Die Faustlegende, der Pakt mit dem Teufel ist schon in der Bibel begründet und zieht
sich durch die Literatur aller Jahrhunderte. Der erste Mensch wurde schon von Satan in
Versuchung geführt und die Thematik dieses Umstandes, eine Verbindung mit dem
Teufel, faszinierte auf unterschiedliche Weise die Menschen der Vergangenheit, aber
auch der Gegenwart. Die Person des Faustus, die eine Aura von Rätseln und Geheimnissen
umgibt, eignete sich offenbar besonders diesen Stoff zu behandeln, was sich
nicht zuletzt in der großen Anzahl der Dichter, die sich der Person des Faust bedienten,
wiederspiegelt. Schon im späten Mittelalter, im Jahre 1587 wurde von J. Spieß die „Historia“
gedruckt, die von einem unbekannten Verfasser erstellt wurde. Dieses Werk
kann als eigentlicher Grundstein der Faustsage gesehen werden und beeinflußte die
nachfolgenden Werke, die sich mit dieser Sage auseinandersetzten, nachdrücklich. Als
herausragende Werke sind wohl die beiden Fauststücke von Johann Wolfgang von Goethe
zu sehen, mit denen die nachfolgende Faustdichtung zwangsläufig in Wettbewerb
treten mußte und die ab diesem Zeitpunkt als Maßstab gelten. Eine große Anzahl von
Faustwerken ist bekannt und wurde in den Jahren 1851 bzw. 1885 von Franz Peter und
Karl Engel zusammengestellt. 1 Und einige der vorangegangenen Werke sollen in der
vorliegenden Arbeit zum Vergleich mit Lenaus “Faust“ herangezogen werden, obwohl
manche erheblich in Form und Inhalt abweichen, wohl aber als Werke der gleichen Gattung
interessante Schlüsse zulassen. Für Nikolaus Lenau war die Figur des Faust eine
angemessene Basis, eigene Zweifel und Konflikte zu beschreiben und darzustellen,
aber auch um Mißstände der Gesellschaft und Institutionen zu kritisieren . Auf die biographischen
Einflüsse des Werkes soll in Kapitel III näher eingegangen werden. Die
Zeit in der Lenau seinen Faust verfasst war ein eine Periode politischer Unsicherheiten
und Umwälzungen und diese Umstände prägten die Weltanschauung des Protagonisten
nachdrücklich und begründen die Unruhe, die Faust zu einem Pakt mit dem Satan treibt.
[...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Äußere Form und Gattungseinteilung
III. Biographische Hintergründe des Werkes
IV. Die Protagonisten
V. Glaube und Christentum in Lenaus Faust
VI. Politische Motive und Sozialkritik
VII. Sinnlichkeit
VIII. Schlußbemerkung
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die Faustlegende, der Pakt mit dem Teufel ist schon in der Bibel begründet und zieht sich durch die Literatur aller Jahrhunderte. Der erste Mensch wurde schon von Satan in Versuchung geführt und die Thematik dieses Umstandes, eine Verbindung mit dem Teufel, faszinierte auf unterschiedliche Weise die Menschen der Vergangenheit, aber auch der Gegenwart. Die Person des Faustus, die eine Aura von Rätseln und Geheimnissen umgibt, eignete sich offenbar besonders diesen Stoff zu behandeln, was sich nicht zuletzt in der großen Anzahl der Dichter, die sich der Person des Faust bedienten, wiederspiegelt. Schon im späten Mittelalter, im Jahre 1587 wurde von J. Spieß die „Historia“ gedruckt, die von einem unbekannten Verfasser erstellt wurde. Dieses Werk kann als eigentlicher Grundstein der Faustsage gesehen werden und beeinflußte die nachfolgenden Werke, die sich mit dieser Sage auseinandersetzten, nachdrücklich. Als herausragende Werke sind wohl die beiden Fauststücke von Johann Wolfgang von Goethe zu sehen, mit denen die nachfolgende Faustdichtung zwangsläufig in Wettbewerb treten mußte und die ab diesem Zeitpunkt als Maßstab gelten. Eine große Anzahl von Faustwerken ist bekannt und wurde in den Jahren 1851 bzw. 1885 von Franz Peter und Karl Engel zusammengestellt.[1] Und einige der vorangegangenen Werke sollen in der vorliegenden Arbeit zum Vergleich mit Lenaus “Faust“ herangezogen werden, obwohl manche erheblich in Form und Inhalt abweichen, wohl aber als Werke der gleichen Gattung interessante Schlüsse zulassen. Für Nikolaus Lenau war die Figur des Faust eine angemessene Basis, eigene Zweifel und Konflikte zu beschreiben und darzustellen, aber auch um Mißstände der Gesellschaft und Institutionen zu kritisieren . Auf die biographischen Einflüsse des Werkes soll in Kapitel III näher eingegangen werden. Die Zeit in der Lenau seinen Faust verfasst war ein eine Periode politischer Unsicherheiten und Umwälzungen und diese Umstände prägten die Weltanschauung des Protagonisten nachdrücklich und begründen die Unruhe, die Faust zu einem Pakt mit dem Satan treibt.
