In dieser Arbeit soll gezeigt werden, welchen Einfluss Noise Trading und andere Arbitragelimitationen auf die Bewegung von Wertpapierpreisen haben. Dass das Thema von großer Wichtigkeit für die weltweite Finanzmärkte ist, konnte man z. B. beim Zusammenbruch von Long-Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998 oder bei der Pleite von Lehman Brothers im September 2008 sehen. In beiden Fällen hatten Gerüchte und daraus folgende Spekulationen die bereits prekäre Situation der beiden Unternehmen noch weiter verschärft.
Insbesondere im Fall von LTCM geht man heute davon aus, dass eine Pleite hätte verhindert werden können, wenn die betroffenen Banken vorübergehend auf Margin Calls verzichtet hätten. Nachdem die Märkte sich beruhigt hatten, wären wahrscheinlich auch die Werte des Portfolios von LTCM wieder gestiegen, da die meisten Transaktionen des Fonds ausschließlich auf rational korrekten Investmententscheidungen aufgrund tatsächlich bestehender Preisdifferenzen am Kapitalmarkt beruhten. LTCM ist somit ein sehr gutes Beispiel um zu zeigen, was falsche Erwartungen an den Markt im Sinne von Nichtbeachtung der Noise Trader für Auswirkungen haben können.
Inhaltsverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Kritische Betrachtung der Theorie der effizienten Märkte
3 Arbitragelimitationen
3.1 Noise Trader Risko
3.1.1 Noise Trading am Anleihemarkt
3.1.2 Noise Trading am Aktienmarkt
3.1.3 Möglichkeiten zur Umgehung des Noise Trader Risikos
3.2 Transaktionskosten
3.2.1 Transaktionskosten im engeren Sinn
3.2.2 Zinsen
3.2.3 Idiosynkratisches Risiko
3.2.4 Dividende
4 Der Einfluss von Noise Trading im DAX
4.1 Untersuchung des Comovements des DAX
4.1.1 Der Modellrahmen von Morck / Yeung / Yu
4.1.2 Vorgehensweise und Datengrundlage
4.1.3 Ergebnisse der Untersuchung
4.2 Untersuchung des Noise Tradings im DAX
4.2.1 Vorgehensweise und Datengrundlage
4.2.2 Ergebnisse der Untersuchung
4.3 Interpretation der Ergebnisse
5 Zusammenfassung und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Anhang 1: Abweichungen von der Parität bei Royal Dutch und Shell
Anhang 2: Übersicht der 30 DAX-Mitglieder zum
Anhang 3: Übersicht der Werte für fj
Anhang 4: Jährliche fj im Zeitablauf
Anhang 5: Entwicklung der Anzahl der Aktionäre in Deutschland
Anhang 6: Jährliche cj im Zeitablauf
Anhang 7: Übersicht der 19 ständigen DAX-Mitglieder von 1998-
Anhang 8: Zeitlicher Verlauf von fj und cj zwischen 1988-
Anhang 9: Zeitlicher Verlauf des durchschnittlichen idiosynkratischen Risikos im DAX zwischen 1988-2007.
Anhang 10: Durchschnittswerte für ϵ im DAX zwischen 1988-2007
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
In dieser Arbeit soll gezeigt werden, welchen Einfluss Noise Trading und ande- re Arbitragelimitationen auf die Bewegung von Wertpapierpreisen haben. Das das Thema von großer Wichtigkeit für die weltweite Finanzmärkte ist, konnte man z. B. beim Zusammenbruch von Long-Term Capital Management (LTCM) im Jahr 19981 oder bei der Pleite von Lehman Brothers im September 20082 sehen. In beiden Fällen hatten Gerüchte und daraus folgende Spekulationen die bereits prekäre Situation der beiden Unternehmen noch weiter verschärft. Insbesondere im Fall von LTCM geht man heute davon aus, dass eine Pleite hätte verhindert werden können, wenn die betroffenen Banken vorübergehend auf Margin Calls verzichtet hätten. Nachdem die Märkte sich beruhigt hat- ten, wären wahrscheinlich auch die Werte des Portfolios von LTCM wieder gestiegen, da die meisten Transaktionen des Fonds ausschließlich auf rational korrekten Investmententscheidungen aufgrund tatsächlich bestehender Preis- differenzen am Kapitalmarkt beruhten.3 LTCM ist somit ein sehr gutes Beispiel um zu zeigen, was falsche Erwartungen an den Markt im Sinne von Nichtbe- achtung der Noise Trader für Auswirkungen haben können.
