Die Arbeit behandelt die Frage der Emotionsregulation bei Essstörungen mit Hilfe von Klopftechniken.
Klopftechniken sind im Vergleich zu anderen Ansätzen psychotherapeutischer Behandlung noch junge Verfahren. Mitunter werden sie mit umfassenden Versprechungen ihrer Wirksamkeit versehen und verwenden Erklärungsmodelle, die kritischer Überprüfung bedürfen. Gleichzeitig stellen sie ein Behandlungsmodell dar, das kognitive Vereinseitigungen zugunsten eines embodimentfokussierten Verständnisses erweitert. Dies wäre im Bereich der Emotionsregulation bei Essstörungen von Vorteil, da diese schwerwiegende und in den Überflussgesellschaften der westlichen Welt weitverbreitete Störungen darstellen und einen Zusammenhang mit Emotionsregulation aufweisen.
Untersucht wird, ob Klopftechniken als bifokal-multisensorische Verfahren Emotionsregulation bewirken; welche Bedeutung die spezielle Emotionsregulation in Form des food-craving im Rahmen von Essstörungen hat; in welchem Ausmaß food-craving mit Hilfe von Klopftechniken wirksam beeinflusst werden kann. Schließlich wird die Frage beantwortet, ob Klopftechniken eine Ergänzung psychotherapeutischer Interventionen im Rahmen von Essstörungen sind.
Inhaltsverzeichnis/Gliederung
Abstract
Exposé
Literatur-Review
1. Theoretische Grundlagen: Emotionsregulation und Klopftechniken
1.1. Definitionen
1.2. Klopftechniken: Vorgehensweise und Wirkhypothesen
1.2.1. Emotional Freedom Techniques
1.2.2. Prozess- und Embodimentfocussierte Psychologie
1.3. Wirkung der Klopftechniken
1.4. Zusammenfassung
2. Emotionsregulation bei Essstörungen: Stand der Forschung
2.1. Physiologische Aspekte von Nahrungsaufnahme und Essverhalten
2.2. Psychologische Besonderheiten der Emotionsregulation bei Essstörungen
2.3. Interventionsstrategien zur Emotionsregulation
2.4. Neuronale Aktivierungsmuster bei food-craving
2.5. Zusammenfassung
3. Klopftechniken bei food-craving im Rahmen von Essstörungen
3.1. Studien zu Klopftechniken bei food-craving
3.2. Kritische Würdigung
4. Beantwortung der Forschungsfragen
4.1. Können Klopftechniken Emotionsregulation bewirken?
4.2. Welche Rolle spielt Emotionsregulation bei food-craving?
4.3. Wie wirksam sind Klopftechniken bei food-craving?
4.4. Klopftechniken als sinnvolle Ergänzung der Behandlung von Essstörungen?
4.5. Zukünftige Forschungsfragen
4.6. Limitationen
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abstract
Die vorliegende Arbeit behandelt die Frage der Emotionsregulation bei Essstörungen mit Hilfe von Klopftechniken.
Klopftechniken sind im Vergleich zu anderen Ansätzen psychotherapeutischer Behandlung noch junge Verfahren. Mitunter werden sie mit umfassenden Versprechungen ihrer Wirksamkeit versehen und verwenden Erklärungsmodelle, die kritischer Überprüfung bedürfen. Gleichzeitig stellen sie ein Behandlungsmodell dar, das kognitive Vereinseitigungen zugunsten eines embodimentfokussierten Verständnisses erweitert. Dies wäre im Bereich der Emotionsregulation bei Essstörungen von Vorteil, da diese schwerwiegende und in den Überflussgesellschaften der westlichen Welt weit verbreitete Störungen darstellen und einen Zusammenhang mit Emotionsregulation aufweisen.
Methodisch wurde ein Literatur-Review erstellt. Vor dessen Erstellen wurden Forschungsfragen identifiziert. Als Literaturbasis wurden vor allem RCT-Studien, systematische Reviews, Meta-Analysen und die S3-Leitlinie für Essstörungen verwendet.
