In der vorliegenden Arbeit geht es um die Zahngesundheit im Kindes- und Jugendalter. Die Gesundheit der Zähne und des Gebisses ist von grundlegender Bedeutung für die allgemeine Gesundheit des Menschen. Ein gesundes, gepflegtes und schönes Gebiss ist nicht nur wichtig für das Kauen. Es verleiht dem Besitzer ein gutes Aussehen, Sicherheit und Selbstvertrauen und ist somit für das seelische und körperliche Wohlbefinden mitentscheidend.
Nach dem Elternhaus hat zunächst der Kindergarten und anschließend die Grundschule in besonderer Weise, da sie durch die allgemeine Schulpflicht alle Kinder erreicht, eine erhebliche Verantwortung bei der Zahngesundheitserziehung. Die gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit von Eltern und Schule ist sehr wichtig, damit die Bemühungen erfolgreich sind und die Grundlagen einer guten Zahngesundheit bereits in den Kindesjahren gelegt werden. Das Wissen um die eigene Verantwortlichkeit bezüglich einer zahngesunden Lebensführung und seiner Vorteile muss immer wieder wiederholt und vertieft werden, damit auch Jugendliche in ihrer Handlungskompetenz – ihr Gebiss möglichst lebenslang gesund zu erhalten – gefördert werden.
Die erzieherischen Bemühungen seitens der Schule sollten nicht lediglich auf dem Allgemeinwissen der Lehrperson basieren, sondern auf zahnmedizinischen Grundlagen aufbauen. Aus diesem Grund bilden die zahnmedizinischen Aspekte den Schwerpunkt dieser Arbeit. Die vorliegende Arbeit ist daher folgendermaßen aufgebaut:
Im zweiten Kapitel werden zunächst die Entwicklung der Zähne, ihr Aufbau und ihre Funktion beschrieben, um dann auf die Erkrankungen der Zähne und des Parodonts sowie auf die Verbreitung der Karies im Kindes- und Jugendalter einzugehen. Das dritte Kapitel stellt die fachwissenschaftlichen Prophylaxemaßnahmen – die vier Säulen der Zahngesundheit – dar und gibt einen Überblick über Zahngesundheitserziehung. Abschließend wird ein Unterrichtsentwurf (viertes Kapitel) vorgestellt, der aufbauend auf den vorhergehenden Ausführungen konzipiert wurde.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Zähne
2.1 Zahn- und Gebissentwicklung
2.2 Zahnaufbau
2.3 Zahnarten - ihre Form und Funktion
2.4 Erkrankungen der Zähne und des Parodonts
2.4.1 Die Plaquebildung
2.4.2 Karies
2.4.3 Erkrankungen des Parodonts
2.5 Verbreitung der Karies
2.5.1 Befallsmuster der Karies
2.5.2 Der DMF-T- und DMF-S-Index
2.5.3 Verbreitung in einzelnen Altersgruppen
2.5.4 Risikogruppen
2.5.5 Internationaler Vergleich
2.6 Zusammenfassung
3 Prophylaxemaßnahmen
3.1 Vier Säulen der Zahngesundheit
3.1.1 Ernährung
3.1.2 Zahnpflege
3.1.3 Fluoride
3.1.3.1 Vorkommen der Fluoride
3.1.3.2 Wirkung von Fluoriden
3.1.3.3 Fluoridanwendung
3.1.3.4 Toxizität von Fluoriden
3.1.4 Kontrollen durch den Zahnarzt
3.2 Zahngesundheitserziehung
3.3 Zusammenfassung
4 Unterrichtsentwurf
4.1 Erläuterungen zum Unterrichtsentwurf
4.2 Unterrichtseinheiten
4.2.1 Einheit 1: Ein Zahn fällt aus
4.2.2 Einheit 2: Unsere Zähne haben viel Arbeit
4.2.3 Einheit 3: So sieht ein Zahn von innen aus
4.2.4 Einheit 4: Wir putzen unsere Zähne
4.2.5 Einheit 5: Ein Zahn wird krank
4.2.6 Einheit 6: Zahnfreundliches Essen
4.2.7 Einheit 7: Ein Besuch beim Zahnarzt
5 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Arbeitsblätter-Zahnbuch
Materialien für die Unterrichtseinheiten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1 Entwicklung des Milchgebisses
Abbildung 2 Entwicklung des bleibenden Gebisses
Abbildung 3 Bereiche und Strukturen eines Backenzahnes
Abbildung 4 Wanderung der Nachbarzähne bei Zahnverlust
Abbildung 5 Zahnformen und ihre Funktionen
Abbildung 6 Karies verursachende Faktoren
Abbildung 7 Entstehung von Karies, Gingivitis und Parodontitis
Abbildung 8 Mittlere dmf-t-Werte bei Sechs bis Siebenjährigen
Abbildung 9 Mittlere DMF-T-Werte bei Neunjährigen
Abbildung 10 Mittlere DMF-T-Werte bei 12-Jährigen
Abbildung 11 Vier Säulen der Zahngesundheit
Abbildung 12 Süßungsmittel
Abbildung 13 Zahnmännchen mit Schirm
Abbildung 14 Fluoridierungsmaßnahmen - Basisprophylaxe
Tabelle 1 Kariesbefall bei Jugendlichen (12-jährige) in Europa und Nordamerika
1 Einleitung
In der vorliegenden Arbeit geht es um die Zahngesundheit im Kindes- und Jugendalter. Die Gesundheit der Zähne und des Gebisses ist von grundlegender Bedeutung für die allgemeine Gesundheit des Menschen. Ein gesundes, gepflegtes und schönes Gebiss ist nicht nur wichtig für das Kauen. Es verleiht dem Besitzer ein gutes Aussehen, Sicherheit und Selbstvertrauen und ist somit für das seelische und körperliche Wohlbefinden mitentscheidend.
Nur wenige Maßnahmen sind notwendig, die sich präventiv auf die Zahngesundheit auswirken. Dazu gehören:
- eine gesunde, vollwertige Ernährung;
- eine richtige und gewissenhafte Mund- und Zahnpflege;
- die Zuführung von Fluoriden und
- die regelmäßigen Kontrollen durch den Zahnarzt.
