„1383 bis 1407 – Hauptbuch der Regensburger Runtinger-Firma; mit 15 000 Gl. Vermögen um 1400 ist Matthäus Runtinger reichster Bürger der Stadt.“ war die Zeile, die mich zur Analyse der Familie Runtinger anregte.
Bis dato waren mir weder Namen, noch Unternehmungen der Runtinger bekannt, doch nach erster Orientierung an den vorrangigen Standardwerken zum Thema schien dieses ein passendes zum Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen der Eruierung von Familienunternehmen im Mittelalter. Mehr noch schien es interessant, dass entgegen des vorrangigen Augenmerks aller Welt auf die Fugger und folgende „große Familien“, bereits Unternehmer und Unternehmen vergleichbaren Ausmaßes und zudem viel früher existierten.
Diese Arbeit macht es sich zum Ziel, die Runtinger in Auszügen so zu beleuchten, dass am Ende eine Vorstellung über die Geschäfte, deren Ausmaß und Richtungen, die örtliche und zeitliche Einordnung des Handelsrahmens sowie der Unternehmungen der Runtinger entstehen, damit abschließend eine Einschätzung getroffen werden kann, inwiefern sich das Unternehmen der Runtinger als Familienunternehmen charakterisieren lässt. Auf diesem Weg ist es unerlässlich, neben der Analyse der Gegebenheiten eine Arbeitsdefinition für ‚Familienunternehmen’ zu finden und den Begriff der ‚Familie’ im soziokulturellen Diskurs zu erörtern, damit in den Schlussbetrachtungen tatsächlich ein Ergebnis für die Hypothese gefunden werden kann, unter deren Titel diese Arbeit verfasst wurde:
Das Handelshaus der Runtinger - Ein Regensburger Familienunternehmen des 14. Jahrhunderts?
Gliederung
1. Einleitung
2. Regensburg als florierende Handelsstadt des 14. Jahrhunderts
2.1 Kurzer Abriss Regensburgs im 14. Jahrhundert
2.2 Ergebnisse zur These 1
3. Die Runtinger als Kaufleute
3.1 Die neue „Klasse“ der Kaufleute
3.2 Ergebnisse zur These 2
4. Handel der Runtinger als spezialisiertes Unternehmen?
4.1 Venedighandel
4.1.1 Seidenhandel in Venedig
4.1.2 Baumwollhandel in Venedig
4.1.3 Gewürze- und Spezialitätenhandel in Venedig
4.2 Tuchhandel
4.3 Osthandel
4.3.1 Handel in der Prager Filiale
4.3.2 Handel in der Wiener Filiale
4.4 Ergebnisse These 3
5. Die Runtingerfamilie als Familienunternehmen
5.1 ‚Familienunternehmen’ – Definitorische Abgrenzung des Begriffs
5.2 ‚Familie’ – Eine soziokulturelle Abgrenzung des Arbeitsbegriffs
5.3 Ergebnisse zur These 4
6. Ergebnisse und Schlussbemerkungen
7. Literaturverzeichnis
Anhang 1
Anhang 2
1. Einleitung
„1383 bis 1407 – Hauptbuch der Regensburger Runtinger-Firma; mit 15 000 Gl. Vermögen um 1400 ist Matthäus Runtinger reichster Bürger der Stadt.“[1] war die Zeile, die mich zur Analyse der Familie Runtinger anregte.
Bis dato waren mir weder Namen, noch Unternehmungen der Runtinger bekannt, doch nach erster Orientierung an den vorrangigen Standardwerken[2] zum Thema schien dieses ein passendes zum Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen der Eruierung von Familienunternehmen im Mittelalter. Mehr noch schien es interessant, dass entgegen des vorrangigen Augenmerks aller Welt auf die Fugger und folgende „große Familien“, bereits Unternehmer und Unternehmen vergleichbaren Ausmaßes und zudem viel früher existierten.
Den Namen der Runtinger, welche wahrscheinlich dem oberpfälzischen Geschlecht der Ruomptinger aus der Nähe der Stadt Cham entstammten, entdeckt man erst 1347 in Regensburg bei der Erwähnung Albrecht Runtingers, dem Bruder Wilhelm Runtingers, der erster Inhaber des Handelshauses der Runtinger war. Schon kurz darauf „finden sich beide Brüder […] an 19. Stelle unter den jeweils über zweihundert pesten von der gemain zu Regensburg“[3] und fortan lässt sich der politische und gesellschaftliche Aufstieg Wilhelms an verschiedenen Quellen bezeugen, während Albrecht nur noch einmal in seinem eigenen Testament urkundlich in Erscheinung tritt.