II. Äußere Form und Gattungseinteilung
Die äußere Form der Faustdichtungen unterscheidet sich erheblich voneinander. Das Werk Klingers ist eine Prosadarstellung, Lessings und Maler Müllers Werke sind Fragmente und Marlow und Goethe entscheiden sich für das Drama als Form, den Stoff darzustellen. Chamisso schreibt eine Tragödie in einem Akt und Grabbe stellt Faust in
seiner Tragödie die Person des Don Juan anbei. Für Lenau war die Form seines Werkes zwangsläufig vorherbestimmt. Lenau war Lyriker und erwarb sich schon im Jahre 1828 bei der ersten Veröffentlichung seiner Gedichte Anerkennung. Deshalb erscheint es nur logisch, daß Lenau die lyrische Form für seinen Faust gewählt hat, wobei es sich hier nicht um reine Lyrik handelt, sondern auch Prosa vorhanden ist. Somit stellt Lenaus Werk eine episch-dramatische Zwitterform dar.[2] Dies ist eine Dokumentation der lyrischen Schaffenskraft Lenaus. Ähnlich wie andere Werke schildert Lenau das Geschehen in einzelnen Episoden, die bei ihm als farbenprächtige Bilder in Form loser Gedichte dargestellt werden. Diese gliedern das Werk in 24 Szenen. Damit entfernt er sich vom schweren fünffüßigen Jambus der Goetheschen Tragödie. Durch diese Mischform aus Lyrik, Dramatik und Epik wird die gescheiterte Utopie der bürgerlichen Selbstfindung, das verlorene Ich, besonders gut dargestellt. Lenau stützt sich auf die episodenhafte Darstellung des Werkes aus früherer Zeit, dialogisiert aber diese.[3] Die dramatischen, epischen und lyrischen Teile sind derart fest verwoben, daß sie kaum getrennt werden können und geben dem Werk somit eine Wechselhaftigkeit aus Naturbildern, liedartigen Einlagen und epischen Formen, die die besondere äußere Form ausmachen und das Werk Lenaus über die Gattungsgrenzen herausragen läßt. Die Form kann auch als lyrisches Drama und dramatisches Gedicht bezeichnet werden.[4]
Vergleicht man Lenaus „Faust“ mit anderen Werken, so erkennt man, daß es vielleicht nicht in Wettbewerb mit Goethes „Faust“ treten will und kann, es aber gegen Goethes Dichtung konzipiert ist. So müssen Goethe, die „Historiae“ und Nikolaus Johann Pfizer
Als die Werke angesehen werden, die Lenau als Quellen dienen. Doch wollte Lenau eine Konfrontation mit Goethes „Faust“ und dessen Interpretation der Protagonisten vermeiden. So äußert er selbst:“Faust ist ein Gemeingut der Menschheit, kein Monopol Göthes. [... ] Auch ist der Stoff so vieler Auffassungsweisen fähig, daß gar keine Kollision herauskommt“.[5] Trotzdem kann ein Vergleich mit dem Werk Goethes nicht ausbleiben, wobei die spezifische Ausgestaltung des Themas und die besondere äußere Form gewürdigt werden müssen, dadurch jedoch einen objektiven Vergleich eigentlich nicht zulassen. So wird der Versuch Lenaus, die Faustthematik zu behandeln oft nicht gewürdigt.
