Immer häufiger wird in den Medien von Kindern berichtet, die stehlen, schlagen und randalieren. Es wird das erschreckende Bild vermittelt, dass die Taten zunehmen und die Täter immer jünger und dreister werden (vgl.: Bundesinnenministerium für Justiz 2006: 355). Vor den bevorstehenden Strafen schrecken sie nicht zurück, die Jugendhilfe ist hilflos und die Eltern haben ihre Kinder schon längst aufgegeben, wenn sie sich überhaupt für die Probleme der Kinder interessiert haben. Immer häufiger wird von Intensivtätern gesprochen und gerade Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sollen ein ernstzunehmendes Problem darstellen. In einigen Medien und von einigen Politikern wird der Jugendkriminalrechtspflege seit mehreren Jahren vorgeworfen, zu lasch und zu lau zu reagieren. Immer lauter werden die Forderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts sowie der Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf 12 Jahre (vgl.: DVJI 1999: 400). Geschlossene Unterbringung und Erziehungscamps für mehrfachauffällige Kinder und Jugendliche werden immer häufiger gefordert. Auch eine Vereinfachung der Abschiebung von ausländischen straffällig gewordenen Jugendlichen wird von einigen Seiten als notwendige Konsequenz gefordert. Die Diskussion erreichte ihren Höhepunkt als im Dezember 2007 zwei arbeitslose vorbestrafte Jugendliche ausländischer Herkunft in der Münchener U-Bahn einen pensionierten Lehrer krankenhausreif schlugen, der ihnen gegenüber auf die Einhaltung des in öffentlichen Verkehrsmitteln herrschende Rauchverbots bestanden hatte.
Im Gegenzug fordert die Sozialpädagogik statt mehr Repression ein Mehr an Prävention. Eine Verschärfung des Jugendstrafrechts würde lediglich eine höhere Stigmatisierung zur Folge haben und mehr Schaden anrichten als Nutzen...Die besondere Aktualität des Themas Jugendkriminalität und die in diesem Zusammenhang stehende Diskussion um den Umgang mit straffällig gewordenen Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist Anlass für diese Bachelorarbeit.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I Annäherung an das Problem
1. Kriminalität Jugendlicher ein wachsendes Problem?
2. Was versteht man unter dem Begriff ‘Intensivtäter‘?
3. Welche Straftaten begehen jugendliche Migranten?
3.1 Ausmaß der Straftaten für die Jahre 2006 und 2007 im Vergleich
3.2 Tatverdächtige Kinder
3.3 Tatverdächtige Jugendliche
3.4 Unterscheidung nach deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen
3.5 Zusammenfassung
4. Dunkelfeldstudie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zum Vergleich von deutschem und nichtdeutschem Kriminalitätsverhalten
4.1 Ergebnis
4.2 Zusammenfassung
5. “Wer Ärger macht, hat auch Ärger”- Warum junge Migranten Straftaten begehen
6. Welche Faktoren sind entscheidend? - Ergebnisse des Kriminologischen Forschungsinstitut
II Maßnahmen im Umgang mit gewalttätigen Jugendlichen
7. Konfrontative Pädagogik
7.1 Der konfrontative Ansatz in der Kritik
7.2 Was konfrontative Pädagogik erreichen will
8. Das Anti- Aggressivitäts-Training
8.1 Das Curriculum des Anti-Aggressivitäts-Trainings
8.2 Die vier Phasen des Anti- Aggressivitätstrainings
8.3 Evaluation des Anti-Aggressivitäts-Trainings
8.3.1 Die Untersuchung des ISS
8.3.2 Die Untersuchung des Anti-Aggressivitäts-Trainings der Jugendstrafvollzugs- anstalt in Hameln
8.4 Das Anti-Aggressivitäts-Training in der Kritik
9. Interkulturelle Kompetenz
III Lösungsansatz
10. Der sinnvolle Umgang mit der Kriminalität junger Menschen
10.1 Ein neues Jugendstrafrecht zur Bekämpfung von Jugendkriminalität?
10.2 Die Bedeutung von Prävention
10.3 Was getan werden muss
11. Literaturverzeichnis
Immer häufiger wird in den Medien von Kindern berichtet, die stehlen, schlagen und randalieren. Es wird das erschreckende Bild vermittelt, dass die Taten zunehmen und die Täter immer jünger und dreister werden (vgl.: Bundesinnenministerium für Justiz 2006: 355). Vor den bevorstehenden Strafen schrecken sie nicht zurück, die Jugendhilfe ist hilflos und die Eltern haben ihre Kinder schon längst aufgegeben, wenn sie sich überhaupt für die Probleme der Kinder interessiert haben. Immer häufiger wird von Intensivtätern[1] gesprochen und gerade Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sollen ein ernstzunehmendes Problem darstellen. In einigen Medien und von einigen Politikern wird der Jugendkriminalrechtspflege seit mehreren Jahren vorgeworfen, zu lasch und zu lau zu reagieren. Immer lauter werden die Forderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts sowie der Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf 12 Jahre (vgl.: DVJI 1999: 400). Geschlossene Unterbringung und Erziehungscamps für mehrfachauffällige Kinder und Jugendliche werden immer häufiger gefordert. Auch eine Vereinfachung der Abschiebung von ausländischen straffällig gewordenen Jugendlichen wird von einigen Seiten als notwendige Konsequenz gefordert. Die Diskussion erreichte ihren Höhepunkt als im Dezember 2007 zwei arbeitslose vorbestrafte Jugendliche ausländischer Herkunft in der Münchener U-Bahn einen pensionierten Lehrer krankenhausreif schlugen, der ihnen gegenüber auf die Einhaltung des in öffentlichen Verkehrsmitteln herrschende Rauchverbots bestanden hatte.
