nur noch in Mischformen vorzufinden ist. Diese Mischformen sind vor allem im Norden von Deutschland vertreten.
Neben den Dialekten gibt es auch noch die Soziolekte, was Sprachvarietäten sind, die in einer sozialen Gruppe gesprochen werden. Dabei gibt die gemeinsam gesprochene Sprache ein Gefühl von Zugehörigkeit und Gemeinschaft. Dies geht damit einher, dass sich eine Gruppe mit einem eigenen Soziolekt von anderen abgrenzen kann, da für Außenstehende diese Art der Sprache zum großen Teil nicht verständlich und nachvollziehbar ist. Allerdings spricht eine Person häufig nicht nur einen, sondern mehrere Soziolekte, da sie mehreren Gruppen zugehörig ist.
Der Soziolekt wird in die Sondersprache und die Fachsprache unterteilt. Dabei erfolgt die Sondersprache in Gruppen des privaten Umfelds, wie beispielsweise die ,,Gamer- Sprache", welche von verschiedenen Abkürzungen geprägt ist. Ein weiteres Beispiel ist die ,,Gefängnis-Sprache", in der die Bedeutungen von Wörtern der Hochsprache uminterpretiert werden und damit etwas anderes zum Ausdruck bringen. Infolgedessen steht zum Beispiel das Wort ,,Koffer" für eine Schachtel Zigaretten. Dadurch können sich die Inhaftierten über verbotene Gegenstände in der Justizvollzugsanstalt unterhalten, ohne dass dies ein Außenstehender versteht.15
Die Fachsprache hingegen wird in der Berufswelt und in der Wissenschaft verwendet. Sie dient zur Vermittlung von Wissen und Informationen innerhalb einer Gruppe. Dazu zählen zum Beispiel die Beamten- und Juristensprache. Beide Soziolekte sind sehr formell, präzise und haben einen großen Anteil an Fachterminologie.
Eine dritte stilistische Veränderung ist der Ethnolekt, der eine vereinfachte Form der deutschen Sprache mit Elementen aus der Herkunftssprache des Sprechers ist. Die bekanntesten Ethnolekte der deutschen Sprache sind das Kiezdeutsch und das Türkendeutsch. Beide Sprachstile haben eine einfache Satzstruktur aus Subjekt, Prädikat und Objekt mit Wörtern aus dem Türkischen, Arabischen oder Serbokroatischen. Größtenteils werden die Präpositionen und Artikel weggelassen. Zusätzlich haben sie eine Koronalisierung[16] des Ich-Lautes, weshalb nicht ,,Ich", sondern ,,Isch", gesagt wird. Dementsprechend entstehen Aussagen wie bei (28).
(28) ,,Isch geh Bahnhof."
Die Ethnolekte sind ein Teil der Persönlichkeit und stellen keine Abgrenzung zu anderen Personen oder Gruppen, wie die Soziolekte, dar. Alle drei stilistischen Veränderungen finden größtenteils in der Mündlichkeit statt, die Fachsprache der Soziolekte hingegen auch häufiger in der Schriftlichkeit.
[...]
1 Schlobinski, Peter. Klett Verlag: Stuttgart {2005}: SMS-Texte - Alarmsignale für die Standardsprache. Seite 35
2 https://www.t-online.de/digital/internet/id_47914726/lol-rofl-imho-internet-abkuerzungen-und-ihre- bedeutung.html {27.12.2021}
3 https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Zum-Umfang-des-deutschen-Wortschatzes {27.12.2021}
4 https://www.welt.de/kultur/article128260705/So-viel-Englisch-steckt-wirklich-im-Deutschen.html {27.12.2021}
5 vgl. https://blog.linguation.com/die-weltsprache-englisch-und-ihr-einfluss-auf-die-deutsche-sprache/ {27.12.2021}
6 https://www.sueddeutsche.de/kultur/deutsche-sprache-die-deutsche-sprache-stoesst-teile-der-verkrusteten- grammatik-ab-1.3193295 {09.01.2022}
7 vgl. http://ling.ulstu.ru/linguistics/resourses/mega_deutsch/DeutscheSprache/Einflusse.html {08.01.2022}
8 vgl. https://blog.supertext.ch/2017/02/warum-trikot-blamage-und-regisseur-keine-franzosischen-worter- sind/ {24.01.2022}
9 vgl. Tyzak, Janine. GRIN Verlag: Norderstedt {2014}: Arabismen in der deutschen Sprache/Eine exemplarische Analyse des deutschen Wortschatzes im Hinblick auf arabische Einflüsse. Seite 7 ff.
10 vgl. http://ling.ulstu.ru/linguistics/resourses/mega_deutsch/DeutscheSprache/Einflusse.html {08.01.2022}
11 https://gfds.de/ich-bin-gleich-hauptbahnhof-wegfall-von-artikel-und-praeposition-im-kiezdeutsch/ {15.01.2022}
12 Keller, Rudi. Stuttgart {2003}: Sprachwandel. 3. Auflage. Seite 19.
13 https://www.deutschland.de/de/topic/leben/dialekte-in-deutschland {05.02.2022}
14 https://www.ids-mannheim.de/aktuell/presse/pr090617/ {05.02.2022}
15 vgl. https://uni.de/redaktion/soziolekte {11.02.2022}
- Quote paper
- Maria Kornetzke (Author), 2022, Sprachidentität — Sprechen wir noch die gleiche Sprache?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1236380
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