Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), die durch ein entwicklungsbedingt unangemessenes Maß an Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet ist, gilt als eine der häufigsten psychischen Störungen des Kindesalters. Nachweislich wirkt sich körperliche Aktivität in mehrfacher Hinsicht positiv auf die Verbesserung der exekutiven Funktionen, des Selbstvertrauens und der sozialen Fähigkeiten aus, wodurch auch andere Lebensbereiche positiv beeinflusst werden können. Die tiergestützte Therapie erfährt aufgrund der in zahlreichen Studien untersuchten positiven Effekte eine zunehmende Beliebtheit. Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen von Hunden, Menschen und Pferden als Co-Therapeuten in der bewegungsgestützten Verhaltenstherapie für Kinder mit ADHS zu untersuchen und zu vergleichen.
Im Rahmen dieser Studie nahmen vier Kinder im Schulalter (Durchschnittsalter 9,25 Jahre ± 1,78) mit der Diagnose ADHS/ADS an einem Verhaltensexperiment teil. Alle Probanden nahmen, entsprechend eines Dreigruppenvergleichs, an einer bewegungstherapeutischen Einheit mit kontrollierter Hinzunahme eines Hundes, eines Pferdes und einer Einheit ohne Hinzunahme eines Tieres, teil. Untersucht wurden die Auswirkungen der unterschiedlichen Co-Therapeuten auf die störungsspezifischen Symptome. Als Messinstrumente wurden die Conners-Skala zur Untersuchung des Verhaltens und ein Beschleunigungsmesser zur Messung des Aktivitätsniveaus verwendet.
Bezogen auf die Gesamtstichprobe ergaben sich weder bei der Verhaltensuntersuchung noch bei der Aktivitätsmessung signifikante Ergebnisse. Die Ergebnisse der Einzelfallanalysen waren heterogen, zeigten jedoch Tendenzen, dass sowohl der Einsatz von Hunden als auch von Pferden einen Mehrwert in der Bewegungstherapie bieten könnte.
Die Studie bestärkt die Annahme, dass sowohl der Einsatz eines Hundes als auch eines Pferdes einen Beitrag zur Behandlung von ADHS in der bewegungsgestützten Verhaltenstherapie beitragen kann. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass das Pferd dem Hund in der Therapie überlegen sein könnte, insbesondere bei der Reduzierung von Impulsivität und Hyperaktivität. Die Ergebnisse machen ferner darauf aufmerksam, welche Bedeutung die Individualisierung für eine wirksame Behandlung von ADHS hat. Die Durchführung weiterer Untersuchungen mit einer größeren Stichprobe und weniger störenden Variablen wird empfohlen.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung
2.1.1 Definition
2.1.2 Prävalenz
2.1.3 Symptome und Komorbiditäten
2.1.4 Therapiemöglichkeiten
2.2 Beziehung zwischen Mensch und Tier
2.2.1 Grundlagen der Tier-Mensch-Interaktion
2.2.2 Effekte der Tier-Mensch-Interaktion
2.2.3 Die therapeutische Wirkung des Hundes
2.2.4 Hunde in der Therapie von ADHS
2.2.5 Die therapeutische Wirkung des Pferdes
2.2.6 Pferde in der Therapie von ADHS bei Kindern
2.3 Bewegungstherapie
2.3.1 Grundlagen der Bewegungstherapie
2.3.2 Grundlagen und Ziele der Bewegungstherapie bei ADHS
2.3.3 Die Bedeutung der exekutiven Funktionen bei ADHS
2.3.4 Aufbau einer bewegungstherapeutischen Einheit bei ADHS
3 Zielsetzung, Fragestellung, Hypothesen
4 Methode
4.1 Stichprobe
4.2 Design
4.3 Messinstrumente
4.3.1 Connors Skalen
4.3.2 Akzelerometer
4.4 Durchführung
4.5 Auswertung
5 Ergebnisse
5.1 Akzelerometrie
5.2 Conners Skalen
5.3 Zusammenhang zwischen der Akzelerometrie und den Conners Skalen
5.4 Erwartungshaltung und Eigenreflexion
6 Diskussion
6.1 Interpretation der Ergebnisse
6.2 Kritische Reflexion
6.3 Ausblick für die Forschung
6.4 Fazit
Abstract
Literatur
Anhang
Stundenverlaufsplan mit Beschreibung der Ziele, Methoden und Inhalte
Aufbau des Settings
Bilder Erwartungshaltung
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1. Gliederung der exekutiven Funktionen nach Spitzer (2017) (Quelle: https://www.initiativpark.com/unser-konzept/exekutive-funktionen)
Abb. 2. Zusammenhang zwischen Leistung und Aktivierungsgrads (Chermette, 2016, S.219)
Abb. 3. Selektion der Probanden (Quelle: eigene Abbildung)
Abb. 4. Studiendesign (Quelle: eigene Darstellung)
