Die Erwerbsarbeit erlebt einen Strukturwandel, der sich in vielerlei Form bemerkbar macht. Die Entwicklung geht weg von einem „Normalarbeitsverhältnis“, wie es in Deutschland seit den 50er Jahren Standard war, hin zu verschiedenen neuen, oftmals prekären Erwerbsformen, wie geringfügige Beschäftigung, befristete Beschäftigung, Leiharbeit und auch die „neue Selbständigkeit“. In der Literatur ist von einer „Erosion“ des Normalarbeitsverhältnisses die Rede, also auch der Erosion von sozialer Absicherung, Stabilität und eines geregelten Einkommens, die für das Normalarbeitsverhältnis typisch sind. Am deutlichsten wird diese Entwicklung am Beispiel der Gruppe der Selbständigen sichtbar. Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der „neuen Selbständigkeit“. Es soll zunächst der Frage nachgegangen werden, welche Erwerbsformen sich hinter diesem Begriff verbergen, mit besonderer Hervorhebung der Scheinselbständigkeit, die in den letzten Jahren rege Diskussionen verursachte.
Gliederung
1. Einleitung
2. Zur Klärung des Begriffs
3. Formen der neuen Selbständigkeit
3.1 Ein-Personen-Selbständige
3.2 Ich-AG
4. Scheinselbständigkeit
5. Folgen der neuen Selbständigkeit
5.1 Erwerbstätige
5.2 Wirtschaft
5.3 Politik und Gesellschaft
6. Ursachen der neuen Selbständigkeit
6.1 Die Strategien der Unternehmen
6.2 Technisierung
6.3 Politische Entscheidungen
6.4 Individuelle Motivationen
6.5 Zusammenfassung
7. Neue Selbständigkeit am Beispiel der Kulturberufe
8. Lösungsansätze für die Probleme der neuen Selbständigkeit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Erwerbsarbeit erlebt einen Strukturwandel, der sich in vielerlei Form bemerkbar macht. Die Entwicklung geht weg von einem „Normalarbeitsverhältnis“, wie es in Deutschland seit den 50er Jahren Standard war, hin zu verschiedenen neuen, oftmals prekären Erwerbsformen, wie geringfügige Beschäftigung, befristete Beschäftigung, Leiharbeit und auch die „neue Selbständigkeit“. In der Literatur ist von einer „Erosion“ des Normalarbeitsverhältnisses die Rede, also auch der Erosion von sozialer Absicherung, Stabilität und eines geregelten Einkommens, die für das Normalarbeitsverhältnis typisch sind. Am deutlichsten wird diese Entwicklung am Beispiel der Gruppe der Selbständigen sichtbar, die sich zwar schon immer durch Heterogenität auszeichnete, in den letzten 20 Jahren aber starke Veränderungen durchlaufen hat. Die Anzahl der Selbständigen in den neuen Bundesländern ist in dem Zeitraum zwischen 1978 und 1998 um etwa 700.000 gestiegen, insbesondere zur Zeit des „Gründerbooms“ Mitte der 1980er Jahre und dann seit 1994, als die Förderkonditionen für Existenzgründer eingeführt bzw. verbessert wurden[1]. Diese Zahlen spiegeln aber nicht die Dynamik wider, die in dem Bereich der Selbständigkeit vorherrscht. Denn viele Gründungen scheitern relativ schnell; z.B. gab es in dem Zeitraum zwischen 1990 und 1996 2 Mio. Neugründungen, aber auch 1,6 Mio. Fälle, in denen die Selbständigkeit aufgegeben wurde[2].
