Die Arbeit beschäftigt sich mit der These, ob es sich bei Oswald von Wolkensteins Lied „Ain tunckle farb von occident“ um ein vermeintliches Tagelied handelt.
Zuerst werde ich den Typus des typischen Tagelieds erläutern. Danach gehe ich auf die formelle Struktur Oswalds Werkes ein, daraufhin folgt die inhaltliche Analyse des Liedes. Die inhaltliche Analyse umfasst die inhaltliche Auseinandersetzung mit KL33, auf einige Besonderheiten, die für den Typus des Liedes eine wichtige Rolle spielen, wird insbesondere eingegangen. Unter dem dritten Punkt der Arbeit vergleiche ich Oswalds Werk mit dem klassischen Tagelied. Abschließend gebe ich einen Antwortvorschlag auf die These, ob es sich bei „Ain tunckle farb von occident“ um ein vermeintliches Tagelied handeln könnte. Die Arbeit endet mit einem kurzen Fazit und einem Ausblick in die auf das Tagelied folgende Gattungsgeschichte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Analyse
2.1 Grundlage: das „klassische“ Tagelied
2.2 Oswald: Ain tunckle färb von Occident
3. Vergleich T
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Meine Hausarbeit beschäftigt sich mit der These, ob es sich bei Oswald von Wolkensteins Lied „Ain tunckle färb von Occident“ um ein vermeintliches Tagelied handelt.
Zuerst werde ich den Typus des typischen Tagelieds erläutern. Danach gehe ich auf die formelle Struktur Oswalds Werkes ein, daraufhin folgt die inhaltliche Analyse des Liedes. Die inhaltliche Analyse umfasst die inhaltliche Auseinandersetzung mit KL33, auf einige Besonderheiten, die für den Typus des Liedes eine wichtige Rolle spielen, wird insbesondere eingegangen. Unter dem dritten Punkt meiner Hausarbeit vergleiche ich Oswalds Werk mit dem klassischen Tagelied. Abschließend gebe ich einen Antwortvorschlag auf die These, ob es sich bei „Ain tunckle färb von Occident“ um ein vermeintliches Tagelied handeln könnte. Die Hausarbeit endet mit einem kurzen Fazit und einem Ausblick in die auf das Tagelied folgende Gattungsgeschichte.
2. Analyse
2.1 Grundlage: das klassische Tagelied
Um eine Antwort auf die Frage, ob es sich bei Oswalds Werk „Ain tunckle färb von Occident“ um ein Tagelied handelt, zu finden, möchte ich zunächst die Definition des klassischen Tageliedes klären.
Bei dem klassischen Tagelied handelt es sich im deutschsprachigen Raum um eine in der mittelhochdeutschen Lyrik sehr prägnante Gattung, welche als eine der erfolgreichsten gilt1. Im 12. und 13. Jahrhundert gibt es schon 50 mittelhochdeutsche Tagelieder, die Tradition lebt im 14. bis zu dem 16. Jahrhundert weiter2 3 4. Thematisch gleicht sich das Tagelied meistens im Grundriss - es handelt von dem morgendlichen Abschied eines Liebespaars nach einer heimlich gemeinsam verbrachten Nacht[34]. Es handelt sich bei der Frau um eine gesellschaftlich hoch angesehne Frau, eine frouwe, welche sich durch Schönheit und weiteren positiven Attribute, die ihrem Stand und Begehrtheit entsprechen, auszeichnet5. Bei dem Mann handelt es sich um einen Ritter, „der Ritter mit dem Anspruch adeliger Lebensführung, für den die Liebesbeziehung ein zentraler Daseinsinhalt ist“6. Die Reflexion der Gefühlswelt beiden Liebenden ist das lyrische Zentrum des Tagelieds7. Der Morgen wird meistens von einem Wächter angekündigt8. Das Risiko für die ere und lip für die beiden Liebenden, ist der Zwang der Gesellschaft, welches die Trennung als nicht ausweichbar darstellt9.
Der Wächter ist für die Struktur des Tagelieds wichtig, unterstreicht aber auch das Epische im Tagelied, sowie er auch auf die Situation und Gefühlsreflexionen der beiden Liebenden Antwort gibt, in dem er zum Teil die Rolle der Gesellschaft und der Leserschaft bzw. Hörerschaft einnimmt10: „The watchman is in the position of the audience of the alba. The watchman's knowledge and sympathies are those of the audience (..). The watchman's vision of the good and the real constitutes the whole meaning of the alba.“11
Die auf den Tagesanbruch folgende Trennung und die daraufhin folgende Klage der Liebenden bilden feste Strukturelemente, oft kommt es bei dem Abschied noch zu einer letzten physischen Vereinigung.12 Tagelieder können nach den sprechenden Personen, sozio-poetischen Systemen, Struktur und Gestaltungsmodus, typischen Personen, internen Themen, Situationen oder Funktionen und nach Jahreszeiten klassifiziert werden.13 Bei dem Tagelied handelt es sich um fiktive Rede14, welche lyrische und epische Perspektive15 mischt.