Zahnmediziner bestätigen, dass es in der praktischen Umsetzung dieser Präventionsmaßnahmen mitunter erhebliche Probleme gibt. Vor allem Menschen im Erwachsenenalter fällt die Umstellung schwer, da diese Verhaltensweisen und Gewohnheiten übernommen und verfestigt haben, die oftmals nicht als gebissgesund bezeichnet werden können. Somit sind Karies und Zahnfleischerkrankungen auch heute noch als Volkskrankheiten zu betrachten. Für viele Menschen sind Zahnkrankheiten eine Selbstverständlichkeit. Damit das Bewusstsein für die eigene Verantwortlichkeit von Zahnerkrankungen deutlich gemacht wird, muss Zahngesundheit und damit auch die Zahngesundheitserziehung bereits im Kindesalter thematisiert werden. Die wesentlichen Lebensgrundlagen wie z.B. Verhaltensweisen, Lebensstile, Überzeugungen und Wertvorstellungen werden im Kindes- und Jugendalter erworben. Sie sind prägend für den Umgang mit der Gesundheit im späteren Leben.
Nach dem Elternhaus hat zunächst der Kindergarten und anschließend die Grundschule in besonderer Weise, da sie durch die allgemeine Schulpflicht alle Kinder erreicht, eine erhebliche Verantwortung bei der Zahngesundheitserziehung. Die gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit von Eltern und Schule ist sehr wichtig, damit die Bemühungen erfolgreich sind und die Grundlagen einer guten Zahngesundheit bereits in den Kindesjahren gelegt werden. Das Wissen um die eigene Verantwortlichkeit bezüglich einer zahngesunden Lebensführung und seiner Vorteile muss immer wieder wiederholt und vertieft werden, damit auch Jugendliche in ihrer Handlungskompetenz - ihr Gebiss möglichst lebenslang gesund zu erhalten - gefördert werden.
Die erzieherischen Bemühungen seitens der Schule sollten nicht lediglich auf dem Allgemeinwissen der Lehrperson basieren, sondern auf zahnmedizinischen Grundlagen
aufbauen. Aus diesem Grund bilden die zahnmedizinischen Aspekte den Schwerpunkt dieser Arbeit. Die vorliegende Arbeit ist daher folgendermaßen aufgebaut:
Im zweiten Kapitel werden zunächst die Entwicklung der Zähne, ihr Aufbau und ihre Funktion beschrieben, um dann auf die Erkrankungen der Zähne und des Parodonts sowie auf die Verbreitung der Karies im Kindes- und Jugendalter einzugehen. Das dritte Kapitel stellt die fachwissenschaftlichen Prophylaxemaßnahmen - die vier Säulen der Zahngesundheit - dar und gibt einen Überblick über Zahngesundheitserziehung. Abschließend wird ein Unterrichtsentwurf (viertes Kapitel) vorgestellt, der aufbauend auf den vorhergehenden Ausführungen konzipiert wurde.
2 Die Zähne
Da jeder Mensch Zähne hat, sind sie für die meisten Menschen so selbstverständlich, dass man sich derer Bedeutung gar nicht bewusst wird. Erst wenn Zahnkrankheiten und/ oder Zahnverlust auftreten, erkennen viele Menschen ihre wichtige Funktion. Täglich werden beim Essen, Sprechen und Lachen Zähne gezeigt. Niemand kann seine Zähne verstecken. Umso wichtiger ist darum die Auseinandersetzung mit dem Thema „Zähne“, damit man sich des komplexen Aufbaus, der bedeutenden Funktionen und der Folgen und Schäden von Zahnerkrankungen bewusst wird.
2.1 Zahn- und Gebissentwicklung
Die Entwicklung der Zähne beginnt bereits in der sechsten Embryonalwoche und verläuft in Stadien. Zunächst bilden sich die Zahnleisten, aus denen die Anlagen für die Milchzähne und die bleibenden Zähne hervorgehen. Ab dem vierten Schwangerschaftsmonat beginnt die Mineralisierung der Hartsubstanzen der Milchzähne (vgl. Koch 2007, S.392; Pommerenke et al. 2004, S.13). Meist sind am Tage der Geburt die Kiefer der Säuglinge zahnlos, damit diese ihre Mütter beim Trinken nicht verletzen. Einige Milchzahnkronen sind zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig mineralisiert, andere nur zur Hälfte (vgl. Pommerenke et al. 2004, S.13). Sind bereits bei der Geburt Zähne oder nur Zahnkanten im Kiefer des Säuglings zusehen, so stellt dies keine Anomalie dar, sondern eine beschleunigte Entwicklung (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.141f). Das Milchgebiss setzt sich aus 20 Milchzähnen zusammen, d.h. 10 Milchzähne pro Kiefer. Dies sind insgesamt acht Schneidezähne, vier Eckzähne und acht Backenzähne (Milchmolaren). Der Zahndurchbruch (s. Abb. 1) unterliegt individuellen Schwankungen, jedoch brechen in der Regel die unteren Schneidezähne zuerst durch. Dies erfolgt zwischen dem 6.-12. Lebensmonat (vgl. Koch 2007, S.393; Heinrich/Hoffmann 1997, S.142). Dann folgen meist die ersten Mahlzähne (Milchmolaren, Backenzähne) zwischen dem 12.-16. Lebensmonat. Zwischen dem 16.-20. Lebensmonat brechen die Eckzähne durch und zwischen dem 20.-30. Lebensmonat die zweiten Mahlzähne (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.143). Diese ersten Zähne sind kleiner als die bleibenden Zähne und besitzen gezackte Kanten. Die Milchzähne behalten ihre Größe, während in den folgenden Jahren die Kiefer wachsen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Entwicklung des Milchgebisses
Quelle: Bartsch et al. 2003, S.10
Die zweite Zahnung beginnt mit ca. sechs Jahren (s. Abb. 2). Dabei werden die Milchzähne durch die bleibenden Zähne ersetzt. Gewöhnlich bricht als erster bleibender Backenzahn der Sechsjahr-Molar ab dem Ende des 5. Lebensjahres durch - noch bevor der erste Milchzahn verloren gegangen ist. Diese ersten bleibenden Backenzähne setzen sich hinter die zweiten Milchmolaren, oft ohne dass es die Kinder bzw. deren Eltern bemerken. Folglich werden die ersten bleibenden Zähne oft für Milchzähne gehalten und deren Zerfall wird sorglos hingenommen. Der eigentliche Zahnwechsel beginnt dann im Alter von sechs bis sieben Jahren. So genannte Osteoklasten[1] bauen die Wurzeln der Milchzähne ab, bis schließlich die Milchzähne zu wackeln anfangen und nach und nach ausfallen. Die darunter liegenden bleibenden Zähne stoßen durch das Zahnfleisch und nehmen deren Platz ein (vgl. Voß 2004, S.33; Heinrich/Hoffmann 1997, S. 143f). Das Wechselgebiss erstreckt sich etwa über acht Jahre. Die folgende Abbildung (s. Abb. 2) gibt lediglich eine Norm des ungefähren Alters bei Durchbruch an. Diese Daten können individuell verschieden sein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Entwicklung des bleibenden Gebisses
Quelle: Bartsch et al. 2003, S.10
Das bleibende Gebiss besteht aus 32 Zähnen. Es umfasst acht Schneidezähne, vier Eckzähne, acht kleine Backenzähne (Prämolaren) und 12 große Backenzähne (Molaren) einschließlich der vier Weisheitszähne (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.143; aid 2006, S.4).
