In meiner Referatsausarbeitung zum Thema Lyrik im Unterricht werde ich mich auf die didaktische und methodische Seite des Themas konzentrieren.
Die bedeutende Gegenwartslyrikerin Hilde Domin stellt fest, dass Gedichte im Unterricht noch immer „der besondere Fall“ seien (Domin 1996:12) und eine gewisse Scheu der Lehrkräfte im Hinblick auf das Thema Lyrik bestände. Dabei bietet die Behandlung von Lyrik im Deutschunterricht viel Potenzial, welches ich zu Beginn erläutern werde. Darauf folgt ein historischer Überblick der verschiedenen didaktischen Ansätze, beginnend mit dem Ansatz der werkimmanenten Interpretation. Weiterhin werden die aktuellen Verfahren erläutert und diskutiert.
Häufig ist die Abneigung der Schülerinnen und Schüler in einer zu einseitigen Herangehensweise an das Thema Lyrik begründet. Diese Ausarbeitung wird daher Methoden und unterrichtspraktische Hinweise beinhalten, welche die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit Lyrik motiviert und darüberhinaus wichtige gattungsspezifische Kenntnisse vermittelt. Abschließend wird eine Unterrichtsmethode vorgestellt, die Handlungsorientierung und Analyse miteinander verbindet
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Lyrik im Unterricht: Eine didaktische Legitimation
3. Didaktische Grundlegung
3.1 Historischer Überblick
3.2 Aktuelle didaktische Ansätze
3.3 Kritische Einwände
4. Unterrichtspraktische Hinweise
4.1 Unterrichtsmethoden
4.2 Verknüpfung von Handlungsorientierung und Analyse
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In meiner Referatsausarbeitung zum Thema Lyrik im Unterricht werde ich mich auf die didaktische und methodische Seite des Themas konzentrieren. Die bedeutende Gegenwartslyrikerin Hilde Domin[1] stellt fest, dass Gedichte im Unterricht noch immer „der besondere Fall“ seien (Domin 1996:12) und eine gewisse Scheu der Lehrkräfte im Hinblick auf das Thema Lyrik bestände. Dabei bietet die Behandlung von Lyrik im Deutschunterricht viel Potenzial, welches ich zu Beginn erläutern werde. Darauf folgt ein historischer Überblick der verschiedenen didaktischen Ansätze, beginnend mit dem Ansatz der werkimmanenten Interpretation. Weiterhin werden die aktuellen Verfahren erläutert und diskutiert.
Häufig ist die Abneigung der Schülerinnen und Schüler in einer zu einseitigen Herangehensweise an das Thema Lyrik begründet. Diese Ausarbeitung wird daher Methoden und unterrichtspraktische Hinweise beinhalten, welche die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit Lyrik motiviert und darüberhinaus wichtige gattungsspezifische Kenntnisse vermittelt. Abschließend wird eine Unterrichtsmethode vorgestellt, die Handlungsorientierung und Analyse miteinander verbindet.
2. Lyrik im Unterricht: Eine didaktische Legitimation
„Die Tendenz zur Kürze und Prägnanz bei lyrischer Sprache zwingt den Leser zur genauen Lektüre, zur Beobachtung der Sprache im Text. Darin liegt eine didaktische Dimension: Lyrik zeigt, wie mit wenigen Worten viel gesagt werden kann.“ (Spinner 2005:6)
Kasper H. Spinner betont insbesondere die Prägnanz lyrischer Texte als Grund für die Behandlung von Gedichten im Deutschunterricht. Durch ihre Prägnanz entwickeln Gedichte eine besondere Ausdruckskraft, die beispielsweise zu einer persönlichen Identifikation mit dem Gedicht führen kann. Diese Identifikation bezeichnet Spinner als eine Art Aha-Erlebnis, das durch bestimmte Gedichte beim Rezipienten ausgelöst wird (Spinner 2005:6) und dieses Aha-Erlebnis sollte Schülerinnen und Schüler nicht vorenthalten werden.
Darüberhinaus spiegeln Gedichte geschichtliche und gesellschaftliche Gegebenheiten auf eine besondere Art und Weise wieder und können teilweise nur durch die Vergegenwärtigung des jeweiligen historischen Hintergrundes verstanden werden. Damit strahlen zahlreiche Gedichte eine „gewissen Rätselhaftigkeit“ (Spinner 2005:7) aus, welche die Schülerinnen und Schüler zu einer näheren Beschäftigung mit dem historischen Kontext motiviert. Des Weiteren lernen die Schülerinnen und Schüler „Sinnebenen, die jenseits lexikalischer Wortbedeutungen liegen“ (Spinner 2005:8) kennen. Verbunden mit der Prägnanz werden Bedeutungen lyrischer Texte mit Hilfe von zeichenhaften Bezügen, Rhythmen, Zeilengliederung und Syntax hergestellt. Den Schülerinnen und Schülern werden somit „unentdeckte Möglichkeiten der Sprache“ (Spinner 2005:8) aufgezeigt, die sich in verschiedenen Sinndimensionen ausdrücken.