1.2 Gang der Untersuchung
In Kapitel 2 wird zunächst ein Überblick über die Hypothese der effizienten Märkte (efficient market hypothesis - EMH) und verschiedene theoretische Ar- beiten und empirische Studien gegeben, die ihre Existenz entweder bestätigen oder dagegen sprechen. Danach folgen Beschreibungen verschiedener Arbitra- gelimitationen sowie Begründungen und Beweise für ihre Existenz. Da der DAX der bedeutendste deutsche und auch ein international vielbeachteter In- dex ist, soll im letzten Teil dieser Arbeit anhand der Kursentwicklungen der letzten 20 Jahre empirisch überprüft werden, ob Noise Trading im DAX aufge- treten ist und wie es sich über den Zeitraum der letzten 20 Jahre entwickelt hat. Dies wird mit zwei Methoden untersucht, die im Idealfall zum selben Ergebnis führen: einerseits, basierend auf dem Papier von Morck / Yeung / Yu4 und durch eine zweite Methode, anhand der Gleichlaufbewegung im Markt. Ande- rerseits wird anhand des idiosynkratischen Risikos einzelner Aktien untersucht, wie sich das Noise Trading der einzelnen DAX-Mitglieder im Zeitablauf ent- wickelt hat. Aufgrund der zunehmenden Bekanntheit des DAX, des Anstieges an Liquidität an den weltweiten Aktienmärkten in den letzten Jahren und der damit verbundenen größeren Anzahl professioneller Investoren wird davon ausgegangen, dass beide Untersuchungsmethoden zum Ergebnis führen, dass das Noise Trading im Zeitablauf geringer geworden ist.
2 Kritische Betrachtung der Theorie der effizienten Märkte
Seit ihrer Postulierung durch Eugene Fama im Jahr 19705 bildet die EMH einen der Stützpfeiler der modernen Finanztheorie.
Fama definiert einen Markt als effizient, wenn die Wertpapierpreise sämtliche verfügbaren Informationen widerspiegeln, d. h. es für Investoren nicht möglich ist, mit einem informationsbasiertem Handelssystem eine höhere Rendite als der Markt zu erzielen. Somit wären sämtliche aktiv gemanagten Investment- fonds überflüssig. Empirische Studien zeigen, dass es nur extrem wenigen Port- foliomanagern (= professionelle Investoren) gelingt, über längere Zeiträume eine Rendite zu erzielen, die über der des Marktes liegt.6 Man kann dies als Anzeichen dafür sehen, dass die Existenz der EMH zumindest über längere Zeiträume tatsächlich zu belegen ist. Fama geht in seinem Modell von folgen- den Annahmen aus:
- Investoren handeln rational
- Neben den rationalen Investoren existieren auch solche, die irrational handeln. Da diese Investoren jedoch unterschiedliche Vorstellungen von der Entwicklung der Wertpapierkurse haben und unabhängig voneinan- der agieren, heben sich deren Aktionen am Markt gegenseitig auf.
- Sollten irrationale Investoren tatsächlich systematisch handeln bzw. interagieren, so existieren rationale Arbitrageure am Markt, die entstandene Preisdifferenzen sofort ausnutzen und somit die Preise wieder ins Gleichgewicht bringen.
Nach Fama müssten sich die Wertpapierpreise sofort bei der Veröffentlichung kursrelevanter Informationen so anpassen, dass der neue Preis den Gehalt der Information exakt widerspiegelt. Wenn z. B. ein Aktienkurs aufgrund einer positiven Information steigt, heißt das jedoch nicht, dass der Investor automa- tisch einen Gewinn erzielt. Nehmen wir an, dass ein Unternehmen eine agressi- ve Wachstumsstrategie ankündigt. Üblicherweisewird dies vom Kapitalmarkt positiv aufgenommen, da die Investoren nun Aussicht auf eine höhere Rendi- te haben. Jedoch hat diese höhere Rendite ihren Preis. Bei einer Expansion können viele Probleme auftreten - die Eigenkapitalgeber des Unternehmen tra- gen nun also ein deutlich höheres Risiko als vorher. Man kann z. B. durch das Capital Asset Pricing Model (CAPM) oder das Three-Factor-Model von Fama und French7, einen Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko herleiten - dies ist jedoch nicht immer einfach und in der Literatur vieldiskutiert, da den Modelle größtenteils unrealistische Annahmen zugrunde liegen.