Untersucht wird: Ob Klopftechniken als bifokal-multisensorische Verfahren Emotionsregulation bewirken; welche Bedeutung die spezielle Emotionsregulation in Form des food-craving im Rahmen von Essstörungen hat; in welchem Ausmaß food-craving mit Hilfe von Klopftechniken wirksam beeinflusst werden kann. Schließlich wird die Frage beantwortet, ob Klopftechniken eine Ergänzung psychotherapeutischer Interventionen im Rahmen von Essstörungen sind.
Im Ergebnis werden Hinweise darauf gefunden, dass Klopftechniken eine eigenständige Form der Emotionsregulation bewirken. Für eine Wirksamkeit im Rahmen von food-craving bei Essstörungen können erste Hinweise gefunden werden, die jedoch einer Verbesserung der Datenlage durch zukünftig größere Stichproben in weiterer Forschung bedürfen.
Exposé
a) Einleitung
Klopftechniken konnten sich seit einigen Jahren im Bereich der Selbsthilfeverfahren wie auch als Zusatztechnik zur ambulanten oder stationären Behandlung psychischer Störungen etablieren. Sie erscheinen mit unterschiedlichen Namen, so z.B. als „Klopftherapie“, „Tapping“, „Emotional Freedom Technique“ (EFT) oder unter dem Namen „Prozess- und Embodimentfocussierte Psychologie“. Bei letzterer handelt es sich um einen im deutschsprachigen Bereich von Bohne entwickelten Ansatz, der eine prozessorientierte Weiterentwicklung der EFT darstellt und sich durch eine klare Vorgehensweise und terminologische Kompatibilität mit medizinischen und psychologischen Verfahren auszeichnet (Bohne, 2010). Bei allen Unterschieden der verschiedenen Verfahren in Detailfragen und manchen mitunter esoterisch anmutenden Erklärungen ist als allgemeines Prinzip der Klopftechniken festzuhalten, dass eine Reihe von Körperpunkten mit einem oder mehreren Fingern nach einem vorgegebenen Ablauf rhythmisch beklopft wird, um auf diese Weise Stress und damit verbundene negative Emotionen abzuschwächen und im günstigsten Fall aufzulösen. Begleitend dazu finden Selbstaffirmationen und Augenbewegungen statt. Damit verwenden die Klopftechniken Elemente von verhaltenstherapeutischen Expositionsverfahren wie auch von kognitiver Umstrukturierung (Pfeiffer, 2018) und kombinieren sie mit der ihnen eigenen körperlichen Form einer bifokal-multisensorischen Stimulierung. Über die Wirksamkeit der Methode, was die Regulation von Emotionen angeht, wie auch in Hinsicht auf eine Förderung von Selbstwert und Selbstwirksamkeit liegt bereits eine Reihe von Untersuchungen, insbesondere bei Ängsten (vor allem Phobien) wie auch in der Traumabehandlung, vor. Zusätzlich existieren auch bereits Hypothesen über die Wirkweise, letztere waren jedoch bisher nicht hinreichend verifizierbar.
b) Aktueller Forschungsstand
Ende 2020 veröffentlichten Wittfoth et al. eine Studie, die sich mit der Wirkung der Klopftechniken mittels Selbstberührung, Selbstaffirmationen und Augenbewegungen im zentralen Nervensystem auseinandersetzte und diese erstmals mittels eines bildgebenden Verfahrens (fMRT) untersuchte. Wenig vorher (2018) war bereits die oben erwähnte Übersichtsarbeit von Pfeiffer zur Frage nach der generellen Wirksamkeit derartiger Klopftechniken erschienen. Diese nimmt unter anderem Bezug auf mehrere Untersuchungen von Stapleton et. al. aus den Jahren 2012-2016 zur Anwendung dieser Techniken im Rahmen von food-craving bei Essstörungen, die in der Zwischenzeit durch weitere ergänzt wurden (Stapleton & Chatwin, 2018; Stapleton & Stewart, 2020; Stapleton et. al., 2020). In der Arbeit von Pfeiffer werden die Ergebnisse bezüglich der Behandlung von Essstörungen jedoch nicht näher ausgeführt. Dass Emotionsregulation bei Essstörungen ein zentraler Wirkfaktor ist, ist mittlerweile durch zahlreiche Arbeiten als gesichert anzusehen, vgl. hierzu Heber et al. (2014) und Barnow (2012, 2020). Ob jedoch die Klopftechniken im Rahmen von Essstörungen wirklich eine Ergänzung der bislang üblichen Behandlungen sein können und wie deren Wirkung zu beschreiben wäre, bleiben offene Fragen, zu deren Klärung diese Arbeit beitragen möchte.
c) Forschungsfragen
Folgende Forschungsfragen sollen in der Masterarbeit behandelt werden:
(1) Können „Klopftechniken“ eine Emotionsregulation bewirken?
