Der Text umfasst Informationen zum Autor, einen inhaltlichen Überblick, Gedanken zur wissenschaftlichen Kontextualisierung des Textes sowie eine eigene Stellungnahme zu Inhalt und Form.
1. Informationen zum Autor
Pierre Félix Bourdieu wurde am 1. August 1930 in einem kleinen Ort im französischen Teil der Pyrenäen geboren. Seine eigene Lebensgeschichte kann als Beweis dafür gesehen werden, dass es möglich ist, trotz niedrigem sozialen Stellenwert in weit höher etablierte Kreise vorzustoßen: Bourdieus Vater war Landwirt, wechselte später den Beruf und wurde Briefträger. Seine Mutter war als Hausfrau tätig.
Bourdieu meisterte das Gymnasium mit Bravour und besuchte mit 18 Jahren die hoch angesehene Pariser Eliteschule Louis-le-Grand. Schon sechs Jahre später machte er den Abschluss seines Philosophiestudiums. Im Verlauf seiner Studientätigkeit befasste sich Bourdieu u.a. mit Hegel und Leibniz. Nach einer Anstellung als Gymnasiallehrer und der Ableistung seines Militärdienstes im Algerienkrieg betrieb er in Algerien, welches in Folge des Krieges zu einer Kolonie Frankreichs wurde, erste Feldstudien. Dort erlebte Bourdieu ganz besonders stark das Aufeinanderstoßen des algerisch-vorkapitalistischen und des französisch-kapitalistischen Systems. Zu dieser Zeit entstand wohl auch Bourdieus Interesse für die Komplexität der Gesellschaft statt ihrer Einzelphänomene.
Nach der Veröffentlichung zahlreicher Werke – auch in Zusammenarbeit mit algerischen Wissenschaftlern und seinem französischen Kollegen Passeron – schaffte es Bourdieu, der aus einfachsten Verhältnissen stammte, schließlich gar in ein besonderes Zentrum der akademischen Macht Frankreichs, das Collège de France.
Sich seiner Herkunft bewusst, fühlte er aber zeit seiner dortigen Tätigkeit eine gewisse Distanz zu den da üblichen Gepflogenheiten, empfand aber auch eine gewisse Scham darüber, dass genau er es sein sollte, der den beschwerlichen Weg von der Grundseite der Gesellschaftspyramide bis an deren Spitze geschafft hatte.
Bourdieu, der sich zu Lebzeiten den Ruf eines hervorragenden Empirikers gemacht hatte, der die Widersprüche zwischen Objektivismus und Subjektivismus, zwischen Idealismus und Materialismus aufzuheben versuchte, seine Theorien stets aus der Realität ableitete und auch wieder an ihr anwendete, erlag am 23.01.2002 im Alter von 71 Jahren in Paris einem Krebsleiden.
2. Inhaltlicher Überblick
Bourdieus Aufsatz „Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital“ gliedert sich inhaltlich im Wesentlichen in vier große Sinnabschnitte. Einleitend begründet Bourdieu die Notwendigkeit der Wiedereinführung des Kapitalbegriffes in den Diskurs und wendet sich anschließend der Definition eben dieses Begriffes zu. Noch im selben Abschnitt stellt er seine persönliche Definition vor, die er wie folgt formuliert: „Kapital ist eine der Objektivität der Dinge innewohnende Kraft, die dafür sorgt, daß nicht alles gleich möglich oder gleich unmöglich ist.“ (BOURDIEU in Kreckel, S.183). Weiterhin kritisiert Bourdieu die mangelhafte Interpretation des Begriffes seitens der Wirtschaft und bildet so gleichzeitig die perfekte Überleitung zu den folgenden Abschnitten seiner Arbeit:
Die Wirtschaft betrachtet das Kapital nur aus dem ökonomischen Blickwinkel, sie „reduziert die Gesamtheit der gesellschaftlichen Austauschverhältnisse auf den bloßen Warenaustausch“ (ebd., S.184) und lässt somit die Aspekte des kulturellen und sozialen Kapitals vollkommen außer Acht.
Eben diese beiden, der wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungsweise fehlenden Kapitalformen erläutert Bourdieu nun in den folgenden zwei Sinnabschnitten. Mit dem kulturellen Kapital beginnend, beschreibt er dessen drei Erscheinungsformen: Das inkorporierte, objektivierte und institutionalisierte Kapital. Des weiteren begründet Bourdieu die besondere Rolle des Begriffes des kulturellen Kapitals, da dieser „es gestatte, die Ungleichheit der schulischen Leistungen von Kindern aus verschiedenen sozialen Klassen zu begreifen.“ (ebd., S.185). Außerdem setzt er sich mit dem Begriff des Humankapitals auseinander und kritisiert die Denkweise, Fähigkeiten und Begabungen bestünden einfach und wären nicht Produkt der Investition kulturellen Kapitals. Bourdieu nennt diesen Investitionsvorgang „Transmission kulturellen Kapitals in der Familie“ (ebd., S.186).