Abb. 5. Zusammensetzung des Therapeutenteams (Quelle: eigene Abbildung)
Abb. 6. Rollenverteilung in der therapeutischen Triade modifiziert nach Gomolla (2020, S. 21) (Quelle: eigene Abbildung)
Abb. 7. Verlaufsgraphik der standardisierten Therapieeinheiten im Verhaltensexperiment (Quelle: Alexandridis, 2021)
Abb. 8. prozentuale Anteile der Zeit in moderater bis sehr lebhafter Aktivität (MVPA) in den drei Versuchssettings pro Proband (n = 4)
Abb. 9. Mittelwertvergleich der prozentualen Anteile der Zeit in moderater bis sehr lebhafter Aktivität (MVPA) in den drei Versuchssettings (n = 4)
Abb. 10. Das Aktivitätsprofil des Probanden eins während des Inhibitionstrainings in Ruhe
Abb. 11. Das Aktivitätsprofil des Probanden eins während des Inhibitionstrainings in Bewegung
Abb. 12. Das Aktivitätsprofil des Probanden zwei während des Inhibitionstrainings in Bewegung
Abb. 13. Das Aktivitätsprofil des Probanden zwei während des Inhibitionstrainings in Bewegung
Abb. 14. Das Aktivitätsprofil des Probanden drei während des Inhibitionstrainings in Ruhe
Abb. 15. Aktivitätsprofil des Probanden drei während des Inhibitionstrainings in Bewegung
Abb. 16. Das Aktivitätsprofil des Probanden vier während des Inhibitionstrainings in Ruhe
Abb. 17. Das Aktivitätsprofil des Probanden vier während des Inhibitionstrainings in Bewegung
Abb. 18. Mittelwertvergleich der Conners Skalen, Global-Index, Gesamtscore der drei Versuchsbedingungen
Abb. 19. Die Gesamtscores der Conners Skalen jedes Probanden in den drei Versuchsbedingungen
Abb. 20. Aufbau des Settings der Experimentstunden (Quelle: eigene Abbildung)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1. Wirkungen eines Hundes auf Kinder mit ADHS (Prothmann, 2008, S. 205)
Tab. 2. Zentrale Ziele der Bewegungstherapie bei Kindern mit ADHS (Thimme et al., 2021, S. 177-182)
Tab. 3. anthropologische und weitere studienrelevante Daten der Stichprobe
Tab. 4. Numerische Darstellung der Scores auf den einzelnen Skalen
Tab. 5. Ergebnisse der Beliebtheitsabfrage
Tab. 6. Ergebnisse der Eigenreflexion
Tab. 7. Stundenverlaufsplan der Experimenteinheiten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Kaum eine psychische Störung des Kindes- und Jugendalters wird in Deutschland so häufig und kontrovers diskutiert wie die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS. Die hohe Prävalenzrate und das charakteristische Störungsbild des „Zappelphilipps“ nehmen in den Medien, als sogenannte Modediagnose, einen breiten Raum ein. Die Themen reichen von verschiedensten Entstehungstheorien über die Frage der alters- und bedarfsgerechten Medikation bis hin zu teils wenig wissenschaftlichen Behandlungsverfahren (Mackowiak & Schramm, 2016). Dabei stehen die Betroffenen häufig unter einem hohen Leidensdruck, da ADHS mit Beeinträchtigungen der psychosozialen und kognitiven Fähigkeiten einhergeht und ihre Verhaltensauffälligkeiten zu Problemen in der Schule sowie zu Streitigkeiten mit Eltern, Lehrern und Gleichaltrigen führen (Leithäuser & Beneke, 2013; Wohnhas-Baggerd, 2008). Langfristig kann ADHS zu einem erhöhten Risiko für komorbide Störungen und einer allgemein reduzierten subjektiven Lebensqualität führen (Philipsen & Döpfner, 2020). Umso wichtiger ist der frühzeitige Beginn einer passenden Therapie.
Die Sport- und Bewegungstherapie ist in vielen Einrichtungen bereits fester Bestandteil der Therapie. Sie bietet neben der motorischen Förderung vielseitige Möglichkeiten zur Verbesserung der Symptome sowie zur Steigerung des Selbstwertgefühls und der Sozialkompetenzen (Döpfner et al., 2017; Hoza et al., 2014; Leithäuser & Beneke, 2013; Welsch et al., 2020). Auch der Einsatz von Tieren in der Therapie, insbesondere von Hund und Pferd, verbreitet sich in den letzten Jahren vermehrt (Gomolla, 2009; Schuck et al., 2018). Immer mehr Studien weisen auf die positiven Effekte von Tieren im Allgemeinen und in der Therapie hin. So fördert alleine die Anwesenheit eines Tieres zwischenmenschliche Interaktionen, Empathie und Konzentrationsfähigkeit (Ale- xandridis et al., 2019; Bachi & Parish-Plass, 2017; Beetz et al., 2012; Parish-Plass, 2008; Schuck et al., 2018).
