Nach der Definition von Müller wird unter „Sozialarbeit“ „eine Vielzahl von
Einrichtungen und Maßnahmen zusammengefasst, die Menschen helfen sollen, sich in
ihre Gesellschaft zu integrieren[…]“1. Wenn wir von „Sozialer Arbeit“ sprechen, denken
wir in diesem Zusammenhang zuerst an den Begriff „Helfen“.
Seit es Menschen gibt, existieren Bedürfnisse und Wünsche, die je nach Komplexität
erfüllt werden wollen. Dazu benötigt jeder Einzelne Unterstützung seiner Mitmenschen.
Durch Weiterentwicklung der Gesellschaft wurden die Probleme vielschichtiger und
komplizierter, so dass Hilfe oft nicht mehr nur von den engsten Bezugspersonen
ausreichte. Der Beruf der Sozialen Arbeit entstand, deren Aufgabe in erster Linie darin
besteht, professionelle Hilfe zu leisten.
Um das Wort „Helfen“ mit Inhalt zu füllen, werden für die Sozialarbeitswissenschaften
relevante Theoriemodelle über diese Begrifflichkeit veranschaulicht. Dazu sollen zwei
Lehrmeinungen präsentiert werden, die nicht für sich behaupten die konkrete
Hilfedefiniton zu sein, sondern versuchen, sich dem Begriff anzunähern.
Nach der theoretischen Darstellung, wird versucht ein Praxisbezug herzustellen. Die
Sozialarbeitswissenschaften begreifen sich vor allem als Handlungswissenschaften.
Ziel ist es, professionelle Hilfeleistungen durch wissenschaftliche Resultate zu ermöglichen.
In Bezug auf die heutige Gesellschaft nimmt der Anteil an Administrationstätigkeiten
am Arbeitsplatz rapide zu, dem sich Soziale Arbeit stellen muss. Um das zu
erreichen, hat die Sozialinformatik den Anspruch, durch Einsatz von fachspezifischen
Informationstechnologien, soziale Dienstleistungen zu vereinfachen. Entwickelte Technologien
könnten komplizierte, bürokratische Arbeitsabläufe in der Sozialen Arbeit
beschleunigen und so die Konzentration auf die eigentliche Unterstützung von
Menschen fördern. Dazu soll die Sozialinformatik im Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit im
klinischen Bereich näher beschrieben werden.
Zweck und Ziel dieser Arbeit führen dazu, eher einen groben Überblick über die
Soziale Arbeit als Wissenschaft in Bezug auf Helfen zu verschaffen und dieses in
einem praktischen Gegenwartsbezug und Beispiel der Sozialinformatik im klinischen
Bereich darzustellen. Viele Differenzierungen und Details mussten aufgrund der
Komprimierung verkürzt oder sogar weggelassen werden. Anspruch dieser Darstellung
ist es daher nur einen Abriss zu verschaffen. Die folgenden Überlegungen
sollen dazu beitragen und anregen, anhand der angegebenen Primärliteratur Theorien
zu vertiefen, zu überprüfen und eventuell eigene zu entwickeln.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Sozialarbeitswissenschaft
1.1 Definition
1.2 Geschichte
2. Theoriemodelle zum Thema Helfen
2.1 Evolution der Hilfe
2.1.2 Begriffsbestimmung - Helfen
2.1.3 Evolution
2.2 Wo und wann darf Hilfe geleistet werden?
2.2.2 Soziale Netzwerke
2.2.3. Ehrenamt
2.3 Diskussion
3. Sozialarbeitswissenschaft als Handlungswissenschaft
3.1 Theorie wird zur Praxis
4. Sozialinformatik in der Sozialen Arbeit im klinischen Bereich
4.1 Sozialinformatik
4.1.1 Begriffsbestimmung
4.1.2 Exkurs: Sozioinformatik
4.1.3 Geschichte
4.1.4 Aufgaben
4.2 Soziale Arbeit im klinischen Bereich
4.2.1 Begriffsbestimmung
4.2.2 Geschichte
4.2.3 Aufgaben
4.3 Sozialinformatik im klinischen Bereich
4.3.1 Anwendungsbereiche
4.3.2 Anwendungsbeispiel – AHB-Portal
4.3.2.1 Vorrausetzung
4.3.2.2 Nutzungsumfang
4.3.2.3 XREHA
4.3.2.4 Rezension
Schlusswort
Quellenverzeichnis
Einleitung
Nach der Definition von Müller wird unter „Sozialarbeit“ „eine Vielzahl von Einrichtungen und Maßnahmen zusammengefasst, die Menschen helfen sollen, sich in ihre Gesellschaft zu integrieren[…]“1. Wenn wir von „Sozialer Arbeit“ sprechen, denken wir in diesem Zusammenhang zuerst an den Begriff „Helfen“.