Die Definition einer kursrelevanten Information dagegen ist einfacher - Fama unterscheidet hier drei Stufen der Informationseffizienz:
- Schwache Informationseffizienz: In diesem Fall sind Wertpapierkurse der Vergangenheit die kursrelevanten Informationen. Fama postuliert, dass es unmöglich ist, Überrenditen zu erzielen, wenn ausschließlich die ver- gangenen Kurse als Informationsquellen herangezogen werden. Somit schließt er z. B. die Chartanalyse als wirksames Mittel zur Prognose von zukünftigen Aktienkursen aus, da zukünftige Aktienkurse völlig un- abhängig von vergangenen sind.
- Mittelstrenge Infomationseffizienz: Die mittelstrenge Informationseffizienz besagt, dass es für Investoren unmöglich ist, Überrenditen zu erzielen, selbst wenn sie alle öffentlich verfügbaren Informationen als Quellen zur Vorhersage der Kurse nutzen. Laut Fama ändert sich der Kurs einer Aktie sofort, sobald neue fundamentale Informationen verfügbar sind. Mit dieser Aussage identifiziert er die klassische Fundamentalanalyse als wirkungslos. Überrenditen könnten lediglich noch durch die Einbeziehung von Insiderinformationen erzielt werden.
- Strenge Informationseffizienz: Unter dieser Annahme ist es laut Fama in keinem Fall mehr möglich, Überrenditen zu erzielen. Er begründet dies damit, dass selbst Insiderinformationen relativ schnell veröffentlicht und eingepreist werden.
Empirische Studien zeigen, dass zumindest die schwache Form der Informati- onseffizienz durchaus korrekt ist.8 Neben den Studien, die für die EMH bzw. deren Annahmen sprechen, gibt es auch auch sehr viele, die sie widerlegen.
Die Einführung der ”ProspectTheory“9 zeigt,dassdieAnnahme,alleInves- toren seien rational, falsch ist. Gewinne und Verluste werden immer relativ zu unterschiedlichen Bezugspunkten bewertet und nie von einer zentralen, ra- tionalen Position aus. Weiterhin gibt es sehr viele Investoren, die aufgrund der Vorschläge und Hinweise von sog. ”Investment-Gurus“ 10 handelnbzw.ih- re Strategien aufgrund von Gerüchten oder den Aktionen von Freunden und Nachbarn ändern. Dies steht Famas Annahme entgegen, dass die Investmen- tentscheidungen der uninformierten Noise Trader voneinander unabhängig sind und sich nun nicht mehr gegenseitig aufheben. Das Argument, dass Arbitra- geure Preisdifferenzen sofort ausnutzen und somit den Markt ins Gleichgewicht bringen, lässt sich praktisch auch nicht halten. Große Probleme in der prak- tischen Umsetzung von Arbitragestrategien stellen z. B. das Transaktionskos- tenrisiko sowie die Tatsache dar, dass es für viele Wertpapiere keine perfekten Substitute gibt. Beides führt dazu, dass eigentlich sichere Arbitrage-Trades unsicher werden. Diese Probleme werden im folgenden Kapitel noch genauer betrachtet.