Obwohl demnach Sport und Bewegung nachweislich vielseitige positive Einflüsse auf die ADHS Symptomatik hat und sich ebenfalls tiergestützte Behandlungsansätze im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie bereits als effektiv erwiesen haben, sind diese Therapieansätze dennoch nicht Bestandteil offizieller Leitlinien (Taylor et al., 2004). Ein wesentlicher Grund dafür ist das Fehlen von empirischen Wirksamkeitsnachweisen. Um zukünftig eine Einbindung der tiergestützten verhaltensorientierten Bewegungstherapie in die Leitlinien zu ermöglichen, bedarf es daher weiterer Evidenz. In Anlehnung an den aktuellen Forschungsstand soll diese Arbeit den Kenntnisstand über die Einbindung von Tieren in die verhaltens- und bewegungsorientierte Behandlung ergänzen und zu weiteren empirischen Arbeiten anregen. Außerdem erscheint es wichtig, neben der therapeutischen Behandlung, für die betroffenen Kinder und Jugendlichen ein nachhaltiges Angebot zu schaffen, welches therapeutisch wirksame Maßnahmen und Spaß vereint, um so die Motivation und Compliance zu fördern.
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung
2.1.1 Definition
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (nach DSM-IV) oder die hyperkinetische Störung (nach ICD-10), ist charakterisiert durch eine Störung der Aufmerksamkeit, der Impulskontrolle sowie motorischer Unruhe (Wohnhas-Baggerd, 2008). Entsprechend der allgemeinen Diagnose-Kriterien nach ICD-10 liegt eine ADHS Störung vor, wenn die Symptome situationsübergreifend einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten überdauern, die psychosozialen und kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen und der Entwicklungsstand nicht der alterstypischen Entwicklung entspricht (Göbel et al., 2018). Neben der ICD-10 wird ADHS ebenfalls in der DMS-IV beschrieben. Die Diagnosekriterien weisen je nach Klassifikationssystem leichter Variationen auf. Die drei Kernsymptome sind jedoch in beiden Systeme gleichermaßen formuliert (Döpfner et al., 2005).
2.1.2 Prävalenz
Bei den Prävalenzraten ist zu beachten, dass es aufgrund der unterschiedlichen Diagnosekriterien der Klassifikationssysteme zu Differenzen kommen kann und es somit kaum möglich ist, eine genaue Aussage über die Verbreitung von ADHS in der Gesamtbevölkerung zu treffen. Weltweit wird von einer Prävalenz von 5,3 Prozent ausgegangen. Damit zählt ADHS zu einer der häufigsten psychischen Störungen (Polanczyk et al., 2007). In Deutschland leben 4,4 Prozent der Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis siebzehn Jahren mit einer von einem Arzt oder Psychologen diagnostizierten ADHS Erkrankung. Jungen sind mit 6,5 Prozent deutlich häufiger betroffen als Mädchen mit 2,3 Prozent. Am häufigsten betroffen ist bei Jungen die Altersgruppe der Fünfzehn- bis Siebzehnjährigen mit 6,9 Prozent und bei Mädchen die der Zwölf- bis Vierzehnjährigen mit 6,7 Prozent. Kinder aus sozial benachteiligten Familien sind mit sechs Prozent signifikant öfter betroffen als Gleichaltrige aus sozial besser gestellten Familien, von ihnen haben drei Prozent eine ADHS Diagnose (Göbel et al., 2018). Entgegen früherer Annahmen, dass ADHS eine reine Störung des Kindesalters ist, zeigen 50 bis 80 Prozent der Betroffenen ebenfalls Symptome im Erwachsenenalter. Die Prävalenz von ADHS liegt bei deutschen Erwachsenen vom Alter 18 bis 64 Jahren bei 2,8 Prozent (Philipsen & Döpfner, 2020).
2.1.3 Symptome und Komorbiditäten
Die Störung beginnt meist früh im Kindesalter und zeichnet sich durch folgende zeitstabile, situationsübergreifende Verhaltensauffälligkeiten aus: Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität (Döpfner et al., 2017). Die Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit zeigt sich durch eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne beziehungsweise durch leichte Ablenkbarkeit und eine geringe Konzentrationsfähigkeit. In Situationen, in denen die Handlung vom Kind nicht selbst gewählt ist, beispielsweise bei Aufgaben in der Schule oder durch die Eltern bestimmte Aufgaben, kommt es häufiger zu einem Handlungsabbruch als in selbst gewählten Handlungen. Das lässt darauf schließen, dass die Aufmerksamkeitsfähigkeit häufig von dem motivationalen Zustand abhängt (Döpfner et al., 2005). Impulsivität zeigt sich durch eine verminderte Zurückhaltefähigkeit. Dadurch kommt es zu abrupten motorischen oder verbalen Aktionen, die nicht in den sozialen Kontext passen. Die Hyperaktivität äußert sich durch Ruhelosigkeit sowie unkontrollierte und übermäßige motorische Aktivität. Die Intensität der Verhaltensauffälligkeiten kann individuell variieren. Dementsprechend können die Auffälligkeiten in allen drei Bereichen (Hyperaktivität, Impulsivität, Unaufmerksamkeit) gleichermaßen auftreten oder schwerpunktartig in mindestens einem der Bereiche (Blanz et al., 2005).