Nur die farbenprächtigen, lyrischen Schilderungen finden Gefallen und die Zwitterform
des Werkes wird als kindlich-naiver Versuch gesehen, Goethe nachzueifern.[6] Auch der Begriff des „verwilderten Fragments“ fällt in diesem Zusammenhang.
Doch nicht nur in dieser Form unterscheidet sich das Werk Lenaus von anderen Faustdichtungen. Bereits der Prolog, der Morgengang, zeigt viele Unterschiede zu seinen Vorgängern auf. Auch kann man klare Rückschlüsse auf die Person des Fausts ziehen, auf die in Kapitel III eingegangen wird. Vergleicht man diese Einleitungsszene mit den Einleitungen anderer Faustdichtungen, so fällt auf, daß sie erheblich von diesen abweicht. Dies erscheint logisch, da Lenau sich auf dem Gebiete der Dichtung, besonders der Naturdichtung heimisch fühlte. So heißt es in dem Buch „Die deutsche Lyrik “:“ Nikolaus Lenaus Lyrik kann man einem Pilze vergleichen, der im Schatten gedeihend, aus einem Stück Waldboden seine Nahrungssäfte zieht und ein farbenbuntes Gebilde daraus schafft“.[7] Deshalb erscheint es fast unmöglich, daß Lenau sich an die Einführungsszenen der bestehenden Faustdichtung anlehnen könne. Marlowe zeigt seinen Faust in einem Studierzimmer und läßt einen Chor, nach antikem Vorbild, die Jugendgeschichte Fausts erzählen. Auch bei Goethe, Lessing und Chamisso hält Faust seinen Monolog in einem Studierzimmer, abgeschottet von der Welt inmitten seiner Bücher, nur von einer Lampe erhellt. Bei Grabbe ist es Don Juan, dem die erste Szene gehört. Faust erscheint hier erst in der zweiten Szene in seinem Zimmer auf dem Aventin, in ein Selbstgespräch vertieft. Ganz anders stellt sich diese Szene bei Lenau dar. Faust lamentiert nicht zurückgezogen in einer Kammer, was auf eine gewisse Resignation hindeuten würde. In der „Morgengang“ jagt er von Zweifeln geplagt durch eine wunderschön geschilderte Natur. Hier ist Lenaus Naturlyrik klar zu erkennen. Ursprünglich sollte das Gedicht „Der Schmetterling“ als Einleitungsgedicht dienen. Dieses wurde aber in der zweiten Auflage 1840 weggelassen, da es von Lenau in die neueren Gedichte aufgenommen wurde. Eine Einleitungsszene wie die von Goethe wäre bei Lenau undenkbar. Auch aufgrund der gewählten Form, des Zusammenschlußes aus Lyrik und Epik, gewinnt die Dichtung Lenaus an Ausdruck. Auch ist diese Form weitaus besser geeignet, die Intention Lenaus, seinen Weltschmerz und Resignation auszudrücken. Das Werk Lenaus nimmt deshalb schon aufgrund dieser äußeren Form eine besondere Stellung innerhalb der Faustdichtung ein. Beeinflußt wurde Lenau wohl maßgeblich von Goethes Faust. Ein Vergleich dieser beiden Werke erscheint jedoch relativ
nutzlos, da sie zuviele Unterschiede besitzen, obwohl derselbe Stoff zugrunde gelegt wird. Dies gründet natürlich auf die beiden unterschiedlichen Charaktere.