Im Gegenzug fordert die Sozialpädagogik statt mehr Repression ein Mehr an Prävention. Eine Verschärfung des Jugendstrafrechts würde lediglich eine höhere Stigmatisierung zur Folge haben und mehr Schaden anrichten als Nutzen. Der Ansatzpunkt zur Kriminalprävention darf nicht die Drohung von Strafe sein, sondern die Einflussnahme auf die gesellschaftlichen und strukturellen Entstehungsgründe von Jugendkriminalität, denn mit einem verschärften Strafrecht lassen sich soziale Problem nicht lösen. Darüber hinaus weist die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen in ihrer Dokumentation des 24. Deutschen Jugendgerichtstages daraufhin, dass junge Menschen weitaus häufiger Opfer von Straftaten sind als Täter (vgl.: DVJI 1999: 411).
Die besondere Aktualität des Themas Jugendkriminalität und die in diesem Zusammenhang stehende Diskussion um den Umgang mit straffällig gewordenen Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist Anlass für diese Bachelorarbeit. Durch die von Medien und Politik angeregte Diskussion um die Ursachen von und den Umgang mit jugendlichen Straftätern mit Migrationshintergrund, ist in dieser Arbeit das Ziel gesetzt, sich mit der aktuellen Situation der Jugendkriminalität allgemein und der Kriminalität junger Migranten im Besonderen sowie ihren Entstehungsgründen sachlich auseinander zusetzen, verschiedene Lösungsansätze und Maßnahmen vorzustellen und nach sozialpädagogischen Gesichtspunkten zu diskutieren und zu bewerten.
Diese Bachelorarbeit gliedert sich in drei Ebenen. Ebene eins stellt die Annäherung an das Problem dar. Zuerst wird der Frage nachgegangen, ob Jugendkriminalität wirklich ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft darstellt. Anschließend wird der in den Medien immer wieder auftauchende Begriff des Intensivtäters definiert und die mit diesem Begriff zusammenhängende Problematik erläutert. Des Weiteren soll geklärt werden, welche Straftaten junge Migranten begehen. Hierfür wird zuerst der Begriff ‘Migrant’ erläutert. Außerdem wird auf die Faktoren aufmerksam gemacht, die eine Analyse der Polizeilichen Kriminalstatistik und die Gegenüberstellung von deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigenzahlen erschwert. Ein Vergleich der Tatverdächtigenzahlen von 2006 und 2007 soll klären, ob Jugendliche allgemein und jene mit Migrationshintergrund im Besonderen immer häufiger Straftaten begehen. Hierfür wird auch die Dunkelfeldstudie des Kriminologischen Forschungsinstituts herangezogen. Der vorletzte Punkt des ersten Abschnitts stellt verschiedene Erklärungsansätze für kriminelles Verhalten von Migranten vor, der letzte vergleicht diese mit den Ergebnissen des Kriminologischen Forschungsinstituts.
Im zweiten Teil der Arbeit werden Maßnahmen zum Umgang mit gewalttätigen Jugendlichen vorgestellt. Hierzu gehört zuerst der Ansatz der konfrontativen Pädagogik. Da dieser Ansatz in der Fachdiskussion immer wieder thematisiert wird, erfolgt eine anschließende Auseinandersetzung mit der bestehenden Kritik an der konfrontativen Pädagogik. Als eine Maßnahme, die in den Bereich der konfrontativen Pädagogik fällt, wird das Anti-Aggressivitäts-Training vorgestellt. Auch hier sollen kritische Aspekte thematisiert werden. Darüber hinaus ist auch der Forschungsstand zum Thema Anti-Aggressivitäts-Training Bestandteil dieser Arbeit. Als letzter Aspekt des zweiten Teils wird die Notwendigkeit der interkulturellen Kompetenz für die Soziale Arbeit erläutert.
Der dritte Teil dieser Arbeit wird abschließend den sinnvollen Umgang mit Jugendkriminalität verdeutlichen. Hier wird noch einmal der Aspekt der Verschärfung des Jugendstrafrechts aufgegriffen, die Abschiebung junger Migranten thematisiert und der Aspekt der Prävention berücksichtigt. Zuletzt erfolgt eine Zusammenfassung der Maßnahmen, die das Straffälligwerden junger Migranten verhindert könnte beziehungsweise, dass sich ‘kriminelle Karrieren’ verfestigen können.