Die Verhaltensauffälligkeiten belasten insbesondere den Alltag der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Neben Problemen in der Schule haben sie Schwierigkeiten, sich sozial zu integrieren und zwischenmenschliche Beziehungen mit Gleichaltrigen sowie mit Eltern oder Lehrern aufzubauen (Leithäuser & Beneke, 2013). Häufig kommt es zu Entwicklungsstörungen der Sprache, des Lesens und der Rechtschreibung als auch zu Störungen des Sozialverhaltens und emotionale Störungen (Blanz et al., 2005). Je nach Studie wird davon ausgegangen, dass 60 bis 80 Prozent der Betroffenen weitere komorbide Störungen wie Depressionen, Angststörungen oder Störungen mit oppositionellem Trotzverhalten aufweisen. Überdies besteht ein Risiko für eine höhere Unfallneigung, eine reduzierte gesundheitsbezogene subjektive Lebensqualität und einen geringeren sozioökonomischen Status. Es entsteht für die Betroffenen ein enormer Leidensdruck. Durch die Krankheitsfolgekosten kann ADHS zudem eine wesentliche gesundheitspolitische Bedeutung zugeschrieben werden (Göbel et al., 2018).
2.1.4 Therapiemöglichkeiten
Da sich die Symptome nicht auf einzelne Lebens- und Funktionsbereiche beschränken und sich in der Regel nicht durch eine einzelne Behandlungsmaßnahme therapieren lassen, wird für die Behandlung meist eine ganzheitliche multimodale Therapieform gewählt. Die multimodale Therapie wird alters- und bedarfsgerecht individuell abgestimmt und besteht aus der medikamentösen Therapie, der Psychoedukation und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren (Döpfner et al., 2017).
Die medikamentöse Therapie ist umstritten und dennoch weit verbreitet. Die Wirksamkeit spezifischer Stoffe ist durch eine Vielzahl von Studien nachgewiesen (Wohnhas- Baggerd, 2008). Am geläufigsten sind die Wirkstoffe Methylphenidat, Amphetamin oder Pemolin. Die Wirkung von Methylphenidat, auch bekannt als Ritalin, ist am besten wissenschaftlich belegt und wird bevorzugt verschrieben (Blanz et al., 2005). Methylphenidat verbessert die Informationsverarbeitung und kann motorisch überschießende Aktivitäten mindern, die Konzentrationsfähigkeit steigern und so das Leistungsverhalten in der Schule positiv beeinflussen. Allerdings kann Methylphenidat zu Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit, Appetitverlust und Depressionen führen (Wohnhas- Baggerd, 2008).
Neben der medikamentösen Therapie ist die Psychoedukation zentraler Bestandteil der Therapie. Diese dient vor allem der Aufklärung und Beratung der Eltern und des Kindes über das Störungsbild und stellt die Basis des weiteren Therapieablaufs dar (Walitza, 2012). Bei Verhaltenstherapeutischen Verfahren liegt der Fokus auf dem dysfunktionalen Verhalten und der Vermittlung von Strategien, um dieses zu reduzieren. Zu diesen Verfahren zählen eltern-/familienzentrierte, kindergarten-/schulzentrierte und patientenzentrierte Interventionen (Döpfner, 2020). Ziel dieser Verfahren ist die individuelle Modifikation des störungsspezifischen Verhaltens durch die Einsicht und das Erlernen von alternativen Handlungsstrategien oder die Manipulation von Umgebungsvariablen. Weitere Therapieansätze können auf pädagogischer Ebene oder in Form von bewegungsorientierter Therapie erfolgen (Wohnhas-Baggerd, 2008).
2.2 Beziehung zwischen Mensch und Tier
2.2.1 Grundlagen der Tier-Mensch-Interaktion
Basis aller tiergestützten Maßnahmen ist die Tier-Mensch-Interaktion. Die Kommunikation bilder dabei die Grundlage jeder Interaktion, so auch für die Interaktion zwischen Tier und Mensch (Vernooij & Scheider, 2013). Die zwischenmenschliche Kommunikation setzt sich aus einem verbal-digitalen Anteil über die Sprache und einem nonverbal-analogen Anteil über die Körpersprache zusammen. Die verbaldigitale Kommunikation kann nur von Mensch zu Mensch stattfinden, da Tiere nicht in der Lage sind, digitale Kommunikationsweisen wie Sätze und Wörter zu der vom Sender gesprochenen Nachricht zu entschlüsseln. Nichtsdestotrotz sind Tiere und Menschen in der Lage miteinander zu kommuniziern, zu interagieren und eine emotionale Beziehung aufzubauen (Roth, 2017). Dies ist der analogen Kommunikation zuzuschreiben. Sie ist kultur- und speziesunabhängig und macht die Interaktion zwischen Tier und Mensch möglich. Bei der analogen Kommunikation findet die Signal-vermittlung nonverbal über Gestik und Mimik, Blicke, Körpersprache, Berührungen und der Stimmmodulation statt und bietet somit keine Möglichkeit für ambivalente oder undeutliche Signale (Prothmann, 2008). Laut Vernooij und Schneider (2013) können Tiere dazu in der Lage sein, die Befindlichkeit und die Gefühlslage von Menschen durch kleinste Signale zu erfassen und entsprechend zu reagieren.