Neben diesen theoretischen Widerlegungen der EMH gibt es auch zahlreiche empirische Studien, die konträre Ergebnisse zu den Erwartungen der EMH lie- fern. So wurde u. a. gezeigt, dass Aktienkurse deutlich volatiler sind, als die durch die EMH zu erwarten wäre.11 Dies zeigt, dass Aktienkurse eben nicht nur die Summe der Barwerte der zukünftig zu erwartenden Dividenden darstellen, sondern auch noch von weiteren Faktoren beeinflusst werden.12 Die schwache Informationseffizienz wurde in einer Langzeitstudie am amerikanischen Ka- pitalmarkt zwischen 1926 und 1982 getestet. Man bildete Portfolios aus den Aktien, die sich in drei Jahren am besten und am schlechtesten entwickelt hat- ten und beobachtete deren weitere Kursentwicklung. Es zeigte sich, dass das Verlierer-Portfolio von Anfang an eine deutlich bessere Kursentwicklung auf- wies als das Gewinner-Portfolio. Da diese Unterschiede nicht durch Modelle wie das CAPM erklärt werden konnten, geht man davon aus, dass in den Aktien- kursen Übertreibungen eingepreist waren. Die bisherigen Verliereraktien waren ”zubillig“gewordenunddiebisherigenGewinneraktienwarenüberbewertet, was in der Folge zu einer Umkehr der jeweiligen Entwicklungen führte.13 Akti- en, die sich über einen längeren Zeitraum schlecht entwickeln, steigen danach wahrscheinlich wieder, ebenso wie ”Gewinneraktien“inZukunftwiederauf niedrigere Niveaus zurückkehren werden. Auch im kurzfristigen Bereich von sechs bis zwölf Monaten kann man zukünftige Kurse aus Vergangenheitsdaten ableiten. Untersuchungen dieses Momentums kommen zu dem Ergebnis, dass Aktien wahrscheinlich noch weiter steigen, wenn sie sich schon in den voran- gegangen sechs bis zwölf Monaten positiv entwickelt haben.14 Beide Beispiele zeigen also, dass schon die schwache Informationseffizienz der EMH nicht gilt. Die mittelstrenge Informationseffizienz wurde mit Hilfe des Vergleichs von Ren- diten großer und kleiner Unternehmen an der NYSE zwischen 1926 und 1996 getestet.15 Es zeigte sich, dass die Renditen kleiner Unternehmen hauptsächlich im Januar signifikant über denen von großen Unternehmen lagen.16 Der EMH zufolge dürfte es diese Anomalie nicht geben, da sowohl die Größe des jewei- ligen Unternehmens und auch der Eintrittseitpunkt des Ereignisses ”Januar“ vorher bekannt sind. Beide Effekte verschwanden zwar in den letzten Jah- ren17, jedoch widersprechen sie der mittelstrengen Informationseffizienz. Fama und French definieren in ihrem Three-Factor-Model zumindest die Überrendite der kleinen Unternehmen als zusätzliche Risikoprämie, da diese Unternehmen aufgrund ihrer geringen Größe ein höheres Risiko als Großunternehmen auf- weisen. Den Januar-Effekt erklären sie mit statistischen Fehlern bzw. fehlender Signifikanz bei den meisten Unternehmen.18 Man kann grundsätzlich folgendes sagen: je profitabler eine Preisanomalie bzw. Marktineffizienz zu sein scheint, desto größer ist die Wahrscheinlicheit, dass sie eines Tages verschwinden wird.19 Dies kann man z. B. auch am Beispiel LTCM zeigen: in den Anfangsjahren des Fonds war es verhältnismäßig einfach, mit den in Kapitel 3.1.1 beschriebenen Convergence-Trades viel Profit zu erzielen. Als mehr und mehr andere Ban- ken ebenfalls Arbitrage-Abteilungen aufbauten und ähliche oder die gleichen Trades wie LTCM durchführte, wurde es immer schwieriger, gute Investiti- onsmöglichkeiten zu finden bzw. die Rendite auf dem hohen Niveau zu halten. LTCM löste dieses Problem, indem sie immer mehr Fremdkapital aufnahmen, um die Transaktionen zu hebeln. Dies führte zwar stellenweise zu gleichblei- benden Renditen, erhöhte aber das Risiko des Fonds dramatisch.20
Mit Hilfe von Event Studies lässt sich die strenge Informationseffizienz testen. Man untersucht kursrelevante Ereignisse wie Fusionen21 oder Equity Carve- Outs,22 vor deren Ankündigung nur Insider im Unternehmen Informationen darüber besitzen. Es zeigte sich in allen Studien, dass die Aktienkurse der un- tersuchten Unternehmen schon einige Tage vor der Veröffentlichung der Nach- richt signifikant anstiegen, was ein eindeutiges Indiz für Insiderhandel im Vor- feld des jeweiligen Ereignisses ist. Somit ist auch die strenge Form der Infor- mationseffizienz empirisch nicht haltbar. Ebenfalls widerlegt wurde die EMH hinsichtlich ihrer Aussage, dass Aktienkurse nicht auf ”non-information“rea- gieren. Dies sind Nachrichten, die keine fundamental relevanten Informationen enthalten, wie z. B. die Aufnahme des Unternehmens in einen Index. Allein die Tatsache, dass ein Unternehmen in Zukunft in einem Index notiert ist, ändert schließlich nichts an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Es wurde jedoch mehrfach am Beispiel des S&P500 nachgewiesen, dass Aktien, die neu in den Index aufgenommen werden, am Tag der Bekanntgabe durchschnitt- lich35% höher notieren als vorher und dieses höhere Niveau auch über eine längere Zeit beibehalten.23,24
Es zeigt sich also insbesondere in der neueren Literatur, dass die EMH wesent- lich kritischer betrachtet wird als früher. Die zahlreichen theoretischen und empirischen Arbeiten, die ihre Existenz widerlegen, bilden somit die Grund- lage für ein völlig neues Feld in der Kapitalmarktforschung - die Behavioral Finance.