Der offenbar von Anbeginn seiner „Karriere“ finanziell gut gestellte Wilhelm nutzt den Fakt, dass nach den Aueraufständen und dem damit verbundenen Rückgang des Einflusses der Ministerialpatrizier sich die „Fernhandels- und Geldpatrizier“[4] in Regensburg ausbreiten und behaupten können und erwirbt neben zahlreichen Ländereien vor allem politischen Einfluss. Mit seiner Frau Percht (Berta), vermutlich eine dem Patriziergeschlecht Löbel Entstammende, gelingt ihm sein Aufstieg umso besser. Aus der Ehe geht der scheinbar einzige Sohn und spätere Junior des Geschäfts hervor: Matthäus Runtinger.
Die Runtingerbücher, 1893 durch Franz Ebner wieder entdeckt, haben vermutlich einen oder mehrere Vorgänger ihrer Art und setzen ein, als das Unternehmen unter Wilhelm schon blühte. Sie sind Zeugnis vom Übergang zu Matthäus’ Leitung beim Tode des Vaters und berichten von jenen kleinen Vorgängen, die innerhalb der Unternehmungen 1383 - 1407 geschahen: von den Salzherren Runtinger, von den Kauffahrten, von den Absätzen in den unterschiedlichsten Orten, von Schuldnern, von Art und Weise der Kontoführung und schließlich verraten sie auch etwas über das Familienleben und Vermögen der Regensburger Runtinger. Durch Franz Bastian fanden diese eine monumentale, ordnende Bearbeitung, die ihresgleichen sucht – der umfangreiche, sehr gut nachvollziehbare Überblick, den Wiltrud Eikenberg liefert, sei in diesem Zusammenhang nicht zu verachten.
Diese Arbeit macht es sich zum Ziel, die Runtinger in Auszügen so zu beleuchten, dass am Ende eine Vorstellung über die Geschäfte, deren Ausmaß und Richtungen, die örtliche und zeitliche Einordnung des Handelsrahmens sowie der Unternehmungen der Runtinger entstehen, damit abschließend eine Einschätzung getroffen werden kann, inwiefern sich das Unternehmen der Runtinger als Familienunternehmen charakterisieren lässt. Auf diesem Weg ist es unerlässlich, neben der Analyse der Gegebenheiten eine Arbeitsdefinition für ‚Familienunternehmen’ zu finden und den Begriff der ‚Familie’ im soziokulturellen Diskurs zu erörtern, damit in den Schlussbetrachtungen tatsächlich ein Ergebnis für die Hypothese gefunden werden kann, unter deren Titel diese Arbeit verfasst wurde:
Das Handelshaus der Runtinger
-
Ein Regensburger Familienunternehmen des 14. Jahrhunderts?
2. Regensburg als florierende Handelsstadt des 14. Jahrhunderts
Um die Unternehmungen der Familie Runtinger nachvollziehen zu können, soll ein Beleuchten des Handlungsrahmens erfolgen, welcher nicht nur die zeitlichen Entwicklungstendenzen widerspiegelt, sondern vor allem das Aktionsfeld wiedergibt. Damit dies realisiert wird, wählte ich folgende erste These:
These 1: Regensburg ist eine für das 14. Jahrhundert typische und florierende Stadt,
in welcher es den Runtingern gelang, ihr Unternehmen erfolgreich
aufzubauen.
2.1 Kurzer Abriss Regensburgs im 14. Jahrhundert
Regensburg zeigt schon früh den Rahmen einer aufstrebenden Stadt, was im gleichen Atemzug auch bedeutet, dass die Zeit, in der die vorliegende Arbeit Regensburg begegnet, eine Zeit ist, in der jenes bischöflich-klösterliche wie auch politische Zentrum seine Blüte bereits erlebt hatte; oder, um es nicht so drastisch niedergehend wirken zu lassen, von seiner Blüte relativ solide profitierte.
Regensburg stieg relativ stet zu einer führenden Handelsstadt auf, was nicht nur aus der oben beschriebenen Stellung resultierte, sondern im Wesentlichen durch seine Lage und Verkehrsanbindungen an der Donau und wichtigen Hauptstraßen begünstigt wurde. Im nordalpinen Raum gelegen, ist Regensburg eine der ersten Städte, die die neuartigen Wirtschaftsimpulse vor allem aus Italien aufgreift, weswegen auch von einer so zeitigen Blüte Regensburgs gesprochen werden kann. Auch im Osthandel erwirbt sich Regensburg als „Tor Oberdeutschlands“ einen bedeutenden Rang.
Äußerst deutlich lässt sich am Beispiel dieser Stadt die allmähliche Wiederbelebung des Handels im Mittelalter, natürlich einhergehend mit einem komplizierter werdenden Gesellschaftsgefüge und dessen Folgen, aufzeigen. Wegen der Erweiterung der schützenden und auch in sich geschlossenen Funktion der Stadt an sich als civitas oder burgus um die Bedeutung als Handelsplatz bilden sich erste Vor- oder Außenstädte, die vor allem dem Handel und den Handelsreisenden Platz boten. Erstmalig entstehen auch Städte, die lediglich Warenbeförderungsplatz (portus) sind.[5] Mit einem deutlichen Bevölkerungswachstum sowie einer neu zu bemerkenden Struktur der „Arbeitswelt“ bildet dies die Grundlage der wirtschaftlichen Situation einer jeden aufstrebenden Stadt des Mittelalters – so auch die Regensburgs: „Ein beachtlicher Fernhandel brachte nicht nur Importware, sondern beeinflußte auch die heimische Produktion und indirekt dadurch auch Sitte und Lebensart“[6]. Zu Recht lässt sich in diesem Zusammenhang von einer „durch den städtischen Bedarf bedingter Kommerzialisierung und Ausdehnung des Handels“[7] sprechen.