Grundlage für das Verständnis des Wirkungsspektrums von Hund und Pferd ist das Konzept der Biophilie und die Du-Evidenz (Olbrich & Otterstedt, 2003; Opgen-Rhein et al. 2011; Urmoneit, 2020). Die Biophilie-Hypothese nach Wilson (1990) beschreibt, dass der Mensch eine biologisch-evolutionär begründete angeborene emotionale Affinität zu Lebewesen und ökologischen Settings hat. Laut Wilson braucht der Mensch den Kontakt zur Natur, um gesund zu bleiben und sich selbst zu verwirklichen. Demnach beruht die gesundheitsfördernde Wirkung von Tieren, wie vom Hund oder vom Pferd, auf dem natürlichen Nutzen der Natur (Opgen-Rhein et al., 2011). Die Du-Evidenz besagt, dass Menschen sozial-emotionale Beziehungen zu höher entwickelten Tierarten aufbauen können, die zwischenmenschlichen Beziehungen ähneln. Eine solche Beziehung entsteht in erster Linie zwischen Menschen und Tieren, die ein ähnliches Sozialgefüge aufweisen und deren Körpersprache sich gleicht (Vernooij & Schneider, 2013).
2.2.2 Effekte der Tier-Mensch-Interaktion
Die durch die Tier-Mensch-Interaktion ausgelösten Effekte wirken sich auf physiologischer, sozialer und psychischer Ebene auf das menschliche Wohlbefinden aus (Olbrich & Otterstedt, 2003).
Physiologische Ebene:
Internationale Studien belegen, dass alleine die Anwesenheit eines Tieres blutdruck- und herzfrequenzsenkend wirkt und das Herzkreislaufsystem stabilisiert (Greiffenhagen & Buck-Werner, 2011). Des Weiteren weisen Menschen, die mit Tieren zusammen leben, eine allgemein gesündere Lebensweise auf und haben signifikant weniger gesundheitliche Probleme (Serpell, 1992). Tierbesitzter bewegen sich mehr und fördern dadurch ihre Motorik, gehen weniger häufig zum Arzt und sind bestrebter sich gesund zu ernähren (Friedmann et al., 1983). Das Betrachten und noch mehr das Streicheln eines Tieres führt zu einer verminderten Ausschüttung von Stresshormonen sowie zur Muskelrelaxation und einer vertieften Atmung (Prothmann, 2008).
Soziale Ebene:
Auf sozialer Ebene wirken Tiere als „sozialer Katalysator“: Tiere begegnen Menschen unabhängig von ihrem sozialen, kulturellen oder ökonomischen Hintergrund vorurteilslos. Dies ermöglicht eine leichtere Kontaktaufnahme zwischen Mensch und Tier (Prothmann, 2008). Ist ein Tier im Raum, wird das Gefühl von Einsamkeit vermindert und das Gefühl von sozialer Zugehörigkeit erhöht. Sie fördern sowohl die verbale als auch die nonverbale zwischenmenschliche Kommunikation und erleichtern den Aufbau von sozialen Beziehungen (Schneider & Harley, 2006; Olbrich & Otterstedt, 2003).
Psychische Ebene:
Studien zu den Effekten von Tieren auf der psychischen Ebene von Kindern zeigen, dass die Interaktion zwischen beiden die soziale Kompetenz schult und Empathie fördert (Daly & Morton, 2006; Poresky & Hendrix, 1990). Der Kontakt mit Tieren reduziert Ängste, unterstützt die psychische Entspannung (Barker et al., 2003) und kann zur Verminderung von Depressionen und negativen Stimmungen beitragen (Souter & Miller, 2007). In stressigen Situationen wirken Tiere auf Kinder entspannend und unterstützten sie bei der Bewältigung von herausfordernden Situationen (Prothmann, 2008).
2.2.3 Die therapeutische Wirkung des Hundes
Seit mehr als 30 000 Jahren leben die Menschen im Kontakt zu Hunden (Kotrschal, 2020). Der Hund gilt als das erste Haustier und wird heute, je nach den Bedürfnissen der Menschen, in verschiedensten Bereichen eingesetzt. Dazu zählen neben dem Heimtier unter anderem Jagd- und Wachhunde, Rettungshunde, Servicehunde für behinderte Menschen und Therapiehunde (Prothmann, 2008). Hunde sind, durch die lange Zeit der gemeinsamen Evolution und der Domestizierung, in der Lage, die menschliche Gestik und Mimik zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren (Wohlfarth & Mutschler, 2017). Hunde und Menschen weisen vergleichbare Sozialstrukturen sowie ein ähnliches Sozialverhalten auf. Miklösi (2011) beschreibt als Basis für die soziale Ähnlichkeit Fähigkeitsbereiche, die Hund und Mensch teilen. Diese sind der Wunsch nach sozialer Interaktion und die Fähigkeit individuelle Bindungen zu schließen; das Potential, sich auf das Gegenüber einzustellen und sich anpassen zu können sowie die Fähigkeit, Regeln zu befolgen und soziales Lernen zu beherrschen und die Fähigkeit zu einer komplexen, analogen Kommunikation, welche einen aktiven Austausch von Informationen und Gemeinsamkeiten ermöglicht.
Diese Gemeinsamkeiten des Sozialverhaltens sowie die Kommunikationsfähigkeiten des Hundes ermöglichen den Aufbau einer engen emotionalen Beziehung zwischen Hund und Mensch und ermöglicht die Stellung des Hundes als Sozialpartner in der heutigen Gesellschaft (Wohlfarth & Mutschler, 2017). Durch sein Rudelverhalten ordnet sich der Hund dem Menschen unter und sucht nach Schutz und Sicherheit. Der Mensch erfährt dadurch ein Gefühl von Autorität und Verantwortung. In der Verantwortung für den Hund und dessen Wohlergehen werden Bewältigungskompetenzen aktiviert und dadurch die Selbstwirksamkeit gestärkt (Olbrich & Otterstedt, 2003).