I Annäherung an das Problem
Der erste Teil der Arbeit dient der Annäherung an das Problem. Es wird den Fragen nachgegangen, ob die Kriminalität Jugendlicher wirklich, wie durch die Präsenz straffällig gewordener Jugendlicher in den Medien vermittelt, ein wachsendes Problem darstellt und welche Straftaten sowohl von jungen Menschen allgemein als auch von jugendlichen Migranten verübt werden. Zur weiteren Klärung der Kriminalität jugendlicher Migranten wird außerdem die Dunkelfeldstudie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen herangezogen. Des Weiteren wird den Erklärungsansätzen für kriminelles Verhalten junger Migranten nachgegangen. Anhand der Ergebnisse der Dunkelfeldstudie wird dann festgestellt, welche Faktoren den größten Einfluss ausmachen.
1. Kriminalität Jugendlicher- ein wachsendes Problem?
Die einseitige Darstellung von Kriminalität durch die Medien hat eine Verzerrung der Kriminalitätswahrnehmung zur Folge. Medien führen den Menschen eine soziale Realität vor, die sowohl von der erlebten Erfahrungswelt als auch von empirisch belegbaren Fakten abweicht. (So geht die Bildzeitung im ’großen Bildreport Teil 4 vom 10.01. 2008 der “neuen Brutalität unter Jugendlichen” nach, für die “Recht und Ordnung ein Witz sind”, so der Titel.) Dies führt dazu, dass die Kriminalitätsentwicklung von den Menschen stark überschätzt wird. In diesem Zusammenhang spricht man auch von ‘gefühlter Kriminalität’, die oft weitaus höher ist als die tatsächlich polizeilich registrierte Kriminalität.
Delikte junger Menschen sind meist jugendtypischer und bagatellhafter Natur. Im Vergleich zur Erwachsenenkriminalität sind sie aufgrund unprofessioneller, gelegenheitsgesteuerter und wenig planvoller Handlungsweise leicht zu entdecken und zu überführen. Allein die vergleichsweise kleine Zahl der Fälle aufgedeckter Wirtschaftskriminalität, eine typische Form der Erwachsenenkriminalität, verursacht eine größere Schadenssumme als die Gesamtheit aller registrierten konventioneller Eigentumsdelikte (vgl.: Bundesministerium des Inneren 2007: S.10). Jugenddelinquenz ist ubiquitär - dass heißt in allen Schichten vorkommendes Verhalten -, episodenhaft - also ein auf einen bestimmen Entwicklungsabschnitt begrenztes Verhalten - und statistisch gesehen normal, da Delinquenz bei der weit überwiegenden Mehrzahl Jugendlicher auftritt. Fast 90% aller männlichen Heranwachsenden haben schon einmal im Kinder- oder Jugendalter gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen (vgl.: Bundesinnenministerium für Justiz 2006: 357).
Im Hellfeld der polizeilichen Statistiken finden sich bis 1998 deutliche Anstiege der Tatverdächtigenzahlen für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Seit 1998 verzeichnet die Statistik aber einen stetigen Rückgang in den Bereichen Eigentumsdelikte, schwerwiegende Gewaltdelikte wie Tötungen und Raubdelikte. Anstiege finden sich hingegen im Bereich der Körperverletzung und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, hier in erster Linie durch Cannabiskonsum (vgl.: Bundesinnenministerium für Justiz 2006: 354).
Mehrere Dunkelfeldstudien verschiedener Städte kommen aber zu dem Ergebnis, dass die Anstiege der registrierten Straftaten Ergebnis veränderter Bewertungen und einer veränderten Anzeigebereitschaft sind. Darüber hinaus haben - entgegen der weitverbreiteten Ansicht von einigen Medien und Politikern - verschiedene Dunkelfeldstudien und Analysen von Justizdaten ergeben, dass es keine Anhaltspunke für eine Brutalisierung der tatverdächtigen Kinder, Jugendlichen oder Heranwachsenden gibt. Vielmehr kam man zu dem Ergebnis, dass im zunehmenden Maße auch weniger schwerwiegende Delikte, die nur geringe Schäden und keine schwerwiegenden Verletzungen zur Folge hatten, angezeigt werden. Der 2. Periodische Sicherheitsbericht (Bundesinnenministerium für Justiz 2006: 354) kommt zu dem Ergebnis: “Eine Zunahme gravierender Formen der Delinquenz junger Menschen in Gestalt von erhöhten Zahlen von Mehrfach- und Intensivtätern lässt sich nicht nachweisen.”
Kriminalität im Jugendalter ist also kein Indiz für ein erzieherisches Defizit, sondern ist vielmehr eine entwicklungsbedingte Auffälligkeit, die in der Regel mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter abklingt. Nur etwa 6-9% der Jugendlichen gehören zu den sogenannten Intensivtätern und werden mehr als viermal strafrechtlich bekannt. Auf sie entfallen mehr als 50% aller Delikte dieser Altersgruppe (vgl.: Müller 2001: 126). Auch hier gilt zu berücksichtigen, dass sich die Delikte fast ausschließlich im Bagatellbereich bewegen. Die von den Medien hochgespielten spektakulären Taten sind lediglich Einzelfälle, die das Bild der ‚Monsterkids‘ nähren soll.