2.2 Zahnaufbau
Zähne haben eine erhebliche Beiß- und Kauleistung zu erbringen. Der Bau der Zähne entspricht diesen Leistungen. Beim Zahn werden drei Bereiche unterschieden: Zahnkrone, Zahnhals und Zahnwurzel (s. Abb. 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Bereiche und Strukturen eines Backenzahnes
Quelle: Pommerenke et al. 2004, S.15
Die Zähne
Als Zahnkrone bezeichnet man den Teil des menschlichen Zahns, der im Gebiss sichtbar ist. Die Zahnkrone wird aus dem weißlichen Zahnschmelz an der Oberfläche, dem darunter liegenden Zahnbein (Dentin) und Teilen der Markhöhle (Pulpa) gebildet. Jeweils nach der Funktion des Zahnes ist die Zahnkrone unterschiedlich geformt. Es wird zwischen Glattflächen, Höckern und Fissuren (Furchen) unterschieden (vgl. Voß 2004, S.34f).
Der Zahnschmelz ist aus der härtesten Substanz hergestellt, die der menschliche Körper erzeugt. Als äußere Schicht der Krone muss er starken Belastungen standhalten. Er ist dem Mundmilieu am längsten ausgesetzt. Der Zahnschmelz besteht gewichtsbezogen zu 95% aus anorganischer Substanz, dem Apatit. Apatit - härter als Stahl - ist ein wasserlösliches Kalziumphosphat in Kristallgitterstruktur. Bei der Kristallgitterstruktur handelt es sich um sechskantige Prismen, die aus einer Mischform von Hydroxylapatit, Fluorapatit und Carbonatapatit bestehen. Die restlichen 5% Gewichtsanteile bilden organische Stoffe, wie z.B. Eiweiß und Wasser. Die organischen Stoffe verbinden die Apatitkristalle wie eine Art Kittsubstanz miteinander. Trotz seiner Härte ist der Zahnschmelz aufgrund des Wassergehalts geringfügig für verschiedene wasserlösliche Stoffe durchlässig, wie beispielsweise Mineralsalze, Fluoride aber auch Säuren (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.150; Kramer 2004, S.28; Voß 2004, S.34f; Bartsch et al. 1992, S.10). Wird z.B. durch Säuren die Kittsubstanz beschädigt oder aufgelöst, bricht die Kristallgitterstruktur ein. Die Schmelzprismen fallen wie lose Ziegel durcheinander. Da die schmelzbildenden Epithelzellen (Ameloblasten) nach Beendigung ihrer Arbeit zugrunde gehen, kann verloren gegangener Schmelz nicht mehr vom Körper ersetzt werden (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.150). Diese Tatsache bestätigt die Wichtigkeit einer guten Zahngesundheit. „Der Schmelz erscheint von außen als ein unveränderliches Gewebe, aber in Wirklichkeit besteht ein reger Austausch von Substanzen mit seiner Umgebung, vor allen Dingen mit dem Speichel“ (Kramer 2004, S.29).
Den Kern des Zahnes bildet das knochenharte, elastische Zahnbein (Dentin). Es ist nicht ganz so hart wie der Zahnschmelz, da es zu ca. 70% Gewichtsanteilen aus anorganischen Substanzen - vor allem Hydroxylapatit - besteht. Zahlreiche Kanälchen, so genannte Dentinkanälchen, durchziehen das Zahnbein. Sie stellen eine direkte Verbindung zum darunter liegenden Zahnmark her. In diesen Kanälchen verlaufen Fortsätze der dentinbildenden Zellen (Odontoblastenfortsätze) und Fortsätze von Nervenzellen der Markhöhle. Somit reagiert das Zahnbein auf Temperaturunterschiede und kann Schmerzempfindungen signalisieren (vgl. Bartsch et al. 1992, S.10; Heinrich/Hoffmann 1997, S.150f; Kramer 2004, S.29; Voß 2004, S.35). „Dentin ist ein sensibles und im Stoffaustausch aktives Gewebe, das zwar von außen betrachtet einen festen und harten Eindruck macht, in Wirklichkeit aber einem Sieb mit sehr vielen Löchern (Dentinkanälchen) entspricht“ (Kramer 2004, S.29). Im Gegensatz zum Zahnschmelz kann Zahnbein nachgebildet werden, da die dentinbildenden Zellen nicht absterben (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.151).
Die Markhöhle enthält das Ernährungsorgan des Zahnes, das Zahnmark (Pulpa). Das Zahnmark besteht aus Bindegewebe, kleinsten Blutgefäßen und Nervenfasern. Volkstümlich wird das Zahnmark oft als „Nerv“ bezeichnet. (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.151; Voß 2004, S.35; Bartsch et al. 1992, S.10). „Selbst in diesem kleinen Endorgan findet also der Austausch zwischen Sauerstoff und Kohlendioxid (der „Gasaustausch“) statt“ (Heinrich/Hoffmann 1997, S.151). Noch bevor ein Zahn durchbricht, hat das Zahmmark mit seinen Odontoblasten die Masse des Zahnes, das Zahnbein, aufgebaut. Später übernimmt es den Stoffwechsel des gesamten Zahnes. „Solange das Zahnmark in Funktion ist, wird der Zahn als „lebend“, als „vital“ bezeichnet“ (Heinrich/Hoffmann 1997, S.151).