Seit es Menschen gibt, existieren Bedürfnisse und Wünsche, die je nach Komplexität erfüllt werden wollen. Dazu benötigt jeder Einzelne Unterstützung seiner Mitmenschen. Durch Weiterentwicklung der Gesellschaft wurden die Probleme vielschichtiger und komplizierter, so dass Hilfe oft nicht mehr nur von den engsten Bezugspersonen ausreichte. Der Beruf der Sozialen Arbeit entstand, deren Aufgabe in erster Linie darin besteht, professionelle Hilfe zu leisten.
Um das Wort „Helfen“ mit Inhalt zu füllen, werden für die Sozialarbeitswissenschaften relevante Theoriemodelle über diese Begrifflichkeit veranschaulicht. Dazu sollen zwei Lehrmeinungen präsentiert werden, die nicht für sich behaupten die konkrete Hilfedefiniton zu sein, sondern versuchen, sich dem Begriff anzunähern.
Nach der theoretischen Darstellung, wird versucht ein Praxisbezug herzustellen. Die Sozialarbeitswissenschaften begreifen sich vor allem als Handlungswissenschaften. Ziel ist es, professionelle Hilfeleistungen durch wissenschaftliche Resultate zu eröglichen. In Bezug auf die heutige Gesellschaft nimmt der Anteil an A dministrationsätigkeiten am Arbeitsplatz rapide zu, dem sich Soziale Arbeit stellen muss. Um das zu erreichen, hat die Sozialinformatik den Anspruch, durch Einsatz von fachspezifischen Informationstechnologien, soziale Dienstleistungen zu vereinfachen. Entwickelte T ech könnten komplizierte, bürokratische Arbeitsabläufe in der Sozialen Arbeit beschleunigen und so die Konzentration auf die eigentliche Unterstützung von Menschen fördern. Dazu soll die Sozialinformatik im Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit im klinischen Bereich näher beschrieben werden.
Zweck und Ziel dieser Arbeit führen dazu, eher einen groben Überblick über die Soziale Arbeit als Wissenschaft in Bezug auf Helfen zu verschaffen und dieses in einem praktischen Gegenwartsbezug und Beispiel der Sozialinformatik im klinischen Bereich darzustellen. Viele Differenzierungen und Details mussten aufgrund der Komprimierung verkürzt oder sogar weggelassen werden. Anspruch dieser D ar ist es daher nur einen Abriss zu verschaffen. Die folgenden Überlegungen sollen dazu beitragen und anregen, anhand der angegebenen Primärliteratur Theorien zu vertiefen, zu überprüfen und eventuell eigene zu entwickeln.
1. Sozialarbeitswissenschaft
Vor den anschließenden wissenschaftlichen Darlegungen des Hilfeverständnisses, soll zunächst geklärt werden, was unter Wissenschaft, hier in diesem Fall Sozialarbeitswissenschaft, verstanden wird. Nach einer allgemeinen Definition wird kurz die noch nicht abgeschlossene Entwicklung angesprochen.
1.1 Definition
Sozialarbeitswissenschaft als Disziplin der Sozialen Arbeit2 bezeichnet die „Gesamtheit des theoretischen […] Wissens der Sozialarbeit.“3
Theoretisches Wissen aus dieser und anderen Disziplinen werden erarbeitet, gesammelt, in der Praxis angewandt und überprüft, diese Erkenntnisse ergeben wieder neue Theorien. Durch diesen Prozess entstehen Konzepte und Methoden, die zusammen mit vorherigem Wissen die Sozialarbeitswissenschaft bilden.