2. Was versteht man unter dem Begriff ‘Intensivtäter‘ ?
Es gibt keine genaue Definition davon, wann ein Täter als Mehrfach- und Intensivtäter zu bezeichnen ist. Es ist aber bekannt, dass Mehrfachauffälligkeit besonders ein Problem männlicher Jugendlicher ist. Meist werden Täter mit mehr als vier strafrechtlich bekannten Taten als Intensivtäter bezeichnet. Wie bereist zuvor erwähnt, werden nur etwa 6-9% der Jugendlichen mehr als viermal strafrechtlich bekannt. Auf sie entfallen dann allerdings mehr als 50% aller Delikte dieser Altersgruppe (vgl.: Müller 2001: 126).
Die derzeitige Diskussion und die Fokussierung auf sogenannte Intensivtäter erschweren eine sachliche Diskussion über den angemessenen Umgang mit delinquenten Kindern und Jugendlichen. Müller bezeichnet die Festlegung eines Schwellenwertes, wann ein Episodentäter als Intensivtäter bezeichnet wird, als ungeeignet. Er sieht die Gefahr der Stigmatisierung jugendlicher Krimineller. Er bezeichnet den Begriff Intensivtäter als: “deliktunspezifisch, zeitlos […] personenfixiert, vergangenheitsorientiert und zukunftslos.” (Müller 2001: 139) Deliktunspezifisch ist der Begriff nach Müller deshalb, da alle Straftaten, unabhängig von ihrer Schwere und Verschiedenheit, addiert werden. Als zeitlos bezeichnet er den Begriff, weil die Anzahl der Delikte zusammengefasst wird und der Zeiteinheit keine Beachtung geschenkt wird. Darüber hinaus ist der Begriff Intensivtäter nach Müller personenfixiert, da der Begriff den Eindruck erweckt, dass die Taten ausschließlich Ausdruck einer defekten Persönlichkeit sind. So geraten prekäre Lebenssituationen und defizitäre Lebenslagen nicht in den Blick. Der Begriff Intensivtäter ist außerdem vergangenheitsorientiert und zukunftslos, da die Biografie der Person allein in Bezug auf die Summe der Delikte betrachtet wird. Dies hat Auswirkungen auf ihre Zukunftsperspektiven und führt, so Müller, letztendlich dahin, dass tatsächlich ‘kleine Monster’ entstehen, die geschlossen untergebracht werden müssen, da sie ein Sicherheitsrisiko darstellen und anders nicht normgetreu erzogen werden können (vgl.: Müller 2001: 140).
3. Welche Straftaten begehen junge Migranten?
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind besonders häufig kriminell, so wird es in einigen Medien oft dargestellt (vgl.: Walter/Trautmann 2003:68). Dieser Abschnitt wird nun der Frage nachgehen, ob dies wirklich den Tatsachen entspricht. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob Jugendliche mit Migrationshintergrund die selben Straftaten begehen wie deutsche Jugendliche oder ob Unterschiede festzustellen sind.
Zuerst soll aber geklärt werden, welche Personen mit dem Begriff ‘Migrant’ gemeint sind. Demnach werden unter dem Begriff ‘Migrant’ folgende Personen zusammengefasst:
“[…]dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer sowie ebenso Spätaussiedler, die zwar aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen als deutsche Staatsangehörige gelten, jedoch wegen der Übersiedlung - vorwiegend aus den GUS- Staaten - über einen entsprechenden Migrationshintergrund verfügen.“ (Walter/ Trautmann 2003: 68f.)
Eine dritte Gruppe besteht aus den Kindern von in Deutschland lebenden Ausländern, die ihrerseits die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen oder die aufgrund des geänderten Staatsangehörigkeitsrecht von Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Um beurteilen zu können, ob Jugendkriminalität allgemein und die Kriminalität junger Migranten im Besonderen stark zugenommen hat und eine zunehmende Deliktschwere vorliegt. Wird nun anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) von 2007 herausgearbeitet, welche Straftaten junge Migranten begehen.
Bei der Auswertung und Interpretation der Polizeilichen Kriminalstatistik muss berücksichtigt werden, dass die Aussagekraft durch verschiedene Faktoren begrenzt ist. Eine besondere Rolle spielt hierbei die Tatsache, dass die PKS nur die bei der Polizei bekannt gewordenen und durch sie bearbeiteten Straftaten aufweist. Diesen Bereich bezeichnet man als Hellfeld. Das Dunkelfeld, also die der Polizei nicht bekannt gewordene Kriminalität, kann daher in der PKS nicht zum Ausdruck kommen. Veränderungen im Anzeigeverhalten der Bevölkerung, eine verstärkte oder nachlassende polizeiliche Kontrolle, oder Veränderungen in der statistischen Erfassung oder des Strafrechts, können somit die Entwicklung der Zahlen beeinflussen. Dadurch kann sich die Grenze zwischen Hell- und Dunkelfeld verschieben, ohne dass damit eine Änderung des Umfangs der tatsächlichen Kriminalität verbunden sein muss. Außerdem erfolgt die Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik erst bei Abgabe des Vorgangs an die Staatsanwaltschaft. Bei langer Ermittlungsdauer von zum Beispiel einem Jahr, wird der Fall erst ein Jahr später als er entdeckt oder angezeigt wurde, in die Statistik aufgenommen. Die Aktualität wird daher durch Straftaten mit langer Ermittlungsdauer gemindert. Die Polizeiliche Kriminalstatistik bietet also kein getreues Spiegelbild der Kriminalitätswirklichkeit, sondern eine je nach Deliktsart mehr oder weniger starke Annäherung an die Realität.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der zu berücksichtigen ist, ist die Tatsache, dass die Statistik nur zwischen deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen unterscheidet, ohne den Migrationshintergrund zu berücksichtigen. Demnach lässt sich nicht feststellen, ob eine bestimmte ethnische Gruppe besonders häufig tatverdächtig ist und wenn ja welcher Nationalität diese Menschen angehören. Auch der reine Vergleich deutscher mit nichtdeutschen Tatverdächtigen gestaltet sich als schwierig, da ein viertel der nichtdeutschen Tatverdächtigen gegen ausländer- oder asylverfahrensrechtliche Strafvorschriften verstoßen hat. Dies sind Normen, die im Wesentlichen nur Ausländer verletzen können.