Der Bereich, wo die Zahnkrone an das Zahnfleisch grenzt, heißt Zahnhals. An den Zahnhals schließt sich die Zahnwurzel. Es gibt einwurzelige (z.B. Eckzähne) und mehrwurzelige Zähne (z.B. große Backenzähne). Jede Zahnwurzelspitze besitzt eine Öffnung (bei einwurzeligen Zähnen sind oft auch zwei Öffnungen vorhanden), durch die Blutgefäße und Nervenfasern verlaufen (vgl. Bartsch et al. 1992, S.10; Pommerenke et al. 2004, S.15). Die Zahnwurzeln sind nicht fest im Kiefer verkeilt, sondern sind elastisch darin verankert. Dafür sorgt der Zahnhalteapparat (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.151f; Voß 2004, S.36; Bartsch et al. 1992, S.10). „Der Zahnhalteapparat (Parodont) besteht aus dem Zahnfleisch (Gingiva), dem knöchernen Zahnfach (Alveole), der Wurzelhaut (Desmodont) und dem Wurzelzement“ (Kramer 2004, S.41). Es hat die Aufgabe „den Zahn in seiner Lage zu halten, mechanische Belastungen, die auf den Zahn z.B. während des Kauens von Nahrung einwirken, aufzufangen und Bakterien am Eindringen an der Zahnoberfläche entlang in das Körperinnere zu hindern“ (Heinrich/Hoffmann 1997, S.281). Das Zahnfleisch umgibt den Zahnhals kragenförmig von allen Seiten und trennt dabei den Zahn in zwei Teile. Ein Teil jedes Zahnes ragt in die Mundhöhle und ist allen Einflüssen von Mikroorganismen und deren Giften ausgesetzt. Der andere Teil befindet sich in der keimfreien Innenwelt des Organismus, in der er vor Reizen thermischer und chemischer Art geschützt wird. Im gesunden Zustand erscheint das Zahnfleisch rosafarben und liegt straff um den Zahn und am Knochen an (vgl. Kramer 2004, S.41; Heinrich/Hoffmann 1997, S.281). Vom Zahnhals bis zur Wurzelspitze ist jeder Zahn vom Wurzelzement - einer besonderen, knochenartigen Gewebsschicht - überzogen, das der Befestigung der Wurzelhaut dient. Im Wurzelzement sind die Fasern verankert, die den Zahn am Knochen befestigen (so genannte Sharpey-Fasern) (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.151; Voß 2004, S.36; Bartsch et al. 1992, S.10; Kramer 2004, S.29,41). Die Wurzelhaut besteht aus festen, elastischen und geschlängelten Bindegewebsfasern (vergleichbar Gummizügen), die zwischen Zahnzement und dem knöchernen Zahnfach angeordnet sind. Sie bedingen die elastische Verankerung und fangen den Kaudruck ab (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.152; Bartsch et al. 1992, S.10). „Würden die Zähne fest in den Zahnfächern verankert sein, so würden beim Kauakt sämtliche Druck- und Stoßkräfte direkt auf den Kieferknochen und damit auf den Schädel und das empfindliche Gehirn übertragen werden (Heinrich/Hoffmann 1997, S.152).“
2.3 Zahnarten - ihre Form und Funktion
Die Funktionen der Zähne werden vielen Menschen erst bewusst, wenn ihre Zähne durch Zahnkrankheiten zerstört und/ oder verloren gegangen sind. Das menschliche Gebiss spielt eine maßgebende Rolle. Es erfüllt im Alltag drei sehr wichtige Funktionen. Die Hauptaufgabe der Zähne besteht in der Nahrungszerkleinerung (vgl. Wiedemann 1991, S.10; Voß 2004, S.30; Bartsch et al. 1992, S.7). „Mit den Lippen und den Zähnen ergreifen wir die Nahrung, mit den Zähnen beißen wir Nahrung ab und kauen sie. Zusammen mit Muskeln (z.B. Kau-, Wangenmuskeln, Zunge als Muskelorgan), Nerven, Speicheldrüsen, Knochen (Ober- und Unterkiefer) und dem Kiefergelenk bilden unsere Zähne eine funktionelle Einheit, den so genannten Kauapparat. Der Kauapparat ist ein Teil der Mundhöhle. Sie ist der Anfang des Verdauungstraktes. Nahrung wird aufgenommen, zerkleinert, durchspeichelt und so die Vorverdauung eingeleitet“ (Bartsch et al. 1992, S.7). Weiterhin dienen die Zähne dem deutlichen und wohlklingenden Sprechen sowie dem Aussehen des Trägers. „Außerdem benutzt der Mensch die Zähne zur Artikulation der Sprache, und sie sind wichtiger Bestandteil der Ästhetik und des Selbstwertgefühls des Menschen“ (Kramer 2004, S.27). Somit ist das Gebiss maßgeblich für das körperliche und seelische Wohlbefinden verantwortlich. „Ein vollständiges, gepflegtes Gebiss gibt Menschen Sicherheit und Selbstvertrauen“ (Pommerenke et al. 2004, S.16) und betont zudem die Schönheit des Gesichts.
Bevor auf die Funktion der einzelnen Zähne bei der Nahrungszerkleinerung eingegangen wird, wird die sehr bedeutende Rolle des Milchgebisses dargestellt.
Das Milchgebiss erfüllt mehrere bedeutende Aufgaben. Einerseits ist es wichtig um Kauen und Sprechen zu erlernen. Weiterhin ist die ständige Beanspruchung beim Kauakt von maßgebender Bedeutung für die Entwicklung der Kiefer und ihre Stellung zueinander. Ebenso beeinflusst das Milchgebiss die regelrechte Stellung der nachfolgenden bleibenden Zähne (vgl. Voß 2004, S.32; Kramer 2004, S.53). Die Milchzähne dienen als Platzhalter. Gehen vorzeitig Milchzähne verloren, so können die Nachbarzähne in die Lücke hineinwandern oder hineinkippen, oder der Gegenzahn kann hineinwachsen (s. Abb. 4).