Hier soll die Untersuchung von Wittfoth et al. (2020) zugrundegelegt werden, die als weltweit erste funktionelle MRT-Studie zur Wirkung der Klopftechniken gilt. Sie will den Nachweis erbringen, dass es eine wirksame Möglichkeit der Emotionsregulation über körperliche Signale gibt, die sich von bisherigen psychologischen Strategien in diesem Bereich deutlich unterscheidet. Bei Eschenröder (2014, 2018) finden sich Einschätzungen der Wirkweise der Methode aus Sicht der Verhaltenstherapie.
(2) Welche Rolle spielt Emotionsregulation bei food-craving im Rahmen von Essstörungen?
Die Regulation von Emotionen ist eine grundlegende Fähigkeit des Menschen und rückte in den vergangenen Jahren immer stärker in den Blick der psychologischen Forschung, wie sich an der steigenden Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema zeigt. Bei bisherigen Forschungen in Bezug auf diese Fähigkeit wurde zwischen expliziter und impliziter Emotionsregulation unterschieden, wobei die explizite Emotionsregulation der willentlichen Steuerung unterliegt, Bewusstsein, Wachheit und Einsichtsfähigkeit benötigt und prinzipiell erlernbar ist, während die implizite Emotionsregulation als nicht-intentional und hauptsächlich vom Stimulus hervorgerufen beschrieben wird. Andere Unterscheidungen betreffen die intrinsische oder extrinsische Emotionsregulation. Während die extrinsische Emotionsregulation als von der Umgebung gesteuert bezeichnet werden kann, muss die intrinsische Emotionsregulation als von der Person selbst generiert angesehen werden.
Bei Essstörungen scheinen die Emotionen Ekel (disgust) und Angst (fear) einen Vulnerabilitätsfaktor darzustellen und zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung beizutragen (Schienle et al., 2003). Auch gibt es Hinweise, dass das jeweilige Essverhalten eine affekt- und emotionsregulierende Funktion haben könnte – so jedenfalls Schöttke et al. (2006). Eine wirksame Regulation der Emotionen Ekel und Angst sollte also einen positiven Effekt auf den Verlauf der Erkrankung haben.
(3) Wie wirksam ist die Methode des Klopfens bei food-craving im Rahmen von Essstörungen?
Hierfür sollen die verschiedenen Untersuchungen von Stapleton et al. aus den Jahren 2011-2020 näher beleuchtet werden. In diesen Untersuchungen wurde an je unterschiedlichen Patientengruppen mit Übergewicht und food-craving die Klopftechnik unter dem Namen „Emotional Freedom Technique“ (EFT) zur Emotionsregulation angewendet und mit herkömmlichen Vorgehensweisen in der Behandlung verglichen.
(4) Sind Klopftechniken aufgrund ihrer Wirkweise und Effekte eine sinnvolle Ergänzung der Behandlung von Essstörungen?
Die bisherigen Überlegungen auswertend und zusammenfassend sollte die Frage beantwortbar sein, ob die Klopftechniken eine Ergänzung des üblichen therapeutischen Vorgehens der Behandlung von Essstörungen darstellen oder nicht. Die körperliche Dimension des Verfahrens könnte dabei sowohl eine Hilfe darstellen als auch – wegen des bei Essstörungen oft beeinträchtigten Körper- und Selbstbildes der Betroffenen – ein Hindernis.
d) Methode
Als methodischer Ansatz soll ein Literatur-Review erstellt werden. Dazu wurden die in folgender Tabelle aufgelisteten Suchbegriffe verwendet: (Vorgehensweise und Tabelle orientieren sich an Döring & Bortz, 2016, S.158; sowie Oehlrich, 2019).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Literatursuche erfolgte über
www.base-search.net
www.pubmed.gov
http://scholar.google.com
www.apa.org/pubs/databases/psycinfo/
Außerdem wurden die Literaturverzeichnisse der verwendeten Arbeiten wie auch des Handbuchs zur Emotionsregulation (Barnow, 2020) auf weitere Nennungen relevanter Literatur untersucht.