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der „neuen Selbständigkeit“. Es soll zunächst der Frage nachgegangen werden, welche Erwerbsformen sich hinter diesem Begriff verbergen, mit besonderer Hervorhebung der Scheinselbständigkeit, die in den letzten Jahren rege Diskussionen verursachte. Danach werden die Auswirkungen der neuen Selbständigkeit auf die Wirtschaft, die Politik und die Gesellschaft sowie die Risiken und Chancen für die Erwerbstätigen. erläutert. Dann folgen die vielfältigen Faktoren, die die Entwicklung dieser Form der Erwerbsarbeit ermöglichten bzw. begünstigten und die erst im Zusammenhang betrachtet die Ursachen für die neue Selbständigkeit widerspiegeln. Schließlich wird die neue Selbständigkeit am Beispiel der Kulturberufe dargestellt. Aus diesem Beispiel ergeben sich Lösungsansätze für die spezifischen Probleme der neuen Selbständigkeit, mit welchen diese Arbeit abschließt.
2. Zur Klärung des Begriffs
Der Begriff „neue Selbständigkeit“ wurde zu Beginn der 1980er Jahre durch Vonderach geprägt. Er meinte zunächst sowohl „äußerlich eher konventionelle Formen(...) als auch ausgesprochene Alternativformen, sowohl subsistenzwirtschaftliche und gemeinschaftsorientierte als auch erwerbswirtschaftliche Formen“[3]. Der Begriff sollte die Abgrenzung von den traditionellen Formen der Selbständigkeit wie Handwerker, Landwirte, Einzelhandelskaufleute, Ärzte und Rechtsanwälte verdeutlichen. Die neuen Selbständigen unterschieden sich von den „alten“ vor allem durch ihre Ausgangsituation, ihre Werteorientierung und die interne Organisation ihrer Betriebe. Es waren schlechte Aussichten auf dem Arbeitsmarkt oder auch ein bewusstes „Aussteigen“ aus herkömmlichen Karrieremustern, die vor allem Hochschulabgänger dazu brachten, sich selbständig zu machen. Die Betriebe verzichteten auf hierarchische Strukturen und auf Profitmaximierung; stattdessen galten die Selbstverwaltung und das Kostendeckungsprinzip. Typische Formen waren z.B. Bioläden, freie Theatergruppen oder alternative Reiseagenturen.
Heute meint der Begriff vor allem Ein-Personen-Selbständige, die hauptsächlich im Dienstleistungssektor zu finden sind und deren Anzahl stetig wächst. Zwischen 1995 und 1998 war ein Zuwachs an Selbständigen vor allem in den Bereichen Dienstleistungen für Unternehmen (um 23,7%), Erziehung, Gesundheit, Kultur und Unterhaltung (15,3%) sowie im Baugewerbe (16,1%) zu verzeichnen. Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung von 1999 zufolge ist fast die Hälfte aller Selbständigen Ein-Personen-Selbständige.
Allgemein ist die Gruppe der Selbständigen sehr heterogen. Zu ihr zählen selbständige Handwerker, freiberuflich Tätige, Hausgewerbetreibende (z.B. Heimarbeiter), Handelsvertreter, Versicherungsvertreter und sonstige Unternehmer und Subunternehmer. Deshalb gibt es keine einheitliche Definition der Selbständigkeit, auch nicht seitens des Gesetzes. Vielmehr werden im Arbeitsrecht, Sozialrecht, im Steuer- und im Handelsrecht unterschiedliche Kriterien verwendet um Selbständigkeit zu definieren. Im Arbeits- und Sozialrecht ist das Merkmal der „persönlichen Abhängigkeit“ das entscheidende. Es spaltet sich auf in „Weisungsgebundenheit“ und in die „Eingliederung in den Betrieb“. Weisungsgebundenheit besteht in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht. Die zeitliche Weisungsgebundenheit meint, dass die Arbeitszeiten nicht im Wesentlichen frei bestimmt werden können. Kann der Erwerbstätige seine Arbeitszeit im Rahmen von vernünftig bemessenen Fristen selbst gestalten, besteht keine zeitliche Weisungsbindung. Die örtliche Weisungsbindung ist dann gegeben, wenn der Erwerbstätige den Ort seiner Tätigkeit vom Arbeit- bzw. Auftraggeber vorgeschrieben bekommt. Dagegen fehlt es an der örtlichen Weisungsgebundenheit, wenn der Erwerbstätige seinen Tätigkeitsort selbst bestimmen kann. Die fachliche Weisungsgebundenheit besteht dann, wenn der Arbeit- bzw. Auftraggeber auf den Inhalt der Tätigkeit einwirken kann, auch wenn dem Erwerbstätigen dabei ein großer Gestaltungsspielraum zugestanden wird. Das Merkmal der „Eingliederung in den Betrieb“ spaltet sich auf in die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Auftraggebers und die Arbeit mit Arbeitsmitteln des Auftraggebers[4].