Um festzustellen, ob vermehrt Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund Straftaten begehen, ist die Interpretation der Statistik problematisch, da sie allein anhand der Staatsangehörigkeit Kategorisierungen vornimmt. Für eine Großzahl junger Menschen, die zum Beispiel als Zuwanderer der zweiten, dritten oder vierten Generation die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ist die Statistik nicht aussagekräftig. Somit kann ihre Lebens- und Entwicklungssituation nicht analysiert werden.
Hierfür eignen sich Dunkelfeldstudien. Frühe Dunkelfeldstudien aus den 1980er Jahren ergaben, dass sich die Kriminalitätsbelastungen junger Ausländer nicht von der der Deutschen unterscheidet. Neuere Studien ergeben ein anderes, aber nicht einheitliches Bild. So findet eine Duisburger Erhebung bei männlichen türkischen Jugendlichen keinen signifikanten Unterschied in der Delinquenzbelastung in der 7., 8. und 9. Klasse in Bezug auf Gewaltdelikte und sogar niedrigere Raten bei den Eigentumsdelikten, im Vergleich zu deutschen Jugendlichen (vgl.: Bundesinnenministerium für Justiz 2006: 373). Regional repräsentative Querschnittserhebungen in mehreren Städten kommen aber zu dem Ergebnis, dass in bestimmten Deliktsgruppen, vor allem im Bereich der Gewaltkriminalität, männliche Zuwanderer bestimmter nationaler Gruppen überdurchschnittlich häufig auftreten sind. So finden sich zum Beispiel bei türkischen Jugendlichen oder Jugendlichen aus dem ehemaligen Jugoslawien erhöhte Raten der Gewaltdelinquenz. Hier war im Bereich der Eigentumsdelikte sowie in Bezug auf die Häufigkeit der Belastungen hingegen keine Erhöhung festzustellen (vgl.: Bundesinnenministerium für Justiz 2006: 373).
3.1 Ausmaß der Straftaten für die Jahre 2006 und 2007 im Vergleich
Die Zahl der erfassten Straftaten ist im Jahr 2007 im Vergleich zum Vorjahr annähernd gleich geblieben. Im Jahr 2006 lag die Zahl bei 6 304.223 Fällen, 2007 bei 6 284.661. Daraus ergibt sich ein Rückgang von 0,3%. Dies bedeutet eine Fortsetzung der insgesamt positiven Entwicklung der vergangenen Jahre, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Während die Zahl der erfassten deutschen Tatverdächtigen um 1,4 Prozent auf 1.804.605 anstieg, konnte bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen, wie in den Vorjahren, erneut ein Rückgang um 2,5% auf 490.278 festgestellt werden. Der Tatverdächtigenanteil von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sank im Vergleich zum Vorjahr von 22,0 % auf 21,4 %.
3.2 Tatverdächtige Kinder
Von den insgesamt 2 294 883 Tatverdächtigen waren 102 012 Kinder. Dies ist eine Zunahme von 1,5% im Vergleich zum Vorjahr. 2006 wurde noch ein Rückgang von 2,6% verzeichnet. Damit setzte sich die seit 1999 anhaltende rückläufige Entwicklung nicht mehr fort. Die Anzahl der tatverdächtigen deutschen Kinder hat sich gegenüber 2006 um 1,7 % auf 84.361 und die der nichtdeutschen um 0,5 % auf 17.651 Fälle erhöht. Über die Hälfte der tatverdächtigen Kinder (54,3 %) wurde wegen Diebstahlsdelikten registriert. Hierzu gehörte an erster Stelle Ladendiebstahl (39,7 %). Darüber hinaus wurden Kinder bei Sachbeschädigung (20,0 %), Körperverletzung (19,1 %), Straßenkriminalität (17,9 %) sowie Gewaltkriminalität (10,8 %) auffällig.
In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass die Opferquote bei Kindern erheblich höher ist als die Tatverdächtigenquote (vgl.: DVJI 1999: 411). Kinder werden also wesentlich häufiger Opfer von Straftaten, als das sie Straftaten begehen.
3.3 Tatverdächtige Jugendliche
Die Entwicklung der Zahlen der tatverdächtigen Jugendlichen stellen sich je nach Bereich unterschiedlich dar. So gibt es seit 1996 einen kontinuierlichen Rückgang der Tatverdächtigenzahlen im Bereich des einfachen und des schweren Diebstahls. Dem gegenüber stehen Anstiege bei der einfachen Körperverletzung, Drogen- sowie Gewaltkriminalität (vgl.: Bundesinnenministerium für Justiz 2006: 384).