3 Arbitragelimitationen
Klassische Arbitragetransaktionen dürften nach der Theorie vollständiger Ka- pitalmärkte nicht existieren. Die Theorie eines vollkommenen Kapitalmarkts geht von homogenen Erwartungen aller Marktteilnehmer, Mengenanpassungs- verhalten und dem Fehlen von Transaktionskosten aus.25 Da dies in der Rea- lität nicht gegeben ist und man z. B. unterschiedliche Soll- und Habenzinssätze beobachten kann und fast jede Transaktion auf Kapitalmärkten mit Kosten verbunden ist, wird Arbitrage überhaupt erst möglich. Klassisches long-short- Arbitrage basiert auf Preisunterschieden von substituierbaren Wertpapieren, die nicht existieren dürften. Um diese Preisdifferenz auszunutzen, wird der Arbitrageur das teurere Wertpapier verkaufen und das billigere kaufen. So- mit nimmt er eine marktneutrale Position ein und ist lediglich von relativen Preisänderungen der beiden Wertpapiere zueinander betroffen.26
Normalerweise wird Arbitrage nur auf Märkten mit relativ sicher vorhersagba- ren Zahlungsströmen angewandt, wie z. B. Anleihemärkten. Kursbewegungen auf Aktienmärkten sind bis auf wenige Ausnahmen wie z. B. die später behan- delten Zwillingsaktien Royal Dutch / Shell, zu unsicher. Man geht nun davon aus, dass sich die Preise der Wertpapiere aufeinander zu bewegen. Wenn dies passiert, kann der Arbitrageur seine Positionen mit Gewinn auflösen.27 In der Praxis ist diese Art von risikolosem Arbitrage jedoch aufgrund der nachfolgend beschriebenen Limitationen nicht möglich. Weitere Arbitragemöglichkeiten, wie z. B. Merger Arbitrage28 werden in dieser Arbeit nicht betrachtet, da sie ein deutlich anderes Risikoprofil aufweisen. Die beiden wichtigsten Grenzen von long-short-Arbitrage werden im Folgenden genauer erläutert.
3.1 Noise Trader Risko
Handel auf Finanzmärkten, der unabhängig von fundamentalen Wertänderun- gen von Wertpapieren erfolgt, nennt man Noise Trading.29 Im Gegensatz zu Arbitrage gibt es keine rationale Erklärung, warum Noise Trader am Markt agieren. Jedoch stellen sie für Arbitrageure ein ernst zu nehmendes Risiko dar. Grundsätzlich glauben Noise Trader, dass sie relevante Informationen be- sitzen, die den zukünftigen Preis eines Wertpapieres bestimmen. In der Rea- lität ist dies jedoch nicht der Fall - Noise Trader handeln also aufgrund von ”non-information“.Beispieledafürsindz.B.Privatpersonen,diedenInvest- mentempfehlungen von Börsenbriefen oder sog. ”Investment-Gurus“folgen.30
Arbitrageure sehen sich nun mit einem Markt konfrontiert, in dem es irra- tional handelnde Teilnehmer gibt, die unter Umständen entgegengesetzte Po- sitionen eingehen können und somit bei den Arbitragetransaktionen bedacht werden müssen. Sobald auf einem Markt Preisunterschiede zwischen Wertpa- pieren auftauchen, die eigentlich nicht existieren dürften, ist dies ein Beweis für die Existenz von Noise Tradern. Arbitrageure, die diese Situation nun aus- nutzen wollen, wissen lediglich, dass die Preise eigentlich gleich sein müssen und sich deshalb irgendwann wieder einander annähern müssen. Sie wissen je- doch nicht, wann dies passieren wird. Es ist durchaus plausibel, dass sich die Preise aufgrund von Noise Trading noch weiter voneinander entfernen.31 Sollte der Arbitrageur falsche Erwartungen über den Zeitpunkt der Preiskonvergenz haben, kann dies in der Praxis dazu führen, dass er Verluste in Kauf nehmen muss. In der Realität zeigt sich dies z. B. bei Fonds, die sich auf Arbitrage- strategien spezialisiert haben. Insbesondere in Phasen hoher Volatilität werden Investoren sehr risikoavers und ziehen