III. Biographische Hintergründe des Werkes
Jagt Faust in „Der Morgengang von Zweifeln geplagt die Alpengipfel hinauf, auf der Suche nach Erkenntnis und der Wahrheit, so verbindet ihn diese rastlose Suche mit Lenau selbst. Unrast kennzeichnet seine Bildungsgeschichte. Schul- und Lehrerwechsel prägten den jungen Lenau und auch im späteren Studium fand er nicht die Antworten um seinen Wissensdurst zu stillen. So studierte er ungarisches Recht, Philosophie, Landwirtschaft, Ökonomie, österreichisches Recht und Medizin. Vergleicht man dies mit den Studien des Goetheschen Fausts, so ist es nur das Studium der Theologie, daß Lenau nicht betrieben hatte. Ähnlich wie Faust beklagt auch er den Umstand, trotz zahlreicher Studien keine Klarheit gefunden zu haben. Wehklagt Faust in seinem Monolog: „habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie durchaus studiertt, mit heißem Bemühen. Da steh ich nun ich armer Tor ! Und bin so klug als wie zuvor.“[8] Ähnlich äußerte sich auch der junge Lenau, den das Studium der Rechtswissenschaften ungemein frustrierte, da gerade in diesem Studium selten klare Aussagen getroffen wurden :“ Was ist das für eine Wissenschaft wo es immer heißt: das ist noch nicht klar, oder: über diesen Punkt sind die Meinungen geteilt. Ist das Wissen, ist das Können? Ich will Licht, Klarheit, Wissen.“[9] Auch durch seinen Aufenthalt in Wien, bei dem er Zeuge des Polizeistaates wurde und durch private Rückschläge, bekam Lenau eine negative Einstellung zur Existenz. Nicht umsonst ist Mephistopheles die Lieblingsfigur Lenaus und er scheint ihn dazu zu benutzen, sich von seinen Gedanken zu befreien. Der Teufel als nicht reales Wesen genießt die absolute Sympathie Lenaus. So äußert sich Lenau selbst über die Figur des Mephistopheles und seiner Bedeutung folgendermaße :“Ich [... ]schreibe gegenwärtig einen Faust, wo sich Mephistopheles nicht übel macht. Da habe ich endlich einen Kerl gefunden, auf den ich meinen ganzen Höllenstoff ablagern kann, er ist bereits damit beladen wie ein Steinesel. Wenn er nur nicht überhaupt ein Esel ist.“[10] Das persönliche Befinden Lenaus und die Vorrangstellung, die er dem Teufel in seinem Stück zurechnet stehen in engem Zusammenhang.Lenau selbst äußerte sich hier des öfteren. Als er einmal sein Manuskript in einem Postwagen vergaß meinte er:“Wahrscheinlich ist alles verloren und meinen Teufel hat nun der Teufel geholt.“[11] Auch er möchte den Teufel dazu benutzen, seine Situation zu klären. Nach dem Studium einiger philosophischer Schriften, bemerkte er:“[ ... ] so wenig bin ich imstande aus einer gewissen Schwermut, die nahe an Hypochondrie grenzt, mich hinauszuphilosophieren. Ich habe noch mehr die Hoffnung, daß mich mein Mephisto hinausspotten wird.“[12] Auch das Verhältnis von Lenaus Faust der Weiblichkeit gegenüber, das im Grunde nicht existent ist, wurzelt in den Erfahrungen Lenaus. Sein Verhältnis zu Sophie Löwenthal war durch eine starke Machtposition, die sie auf ihn ausübte geprägt,wobei Lenau dies stoisch und passiv ertrug. Auch Faust kann mit der Sinnlichkeit wenig verbinden und wird immer durch Mephisto in Situationen dieser Art gelockt. Diese Unfähigkeit, auf das weibliche Geschlecht zu reagieren, reflektierte