Abbildung 4
Wanderung der Nachbarzähne bei Zahnverlust
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
x = Karies durch Plaquebildung an Retentionsstellen[2]
Quelle: Kramer 2004, S.53
Die wichtigste Aufgabe erfüllt der zweite Milchmolar. Durch seinen vorzeitigen Verlust wird die Stellung des ersten bleibenden Backenzahns (Sechsjahr-Molar) beeinflusst, der wiederum für die Stellung und Ausrichtung der anderen bleibenden Zähne verantwortlich ist. „Wenn die Funktion des Milchgebisses als Platzhalter und als Erhalter der Stützzone nicht gewahrt bleibt, sind die möglichen Folgen Gebiss- und Kieferfehlbildungen wie Engstand, Tiefbiss, Vortreten der oberen Frontzähne (Protrusion), Kompressionen usw. und vermehrte Belagbildung durch die erschwerte oder nicht mögliche Zahnreinigung; die Folgen sind kariöse Defekte und entzündliche Parodontopathien“ (Kramer 2004, S.54). Auch Kneist et al. (2008, S.81) bestätigen und ergänzen die wichtige Funktion und Bedeutung des Milchgebisses: „Die Erhaltung der Mundgesundheit des heranwachsenden Kindes ist deshalb von großer Bedeutung, weil gerade gesunde Zähne die Sprach- und Sprechweise positiv beeinflussen sowie das psychische Wohlbefinden und die soziale Akzeptanz des Kindes. Der vorzeitige Zahnverlust der oberen Schneidezähne, die das eigenständige Funktionsmuster der Zunge nicht mehr gewährleisten können, steht nur am Anfang einer Reihe negativer Entwicklungen für das Kind. Kariöse Zähne verursachen Schmerzen, beeinträchtigen das Kauvermögen und führen zu Zahn- und Kieferfehlstellungen mit nachhaltiger Wirkung auf die Gesamtgesundheit des Kindes.“
Da der Mensch sowohl tierische als auch pflanzliche Nahrung zu sich nimmt, besitzt er ein so genanntes Mischgebiss. Abgestimmt auf die Nahrung besitzen die verschiedenen Zahnformen unterschiedliche Funktionen (s. Abb. 5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Zahnformen und ihre Funktionen
Quelle: Pommerenke et al. 2004, S.12
Die Schneidezahnkronen sind mehr oder weniger als schaufelförmige Meisel ausgebildet und haben eine waagerechte Schneidekante. Ihre Aufgabe ist von der Nahrung abzubeißen und die Bissen zu zerteilen. Ihre Wirkweise ist vergleichbar mit einer Schere. Die Eckzähne haben eine kegelförmig zugespitzte Krone. Sie zerkleinern (spalten) die Nahrung in grobe Stücke und halten die Nahrung zum besseren Abreißen fest. Die Wirkweise der Eckzähne ist mit einem Keil vergleichbar (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.144ff; Wiedemann 1991, S.10; Voß 2004, S.30; Bartsch et al. 1992, S.7). „Außerdem sorgen sie durch ihre Form und Stellung dafür, dass beim Kauen die oberen und die unteren Zähne in die richtige Richtung geführt werden“ (Wiedemann 1991, S.10). Die Zahnkronen der Prämolaren (kleinen Backenzähne) sollen den Kauvorgang einleiten. Somit besitzen sie keine Schneidekanten, sondern bereits angedeutete Kauflächen mit zwei Höckern und Fissuren. Ihre Aufgabe ähnelt dem eines Nussknackers. Das Ziel ist das Zerteilen und Zertrümmern harter Speisen. Die Kronen der Molaren (großen Backenzähne) weisen breite Kauflächen auf und haben meistens vier Höcker. Die Fissuren der oberen Molaren bilden ein schrägliegendes H und die unteren Furchen eine „Kreuzfissur“ (vgl. Heinrich/Hoffmann 1997, S.147). Ähnlich wie ein Mühlstein zerreiben und zermahlen die Molaren die Nahrung bis diese unter Speicheleinwirkung zum Speisebrei wird (vgl. Wiedemann 1991, S.1; Heinrich/Hoffamnn 1997, S.147; Voß 2004, S.30f). Wegen der vielfältigen und wichtigen Aufgaben, die die Zähne ein ganzes Leben zu erfüllen haben, kommt ihrer Gesunderhaltung eine besondere Bedeutung zu.
2.4 Erkrankungen der Zähne und des Parodonts
Im Mundraum sind die Zähne vielen Einflüssen ausgesetzt, die zu Veränderungen oder Erkrankungen am Zahn oder am Parodont führen können. Im Folgenden soll es um Karies und Parodontalerkrankungen gehen. Karies und Zahnfleisch-/ Zahnbetterkrankungen sind nach wie vor als Volkskrankheiten zu betrachten. Karies ist eine Demineralisation der Hartsubstanz der Zähne. Die häufigsten Parodontalerkrankungen sind Gingivitis und Parodontitis, bakteriell bedingte entzündliche Erkrankungen der Gingiva (Zahnfleisch) und des Zahnhalteapparats. Sowohl Karies als auch Parontontalerkrankungen stehen im Zusammenhang mit der Bildung von bakterieller Plaque (vgl. Kramer 2004, S.21f,27; Voß 2004, S.36).
2.4.1 Die Plaquebildung
Plaque ist ein gelblich-grauer, festhaftender (klebriger), weicher Zahnbelag, der aus „Mikroorganismen (Bakterien) und den Produkten ihrer Vermehrung und Stoffwechselaktivität“ besteht (Kramer 2004, S.49). Die Mundhöhle ist ein Ökosystem, in dem ständig Mikroorganismen in großer Anzahl vorhanden sind. Durch diese Besiedlung der Mundhöhle kommt es zur Bildung von bakteriellen Belägen auf den Zahnoberflächen. Die Plaquebildung erfolgt in mehreren Phasen.
1. Phase: Nach dem Zähne putzen bildet sich innerhalb von Sekunden ein Schmelzoberhäutchen (Schmelzpellikel) aus organischen Bestandteilen des Speichels. Das Schmelzoberhäutchen überzieht alle Oberflächen im Mund wie Zahnkronen, Prothesenoberflächen und Schleimhäute. Innerhalb von vier Stunden haften sich kugelförmige Bakterien (vor allem Streptococcus mutans) auf diesem Überzug an. Ist ein gutes Substratangebot vorhanden, vermehren sich die Bakterien und bilden Kolonien.
2. Phase: Die Bakterienkolonien haben sich bis zum zweiten Tag vergrößert. Aus dem Speichel treten weitere Mikroorganismen hinzu. Die Bakterien bilden immer mehr extrazelluläre Substanzen, in dem sie aus Mono- und Disacchariden (Einfach- und Doppelzucker) langkettige Polysaccharide aufbauen. Diese extrazellulären Polysaccharide[3] (EPS) bilden die Grundsubstanz der Plaque. Die Grundsubstanz haftet als klebrige, schleimige Substanz zwischen den Bakterien und an der Zahnoberfläche.
3. Phase: In den weiteren zwei bis vier Tagen verdickt sich die Plaque und weitere Bakterienarten siedeln sich in ihr an. Die Grundsubtanz stabilisiert die Plaque. Bereits ab dem dritten Tag kann unter dem Belag eine Zone der Demineralisation im Schmelz entstehen.