1.2 Geschichte
Nach Mühlum tritt die Forderung nach einer wissenschaftlichen Fundierung der Sozialen Arbeit vor mehr als 100 Jahren zum ersten Mal auf. Mary Richmond und Jane Adams sind dabei bedeutende Vorreiter. Zu nennen wäre noch Alice Salomons, die mit ihrer „Theorie des Helfens“ eine zentrale Rolle spielte4.
Der Begriff „Sozialarbeitswissenschaft“ tauchte allerdings erst Ende der Siebziger Jahre auf, als in einigen Publikationen und theoretischen Ansätzen dieser Ausdruck verwendet wurde5.
Die Erlangung einer eigenständigen und einheitlichen Wissenschaftsdisziplin in der Sozialen Arbeit ist allerdings nicht Geschichte, sondern Gegenwartsthematik. Durch begriffliche Unstimmigkeiten, wie z.B. dem Spannungsverhältnis zwischen Sozialarbeit und Sozialpädagogik, verhindern sozialpolitische Definitionsversuche die Emanzipation der Sozialarbeitswissenschaft6.
Dieser kurze Einblick soll verdeutlichen, dass die Wissenschaftsentwicklung der Sozialen Arbeit in jüngster Vergangenheit begonnen hat und noch lange nicht abgeschlossen ist.
2. Theoriemodelle zum Thema Helfen
Stellvertretend werden hier zwei Wissenschaftler aufgeführt, die den Begriff „Hilfe“ unter sozialwissenschaftlicher Sicht diskutieren und darlegen.
Im Abschnitt „Evolution der Hilfe“ wird Luhmanns soziologische Begriffsbestimmung der Hilfe und Entwicklung der Hilfe erläutert und im zweiten Abschnitt „Wo und wann darf Hilfe geleistet werden?„ stellt Müller die Frage nach der Berechtigung zur Hilfeleistung in Bezug auf die sozialen Netzwerke des Menschen.
2.1 Evolution der Hilfe
Die erste wissenschaftliche Position geht auf Niklas Luhmann zurück. Er begrenzt seine Untersuchung gleich zu Anfang deutlich auf eine soziologische Sichtweise.
Zuerst wird Hilfe allgemein ausgedrückt und definiert und anschließend unterscheidet Luhmann drei chronologisch aufeinanderfolgende Formen der Gesellschaft, durch die sich die Funktion von Helfen verändert und entwickelt.
2.1.2 Begriffsbestimmung - Helfen
Luhmann definiert Helfen zunächst als „Beitrag zur Befriedigung der Bedürfnisse eines anderen Menschen“7. Unerheblich um welches Bedürfnis es sich handelt, wird dieses von Jemandem erkannt und befriedigt. Es kommt also zu einem „Bedarfsausgleich“ zwischen mindestens zwei Interaktionspartnern.
Als Voraussetzung muss Hilfe erwartet werden. Hilfebedürftiger8 und Hilfeleistender als Interaktionspartner, entscheiden, ob sie Hilfe leisten und empfangen wollen. Somit kann es zur Hilfe oder zur Nichthilfe kommen. Nach Luhmann sind Erwartungen niemals absolut, sie unterscheiden sich in Bezug auf Kultur, Situation und Motive der einzelnen Partei. Somit muss es zur richtigen Verständigung kommen, um darüber hinaus eine Interaktion entstehen zu lassen9.
Zusätzlich muss eine weitere Dimension aufgeführt werden. Die Zeitebene sieht Luhmann als Bedingung, damit eine Interaktion zustande kommt. „Immer ist wechselseitige Hilfe unter Menschen verknüpft mit dem Problem des zeitlichen Ausgleichs von Bedürfnissen und Kapazitäten.“10 Bedürfnisse entstehen nicht zur gleichen Zeit und werden nicht sofort befriedigt. Es gilt also diese Zeitdifferenzen zu überbrücken11.