Der Anteil der Jugendlichen unter den Tatverdächtigen insgesamt betrug 12,1% im Jahr 2007. Dies ergibt eine Zahl von 277.447 Fällen. 2006 lag die Zahl noch bei 278.447. Dies ist ein Rückgang von 0,4%. Einen erneuten starken Rückgang gab es bei den Rauschgiftdelikten um 4.684 (-20,4%) auf 18.299 tatverdächtige Jugendliche. Bei Diebstahl insgesamt wurden mit 114.534 tatverdächtige Jugendliche gegenüber dem Vorjahr 3,1% (-3.666) Tatverdächtige weniger erfasst.
Im Bereich der Körperverletzung hingegen stieg die Zahl um 2.840 (+4,2%) auf 69.820 tatverdächtige Jugendliche im Jahr 2007. Auch bei der Sachbeschädigung gab es einen Anstieg um 1.936 (+4,0%) auf 50.156 tatverdächtige Jugendliche zu verzeichnen. Im Bereich der Raubdelikte wurden 10.816 tatverdächtige Jugendliche und damit 226 (+2,1%) mehr registriert als 2006. Der Anstieg der Gewaltkriminalität Jugendlicher setzt sich um 4,9 % im Jahre 2007 verstärkt fort. Insbesondere bei der gefährlichen und schweren Körperverletzung wurde ein Anstieg von 6,3 Prozent verzeichnet. Im Jahr 2006 lag der Anstieg bei 3,0 %. Diese Entwicklung macht deutlich, dass bei Teilen der Jugendlichen eine erhöhte Gewaltbereitschaft bei gesunkener Hemmschwelle und teilweise brutalem Vorgehen festzustellen ist. Alkohol und Gruppendynamik beeinflussen darüber hinaus die Jugendgewalt (vgl.: Bundesministerium des Inneren 2007: S.10). Inzwischen ist auch eine steigende Gewaltbereitschaft junger Mädchen festzustellen. Die Gewaltkriminalität weiblicher Jugendlicher hat im Jahresvergleich von 7.147 2006 um 4,9 % auf 7.498 im Jahr 2007 zugenommen.
3.4 Unterscheidung nach deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen
Nach deutschen und nichtdeutschen tatverdächtigen Jugendlichen unterteilt, machten die deutschen Tatverdächtigen einen Anteil von 83,4% aus. An erster Stelle standen hier die Diebstahlsdelikte mit 41,6 %, die mit 22,0% insbesondere den Ladendiebstahl betrafen. Bei Körperverletzungsdelikten zeigten sie mit 24,4 % ebenfalls einen relativ hohen Anteil. 46.028 der tatverdächtigen Jugendlichen (16,6%) besaßen im Jahr 2007 nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Dies macht einen leichten Anstieg von 0,7 Prozent aus. Im Jahr 2006 wurde noch ein Rückgang um 5,6% vermerkt. Die Gruppe der nichtdeutschen tatverdächtigen Jugendlichen war mit einem Anteil von 21,6% nahezu gleich häufig wie die deutschen am Ladendiebstahl beteiligt. Bei Verbrechen wie den Rohheitsdelikten und Straftaten gegen die persönliche Freiheit (35,5 %), bei Körperverletzungsdelikten (29,2 %) und bei der Gewaltkriminalität (22,6 %) sind hingegen nichtdeutsche jugendliche Tatverdächtige häufiger vertreten, als deutsche jugendliche Tatverdächtige.
Bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen ist der Anteil der männlichen Erwachsenen (77,5%) höher als bei den deutschen (75,4%). Kinder und Jugendliche weisen dagegen bei den deutschen Tatverdächtigen einen höheren Prozentanteil auf, als bei den nichtdeutschen. Bei den Deutschen liegt die Zahl der tatverdächtigen Kinder unter 14 Jahren bei 4,7% (+ 1,7%).
Bei dem Vergleich von deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen gilt aber zu berücksichtigen, „ […] dass sich die deutsche Wohnbevölkerung von den sich in Deutschland aufhaltenden Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit strukturell unterscheidet. Die tatsächliche Belastung von hier lebenden Nichtdeutschen im Vergleich zu den Deutschen ist aus mehreren Gründen nicht bestimmbar.” (Bundesministerium des Inneren 2007 S. 27) Hierzu gehören das doppelte Dunkelfeld in der Bevölkerungs- und in der Kriminalstatistik, der hohe Anteil ausländerspezifischer Delikte und die Unterschiede in der Alters-, Geschlechts- und Sozialstruktur. Es bleibt festzustellen, dass sowohl in der deutschen als auch in der nichtdeutschen Bevölkerung nur eine Minderheit bei der Polizei als tatverdächtig in Erscheinung tritt und dies auch meist nur mit Delikten von geringem Schweregrad. Als einen weiteren zu berücksichtigenden Aspekt in Bezug auf die Rückläufigkeit des Anteils an nichtdeutschen Tatverdächtigen bezeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik demografische Einflüsse, wie Wanderungen aus bzw. nach dem Ausland sowie Einbürgerungen.