Die anfangs weit gefassten Suchbegriffe ergaben eine große Menge an Literatur, die weiterer Eingrenzung bedurfte. Die Bezeichnung Emotional Freedom Techniques wird eher im englischsprachigen Bereich und die Prozess- und Embodimentfocussierte Psychologie nur im deutschsprachigen Bereich als eine Art Markenbezeichnung verwendet, nicht aber in englischsprachigen Studien untersucht. Daher wurden die Suchbegriffe in einem zweiten Durchgang noch einmal stärker fokussiert, um speziell Studien zur Wirksamkeit des Klopfens bei Essstörungen aufzufinden und lauteten nun:
Eating disorder + Emotional freedom techniques
Die so ermittelten Studien aus den Jahren 2011-2020 werden im dritten Kapitel dieser Arbeit näher beleuchtet und erfahren eine kritische Würdigung.
Literatur-Review
1. Theoretische Grundlagen: Emotionsregulation und Klopftechniken
Das erste Kapitel dieser Arbeit definiert zunächst für den weiteren Verlauf wichtige Begriffe wie Emotion und Emotionsregulation, Essstörungen und food-craving wie auch die Ansätze und Methoden der Klopftechniken als bifokal-multisensorische Techniken.
1.1. Definitionen
Zentrale Begriffe dieser Arbeit sind:
a) Affekt/Emotion
Der Begriff Affekt erscheint uneinheitlich; teilweise bezeichnet er übergeordnete Prozesse emotionaler Art wie Emotionen, Stimmungen, Gefühle, aber auch Störungen, meist im Sinne einer kurz andauernden, intensiven Gefühlsbewegung; in englischsprachiger Literatur (affect) findet er sich als Synonym zu Emotion (Schmithüsen, 2015, S.83).
Für Emotion liegen verschiedene Emotionstheorien ohne übergreifend präzisierte Definition des Begriffes vor. Im Folgenden werden darunter verstanden: Neuronale Schaltkreise, Reaktionssysteme, Gefühlszustände und -prozesse, die Wahrnehmung und Handeln motivieren und organisieren, mit kognitiven Bewertungen und laufenden Kognitionen verbunden erscheinen und die zu Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten motivieren, Kontrolle/Regulierung von Reaktionen ausüben und sozialer oder relationaler Natur sein können. (Definition: Izard 2010, zitiert nach Barnow, 2020, S.4, eigene Übersetzung).
Emotionen sind für Anpassung und Überleben des Organismus in seiner jeweiligen Umgebung wichtig, da sie Informationen in ihrer Bedeutung hervorheben und Aufmerksamkeit auf bestimmte Wahnehmungsaspekte richten können. Sie vermitteln eine Handlungstendenz, sind intensiv, jedoch instabil und von kurzer Dauer, sowie auf bestimmte Aspekte der Umgebung gerichtet. (Sipos et al. 2017).
b) Emotionsregulation
Unter diesem Begriff sollen Strategien und Fertigkeiten einer Person verstanden werden, die den Einfluss der Emotion auf Verhalten entweder modifizieren oder die Emotion beeinflussen können. Grundsätzlich unterscheiden sich Personen darin, welche Strategien zur Emotionsregulation sie anwenden und wie erfolgreich das ist.
Emotionen können durch Emotionsregulation verstärkt, abgeschwächt oder länger aufrechterhalten werden, ihre Regulation ist in Bezug auf die Umgebungsbedingungen wie für die Person mehr oder weniger funktional (effektiv). Dabei sind die genannten Emotionsregulationsstrategien in unterschiedlicher Weise mit dem Auftreten psychischer Störungen verbunden, einige von ihnen gelten als adaptiv, weil psychische Gesundheit fördernd, andere als maladaptiv (Holl et al, 2020, S.180f.).