Lenau auf seinen Faust und „sein“ Mephistopheles hätte im sicher geholfen, dieses Problem zu meistern. Auch eine weitere Liebschaft endete in einem Fiasko, wurde allerdings erst nach sieben Jahren von Lenau beendet. Diese Erfahrungen mehrten seinen Weltschmerz und auch seinen Hang zur Hypochondrie und auch Faust wird, wie im folgenden Kapitel aufgezeigt werden soll, zum Nihilisten. Deshalb kann behauptet werden, daß das Werk einen nicht geringen autobiographischen Charakter aufweist. Der weltanschauliche Konflikt, das Verlangen alles zu ergründen, philosophische Erfahrungen, religiöse Fragestellungen, aber auch politische Erfahrungen spielen hier eine große Rolle.[13] Lenau schrieb in sein Tagebuch:“ Meine Liebe hängt durchaus mit meiner Religion zusammen“, doch der umgekehrte Fall tritt hier ein. Die unglücklichen Liebeserfahrungen und die Untreue seiner zweiten Liebschaft stürzten ihn in den Atheismus, während die Beziehung zu Sophie Löwenthal ihn wieder zu einem gottgläubigen Menschen machte. Faust erkennt erst die Sinnlichkeit, als er von Gott abschwört und den Pakt mit dem Teufel eingeht. Seine Erfahrungen werden vom Teufel initiiert und enden ausnahmslos in einer Katastrophe. Es ist also der Fall eingetreten, daß die Abkehr von Gott sein Interesse für die Weiblichkeit weckt. Lenaus Weltbild geht aber nicht nur durch diese Erfahrungen in den Text ein. Auch die gesellschaftlichen Umbrüche in der damaligen Zeit werden von ihm in Szenen behandelt.
Denke man an die Szene „Die Lektion“, in der das machiavellistische Weltbild ad absurdum geführt wird, aber auch an die Szene „Der Jugendfreund“, in der sich klar erken
nen läßt, wie sehr die bürgerlichen Normen Lenau eingeengt haben. So ist es auch Lenau, der von Mephistopheles in sein unabdingbares Ende geleitet wird.
IV. Die Protagonisten
In „Der Morgengang“ wird deutlich, wie verzweifelt Fausts Situation ist. Nicht in der Abgeschiedenheit eines Studierzimmers beklagt er sein Leid, sondern er wird von einer inneren Unruhe die höchsten Gipfel hinaufgetrieben. Dies stellt eine Steigerung der Verzweiflung dar. Viel wird von ihm begutachtet, doch wird er weitergetrieben von dem Wunsch nach Wissen, den er auf diese, herkömmliche Weise nicht stillen kann.: “Viel Pflanzen hat er schon entpflückt dem Grund, und, kaum besehn, geworfen in den
Schlund; Viel Stein schon hast dringend aufgerafft,Am Fels zerschmettert seine Leidenschaft;Und manch Insekt zerknickt des Forschers Hand.“[14] Es erscheint fast, als wolle Faust nicht Erkenntnis gewinnen, sondern ist auf der Suche nach einer Antwort, die seine Zweifel am Dasein zerstreuen. Durch ein Ungenügen an Wissen ist Faust der herkömmlichen Wissenschaft bereits entfremdet. Durch das Forschen und Streben nach Wissen erlangt er keine Sicherheit, sondern Unsicherheit dem Gefundenen gegenüber. Je mehr man erkennt oder erforscht, desto ungewisser ist die Beziehung zum Gefundenen, da dies zu komplex erscheint.[15] Eine Stimme ruft im zu: “Was willst du, Faust, auf diesen Bergeszinnen?“.