Nun folgt die Abhandlung des ersten Untergliederungspunktes, nämlich des inkorporierten kulturellen Kapitals: Bourdieu legt hier besonderen Wert auf die Tatsache, dass alles Wissen und jegliche Bildung die sich ein Mensch aneignet nur innerhalb eines selbst ausgeübten oder erlebten Prozesses gewonnen werden kann. Dieser Verinnerlichungsprozess – die sog. Inkorporation – koste Zeit, die man investieren müsse. Das aus eben diesem Prozess gewonnene Kapital sei „ein Besitztum, das [...] zum Habitus geworden ist; aus ,Haben ̕ist ,Sein ̕ geworden.“ (ebd., S. 187). Schlussfolgernd stellt er fest, dass inkorporiertes Kapital somit nicht kurzfristig weitergegeben werden kann.
Weiterhin ist es möglich, dass sich die Inkorporation „ohne ausdrücklich geplante Erziehungsmaßnahmen, also völlig unbewusst“ vollzieht (ebd., S.187). Auch bleibt inkorporiertes Kapital stets von den Umständen geprägt, die zu seiner ersten Aneignung herrschten. Außerdem bestimmt das Ausmaß des im Elternhaus vorhandenen kulturellen Kapitals den Zeitpunkt des Inkorporationsbeginns und legt fest, inwiefern die Fähigkeit zur dauerhaften Aneignung ausgeprägt werden kann.
Im nun folgenden Abschnitt erörtert Bourdieu die objektivierte Erscheinungsform des kulturellen Kapitals. So stellt Bourdieu fest, dass kulturelles Kapital mit Hilfe seiner materiellen Träger („z.B. Schriften, Gemälde, Denkmäler, Instrumente, usw.“) (ebd., S.188) übertragbar ist, jede Übertragung allerdings gewisse Kulturfertigkeiten, d.h. inkorporiertes Kapital voraussetzt.
Bourdieu macht gleichzeitig darauf aufmerksam, dass materielle Träger kulturellen Kapitals zwar auch auf ökonomischem Wege ent- und angeeignet werden können, dass sie dem Besitzer aber ohne dem zu deren Rezeption erforderlichen inkorporierten Kapital nichts nutzen würden. So erklärt er am Beispiel eines Industriearbeiters und der Maschine an der dieser arbeitet, sie jedoch nicht besitzt, „daß die kollektive Macht der Inhaber von Kulturkapital [...] zunimmt“ (ebd., S.189), da der Leiter des Betriebs ohne die kulturellen Fähigkeiten seiner Arbeiter keinerlei Nutzen aus den in seinem Besitz stehenden Maschinen ziehen könnte.
Bourdieu merkt des weiteren an, dass objektiviertes Kapital „als materiell und symbolisch aktives und handelndes Kapital nur fortbesteht, sofern es von Handelnden angeeignet und [im Feld der kulturellen Produktion] verwendet wird“ (ebd., S.189).
Im dritten und letzten Unterpunkt des kulturellen Kapitalbegriffes beschreibt der Autor nun dessen institutionalisierte Form:
Institutionalisiertes Kapital ist laut Bourdieu nichts anderes als das Produkt der „Objektivierung von inkorporiertem Kulturkapital in Form von Titeln“ (ebd., S.189). Diese Titel ermöglichen es, die Notwendigkeit des – normalerweise ständig andauernden – Akkumulationsprozesses von Wissen für dessen Träger auf längere Zeit zu unterlaufen. D.h., dass der Träger eines institutionalisierten Titels gesellschaftlich anerkannt wird, obwohl er seinem Titel geistig eventuell gar nicht mehr gerecht wird oder werden kann. Bourdieu beschreibt die Absurdität dieser Form des kulturellen Kapitals als „institutionalisierte Macht [...] Menschen zu veranlassen, etwas zu sehen und zu glauben oder, mit einem Wort, etwas anzuerkennen“ (ebd., S.190).
[...]
- Quote paper
- Markus Mehlig (Author), 2008, Rezension zum Text: Pierre Bourdieu „Ökonomische Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital“ , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123031
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