4. Phase: Ab dem fünften Tag treten spiralförmige Bakterien in der Plaque auf und ab dem siebten Tag spricht man von einer reifen Plaque. Innerhalb dieser Plaque befinden sich größtenteils lebende und abgestorbene Mikroorganismen und deren Stoffwechselprodukte sowie zu einem geringen Teil Speichelbestandteile und Wasser (vgl. Kramer 2004, S.48ff; Heinrich/Hoffmann 1997, S.212ff; Hirschberg 2005, S.434; Voß 2004, S.37). Je dicker die Plaque wird, desto mehr ist sie in der Lage, den pH-Wert nach zuckerhaltiger Nahrung abzusenken (vgl. Hirschberg 2005, S.434).
Die Plaque lässt sich im Unterschied zu den Speiseresten nicht durch bloßes Ausspülen des Mundes entfernen. Sie lässt sich nur mechanisch mit Hilfe der Zahnbürste oder professioneller Zahnreinigung entfernen. Die Plaquebeseitigung sollte in der Phase der jungen Plaque geschehen, denn je älter die Plaque wird, desto mehr nehmen die extrazellulären Polysaccharide zu und stabilisieren somit die Plaqueschicht. Dies erschwert die vollständige Plaqueentfernung und erfordert einen wesentlich höheren Zeitaufwand (vgl. Kramer 2004, S.50ff.; Heinrich/Hoffmann 1997, S.213). Bevorzugte Orte zur Ansammlung von Plaque sind „sog. Retentionsstellen (Schlupfwinkeln), die sich an Zahnzwischenräumen, in Grübchen und in Fissuren der Zähne befinden. An diesen Retentionsstellen entsteht häufig und sehr früh Karies (Prädilektionsstellen)“ (Kramer 2004, S.49). Aus nicht entfernter Plaque, die sich oberhalb des Zahnfleischsaumes befindet, entsteht durch Einlagerungen von Kalksalzen aus dem Speichel Zahnstein (vgl. Kramer 2004, S.52; Heinrich/Hoffmann 1997, S.174). Der sich unter dem Zahnfleischsaum befindende Zahnstein wird Konkrement genannt und ist meist dunkel gefärbt (vgl. Hirschberg 2005, S.434).
2.4.2 Karies
Zahnkaries (Caries dentium), auch Mundfäule genannt, ist eine multikausale Erkrankung. Sie beschreibt einen unter Verfärbung verlaufenden Prozess der Zerstörung der Zahnhartsubtanz (Zahnschmelz, Dentin, Wurzelzement), der nur in seinen Anfangsstadien reversibel ist (vgl. Pieper/Momeni 2006, S.1003; Kramer 2004, S.21; Koch 2004, S.588). Karies entsteht durch das Zusammenspiel von vier Hauptfaktoren, die vereinfacht als ineinander greifende Kreise dargestellt werden (s. Abb. 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 Karies verursachende Faktoren
Quelle: Kramer 2004, S.27
Zunächst muss der Zahn (Wirt) vorhanden sein. An diesen können sich Mikroorganismen anheften (Plaque). Durch Nährstoffe (Substrat), die der Mensch mit der täglichen Nahrungsaufnahme zu sich nimmt, erhalten die Mikroorganismen ihre Lebensgrundlage. Bei einem Angebot an niedermolekularen Kohlenhydraten (Mono- und Disaccariden) produzieren sie organische Säuren. Des Weiteren muss Zeit vergehen, in der die Säuren auf die Zahnhartsubtanz einwirken und diese demineralisieren (vgl. Kramer 2004, S.27; Pieper/Momeni 2006, S.1003; Voß 2004, S. 38ff).
Kariöse Defekte sind somit beginnende Entkalkungsvorgänge außen an der Zahnhartsubstanz. Sie entstehen unter der Plaque. Die sich in der Plaque befindenden Mikroorganismen, vor allem die Art Streptococcus mutans, bauen in den Mundraum gelangten Zucker in ihrem Stoffwechsel ab und scheiden dabei organische Säuren (Milchsäure, Essigsäure, Ameisensäure) aus. Diese führen zu einer Herauslösung des Kalziums aus dem Schmelz. Die Demineralisation ist von dem pH-Wert in der bakteriellen Plaque abhängig. Liegt der pH-Wert unter 5,5, so werden die Schmelzkristalle aufgelöst. Zu Beginn erscheint die Schmelzkaries als weißer Fleck („white spot“). Zu diesem Zeitpunkt ist die Oberfläche der Zahnhartsubtanz noch intakt. In diesem Stadium kann die Karies noch ausheilen (Remineralisation) oder zumindest nicht weiter fortschreiten, wenn verschiedene Prophylaxemaßnahmen (z.B. gründliche Zahnpflege) durchgeführt werden. Je länger die Demineralisation fortbesteht, desto gelockerter wird die Kristallgitterstruktur des Zahnschmelzes, bis sie schließlich einbricht und die Oberfläche des Schmelzes ein Loch (Kavität) zeigt. Es erfolgt eine bräunliche Verfärbung. Der Defekt im Schmelz ist bei Sondierung weich und schmierig. Er muss mit zahnärztlichen Werkstoffen (Füllungen) repariert werden, da eine Remineralisation dann nicht mehr möglich ist (vgl. Kramer 2004, S.27ff; DAZ 2005, S.1; Imfeld 2008, S.69; Behrendt et al. 2002, S.603). Die bakterielle Plaque breitet sich in die Kavität aus und dringt somit immer weiter in das Zahninnere ein. Zu häufige zuckerhaltige Nahrung stellt für die Bakterien eine gute Ernährungsgrundlage dar, die den Prozess der Demineralisation beschleunigt. Im Dentin angelangt beginnt eine neue Phase. Da das Dentin einen größeren Anteil an organischen Stoffen besitzt, setzt es den demineralisierenden Säuren der Bakterien weniger Widerstand entgegen. Der kritische pH-Wert für die Demineralisation im Dentin liegt unterhalb von 6,5. Die Ausbreitung der Karies im Dentin wird durch die Dentinkanälchen erleichtert, indem sie Leitbahnen für die Bakterien darstellen und durch die organischen Substanzen des Dentins, die als Substrat für die Bakterien dienen. Mit fortschreitender Dentinkaries können die Bakterien auch in das Blut und damit zu anderen Organen gelangen. Unbehandelt schreitet die Karies entlang der Dentinkanälchen zur Pulpa weiter und führt schließlich zu einer Entzündung der Pulpa. Diese ist häufig mit starken Schmerzen verbunden und kann schließlich zum Gewebstod der Pulpa führen (vgl. Kramer 2004, S. 27ff; DAZ 2005, S.1; Voß 2004, S.38ff). Folgende Abbildungen (s. Abb. 7) verdeutlichen den Kariesprozess und zeigen zugleich wie Gingivitis und Parodontose verlaufen (siehe Kapitel 2.4.3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 Entstehung von Karies, Gingivitis und Parodontitis
Plaquefreier gesunder Zahn mit gesundem Zahnfleisch. Das Zahnfleisch ist blassrosa. Es sind keine Entzündungszeichen wie Rötung, Blutung und Schwellung sichtbar.