3. Didaktische Grundlegung
Das folgende Kapitel gibt einen Einblick in die verschiedenen didaktischen Verfahren im Umgang mit lyrischen Texten im Unterricht. Nach einem historischen Rückblick, werden die unterschiedlichen aktuellen didaktischen Verfahren erläutert und kritisch beleuchtet.
3.1 Historischer Überblick
Die Umsetzung des Themas Lyrik im Deutschunterricht der 50er und 60er war vor allem von der sogenannten werkimmanenten Interpretation geprägt (Spinner 2005:1). Die Schülerinnen und Schüler sollten lyrische Werke als „Gehalt-Gestalt-Einheit“ (Spinner 2005:1) wahrnehmen, also den Zusammenhang von Form und Inhalt erkennen lernen. Die Ästhetik und die Gestaltungsprinzipien von Gedichten standen bei dieser Herangehensweise im Vordergrund. Diese Zielsetzung sollte in erster Linie durch das Hören und Sprechen von Gedichten erreicht werden. Zunächst trug die Lehrkraft das Gedicht vor, dann waren die Schülerinnen und Schüler an der Reihe.
Schon in den 60er Jahren entstand ein neuer didaktischer Ansatz, der gattungstheoretische Merkmale in den Vordergrund stellte und damit für eine „größere Sachlichkeit im Umgang mit Dichtung plädiert“ (Spinner 2005:2). Der analytisch-interpretative Umgang mit Lyrik beinhaltet das Erkennen von gattungsspezifischen Merkmalen sowie die Analyse und Interpretation von Gedichten. Die Schülerinnen und Schüler sollen hierbei den Umgang mit verschiedenen Gedichts- und Versformen, Metrik, lyrischen Bildformen sowie Satzformen lernen und anwenden. Ziel ist die „selbstständige (analytische) Aufschlüsselung und Interpretation lyrischer Texte“ (Urlinger 1980:7). Der analytisch-interpretative Ansatz war bis in die 80er Jahre der vorherrschende Ansatz im Umgang mit Lyrik und wird bis heute praktiziert.
Ein weiterer didaktischer Ansatz der 70er Jahre war vor allem auf die gesellschaftliche Funktion von Gedichten ausgerichtet. Politische Lyrik und der Schlager sollten die Schülerinnen und Schüler zu einem kritischen Umgang mit Literatur schulen (Spinner 2005: 3).
Die aktuelle Didaktik ist vom handlungs- und produktionsorientierten Umgang mit lyrischen Texten geprägt. Dieser Ansatz geht davon aus, dass es von Vorteil ist, wenn Wissen nicht einfach übernommen, sondern „Lösungswege selbst gesucht und Handlungsmodelle entwickelt werden“ (Gien 2005:284). Der Ansatz der Produktionsorientierung kam ab Mitte 1970 auf und geht davon aus, dass die spezifischen Merkmale und Strukturen von Lyrik durch die Eigenproduktion von Gedichten besonders gut erkannt werden (Gien 2005:285). Seit den 80er Jahren ist der Lyrikunterricht von handlungs- und produktionsorientierten Verfahren geprägt (Gien 2005:283).
3.2 Aktuelle didaktische Ansätze
Eine mögliche Einteilung der aktuellen didaktischen Ansätze liefert Gabrielle Gien. Sie teilt die verschiedenen Herangehensweisen in operative, sinnlich-ästhetische, spielerische und kreative Verfahren ein (Gien 2005: 285-289). Das operative Verfahren bezeichnet das „aktive, produktive Eingreifen des Lesers in einen Text“ (Gien 2005:285). Diese produktive Veränderung des Texts kann verschiedene Formen haben. Beim ‚Restaurieren und Antizipieren‘ setzen sich die Schülerinnen und Schüler vor der Kenntnisnahme des Gedichts mit einzelnen Elementen des Gedichts auseinander, beispielweise setzten sie ein zerschnittenes Gedicht zusammen. Das ‚Transformieren‘ geschieht nach der Kenntnisnahme des Gedichts und meint den produktiven Umgang mit dem Gedicht, beispielweise schreiben die Schülerinnen und Schüler eine Fortsetzung des Gedichts. Das operative Verfahren dient der Hinführung zu formalen Merkmalen der Lyrik. Durch das aktive Einwirken in das Gedicht sollen die Schülerinnen und Schüler die Merkmale von Lyrik erfahren und anwenden. Durch dieses selbstständige Erfahren der Schülerinnen und Schüler ist der Lerneffekt nachhaltiger im Gegensatz zu einer bloßen Präsentation der formalen Fakten.