2.2 Oswald: „Ain tunckle farb von Occident“
In diesem Punkt möchte ich mich mit Oswalds - vermeintlichen - Tagelied auseinandersetzen. Zuerst gehe ich auf die formelle Struktur des Liedes ein und beschäftige mich dann eingehend mit dem Inhalt und seinen Besonderheiten.
Oswalds Lied „Ain tunckle färb von Occident“ hat drei Strophen mit je 12 Versen. Das Lied weist ein komplexes Reimschema auf, die ersten und letzten vier Verse jeder Strophe jeder Strophe weisen Kreuzreime auf, Vers fünf und Vers sieben jeder Strophe weisen Binnenreime auf. Vers sechs und Vers 8 jeder Strophe weisen Endreime auf. Dieses eher verstrickte Reimschema und für das Tagelied im Typisch typisch.
In Oswalds Lied, KL 33, gibt es nur einen lyrischen Sprecher. Es ist einstimmig. Damit handelt es sich hier um ein genre subjectiv. Der männliche Sprecher liegt in der Abenddämmerung schlaflos in seinem Bett und sehnt sich nach seiner Geliebten, seine Gedanken lassen ihm keine Ruhe.
/Durch wincken wanck ich mich verker/ des nachtes ungeslauffen,/ Giert ich gedanck mir nahet ferr/ mit unhilfflichem waffem/16 Der Sprecher kann sich also offensichtlich gegen seine eigenen sexuelle nicht Lust wehren. So gibt das lyrische Ich Aufschluss über seine eigene sexuelle Not und klagt über diese17. Gegen Ende des Gedichtes stellt er sich vor, seine Geliebte würde neben ihm im Bett liegen und ihn zärtlich umarmen, dies verbindet er mit Glück und Freude.
/Dein zarter leib mein herz durchgeet, das sing ich unverborgen/18
Es kommt hier also zu einer nochmaligen Liebesvereinigung, jedoch lediglich in der Gedankenwelt des Sprechers19. Das Lied endet damit, dass er sich bis zum Morgen die Zeit mit Gedanken an seine Geliebte vertreibt. Auffallend ist in der dritten Strophe die namentliche Ansprache seiner Geliebten und die direkte Aufforderung, ihm dabei zu helfen, sich seiner sexuellen Not zu erleichtern20:
/Also vertreib ich liebe Gret,/ die Nacht bis an den morgen./ Dein zarter leib mein herz durchgeet, das sing ich unverborgen./ Korn, höchster schätz! mich schreckt ain ratz mit grossem tratz,/ davon ich dick erwache,/ Die mir kain rü lat spät noch frü. lieb, dorzü tü,/damit das betlin krache!/2122232425
Auffallend ist hier zum einen die Direktheit des lyrischen Sprechers, da dieser sich auf den „ratz“ bezieht, welches eine Sexualmetapher für den Penis ist[2223] und natürlich die Ansprache „Gret“. „Gret“ wird in der Forschung zu Oswald auf Margarethe von Schwangau[2425] bezogen, ebenso hier, obwohl sich der Sprecher auf „Gret“ nicht im Sinne als Ehefrau bezieht26.
Die Geliebte wird vorerst zwar nur sehr allgemein beschrieben, was zum Typus des Tageliedes passt, wird jedoch durch die Namensnennung anschließend jeglicher Anonymität beraubt. Die Namensnennung führt zu dem direkten Autorenbezug zu Oswald, was dem Tagelied das Fiktive raubt. Der Autorenbezug verleiht dem Lied außerdem eine autobiographische Rolle, so wäre es beispielsweise möglich das Lied in einen Zeitraum Oswalds einzuordnen, zu welchem er getrennt von Margarethe von Schwangau war. Die Forschung sieht KL33 als Liebesgedicht an Margatehe27. Anbieten würde sich hier Oswalds Gefangenschaft oder während einer seiner Reisen28. Andere Quellen sind jedoch der Überzeugung, dass es sich hierbei nur um eine assoziative Verbindung zu seiner Ehefrau handelt, welche imaginiert und stilisiert wurde29.