All dies führte dazu, dass sich Regensburg im 14. Jahrhundert als die größte Handelsstadt Süddeutschlands präsentierte, mit einem Handelsrahmen, der sich folglich über die gesamte, damals bekannte Welt erstreckte. Die Stadt selbst wies keine herausragenden Spezialitäten oder Gewerbe auf, sie beschränkte sich tatsächlich auf den Umschlag ortsfremder Waren und den Handel mit solchen.
Jene Entwicklungen bergen auch die Ursachen, dass sich gerade in Regensburg sehr zeitig eine Bürgerschaft entwickeln konnte, die allerdings erst vergleichsweise spät wirklich autonom werden konnte. Die Gesellschaft hatte sich aufgrund neuer funktionaler und berufsständischer Kriterien verändert: Aufstieg in den Adelsstand blieb soziales Ziel und war bedingt durch jene neuen Sozialstrukturen ein durchaus erreichbares geworden.[8] Nicht mehr allein die adlige Herkunft war entscheidend, sondern auch die persönlichen Leistungen und Innovationen ermöglichten jene Beweglichkeit in der Gesellschaftsstruktur. Ein Beispiel für eben dies stellt die Schicht der Kaufleute dar, die sich in meiner zweiten These näher beleuchtet wieder findet und in Regensburg wahrscheinlich noch im 12. Jahrhundert fortschrittlichen Niederschlag hat. Denn ab spätestens diesem Zeitpunkt findet sich mit dem Hansgrafenamt der Beweis für eine sich unabhängig vom Klerus statuierte Kaufmannschaft, deren Einfluss zunehmend in die allgemeinen städtischen Belange gelangte. Weil die Städte wuchsen und sich deren Belange und Bedürfnisse änderten, wurden wiederum neue Posten geschaffen, die beispielsweise mit Vertretern der Kaufmannschaft besetzt wurden oder es wurden Kredite bei eben diesen aufgenommen, die die städtische Organisation damit im weitesten Sinne mitfinanzierten. Auch im Falle der Runtinger lässt sich ein ganz klares Bild vom politisch involvierten Kaufmann zeichnen. Dies wird unter anderem in der Bearbeitung der These 2 deutlich.
2.2 Ergebnisse zur These 1
Meine These 1 lässt sich also nur teilweise bestätigen, da sich Regensburg genau genommen nicht mehr in seiner eigentlichen Blüte befand.
Regensburg als altehrwürdige Stadt erlebt das Aussterben einiger namhafter, entscheidender Geschlechter und bleibt auch nicht von der allgemeinen Silberteuerung verschont. Dies und einige andere Parallelentwicklungen läuten schließlich die Degeneration des aufstrebenden Regensburgs im 14. Jahrhundert ein; eine Situation, die jedoch noch keine überdeutlichen Konjunkturschwächen bedeutete und in deren Rahmen sich die Familie Runtinger geschickt zu behaupten wusste. Im Verlauf dieser Arbeit wird dies in der Bearbeitung der einen oder anderen These anklingen.
[...]
[1] Hermann Schäfer, Ploetz. Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, Freiburg-Würzburg 1989, S. 37
[2] Anm.: Franz Bastian, Das Runtingerbuch 1383 - 1407 und verwandtes Material zum Regensburger-südostdeutschen Handel und Münzwesen (mehrbändiges Werk), Regensburg 1935, 1943, 1945; Wiltrud Eikenberg, Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg. Ein Spiegel süddeutscher Rechts- Handels- und Wirtschaftslebens im ausgehenden 14. Jahrhundert, Göttingen 1976
[3] Wiltrud Eikenberg, Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg. Ein Spiegel süddeutscher Rechts- Handels- und Wirtschaftslebens im ausgehenden 14. Jahrhundert, Göttingen 1976, S. 21
[4] Karl Bosl, Die Sozialstruktur der mittelalterlichen Residenz- und Fernhandelsstadt Regensburg. Die Entwicklung ihres Bürgertums vom 9.-14. Jahrhundert, München 1966, S. 84
[5] Henri Pirenne, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im Mittelalter, Tübingen-Basel-Franke 1994, S. 45
[6] Karl Bosl, München 1966, S. 10
[7] Vgl.: Hermann Schäfer, Freiburg-Würzburg 1989, S. 16f
[8] Vgl.: ebenda, S. 26
- Quote paper
- Jessica Wildenauer (Author), 2008, Das Handelshaus der Runtinger, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122369
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