Das sinnlich-ästhetische Verfahren zielt darauf ab, dass die Schülerinnen und Schüler lyrische Texte als „ästhetische Gebilde“ (Gien 2005:286) wahrnehmen. Es wird auch als ganzheitliches Verfahren bezeichnet. Die sinnliche Wahrnehmung wird durch das Lesen und Vortragen von Gedichten geschult. „Die entscheidende Erfahrung mit dem Gedicht spielt sich immer im Inneren des Rezipienten ab“ (Payrhuber 1999:46), durch das Vortragen wird diese Erfahrung „öffentlich“ gemacht. Darüber hinaus bietet sich das Verbinden verschiedener ‚ästhetischer Künste‘ an, beispielweise kann das Gedicht vertont, also mit passender Musik unterlegt, werden. Auch die szenische Darstellung oder die grafische Gestaltung von Gedichten fördert die ‚ästhetische Wahrnehmung‘ der Schülerinnen und Schüler und verdeutlicht darüber hinaus die Mehrdeutigkeit und Subjektivität von lyrischen Texten.
Ein weiteres Verfahren ist der spielerische Umgang mit Gedichten. Sprachspiele und Nonsensgedichte laden zum spielerischen Umgang mit Gedichten ein und bieten sich besonders für Partner- und Gruppenarbeiten an (Gien 2005:287). Spiele auf der Ebene der Grapheme bis hin zu Spielen auf der Ebene der Syntax ermöglichen den Schülerinnen und Schülern einen ersten Einstieg in die formalen Besonderheiten von Lyrik. Auch hier ist der Effekt nachhaltiger, als bei einer bloßen Präsentation der Fakten.
Der kreative Zugang zur Lyrik beinhaltet das Selberschreiben von Gedichten. Fantasiereisen, mind-maps und Schreibspiele eignen sich um einen ersten Zugang zum kreativen Schreiben herzustellen. Man kann zwischen gebundenen und freien Formen kreativen Schreibens unterscheiden, wobei sich die freien Formen eher für ‚fortgeschrittene Kreativschreiber‘ eignet.
3.3 Kritische Einwände
Neben den vorgestellten Vorteilen des handlungs- und produktionsorientierten Umgangs mit lyrischen Texten gibt es auch Kritikpunkte, welche die Fachdiskussion beschäftigen (Gien 2005:289). Zum einen bestünde die „Gefahr des Dilettantismus“ (Gien 2005:289), wenn Schülerinnen und Schüler selbst zu Lyrikern werden und eigene Gedichte verfassen. Uns interessierte an dieser Stelle die Meinung des Plenums, daher stellten wir diese Frage zu Diskussion. Die „Gefahr des Dilettantismus“ konnte von den Seminarteilnehmer/innen einstimmig nicht bestätigt werden. Durch den kreativen Zugang erfahren die Schülerinnen und Schüler die gattungsspezifischen Merkmale. Darüberhinaus bezeichnet Lyrik einen sehr subjektiven und kreativen Prozess, den die Schülerinnen und Schüler nur durch das eigene Ausprobieren wirklich kennenlernen können. Wenn man Lyrik als ein „Medium der Auseinandersetzung mit Subjektivität“ (Spinner 2005:17) definiert, dann gibt es kein ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ und folglich auch keine Wertung wie ‚dilettantisch‘ (vgl. Bewertung). Auch der Kritikpunkt, dass die Eigengesetzlichkeit literarischer Texte durch eine Veränderung durch die Schülerinnen und Schüler (vgl. Operatives Verfahren,3.2) zerstört würde, wurde im Seminar entkräftet. Vielmehr würden die Eigengesetzlichkeiten von literarischen Texten durch das operative Verfahren (‚restaurieren, antizipieren und transformieren‘) verdeutlicht und erfahrbar gemacht.
Der größte Kritikpunkt ist, dass der handlungs-und produktionsorientierte Unterricht in Beliebigkeit ausarten kann (Gien 2005:289). Um eine solche Beliebigkeit zu verhindern, muss der Lyrikunterricht ausführlich geplant sein. Insbesondere beim kreativen (produktiven) Zugang zur Lyrik ist auf eine genaue Fragestellung zu achten, damit kreative Prozesse bei den Schülerinnen und Schülern in Gang gesetzt werden. Es reicht definitiv nicht aus, wenn die Aufgabenstellung lautet ‚Schreibe ein Gedicht zum Thema Frühling‘, besonders dann nicht, wenn die Schülerinnen und Schüler noch ungeübt im Umgang mit freien kreativen Formen sind. Gebundene Formen, wie das Akrostichon[2], geben Sicherheit und lassen durch die ‚Beschränkung des Möglichen‘ tolle Ergebnisse entstehen.
Günter Waldmann plädiert für einen Lyrikunterricht, der „eigenes Schreiben und die Erfahrung der Lyrik und lyrischer Formen“ (Waldmann 1998:274) miteinander verbindet. Auch wenn der handlungs- und produktionsorientierte Unterricht viele Vorteile hat, sollte der Lyrikunterricht nicht ausschließlich produktionsorientiert sein (Waldmann 1998:275):
[...]
[1] 1909-2006
[2] Akrostichon (Pfenniggedicht): zu jedem Buchstaben eines Wortes (Name, Thema) wird ein inhaltlich passender Begriff oder Satz gesucht
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- Lisa Sangmeister (Author), 2008, Lyrik im Unterricht. Didaktische Grundlegung und unterrichtspraktische Hinweise, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122405
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