Gelder aus Fonds ab. Diese Gelder fehlen nun dem Fondsmanager, um seine Arbitragetransaktionen abzuschließen. Da er jedoch seinen Investoren ihre Gelder zurückgeben muss, sieht er sich eventu- ell mit Verlusten konfrontiert - auch wenn er sicher weiß, dass sich die Preise zu einem späteren Zeitpunkt wieder in seine Richtung entwickeln werden. In der Literatur finden sich zahlreiche sowohl theoretische als auch empirische Arbei- ten, die die Existenz von Noise Tradern belegen. So findet man z. B. Arbeiten, in denen gezeigt wird, dass Noise Trader u. U. sogar Überrenditen erzielen können.32 Es wird weiterhin bewiesen, dass Noise Trader von Overconfidence beeinflusst sind die Volatilität in Märkten deutlich erhöhen.33 Overconfidence ist ein Phänomen, dass sich nicht nur auf Finanzmärkten, sondern überall im täglichen Leben beobachten lässt. So schätzen sich z. B. deutlich mehr als die Hälfte aller Autofahrer als besser als der Durchschnitt ein.34
3.1.1 Noise Trading am Anleihemarkt
Man kann Noise Trading als einen der Gründe identifizieren, die zur Pleite des Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) im Herbst 1998 führten.35 Die Trader von LTCM fanden heraus, dass neu emittierte US-Staats anleihen eine geringere Rendite hatten als solche, die eine Periode zuvor emmittiert wurden. Der Unterschied zwischen einer neuen ( ”on-the-run“),z.B. z. B. 30-jährigen Staatsanleihe und einer alten (”off-the-run“), z. B. einer mit nur noch 29,5 Jahren Restlaufzeit belief sich auf ca. sieben Basispunkte.36 Da beide Anleihen jedoch am Ende exakt dieselbe Ruckzahlung liefern mussten, musste theoretisch auch der Preis gleich sein. LTCM verkaufte also die teure, neuere Anleihe und kaufte die alte in der Erwartung, dass sich die Preise annähern wurden. Dies war einer der ersten Trades von LTCM und er funktionierte über längere Zeit sehr gut. Jedoch fuhrte die allgemeine Panik an den Märkten aufgrund des russischen Staatsbankrottes im September 1998 zu einem ”flightto-quality“ in die liquideren, neueren Staatsanleihen und somit zur Ausweitung der Spreads. Obwohl die Investoren kein Geld abziehen konnten, da sie vertraglich dazu verpflichtet waren, dies mindestens drei Jahre lang nicht zu tun37, erlitt LTCM hohe Verluste aufgrund von Margin Calls der Banken, die die Anleihen zum Leerverkauf zur Verfugung stellten. ¨38
3.1.2 Noise Trading am Aktienmarkt
Auch auf Aktienmärkten kann man die Existenz von Noise Tradern empirisch beweisen, z. B. an den sogenannten Zwillingsaktien Royal Dutch Petroleum Company und The Shell Transport and Trading Group. Beide Unternehmensind rechtlich selbstständige, börsennotierte Gesellschaften und beziehen ih- re Cashflows aus den Dividenden der gemeinsamen Muttergesellschaft Royal Dutch / Shell. Da Royal Dutch 60% erhält und Shell 40% definiert sich die Parität als:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da eine Änderung der fundamentalen Rahmenbedingungen der Mutter grund- sätzlich beide Tochterfirmen betreffen würde, sollten sich die Aktienkurse bei- der Unternehmen immer mit dem gleichen Abstand bewegen. Tatsächlich konn- te man jedoch zwischen 1989 und 2004 wie im Anhang 1 zu sehen, Abweichun- gen von der Parität zwischen -5% und +20% beobachten.39 Diese Schwankun- gen sind eindeutige Beweise für die Existenz von Noise Tradern im Markt, denn es gibt keine fundamentalen bzw. rationalen Gründe, warum die Kurse beider Papiere von der Parität abweichen sollten. Auch in diesem Fall kann man LTCM als praktisches Beispiel heranziehen: Der Fonds investierte $2,3 