Zwischen Hund und Mensch ist eine weitgreifende Interaktion möglich, die wiederum auf der nonverbalen-analogen Ebene der Kommunikation basiert. Die analoge Kommunikation zwischen Hund und Mensch ist im Vergleich zu anderen Tier-Mensch-Dialogen eine der aktivsten Dialogformen (Olbrich & Otterstedt, 2003). Ergänzt wird die analoge Kommunikation durch verbale Signale. Hunde können nachweislich akustische Signale von Menschen verstehen und diese innerhalb ihrer Begriffskapazitäten zu komplexen Botschaften kombinieren (Olbrich & Otterstedt, 2003; Prothmann, 2008). Hunde verstehen innerhalb kurzer Zeit die individuelle Körpersprache eines Menschen und können dementsprechend auf dessen Bedürfnisse reagieren. Dadurch fühlen sich die Menschen verstanden und ihnen wird ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermittelt, was die Beziehungsgestaltung und Kommunikation im therapeutischen Setting erleichtert (Olbrich & Otterstedt, 2003).
2.2.4 Hunde in der Therapie von ADHS
Die Wirkweisen des Hundes können in der Therapie von ADHS vor allem im Sinne eines ganzheitlichen multimodalen Ansatzes genutzt werden. Der Einsatz eines Hundes kann, neben einer Motivationssteigerung, zur Verbesserung von Aufmerksamkeit und Konzentration, zur Förderung von Handlungsplanung und zur Entwicklung von Lernstrategien sowie zur Reduktion von Unaufmerksamkeit führen (Ladner & Brandenberger, 2018). Prothmann (2008) schlüsselt die Wirkweise des Hundes auf Kindern mit ADHS in Wirkungsebenen mit spezifischen Wirkungsspektren auf und beschreibt diese wie in Tabelle eins dargestellt.
Tab. 1. Wirkungen eines Hundes auf Kinder mit ADHS (Prothmann, 2008, S. 205)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hunde werden immer häufiger für die gezielte Förderung von Kompetenzen in der ADHS Therapie eingesetzt (Saumweber & Beetz, 2014). Bislang gibt es nur eine geringe Anzahl an Studien, welche die Effekte von Hunden in der Therapie von ADHS untersuchen. Dennoch liefern einige Untersuchungen Hinweise auf die Wirksamkeit von Hunden in der Therapie. So konnte in einer Studie von Kotrschal und Ortbauer (2003) nachgewiesen werden, dass alleine die Anwesenheit eines Hundes in einem Klassenzimmer Agressionen reduziert und den sozialen Klassenzusammenhalt fördert (n=24). Saumweber und Beetz (2014) führten über fünf Wochen ein hundgestütztes Konzentrationstraining mit 14 von ADHS betroffenen Kindern durch. Das Ergebnis der Studie zeigte eine erhöte Motivation in den Trainingseinheiten und eine tendenziell bessere Impulskontrolle im prä-post-Vergleich. Schuck et al. (2018) belegte in einer 12-wöchigen Studie mit 88 an ADHS erkrankten Kindern, dass eine kognitivverhaltenstherapeutische Therapie mit der Hinzunahme eines Hundes signifikant größere Verbesserungen des subjektiv wahrgenommenen Selbstwerts, der schulischen Kompetenzen und der sozialen Fähigkeiten zeigte als eine traditionelle Verhaltenstherapie.
2.2.5 Die therapeutische Wirkung des Pferdes
Therapieformen mit und auf dem Pferd gehören in vielen Einrichtungen zum Therapiealltag. Sie lassen sich in die Felder Hippotherapie, Heilpädagogisches Reiten / Voltigieren, Reittherapie und Behindertenreiten einteilen. Basis des Einsatzes von Pferden in der Therapie ist die Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Je nach Erkrankung können die spezifischen Eigenschaften des Pferdes gezielt für die individuelle Behandlung eingesetzt werden (Gäng et al., 2021). Auf die spezifischen Eigenschaften des Pferdes wird im Folgenden näher eingegangen.
Pferde sind Flucht- und Herdentiere und haben, ähnlich wie Menschen, ein Grundbedürfnis nach sozialer Kommunikation (Gomolla, 2020). Sie sind dazu in der Lage, minimale angst- und gefahrenbezogene Signale eines Sozialpartners der Herde wahrzunehmen. Aufgrund des langen Zusammenlebens mit dem Menschen reagieren sie auf feine Veränderungen der menschlichen Körpersignale. Im therapeutischen Setting können dadurch Veränderungen offengelegt und aktuelle Konfliktbereiche identifiziert und verbalisiert werden (Opgen-Rhein et al., 2011). Gomolla (2020) bezeichnet dies als „Spiegelfunktion“ der Pferde. Gomolla führt weiter aus, dass Pferde nicht nur in der Lage sind, aktuelles Verhalten zu spiegeln, sondern ebenfalls auf emotionale Zustände adäquate Reaktionen zu zeigen. Sie reagieren beispielsweise auf Unsicherheit mit Zurückweichen oder auf Trauer mit Kontaktsuche. In der Therapie wird diese Reaktion auf Affekte als „affektives Mitschwingen“ der Pferde bezeichnet (Gomolla, 2020). Da Pferde nur begrenzt in der Lage sind Reaktionen zurückzuhalten, erfolgt bei ambivalenten Signalen oder unangemessenen Verhaltensweisen eine sofortige Spiegelung des Verhaltens. In der Therapie wird der Patient im Pferdekontakt mit seinen eigenen Emotionen, Gedanken und Verhaltensweisen konfrontiert und Kompensationsstrategien oder automatisierte, destruktive Muster treten deutlich hervor (Urmoneit, 2020).