Insgesamt besteht ein Zusammenhang von Emotionsregulation und psychischer Gesundheit. Barnow (2012, S.120) beschrieb zusammenfassend die empirischen Befunde zu den Emotionsregulationsstrategien: Unterdrückung und Vermeidung korrelieren mittel bis ausgeprägt positiv mit Angst und Depression, Grübeln sehr stark mit Angst und Depression wie auch mit Substanzstörungen/-konsum, wären also im Sinne Holls als maladaptiv zu bezeichnen. Neubewertung und Akeptanz weisen leicht negative Korrelationen mit Angst und Depression auf und Problemlösen mittlere bis große negative Korrelation mit Angst und Depressionen sowie einen negativen Zusammenhang zu Alkoholkonsum, wären also adaptiv zu nennen. Neuere Forschung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass unter bestimmten Bedingungen jede Emotionsregulationsstrategie funktional oder dysfunktional sowie adaptiv oder maladaptiv sein kann (Holl et al. 2020, S.181).
Bei der Klassifizierung von Emotionsregulation kann man in Zuordnung zwischen dem emotionsgenerierenden System (Aufmerksamkeit, Kognition, Körper) und der jeweiligen psychologischen Funktion (bedürfnisorientiert, zielorientiert, personorientiert) unterscheiden (Barnow, 2012); außerdem kann der Regulationsvorgang eher automatisch oder eher kontrolliert in Gang gesetzt werden. So wäre zum Beispiel stressinduziertes Essen dem emotionsgenerierenden System Körper zuzuordnen und gleichzeitig als bedürfnisorientierte Emotionsregulationsstrategie einzuordnen (Barnow, 2012, S.112).
Gross (1998) beschrieb aus einer evolutionären Perspektive ein Verständnis von Emotionen als Reaktionstendenzen und entwickelte ein modales Prozessmodell zur Beschreibung der Emotionsregulation, welches mittlerweile im Sinne eines erweiterten Prozessmodells überarbeitet vorliegt (Gross, 2015): Dabei betrachtet er Emotionsregulation als eine Art von Bewertung in drei Phasen: Identifikation, Auswahl und Umsetzung. Das Modell unterscheidet antizipatorische und reaktive Strategien. Bei den antizipatorischen Emotionsregulationsstrategien geht es um die Veränderung des emotionalen Prozesses durch die Auswahl einer Situation (ggf. auch Vermeidung), die Situationsmodifikation, Aufmerksamkeitslenkung und kognitive Neubewertung. Bei den reaktiven Strategien geht es bei bereits aufgetretener Emotion vor allem um Verhaltensmodulation (etwa des Ausdrucks der Emotion).
Braunstein et al. (2017) schlagen eine Konzeptualisierung der psychologischen Vorgänge, die der Emotionsregulation zugrunde liegen, in zwei orthogonalen Dimensionen vor: Eine Dimension umfasst dabei das Ziel der Emotionsregulationsstrategien (von implizit/unbewusst bis explizit/bewusst), die andere Dimension betrifft die Art des Veränderungsprozesses (von automatisch bis kontrolliert). Eine solche Konzeptualisierung ermögliche einerseits, die zugrundeliegenden neuronalen Prozesse zu unterscheiden, andererseits werde es möglich, Regulationsprozesse zu identifizieren, die sowohl implizite als auch explizite Anteile umfassen. Die Emotionsregulation ließe sich demnach vier Klassen zuordnen: implizit-automatisch (z.B. Extinktion und Neubewertung von Verstärkern), implizit-kontrolliert (z.B. selektive Aufmerksamkeit als Nebenprodukt einer Aufgabenerfüllung), explizit-kontrolliert (z.B. selektive Aufmerksamkeitsstrategien, Ablenkung, Neubewertung/Reappraisal) und explizit-automatisch (z.B. bei Placebo-Effekten), wobei die Einteilung im Sinne eines Kontinuums zu verstehen ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die zu den jeweiligen Klassen der Emotionsregulation passenden Hirnprozesse lassen sich bildlich über fMRT-Scans darstellen.
Paslakis und de Zwaan (2019) verstehen den Prozess (emotionaler) Selbstregulation als Wechsel impliziter und expliziter Annäherung und Vermeidung. Sie betonen, dass funktionale wie dysfunktionale Selbstregulation jeweils explizite und implizite Anteile enthalten.