Plaqueauflagerung, leichte Zahnfleischentzündung (Gingivitis) und beginnende Karies. Rötung und leichte Schwellung des Zahnfleisches, eine Blutung ist leichter auslösbar. Die Karies ist auf den Schmelz beschränkt.
Plaque-, Zahnstein- und Konkrementauflagerung. Die Entzündung hat das erste Drittel des Zahnhalteapparats erreicht (beginnende Parodontitis). Stärkerer Karieseinbruch bis in das
Dentin hinein. Rötung und deutliche Schwellung des Zahnfleisches, leichte Blutung, geringer Knochenabbau.
Plaqueauflagerung mit starker Zahnstein- und Konkrementbildung. Entzündung über das erste Drittel des Zahnhalteapparats hinausgehend. Der Karieseinbruch ist bis an die Zahnpulpa fortgeschritten. Deutliche Rötung und ödematöse Schwellung des Zahnfleisches, Blutung sehr leicht auslösbar, stärkerer Knochenabbau.
Hoffnungsloser Zustand. Plaqueauflagerung mit starker
Zahnstein- und Konkrementbildung. Entzündung hat das letzte Drittel des Zahnhalteapparats erreicht. Der Karieseinbruch hat die Zahnpulpa erreicht. Die
Zahnpulpa ist infiziert, an der Wurzelspitze zeigt sich ein Entzündungsherd.
Quelle: Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen Lippe 1995, S.22-26
Exkurs: Speichel und Remineralisation
Dem Demineralisationsprozess der bakteriellen Plaque steht der Remineralisationsprozess entgegen. Die im Speichel vorhandenen Minerale und Substanzen (Kalzium, Phosphate, Hydroxylion) lagern sich kontinuierlich in den Schmelz solange dieser mit Speichel bedeckt ist und keine Plaque vorhanden, bzw. die Plaqueschicht nicht zu dick ist. Durch die Remineralisation können oberflächliche Schäden am Zahnschmelz wieder rückgängig gemacht werden, in dem Minerale im Schmelz das Hydroxylapatit bilden. Eine Fluoridzufuhr unterstützt den Remineralisationsprozess (vgl. Kramer 2004, S.30ff; Heinrich/Hoffmann 1997, S.231).
„Speichel ist eine wässrige Lösung von Mukopolysacchariden, mineralischen Salzen (Natrium, Phosphat, Kalium, Chlorid, Kalzium, Fluorid u. a.), Enzymen (z.B. Amylase), Antikörpern, Zucker, Bakterien und weiteren organischen Substanzen“ (Kramer 2004, S.31). „Diese komplex aufgebaute Flüssigkeit schützt die Zähne gegen physikalische, chemische und mikrobielle Einflüsse“ (Stegeman/Davis 2007, S.55). Aufgrund seiner Zusammensetzung besitzt der Speichel eine neutralisierende Wirkung (Pufferkapazität), die die Säurekonzentration auf der Zahnschmelzoberfläche verringert. Die neutralisierende Wirkung gilt für direkt in Nahrungsmitteln enthaltene Säuren, als auch für die als Stoffwechselprodukt der Bakterien entstandenen organischen Säuren (Stegeman/Davis 2007, S.55,495; Kramer 2004, S.31f). Pro Tag werden ca. 400 bis 1.500ml Speichel produziert (vgl. Hirschberg 2005, S.435). Tagsüber befinden sich im Mund im Wachzustand durchschnittlich 0,47ml Speichel pro Minute. Beim Essen steigert sich die durchschnittliche Sekretionsmenge auf 2,5ml Speichel. Dieser stimulierte Speichel enthält mehr Mineralionen und wirkt stärker remineralisierend. Im Gegensatz dazu beträgt die Sekretionsmenge während des Schlafs nur 1/10 der Sekretionsmenge während des Tages. Wird beispielsweise abends nach dem Zähneputzen noch etwas „Süßes“ genascht, so wird aufgrund des sehr geringen Speichelflusses der Zucker nicht weggespült. Er steht somit den Bakterien in der Plaque zum Stoffwechsel zur Verfügung und begünstigt die Entstehung von Karies. So genannte Betthupferl abends nach dem Zähneputzen sind aus diesem Grund sehr schädlich für die Zähne (vgl. Kramer 2004, S.31f).
2.4.3 Erkrankungen des Parodonts
Zu den häufigsten Erkrankungen des Parodonts zählen Gingivitis, Parodontitis (s. auch Abb.7) und durch Verletzungen entstehende Veränderungen an Gingiva und am Parodont (vgl. Kramer 2004, S.21). Die Gingivitis ist eine Zahnfleischentzündung und die Parodontitis ist eine entzündliche Form der Zahnbetterkrankung. Ursache beider Erkrankungen ist die Bildung von Plaque in der Zahnfleischfurche (Sulkus), die zugleich eine Retentionsstelle darstellt. Wird die Plaque nicht entfernt, so kommt es zu einem Dickenwachstum der Plaque am Sulkus. Die Plaquebakterien und deren Toxine stellen für die Gingiva einen Reiz dar. Diese reagiert gegen den Reiz in Form einer Entzündung (Gingivitis) und verliert ihre Schutzfunktion als Barriere, in dem die Abdichtung gegen Einflüsse aus der Mundhöhle sowie die Haltefunktion für den Zahn verloren geht. Klinische Zeichen einer Gingivitis sind Schwellung, Rötung (dunkelrot bis lila) und Blutung der Gingiva. Der Patient empfindet bei Berührung Schmerzen und es kommt zu häufigem Zahnfleischbluten. Mittels häuslicher Mundhygienemittel (d.h. Zahnbürste mit Zahnpasta, Zahnseide etc.) kann die Plaque beseitigt werden. Durch die Entfernung der Plaque wird der Verursacher der Gingivitis entfernt. Die Gingivitis kann zurückgehen und eine vollständige Wiederausheilung kann erreicht werden. Dieser Zusammenhang muss dem Patienten bewusst gemacht werden, damit dieser trotz Schmerzen und Zahnfleischbluten seine Mundhygiene intensiviert und nicht davor zurückschreckt. Werden die entzündeten Stellen im Zahnfleisch beim Putzen vernachlässigt, so tritt eine Verschlimmerung ein. Aus der Gingivitis wird oftmals eine Parodontitis mit der Entzündung des gesamten Zahnbetts und der Bildung von Zahnfleischtaschen, die den Bakterien weiteren Lebensraum bieten. Die Entzündung schreitet immer weiter fort, so dass auch das Wurzelzement von Bakterien besiedelt wird. Die Wurzelhaut wird im Bereich der Zahnfleischtaschen zerstört und der Alveolarknochen wird abgebaut (vgl. Kramer 2004, S.22,43f; Voß 2004, S.42; Heinrich/Hoffmann 1997, S.284f; Mausberg 2006, S.1020ff). „Bei einer Parodontitis kommt es zu Gewebszerstörung durch Bakteriengifte und zu einem entzündlich bedingten Rückzug des Körpers, der sich vor den in der Plaque und am Zahn befindlichen Bakterien schützen will. Dieser Prozess führt zum Verlust des Zahnhalteapparats und damit zum Verlust des Zahnes“ (Kramer 2004, S.44). Bei einer Parodontitis kann im Gegensatz zu einer Gingivitis keine Heilung im Sinne einer Wiederherstellung des früheren Zustandes erreicht werden (vgl. Kramer 2004, S.22). Die intensive Zahn- und Mundpflege durch den Patienten ist unabdingbar, da die bakterielle Plaqueschicht am Zahnfleischrand der allein auslösende Faktor einer Gingivitis und Parodontitis ist (vgl. Kramer 2004, S.44f; Ott 2006, S.1015).