[16] Es erscheint nicht ganz klar, wer ihm dies zuruft. Ist es der Dichter? Oder ist es Faust selbst, der von inneren Zweifeln getragen sich nach dem Sinn seiner ruhelosen Wanderung fragt? Er würde sich im folgenden geradezu selbst drängen, sein Streben sein zu lassen und sich lieber an der Natur zu erfreuen und sie so zu akzeptieren wie sie sich ihm bietet: “Freu dich an seinem Kind, der stillen Pflanze, der Alpenlerche, die sich einsam schwingt, am Schneegebirg` ,das durch den Himmel dringt.“[17] Doch mit diesem Aufstieg zu dem Gipfel entfernt er sich nicht nur vom Erdboden, sondern auch von seinem Glauben. Je höher er strebt, von seiner Gier nach der Erkenntnis getrieben, desto mehr begibt er sich in das Gebiet der Versuchung und wird für den Teufel angreifbar. Lenau zeigt dieses Entfernen vom Glauben durch das immer schwächer werdende Glockengeläute, welches das Entfernen von der Kirche und vom Glauben signalisieren soll: “ Der Glockenruf-die Lieder-mit den Winden dem Ohr des
Wandrers schwellen und verschwinden.[18] “ Durch das Entfernen vom Glauben, begibt sich Faust in den Einflußbereich des Bösen. Kurz darauf wird er wankenden Trittes von einer starken Hand vor dem Absturz gerettet. Hier tritt Mephisto schon aktiv in die Handlung ein.: “ Doch faßt ihn rettend eine starke Hand und stellt ihn ruhig auf den Felsenrand; Ein finstrer Jäger blickt ins Aug´ ihm stumm, und schwindet um das Felseneck hinum.“[19] Diese Rolle Mephistos unterscheidet sich wesentlich von anderen Faustdichtungen. Mephisto wird nicht eindeutig beschworen, er wittert wie ein Raubtier das potentielle Opfer und pirscht sich an es heran. Durch die Rettung Fausts vor dem Absturz ist das Bündnis mit dem Bösen schon besiegelt, bevor sich Mephisto überhaupt zu erkennen gibt. Durch die Lebensrettung wird ein unsichtbares Band gesponnen und Faust begibt sich auf seinen Irrweg auf der Suche nach dem Sinn der Welt.
[...]
[1] Mohr, Franz Karl: Lenaus Faust. In „Der Wächter-Zeitschrift für alle Zweige der Kultur“ 39./40. Jg. Heft 3. S.34
[2] Mohr, Franz Karl: Lenaus Faust. In „Der Wächter-Zeitschrift für alle Zweige der Kultur“ 39./40. Jg. Heft 3. S.35
[3] Hucke, Karl Heinz: Figuren der Unruhe Faustdichtungen. Tübingen 1992. S. 262
[4] Durrani, Osman: Lenaus Faust. In Stillmark; Alexander und Wagner Fred (Hrsg): Lenau zwischen Ost und West. Stuttgart 1992 S. 69
[5] Holz, Jürgen: Im Halbschatten Mephistopheles. Frankfurt/M. 1989
[6] Hochheim, Rainer: Nikolaus Lenau Geschichte seiner Wirkung 1850-1918. Frankfurt/M. 1982. S.144
[7] Ermatinger, Emil: Die deutsche Lyrik. Leipzig/Berlin 1921. S.42
[8] Goethe, Johann Wolfgang von: Faust-Der Tragödie erster Teil Vers 354-358
[9] Hoehl, Egbert: Lenaus Werke 1965 S.493
[10] Holz, Jürgen: Im Halbschatten Mephistopheles. Frankfurt/M 1989. S.180
[11] Holz, Jürgen: Im Halbschatten Mephistopheles. Frankfurt/M 1989. S.180
[12] Holz, Jürgen: Im Halbschatten Mephistopheles. Frankfurt/M 1989. S.181
[13] Hoehl, Egbert: Lenaus Werke 1965. S.501
[14] Lenau, Nikolaus: Faust Vers 25-29
[15] Henning, Hans: Faust-Variationen. München 1993 S. 328
[16] Lenau, Nikolaus: Faust Vers 5
[17] Lenau, Nikolaus: Faust Vers 9-12
[18] Lenau, Nikolaus: Faust Vers 33-34
[19] Lenau, Nikolaus: Faust Vers 65-68
- Citar trabajo
- Martin Scherf (Autor), 2000, Nikolaus Lenau: Faust - eine Analyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123286
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