Pferde treten über den analogen Kanal vorurteilsfrei in den Kontakt mit Menschen. Die Übermittlung von potenziell krankheitsfördernden, widersprüchlichen Signalen ist dem Pferd nicht möglich. In der Therapie hat der Patient durch die analoge Kommunikation mit dem Pferd die Möglichkeit, neue gesundheitsfördernde Kommunikationsweisen zu erleben und diese in den Alltag zu übertragen (Opgen-Rhein et al., 2011). Basis für die Interaktion mit dem Pferd ist eine adäquate Eigenwahrnehmung und Selbstregulation, dies stellt wiederum ein bedeutendes Element der Selbstwirksamkeit dar (Urmoneit, 2020). Das Erleben von Erfolgs- und Bewältigungserlebnissen und das Erlernen von pferdebezogenen Kompetenzen, wie Versorgungs- und Führungsaufgaben, trägt außerdem zur Erhöhung des Selbstwertes in relevantem Ausmaß bei (Opgen-Rhein et al., 2011). Pferde besitzen einen hohen Aufforderungscharakter. Durch die klare nonverbale Kommunikation fällt es Menschen und besonders Kindern und Jugendlichen leicht, in Interaktion mit einem Pferd zu treten (Urmoneit, 2020). Dieser Effekt erweist sich in der Therapie als nützlich, da Pferde so als „Eisbrecher“ wirken und den Beziehungsaufbau zwischen Patient und Therapeut erleichtern (Opgen-Rhein et al., 2011). Auf der physiologischen Ebene kommt es beim Reiten zu einer Synchronisation der Herzraten-Variabilität zwischen Mensch und Pferd (Gomolla, 2020). Außerdem führt die Übertragung der Bewegungen von dem Pferderücken auf den Patienten zu einer Muskeltonus Regulierung, zu einer Mobilisierung der Gelenke und fördert die Motorik und Koordination (Opgen-Rhein et al., 2011).
2.2.6 Pferde in der Therapie von ADHS bei Kindern
Die Einbindung eines Pferdes in die Therapie fördert Kinder mit ADHS auf der motorisch-sensorischen Ebene sowie auf der Verhaltensebene (Gomolla, 2019). Durch die oben beschriebenen therapeutischen Wirkungen und artspezifischen Eigenschaften ergibt sich eine Vielfalt von Themengebieten, die in der ADHS Therapie genutzt werden können. Hierzu zählen unter anderem: Nähe und Distanz spüren, die eigenen Grenzen und die Grenzen anderer kennenlernen und respektieren, das persönliche Bedürfnis nach Schutz und Akzeptanz, die Bedürfnisse anderer beachten, Kampf von Rückzug unterscheiden, Geben und Nehmen lernen, das Aushalten unangenehmer Zustände und dysfunktionale Muster unterbrechen (Gomolla, 2020).
Für den Einsatz von Pferden in der Therapie, pferdgestützter Therapie oder Reittherapie bei Kindern mit ADHS gibt es bisher nur eine geringe Anzahl an kontrollierten wissenschaftlichen Studien (Gomolla, 2009; Opgen-Rhein et al., 2011). Nichtsdestotrotz weisen einige Untersuchungen auf positive Effekte von Pferden in der ADHS Therapie hin. Eine Studie von Jang et al. (2015) untersuchte über 12 Wochen den Effekt von pferdgestützten Aktivitäten im Rahmen einer ADHS Therapie und konnte belegen, dass eine Einbindung von pferdgestützten Aktivitäten in eine multimodale ADHS Therapie zu Verbesserungen der Kernsymptome von ADHS führte (n = 20). Eine Pilotstudie von Kaiser, Spence, Lavergne, & Bosch (2004), dessen Stichprobe sich nicht nur aus Kinder mit ADHS, sondern aus 16 Kinder mit verschiedenen physischen und psychologischen Auffälligkeiten zusammensetze, untersuchte die Effekte eines einwöchigen reittherapeutischen Programms. Im prä-post Vergleich zeigte sich eine signifikante Reduktion der Parameter „Wut und Aggression“. Yoo et al. (2016) konnte in einer Studie belegen (n = 22), dass sich durch ein 12-Wochen Programm, mit zwei reittherapeutischen Einheiten pro Woche, die ADHS Symptome ohne den Einsatz von Medikamenten reduzierten. Eine Untersuchung von Gilboa und Helmer (2020) zeigte die Effekte einer 12-wöchigen pferdgestützten Bewegungsintervention auf 25 Kinder mit ADHS mit Fokus auf die Aufmerksamkeit und die exekutiven Funktionen. Sie konnten im prä-post Vergleich eine signifikante Verbesserung der exekutiven Funktionen und der Aufmerksamkeit verzeichnen. In einem Review von White et al. (2020) wurden die Ergebnisse von zehn Studien zum Thema Effekte von pferdgestützter Therapie auf die verhaltensbezogenen, psychischen und motorischen Symptome bei Kindern mit ADHS zusammengefasst. Insgesamt wurden daraus positive Trends auf allen drei Ebenen identifiziert.