2.5 Verbreitung der Karies
Die Epidemiologie der Karies befasst sich mit der Verteilung und Ausbreitung von Karies innerhalb der Bevölkerung. „Epidemiologische Untersuchungen zur Mundgesundheit liefern wichtige Grundlagen für die Planung der zahnmedizinischen Versorgung“ (Pieper 2008, S.14).
2.5.1 Befallsmuster der Karies
Nur dort, wo sich Plaques entwickeln, können kariöse Läsionen (Verletzungen/Defekte) entstehen. Kariöse Defekte treten deshalb bevorzugt an Zahnoberflächen auf, die ge- wohnheitsmäßig nicht sauber sind. Die Sauberkeit der Zähne hängt entscheidend von ihrer äußeren Form ab (vgl. Pieper 2008, S.14). „Fissuren und Grübchen stellen aufgrund ihrer unregelmäßig geformten Furchen und ampullenförmigen Erweiterungen ein Retentionssystem dar, in dem sich leicht Plaque und Nahrungsmittel absetzen. Aufgrund fehlender Selbstreinigung und unmöglicher Zahnreinigung in der Tiefe der Fissur sind sie deshalb bei Kindern und Jugendlichen die Prädilektionsstellen für Karies“ (Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe 1995, S.48). Die häufigste Karies bei Kindern ist die Karies an den Kauflächen der Backenzähne (vgl. Bürkle et al. 03/2006). Auch weitere Untersuchungen haben ergeben, dass die Kauflächen der Backenzähne die kürzeste Überlebensrate aller Zahnflächen besitzen. Die ersten Backenzähne werden durchschnittlich nach 3,9 Jahren kariös (vgl. Kühnisch et al. 2003, S.100).
„Prinzipiell spiegelt die Zahl der befallenen Zähne, die in einem bestimmten Alter festgestellt wird, die Schwere der kariösen Angriffe in der Vergangenheit wider“ (Pieper 2008, S.14). Die Backenzähne im Unterkiefer sind generell kariesanfälliger als die oberen und die Sechsjahrmolaren erkranken häufiger an Karies als die Zwölfjahrmolaren, sofern keine prophylaktischen Maßnahmen angewendet werden. Schneide- und Eckzähne weisen eine sehr geringe Kariesanfälligkeit auf. Entwickelt sich dennoch Karies an freien Glattflächen, so ist dies als Zeichen für ein hohes Kariesrisiko zu werten. Diese epidemiologischen Bilder werden genutzt, um Konsequenzen für die Planung von Prophylaxemaßnahmen zu treffen (vgl. Pieper 2008, S.14).
2.5.2 Der DMF-T- und DMF-S-Index
Damit epidemiologische Studien sinnvoll ausgewertet werden können, wird der Zustand der Zähne/ Gebisse quantitativ erfasst. Wissenschaftler in aller Welt benutzen dazu den DMF-T-Index. Die Buchstaben bedeuten: D = decayed (kariös zerstörte Zahnflächen), M = missing (aufgrund kariöser Zerstörung entfernte Zähne), F = filled (gefüllte Zahnflächen) und T = teeth (Zähne). Abgewandelt gilt dieser Index auch für das Milchgebiss. Zur Kennzeichnung werden kleine Buchstaben verwendet (dmf-t) (vgl. Pieper 2008, S.14; Kramer 2004, S.22). „Der DMF-T-Index bzw. dmf-t-Index ist der zahlenmäßige Ausdruck des Kariesbefalls an den bleibenden Zähnen bzw. den Milchzähnen. Er gibt die Summe der kariösen, fehlenden und gefüllten Zähne einer einzelnen Person oder die Durchschnittszahl einer Bevölkerungsgruppe wieder“ (Kramer 2004, S.22f). Weil der einzelne Zahn als kleinste Beurteilungseinheit oftmals ein zu grobes Raster darstellt, wurde die Bewertung der einzelnen Zahnflächen eingeführt. Der DMF-SIndex (S = Surfaces (Zahnflächen)) ermöglicht genauere Aussagen über den kariösen Befall (vgl. Pieper 2008, S.15; Schiffner et al. 2006, S.94). Auch dieser Index gilt abgewandelt für das Milchgebiss (dmf-s-Index) (vgl. Kramer 2004, S.22).
[...]
[1] Osteoklasten: Mehrkernige große Zellen, die Knochensubstanz und in diesem Fall die Zahnwurzeln der Milchzähne abbauen.
[2] Retentionsstellen: Schlupfwinkel, der natürlichen Zahnreinigung nicht zugängliche Stelle (vgl. Kramer 2004, S.166).
[3] Extrazelluläre Polysacchride sind langkettige Zuckermoleküle.
- Citation du texte
- Viktoria Engelke (Auteur), 2008, Zahngesundheit im Kindes- und Jugendalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123432
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