Der Begriff „Helfen“ wird als einen sehr komplexen Vorgang, mit unterschiedlichen Abhängigkeitsfaktoren beschrieben. Je mehr Interaktionspartner, je unterschiedlicher die Erwartungen, je länger die Zeitdifferenz, desto komplizierter der Hilfsvorgang. Fraglich bleibt, ob bei hoher Komplexität alle Vorüberlegungen auf die Funktion der Hilfe noch anwendbar wären. Dieser Punkt soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, da dies zu weit führen würde. Stattdessen wird die Evolution der Hilfe im Rahmen gesellschaftlicher Evolution expliziert. Luhmann beschreibt drei G esellschafts, in denen sich Hilfe von gegenseitiger Hilfe bis zu organisierter Hilfe über Institutionen entwickelt.
2.1.3 Evolution
In den Archaischen Gesellschaften, als erste Entwicklungsstufe, wird die primitivste Form der Hilfe beschrieben: Der wechselseitige Ausgleich von Grundbedürfnissen ohne nennenswerte Institutionalisierung. Dabei befindet sich laut Luhmann die Gesellschaft auf einer geringen Entwicklungsstufe. Politische Macht spielt nur eine geringe Rolle. Die Gruppen sind meist klein, Individuen helfen sich gegenseitig mit Taten und Gegenständen und erwidern diese mit Dankbarkeit, bzw. falls möglich mit Gegenhilfe12.
Die Hochkultivierten Gesellschaften nehmen im Gegensatz zur ersten Form an Komplexität zu. Durch einen höheren Stellenwert der politischen Macht existieren unterschiedliche Schichten, Verbände und Häuser, die wechselseitige Hilfe nur in gleicher Zugehörigkeit, aufgrund von moralischer Intention zulassen. Hinzu kommt ein religiöses Motiv, das Ansehen und Sündenablass durch Almosen an Bedürftige verschafft13.
In dieser Entwicklungsstufe kann zum ersten Mal Kapital als Hilfsmittel verwendet werden, zusätzlich äußern sich erste Ansätze der Professionalisierung von Hilfe.
Als letzte Evolution nennt Luhmann die der Modernen Gesellschaften, in denen Hilfe vorrangig in einem organisierten und strukturierten Sozialsystem stattfindet. Losgelöst von der Gesellschaft, beschreibt Luhmann Hilfe als Aufgabe von Organisationen, die sogenannte „Programme“ entwickeln, um zuverlässige und effiziente Hilfeleistungen zu gewährleisten.14
Unabhängig von Moral und individuellem Denken ist der Hilfeprozess stark automatisiert und wirtschaftsorientiert, was dagegen auch zu fehlender E inzel und Kapitalabhängigkeit führen kann.
Zusammenfassend beinhaltet der komplexe Prozess des Bedarfsausgleichs, in gesell Hinsicht, unterschiedliche Formen der Erwartung und der Reaktion darauf. Luhmann betont am Ende, dass der von ihm beschriebene Prozess noch nicht ab ist - Hilfe hat sich auch danach weiterentwickelt und wird es weiterhin.
Außerdem betont er, dass die Gesellschaften nicht nur eine chronologische Abfolge in der Beschreibung des Hilfeprozesses sind, sondern dass sie auch nebeneinander existieren. Hilfe kann durch einfachen gegenseitigen Beitrag ebenso erfüllt werden wie durch Spendenleistung oder durch programmierte, von Organisationen geleistete Unterstützung15.
Zum Schluss bezieht Luhmann das Problem des Bedarfsausgleichs auf globale Sicht, bei der keine der in den Gesellschaftstypen genannten Hilfeformen ausreichend wären, weshalb es notwendig wäre, „das alte Problem des Helfens im Weltmaßstabe neu zu definieren [,] als Problem der Verteilung."16
2.2 Wo und wann darf Hilfe geleistet werden?
In dem Aufsatz „Darf helfen wer will? von Siegfried Müller geht es um die „Klärung der Frage [..], ob alle, die helfen wollen, dies auch dürfen.“17 Gleich im Anschluss gibt er darauf eine Antwort: „Sie dürfen es nicht. Helfen darf nur - so meine These - wer auch helfen kann.“18
Anstoß für seine Frage war dabei der Rückgang der ehrenamtlichen Helfer. Müller stellt daher die These auf, dass nur helfen darf, wer auch die Qualifikation dazu besitzt. Im Vergleich zu Luhmann geht es hier nicht um die Darlegung wie Hilfe zustande kommt, sondern wann Hilfe geleistet werden sollte.