Die Stimmung des männlichen Sprechers verändert sich von Sehnsucht und Klage in den ersten zwei Strophen (/Die ist so lang, das ich von pang in meim gesang/mein klag mag nicht verdrucken/[30] ) zu tiefster Freude31 in der letzten Strophe (/Die freud geud ich auf hohem stül,/ wenn das mein herz bedencket,/ Das mich höflich mein schöner bül/ gen tag freuntlichen schrenket/[32] ). So enthält das vermeintliche Tagelied in der ersten Strophe Elemente der Klage, welche an den frühen Sang erinnern33. In der zweiten Strophe wird durch die „erotischsinnliche Qualität“34, an die Kanzone erinnert. Die dritte Strophe verfügt Elemente des Preislieds35 36, beispielsweise das Bejubeln der Vorstellung seiner selbst mit der Geliebten im Arm: /Die Freud geud ich auf hohem
3. Vergleich
Im Folgenden vergleiche ich Oswalds Werk „Ain tunckle färb von Occident“ mit dem klassischen Tagelied.
Der erste Vers Oswalds /Ain tunckle färb von Occident/[37] gibt schon den ersten grundlegenden Unterschied zu dem klassischen Tagelied. Das Lied beginnt in der Abenddämmerung und setzt somit schon als „Antitagelied“ ein, da die beschriebene Situation das Gegenstück zu der für die Gattung typische Morgensituation bildet38. Nicht, wie für das Tagelied typisch, der Wächter treibt den Sprecher zum „Schmerz“ oder dem Gefühl der Trennung, sondern die Nacht, welche ansonsten Geborgenheit mit sich brachte erinnert die Erzählinstanz an die Sehnsucht zu seiner Geliebten39. Die Vereinsamung des männlichen lchs als solches ist ebenfalls untypisch40. Anstatt von den bekannten drei Personen - den zwei Liebenden und dem Wächter - existiert in diesem Lied nur der männliche Sprecher und die Geliebte, dies jedoch nur in der Gedankenwelt des Sprechers. KL 33 überbringt kein Bild einer glücklichen Affäre, es ist vielmehr ein „Tagelied des Einsamen“41, ein Widerspruch in sich.
Die namentliche Nennung der Geliebten (/Also vertreib ich, liebe Gret/42 ) spricht ebenfalls für eine Umkehrung des traditionellen Tagelieds43. Durch die direkte Ansprache der ersehnten Geliebten verliert das Tagelied das Fiktive, da aufgrund dessen ein Bezug zu dem vermeintlichen lyrischen Ich aufgebaut wird, nämlich zu Oswald selber44. Das Einbringen autobiographischer Elemente ist zwarfür Oswald typisch45, jedoch nicht für das klassische Tagelied.
[...]
1 Vgl. J. Sticker 2007, S. 78
2 Vgl. Cormeau 1992,S.695
3 Vgl. Ebd.
4 Vgl. Cormeau 1992, S. 695
5 Vgl. Cormeau 1992, S.699
6 Cormeau 1992, S. 700
7 Vgl. Cormeau 1992,S. 700
8 Vgl.J. Sticker 2007,S.78
9 Vgl. Cormeau 1992,S. 700
10 Vgl. Cormeau 1992, S. 700
11 J. Saville 1972,S. 145
12 Vgl. Ebd.
13 Vgl. G. Schwenkle 1989, S. 137f.
14 Vgl. Cormeau 1992, S. 697
15 Vgl. Cormeau 1992, S. 698
16 Oswald, S. 222
17 Vgl.J.Spicker2OO7,S. 82
18 Oswald, S. 223
19 Vgl. J. Spicker 2007, S. 82
20 Vgl. Ebd.
21 Oswald, S. 222
22 Vgl.J. Spicker 2007,S. 82
23 Vgl. K. Gollwitzer-Oh 2013, S. 127
24 Vgl. B. Waschinger 2013„ S. 645f.
25 Vgl. V. Mertens 1995, S. 341
26 Vgl. J. Spicker 2007, S. 83
27 AUTOR S.147
28 Vgl. V. Mertens 1995, S. 341f.
29 Vgl. K. Gollwitzer-Oh 2013, S. 131
30 Oswald, S. 222
31 Vgl. K. Gollwitzer-Oh 2013, S. 129
32 Oswald, S.224
33 Vgl. O. Helmkamp 2003, S. 151
34 Vgl. Ebd.
35 Vgl. O. Helmkamp 2003, S. 151
36 Oswald, S.224
37 Oswald, S.222
38 Vgl.J. Spicker 2007,S. 82
39 Vgl. K. Gollwitzer-OH, S. 122
40 Vgl. V. Mertens 1995, S. 341
41 V. Mertens 1995, S. 341
42 Oswald, S. 224
43 Vgl.J.Spicker2OO7,S. 83
44 Vgl.J. Spicker 2007,S. 83
45 Vgl. V. Mertens 1995, S. 341f.
- Arbeit zitieren
- Anna Lisa Ratke (Autor:in), 2020, "Ain tunckle farb von occident" von Oswald von Wolkenstein. Ein vermeintliches Tagelied?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1230316
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