3.5 Zusammenfassung
Die wesentlichen Ergebnisse aus der Analyse der Polizeilichen Kriminalstatistik sollen hier noch einmal zur besseren Übersicht zusammengefasst werden.
- Die Zahl der tatverdächtigen Deutschen ist im Jahr 2007 um 1,4% angestiegen, die Zahl der nichtdeutschen ist hingegen um 2,5% auf 21,4% zurückgegangen
- die Zahl der tatverdächtigen deutschen Kinder hat sich gegenüber 2006 um 1,7 % und die der nichtdeutschen Kinder um 0,5 % erhöht, in den meisten Fällen handelt es sich hier um Diebstahlsdelikte
- Der Anteil der Jugendlichen an den Tatverdächtigen insgesamt betrug 12,1% im Jahr 2007. Dies bedeutet einen Rückgang um 0,4%, starke Rückgänge gab es bei den Rauschgift und Diebstahldelikten, in den Bereichen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Gewaltkriminalität stiegen die Zahlen hingegen an
- die Gewaltdelikte haben sich weiter erhöht, die Zahl der gewaltbereiten Mädchen ist ebenfalls gestiegen
- Bei Verbrechen wie Rohheitsdelikte, Straftaten gegen die persönliche Freiheit, bei Körperverletzungsdelikten und bei der Gewaltkriminalität sind nichtdeutsche tatverdächtige Jugendliche häufiger vertreten, als deutsche jugendliche Tatverdächtige
- die Zahl der nichtdeutschen erwachsenen Tatverdächtigen ist höher als die der Deutschen, Kinder und Jugendliche weisen dagegen bei den deutschen Tatverdächtigen einen höheren Prozentanteil aus, als bei den nichtdeutschen
- Unterschiede in der Alters-, Geschlechts- und Sozialstruktur von Deutschen und Nichtdeutschen erschweren die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen
4. Dunkelfeldstudie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zum Vergleich von deutschem und nichtdeutschem Kriminalitätsverhalten
Am ausführlichsten konnte bisher durch die Schülerbefragung des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachens (KFN) die Gewaltbelastung einzelner ethnischer Gruppen untersucht werden. Die Befragung wurde 1998 mit 16.000 Jugendlichen der neunten Jahrgangsstufe durchgeführt (vgl.: Pfeiffer 2007: 9). Demnach haben 18,6% der deutschen und 34,2% der nicht eingebürgerten türkischen Jugendlichen mindestens eine Gewalttat im vergangenem Jahr verübt. Mit 29,2% waren außerdem die jugoslawischen und mit 24,9% die südeuropäischen Jugendlichen häufig vertreten.
Die Befragung im Jahr 2000 mit 10.000 Jugendlichen derselben Altersgruppe kam zu beinahe identischen Ergebnissen. Demnach hatten 14,5% der deutschen, aber 28,2% der türkischen Befragten eine Gewalttat begangen. Mit 21,8% weisen auch bei dieser Befragung die jugoslawischen Jugendlichen die zweithöchste Rate auf, Südeuropäer liegen aber mit 13,8% mit den Deutschen in etwa gleich auf.
Darüber hinaus kommt das KFN zu dem Ergebnis, dass die nichtdeutschen Gruppen zum Teil sehr viel häufiger Gewalt durch die eigenen Eltern erfahren als deutsche Jugendliche. So haben türkische Jugendliche fast dreimal so häufig elterliche Misshandlungen erlebt, bei Jugoslawen und Südeuropäern liegt die Zahl fast doppelt so hoch wie bei den Deutschen. Gewalt zwischen den Elternteilen erlebte bei den türkischen Jugendlichen jeder Fünfte, bei den deutschen nur jeder Zwanzigste (vgl.: Pfeiffer 2007: 28). Elterliche Gewalt scheint aber nicht der alleinige Grund für die erhöhte Gewaltbelastung der Migranten zu sein, denn auch wenn man die erlebte familiäre Gewalt berücksichtigt, sind die nichtdeutschen Jugendlichen statistisch gesehen immer noch gewalttätiger als deutsche Jugendliche.
Viele Untersuchungen differenzieren nur zwischen deutschen und nichtdeutschen, nicht aber zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen. Pfeiffer untersucht deshalb entsprechend der Befragung die sechs größten in Deutschland lebenden Gruppen. Hierzu gehören deutsche, türkische (9,5%), russische (5,4%), jugoslawische (3,9%), polnische (3,5%) sowie italienische (2,2%) Jugendliche. 11,8% der Befragten haben eine andere nichtdeutsche Herkunft. Hierzu gehören zum Beispiel griechische, rumänische und österreichische Jugendliche. Da ihr Anteil aber unter 1% liegt, werden sie für die Auswertung nicht einzeln berücksichtigt (vgl.: Pfeiffer 2007: 15). Um die Jugendlichen diesen Gruppen zuzuordnen, wurde die ethnische Herkunft der Eltern herangezogen.
In der aktuellsten Schülerbefragung (2005) wurden 14.302 Jugendliche der neunten Jahrgangsstufe befragt. Mit Ausnahme von Förderschulen und dem Berufsvorbereitungsjahr wurden in dieser Studie alle Schulformen präsentiert, auch Schulen in nicht öffentlicher Trägerschaft wurden miteinbezogen. Anders als in den vorhergegangenen Studien wurden in der Befragung im Jahr 2005 auch 5.529 Schüler der vierten Klasse befragt. Hier wurde der Medienumgang untersucht, auf den in dieser Arbeit allerdings nicht eingegangen werden soll.