Müllers soziologische Auslegung führt über das Hilfeverständnis in den unterschied sozialen Netzwerken (Familie, Freunde, Nachbarn, Beruf) jedes Einzelnen zur Klärung des Ehrenamtes.
2.2.2 Soziale Netzwerke
Bei „Familienmitgliedern besteht eine wechselseitige Verpflichtung zur Hilfe, deren Nichterfüllung begründungsbedürftig ist.“19
Vergleichbar wäre diese Form mit den Archaischen Gesellschaften nach Luhmann, bei denen es um selbstverständliche gegenseitige Hilfeleistungen geht.
Hier, so Müller, ist die Frage wer helfen darf unwesentlich. Im familiären Kontext bedarf es keiner Qualifikation, keines speziellen Wissens. Vielmehr geht es hier um die Quantität, wie viel Hilfe zugemutet werden kann, ohne durch übermäßige B e selbst hilfsbedürftig zu werden, was sich als Gefahr darstellt20.
Auch im freundschaftlichen Kontext bestimmt wechselseitige Hilfe die Beziehung. Die Erwartungshaltung nimmt hier einen hohen Stellenwert ein, die aufgrund von einer meist engen Beziehung bei Nichterfüllung die Freundschaft auf eine Belastungsprobe stellen und sogar zum Abbruch dieser führen kann21.
Müller führt bei nachbarschaftlichen Beziehungen ebenfalls die reziproke Hilfeleistung als Grundsatz an. „Hier darf helfen, wer will, weil damit keine Erwartungen an eine spezifische Kompetenz verbunden ist. [sic!]“22
Als Sonderfall nennt er die „Selbsthilfegruppen“ bei denen Laien zu Experten werden können und damit Qualität in Bezug auf Hilfeleistungen abgesehen von Professionalität vorhanden wäre23.
In der beruflichen Hilfe handelt es sich nach Müller erst einmal um organisierte und professionelle Hilfe. Organisiert durch Spezifizierung und Unterteilung des A rbeits (wie Altenhilfe, Jugendhilfe), professionell aufgrund eines abgeschlossenen Ausbildungsprozesses24.
Diese Art der Hilfe wäre mit den Modernen Gesellschaften nach Luhmann vergleich, in denen durch Institutionalisierung Hilfebedürftige über ein zusätzliches Organ Dienstleistungen erhalten.
Ob durch Professionalisierung immer gleichzeitig hohe und kontinuierliche Qualität der Hilfe garantiert werden kann, stellt Müller aufgrund fehlender, vor allem einheitlicher, Standards und Qualitätssicherungsprozesse in Frage25.
2.2.3. Ehrenamt
Zu Anfang äußert sich Müller in seinem Buch kritisch über die ehrenamtliche Hilfeleistung und lehnt sie aufgrund fragwürdiger Qualität der Hilfe kategorisch ab.
Später relativiert er seine Aussage und schreibt: „Es wäre jedoch ein Missverständnis, wenn man daraus - mit Bezug auf die heutige Situation - schlussfolgern würde, dass ehrenamtlich nur tätig sein dürfe, wer den gleichen Qualifizierungsprozess erfolgreich bestanden hat, wie die, die Helfen als Beruf anstreben.“26
Denn, so räumt er ein, „der […]womöglich ausschlaggebende Faktor ist die Zeit.“27 Zeit und Geduld sind Ressourcen, die Ehrenamtliche im Gegensatz zu Professionellen oft mehr aufbringen können und daher für Soziale Arbeit sicher eine große zusätzliche Dienstleistung sind, die man nicht vernachlässigen sollte. Die Erfahrung der Ehrenamtliche und das Wissen der Professionellen sollten als zwei nebeneinander stehende Potentiale gesehen werden, aus denen die Soziale Arbeit schöpfen kann. Die Frage der Qualität stellt sich dabei in beiden Bereichen und kann und soll hier nicht beantwortet werden.