2.3 Bewegungstherapie
2.3.1 Grundlagen der Bewegungstherapie
Die Bewegungstherapie ist ein ganzheitliches therapeutisches Verfahren und umfasst Interventionen, bei denen Sport und körperliche Aktivität als Therapie eingesetzt werden. Bewegungsinterventionen sollen im Sinne des bio-psycho-sozialen Gesundheitsmodells der Salutogenese nach Antonovsky (1979) auf physiologischer, psychischer und sozialer Ebene den Genesungsprozess unterstützen (Ulrich in Klimm & Peters- Klimm, 2017). Hölter (2011) beschreibt die klinische Bewegungstherapie im Rahmen der Behandlung von psychischen Erkrankungen als interdisziplinäre klinisch-therapeutische Maßnahme, bestehend aus Diagnostik, Indikation und Evaluation, zu welcher ebenfalls die Prävention und Rehabilitation gehören. Laut Hölter beruht die klinische Bewegungstherapie auf der „[...] Leiblichkeit und Bewegung des Menschen aus einer instrumentellen, sensiblen, sozialen und symbolischen Perspektive“ (2011, S. 72).
2.3.2 Grundlagen und Ziele der Bewegungstherapie bei ADHS
Seit Mitte der 1950er Jahre findet die Sport- und Bewegungstherapie ebenfalls Anwendung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Heute ist sie als eine Form der Fachtherapie in den meisten Einrichtungen ein fest integriertes Behandlungskonzept. Dabei geht es weniger um die alleinige Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, sondern um die Förderung der Identitätsentwicklung, Ich-Stärkung und den Umgang mit Mitmenschen unter Berücksichtigung individueller Probleme und Symptome (Welsche, 2011). Dazu zählen die Aktivierung im Sinne eines Fitnesstrainings, die Anregung zu möglichen Freizeitgestaltungen, die Vermittlung von Ich-, Sozial-, Sach- und Bewegungskompetenzen sowie weitere psychotherapeutische Ziele (Welsche et al., 2007).
Auch bei ADHS ist die Bewegungstherapie häufig Bestandteil der Behandlung. Kinder und Jugendliche mit ADHS haben meist einen hohen Bewegungsdang und benötigen kaum motivationale Hilfestellung. Die Zielsetzung der Bewegungstherapie ist das hyperaktive Bewegungsverhalten entsprechend zu strukturieren, dass es mit den Therapiezielen übereinstimmt (Thimme et al., 2021). In Tabelle 2 sind die zentralen Themen der Bewegungstherapie bei ADHS auf der motorisch-sensorischen-, kognitiven-, emotionalen und sozialen Entwicklungsebene nach Thimme, Deimel, & Hölter (2021) näher beschrieben.
Tab. 2. Zentrale Ziele der Bewegungstherapie bei Kindern mitADHS (Thimme et al., 2021, S. 177182)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.3 Die Bedeutung der exekutiven Funktionen bei ADHS
Ein Kernproblem von ADHS ist die Störung der Selbstregulation. Betroffene sind situationsspezifisch nicht mehr in der Lage, adäquat auf Reize zu reagieren und sich der Situation anzupassen (Wohnhas-Baggerd, 2008). Die Grundlage der Selbstregulation bilden die exekutiven Funktionen. Unter dem Begriff der exekutiven Funktionen werden verschiedene kognitive Prozesse summiert, die vorausschauendes, kontrolliertes und situationsangepasstes Verhalten ermöglichen (Walk & Evers, 2013). Möglich ist dies durch das Zusammenspiel der verschiedenen Teilaspekte. In Abbildung eins sind die drei zentralen Teilaspekte dargestellt. Sie bilden die Basis, auf denen komplexere Funktionen aufgebaut werden (Spitzer, 2017).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1. Gliederung der exekutiven Funktionen nach Spitzer (2017) (Quelle: https://www.initiativ- park.com/unser-konzept/exekutive-funktionen)
Als kognitive Flexibilität wird die Fähigkeit bezeichnet, Denken, Handeln und Verhalten zu variieren und situationsgemäß anzupassen. Kognitive Flexibilität beinhaltet Teilprozesse zum Umgang mit sich verändernden Umständen, zur Handlungsplanung sowie zum Abwägen von Alternativen (Seiferth et al., 2007). Das Arbeitsgedächtnis stellt als die Fähigkeit dar, Informationen zu erfassen und zu verarbeiten. Es ermöglicht Zusammenhänge zwischen aufgenommenen Informationen und Erfahrungen zu identifizieren (Kubesch, 2016).
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