Mrd. in einen long-short Arbitrage-Trade mit Royal Dutch / Shell in der Hoff- nung, dass sich der Spread von 8% zum Zeitpunkt der Ausführung verkleinern würde. Tatsächlich vergrößerte er sich aber auf über 20% und bescherte LTCM über die Hälfte der Verluste aus den Equity Pair-Trades von $286 Mio.40 Die Zwillingsaktien sind ein äußerst gutes Beispiel, um das Noise Trader Risiko zu untersuchen. Arbitragegeschäfte mit diesen Aktien sind völlig frei von funda- mentalem oder ”bad-model“-Risiko.41 DadasMarktrisikodurchdassimultane Eingehen einer long- und short-Position ausgeschaltet wurde, bleibt einzig das Noise Trader Risiko als Quelle der Abweichungen vom fundamentalen Wert.42 ÄhnlicheBeweise für die Existenz von Noise Tradern finden sich auch bei Un- tersuchungen von ABB AG / AB oder Eurotunnel.43 Weitere Untersuchungen beschäftigen sich mit den Effekten der Aufnahme von Unternehmen in Indizes, insbesondere am Beispiel des S&P500. Hier zeigte sich in mehreren, voneinan- der unabhängigen Studien, dass der Kurs von Aktien nach Bekanntgabe der Aufnahme in den Index um ca. 3-3,5% höher liegt als vorher.44,45 Dieses Niveau bleibt auch über längere Zeiträume stabil. Durch Untersuchung des Comove- ments (Gleichlaufbewegung) an Aktienmärkten kann man ebenfalls feststellen, dass Noise Trader am Markt aktiv sind. Insbesondere in Emerging Markets ist
[...]
1 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 205-209.
2 Vgl. Financial Times Deutschland, 2008.
3 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 126.
4 Vgl. Morck u. a., 2000, S. 221f.
5 Vgl. Fama, 1970, S. 383-388.
6 Vgl. Ippolito, 1989, S. 14-17 und Lakonishok, 1992
7 Vgl. Fama / French, 1993, S. 3-12.
8 Vgl. Fama, 1965, S. 89-92.
9 Vgl. Kahnemann / Tversky, 1979, S. 263-291.
10 Vgl. DeLong u. a., 1989, S. 6.
11 Vgl. Merton, 1987, S. 112.
12 Vgl. Shiller, 1981, S. 427-429.
13 Vgl. De Bondt / Thaler, 1985, S 799-803.
14 Vgl. Jegadeesh / Titman, 1993, S 78-83.
15 Vgl. Siegel, 1998, S. 92-96.
16 Vgl. Shleifer / Summers, 1990, S. 22.
17 Vgl. Shleifer, 2000, S. 19.
18 Vgl. Fama / French, 1993, S. 43.
19 Vgl. Malkiel, 2003, S. 72.
20 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 9, S. 120.
21 Vgl. Keown / Pinkerton, 1981 S. 858-866 oder Fritsch / Gleisner / Holzhäuser, 2007, S. 16-19.
22 Vgl. Elsas / Löffler, 2007, S. 9.
23 Vgl. Wurgler / Zuravskaya, 2002, S. 592.
24 Vgl. Harris / Gurel, 1986, S. 821-825.
25 Vgl. Schmidt / Terberger, 1997, S. 57.
26 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 3f.
27 Vgl. Shleifer / Vishny, 1997 S. 35.
28 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 100-102.
29 Vgl. Scruggs, 2004, S. 1.
30 Vgl. De Long u. a., 1989, S. 6.
31 Vgl. De Long u. a., 1989, S. 4.
32 Vgl. De Long u. a., 1991, S. 2.
33 Vgl. De Long u. a., 1989, S. 24.
34 Vgl. Svensson, 1980, S. 143-148, 145 f.
35 Vgl. Scruggs, 2004, S. 5.
36 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 43-45.
37 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 27f.
38 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 201f.
39 Vgl. Scruggs, 2004, S. 7f.
40 Vgl. Lowenstein, 2000, S. 234.
41 Vgl. Scruggs, 2004, S. 27.
42 Vgl. Scruggs, 2004, S. 23.
43 Vgl. De Jong u. a., 2004, S. 9.
44 Vgl. Wurgler / Zuravskaya, 2002, S. 592.
45 Vgl. Harris / Gurel, 1986, S. 821-825.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Lieb (Autor:in), 2008, Die Bedeutung von Noise Trading und Arbitragelimitationen im Asset Pricing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122766
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