2.3 Diskussion
Gegenüber stehen sich der systemische Bedarfsausgleich, als Hilfeprozess in Bezug auf den Wandel der Gesellschaft nach Luhmann und die Hilfebetrachtung nach der Berechtigung, im Kontext zu den sozialen Netzwerken durch Müller.
Bei einem direkten Vergleich beider Theorien soll zuerst die identische Disziplin der Autoren genannt werden. Durch die soziologische Betrachtung wird die W echsel zwischen Menschen in Bezug auf den Hilfeprozess in den Vordergrund gestellt. Die ausschließlich sozialwissenschaftliche Sichtweise könnte den H andlungs zur Praxis in Frage stellen.
Desweiteren fällt auf, dass Luhmanns Veröffentlichung weit vor der Müllers liegt. Ausgehend davon kann daher nur Müller von Luhmann profitiert haben, was auch anhand seiner Literaturangabe ersichtlich ist. Er übernimmt den Ausdruck des „Bedarfsausgleichs“ und wie zuvor beschrieben, lassen sich die sozialen Netzwerke teilweise auf die Gesellschaftsformen Luhmanns beziehen.
Allerdings äußert sich Müller auch kritisch über die von Luhmann beschriebenen „Hochkultivierten Gesellschaften“, in denen durch Institutionalisierung wechselseitige Hilfe zum größten Teil abgelöst wird. Dadurch, so Müller, wird der eigentlich als selbstverständlich erachteten Pflicht, einer alten Dame über die Straße zu helfen, weniger Bewusstsein geschenkt. Das bedeutet gegenseitige Hilfeleistungen verringern sich aufgrund professioneller Hilfesysteme28.
Luhmanns Theorie der organisierten Hilfe scheint Grenzen zu haben, indem gerade benachteiligte Hilfebedürftige nicht durch seine beschriebenen Instanzen und „Programme“ aufgefangen werden können. Ihre Erwartung wird also nicht mit einer Interaktion erwidert, um Luhmanns Wortlaut zu entsprechen. In Bezug auf seinen Ausblick einer „Weltgesellschaft“ bleibt die Frage nach der nächsten Gesellschaftsform offen, in der möglicherweise eine bessere Struktur beschrieben ist, um Hilfebedürfnisse durch Soziale Arbeit abzudecken. Hier soll diese weitere Phase beispielhaft „Postmoderne Gesellschaft“ genannt werden. Wie sich diese gestalten würde, bleibt ungeklärt.
[...]
1 Müller 2005, S. 748; Hervorhebung durch den Verfasser.
2 Stellvertretend für „Sozialarbeit“, „Sozialpädagogik“ wird in dieser Arbeit der Begriff „Soziale Arbeit“ verwendet, da bis heute die begriffliche Auseinandersetzung nicht ausreichend geklärt ist (Vgl. hierzu Mühlum 2004, S. 9-11).
3 Mühlum 2007, S. 837.
4 Vgl. Mühlum 2004, S. 16-17.
5 Vgl. Engelke 1999, S. 80.
6 Vgl. Mühlum 2004; Engelke 1999.
7 Luhmann 1973, S. 21.
8 Zur Vereinfachung wird in dieser Arbeit nur die männliche Form stellvertretend für beide Geschlechter verwendet.
9 Vgl. Luhmann 1973, S. 21.
10 Ebenda, S. 22f.
11 Vgl. Ebenda, S. 23.
12 Vgl. Luhmann 1973, S. 25-27.
13 Vgl. Ebenda, S. 27-31.
14 Vgl. Ebenda, S. 31-36.
15 Vgl. Luhmann 1973, S.36f.
16 Ebenda., S.37; Änderung durch den Verfasser.
17 Müller 2001, S. 179.
18 Ebenda, S.179.
19 Ebenda, S. 180; Hervorhebung durch Verfasser.
20 Vgl. Müller 2001, S. 180f.
21 Vgl. Ebenda, S. 181.
22 Ebenda, S. 182.
23 Vgl. Ebenda.
24 Vgl. Ebenda, S. 182-184.
25 Vgl. Ebenda.
26 Ebenda, S. 185-186.
27 Ebenda, S.187.
28 Vgl. Müller 2001, S. 180.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Bönisch (Autor:in), 2007, Helfen im theoretischen Kontext , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123077
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