Mit Hilfe eines Fragebogens wurden die Jugendlichen befragt, ob und wenn ja wie oft sie selbst in den letzen 12 Monaten einen Raub, eine Körperverletzung, eine Erpressung oder eine Bedrohung mit einer Waffe begangen haben.
4.1 Ergebnis
Eine erhöhte Gewaltbereitschaft ist tatsächlich ein Problem nichtdeutscher Jugendlicher. Andere Deliktarten werden von nichtdeutschen Jugendlichen nur geringfügig häufiger verübt. Drei der oben genannten vier Verhaltensweisen (Raub, Körperverletzung, Erpressung, Bedrohung mit einer Waffe) wurden seltener von deutschen als von nichtdeutschen Jugendlichen begangen. 19,1% der deutschen Jugendlichen haben im vergangenem Jahr eine Körperverletzung begangen, bei den türkischen Jugendlichen waren es fast doppelt so viele (37,5%). Aber auch alle anderen nichtdeutschen Gruppen haben sich als deutlich auffälliger erwiesen. So liegt die Zahl der polnischen Jugendlichen in diesem Bereich bei 34,4%, bei den russischen Jugendlichen 31,0%, bei den jugoslawischen sind es 31,3% und bei italienischen Jugendlichen sind es 29,7% (vgl.: Pfeiffer 2007: 19). Bei den anderen drei Deliktarten, wie Raub, Erpressung und Bedrohung mit einer Waffe, machen die jugoslawischen Jugendlichen jeweils den größten Anteil aus. Bei der Frage, wer fünf oder mehr Delikte im vergangenem Jahr begangen hat, machen wiederum erneut die männlichen türkischen Jugendlichen mit 13,2% den größten Anteil aus. “Ein als Gewalttäter in Erscheinung getretener Deutscher hat im Mittel 4,4 Taten begangen, ein türkischer 6,1 Taten, ein italienischer 6,6 Taten.” (Pfeiffer 2007: 19)
In Bezug auf das Alter in dem zum ersten Mal eine Körperverletzung begangen wurde, sind nur Unterschiede zwischen deutschen und nichtdeutschen Jugendlichen auszumachen. Deutsche Jugendliche werden - mit Ausnahme der jugoslawischen Jugendlichen - am frühesten von allen ethnischen Gruppen auffällig. Besonders im schulischen Bereich erweisen sich nichtdeutsche Jugendliche als gewalttätiger. Polnische und türkische Jugendliche sind hier besonders auffällig. Während von ihnen ein zehntel im letzten Jahr einen Mitschüler absichtlich getreten oder geschlagen haben, war es bei den Deutschen nur jeder Dritte. Betrachtet man Gewalttätigkeit bei Mädchen, so sind jugoslawische Mädchen mit 17,3% am häufigsten gewalttätig, gefolgt von den türkischen mit 14,9% und den polnischen 14,2%. Bei den deutschen Mädchen liegt die Zahl bei 6,6% (vgl.: Pfeiffer 2007: 24). Auch hier bestätigt sich ein höherer Anteil an Gewalttaten nichtdeutscher Jugendlicher als von Gewalttaten deutscher Jugendlicher.
4.2 Zusammenfassung
Hier werden die zentralen Ergebnisse der Studie noch einmal auf das Wesentliche zusammengefasst.
Als zentrales Ergebnis lässt sich aus dem oben genannten belegen, dass nichtdeutsche Jugendliche zum Teil deutlich häufiger gewalttätig werden als Deutsche. Nur 14,5% der deutschen, aber 28,2% der türkischen Befragten haben eine Gewalttat begangen, bei den jugoslawischen Jugendlichen sind es 21,8%, die Südeuropäer liegen aber mit 13,8% etwa gleich auf mit den Deutschen. Nur einmal, bei der Bedrohung mit Waffen, weist eine einzige nichtdeutsche Gruppe, die der Italiener, ein etwas niedrigeres Gewaltniveau auf. Dieses Ergebnis stimmt auch mit den Ergebnissen der vorhergegangenen KFN Studien von1998 und 2000 überein.
Des Weiteren kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass nichtdeutsche Jugendliche auch häufiger mehrfach (fünf oder mehr Taten) gewalttätig werden als deutsche Jugendliche. Ein deutscher Jugendlicher hat im Mittel 4,4 Taten begangen, ein türkischer 6,1 Taten. In diesem Zusammenhang versucht die Studie herauszufinden, welche Faktoren mit der Gewaltausübung in Verbindung stehen und ob bei allen ethnischen Gruppen die gleichen Ursachen für ein gewalttätiges Verhalten verantwortlich sind. Hierauf wird in Punkt sechs ausführlich eingegangen.
[...]
[1] Im Verlauf dieser Arbeit wird aufgrund der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet, es sind aber stets beide Geschlechter angesprochen.
- Citation du texte
- Manuela Siegel (Auteur), 2008, Der sinnvolle Umgang mit jugendlichen Straftätern mit Migrationshintergrund, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122399
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