Die neuen Selbständigen vereinen oftmals Merkmale von selbständiger und abhängiger Erwerbstätigkeit. Für einen Großteil von ihnen wird angenommen, dass sie in der Grauzone zwischen diesen beiden Formen tätig sind.
3. Formen der neuen Selbständigkeit
Es gibt viele Möglichkeiten sich selbständig zu machen, wie z.B. Neugründung, Ausgründung, Franchising, Teamgründung, die stille Beteiligung oder auch die Ich-AG. Relevant für das Thema der neuen Selbständigkeit sind aber vor allem die Wege der Neugründung, Franchising, Ich-AG und die freie Mitarbeit, da sie sich vor allem auf die Solo-Unternehmer beziehen, die in dem breiten Spektrum der neuen Selbständigkeit die Mehrheit stellen.
3.1 Ein-Personen-Selbständige
Im Jahre 1995 waren 3,3 Mio. Menschen in der Bundesrepublik Deutschland selbständig, 1,5 Mio. davon beschäftigten keine Mitarbeiter. Das bedeutet, dass fast die Hälfte aller Selbständigen Solo-Selbständige sind. Auffallend ist vor allem der hohe Anteil von Frauen in dieser Gruppe, der 56,1% beträgt. Insgesamt ist die Anzahl dieser „Selbstbeschäftigten“ in dem Zeitraum zwischen 1994 und 1998 um 378.000 gestiegen.
Diese Steigerung bezieht sich vor allem auf den Dienstleistungsbereich. Während in den traditionell selbständigen Berufen des primären Sektors (Land- und Forstwirtschaft) die Anzahl der Selbständigen immer mehr zurückgeht, (zwischen 1995 und 1998 um 12,3 %), wächst der Anteil der Selbständigen im Dienstleistungssektor immer weiter. Insbesondere unternehmensorientierte Dienste wie wirtschaftliche oder technische Beratung (ein Plus von 23,7 %), aber auch der Bereich der Erziehung, Gesundheit, Kultur und Unterhaltung (15,3 %) finden immer größeren Zulauf von Selbständigen. Diese Tatsache hängt mit der allgemeinen Entwicklung des Dienstleistungssektors zusammen, der auf dem Arbeitsmarkt die stärkste Beschäftigten-Quote hat. So waren im Jahre 2001 69% aller Beschäftigten in diesem Bereich tätig, im Jahre 1950 waren es nur etwa 30%. „Ein großer Teil dessen, was sich heute „neue Selbständigkeit“ nennt, ist auf diesen Tertiarisierungsschub zurückzuführen“[5], dessen Tendenz weiterhin steigend ist.
[...]
[1] vgl. Bögenhold, Dieter & Leicht, René (2000): „Neue Selbständigkeit“ und Entrepreneurship: Moderne Vokabeln und damit verbundene Hoffnungen und Irrtümer. In: WSI Mitteilungen (53), S. 783
[2] vgl. ebd., S. 781
[3] vgl. Dietrich, Hans (1999): Empirische Befunde zur selbständigen Erwerbstätigkeit unter besondere Berücksichtigung scheinselbständiger Erwerbsverhältnisse. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (32), S. 94
[4] vgl. Dietrich (1999) S. 96
[5] Bögenhold/Leicht (2000) S. 781
- Citation du texte
- Anna Zielinska (Auteur), 2004, Neue Selbständigkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123149
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