Barnow bietet im Anschluss an Konzepte von Gross und Braunstein ein integratives Modell flexibler Emotionsregulation. Es umfasst insgesamt sechs sich in Form von Feedbackschleifen beeinflussende Module: 1) Evaluation der Situation und Identifikation eines Regulationsbedarfes (hierbei fungieren implizite und explizite Ziele als Soll-Zustand); 2) Emotionserkennung (Qualität der Emotion, Valenz, Arousal); 3) Aufmerksamkeitslenkung; 4) Festlegung des Regulationsziels gemäß Kontext; 5) Selektionsprozess: Auswahl der Emotionsregulations-strategie aus vorhandenem persönlichen Repertoire; 6) Evaluation der Effektivität der Emotionsregulation (Barnow, 2020, S.13).
Kritisch anzumerken ist, dass in den Konzepten zur Emotionsregulation vorwiegend kognitive Vorstellungen mit Betonung des Appraisals Verwendung finden. Daneben wäre stärker auch die körperliche Erfahrungsebene von Emotionen (Embodiment, verkörperte Kognition) zu berücksichtigen (Fuchs, 2020, S.20). Dabei sind auftretende körperliche Phänomene nicht nur als Ausdruck der jeweils ohnehin stattfindenden Kognitionen zu verstehen, sondern beeinflussen ihrerseits auch die auftretenden Emotionen, was als Konzept der leiblichen Resonanz formuliert wurde: „Interozeptive, propriorezeptive und kinästhetische Empfindungen sind keine bloßen Begleiterscheinungen, sondern konstitutiv für Emotionen. (…) Diesen Empfindungen entsprechen auf der einen Seite Aktivierungen des autonomen Nervensystems (…), andererseits auch muskuläre Spannungen, körperliche Haltungen, Bewegungen und entsprechende Empfindungen.“ (Fuchs, 2020, S.21).
Fuchs hebt dabei Gesicht, Brust- und Bauchraum als besonders bedeutsame Felder leiblicher Resonanz hervor (Fuchs, 2020, S.21). Eine solche Sicht ist möglicherweise auch ein Verstehensansatz für die Wirksamkeit der Klopftechniken; auch könnte ein derartiges Konzept für ein Verständnis der Emotionsregulation bei Essstörungen einen erweiterten Verständnishorizont bieten.
c) Essstörungen
Entgegen einer durch die deutschsprachigen Bezeichnungen (Magersucht, Ess-Brech-Sucht) naheliegenden Deutung sind Essstörungen keine Suchterkrankungen, wenn auch Substanzmissbrauch bzw. Substanzabhängigkeitserkrankungen komorbid vorliegen können (Schweiger, 2015b).
Neben den Leitsymptomen spielen beobachtbares Essverhalten, Aufmerksamkeitslenkung, sogenanntes Checking-Behavior und spezifische kognitive Prozesse sowie besonders auch maladaptive Formen der Emotionsregulation eine wichtige Rolle. Essstörungen sind durch eine hohe Mortalität von bis zu 5,9% charakterisiert, die jeweils konkreten Formen lassen sich als Ausprägungen eines Spektrums verstehen, dessen eines Ende die Anorexia nervosa, das andere die Binge-Eating-Störung darstellt und dessen übergeordnete Definition lautet: Erkrankungen, die ernsthafte Störungen in der Ernährung verursachen, vor allem wegen ihres gefährlich unangepassten Umgangs mit Lebensmitteln (Weir, 2016).
Man unterscheidet auf dem Spektrum der Essstörungen seit Erscheinen des DSM-5 drei Haupttypen (Föcker et al., 2015):
1.) Anorexia nervosa (AN)
Leitsymptom der AN ist das durch Einschränkung der Ernährung selbst herbeigeführte Untergewicht (Fumi, 2018), wobei das Körpergewicht entweder 15% unterhalb des erwarteten BMI liegt oder ein BMI 17,5 vorliegt. Außerdem zeigen sich selbst induziertes Erbrechen sowie übermäßige körperliche Aktivität/Bewegung und eine Körperschemastörung. Beim restriktiven Typ stehen von diesem Symptomen die reduzierte Kalorienzufuhr und exzessive körperliche Aktivität im Vordergrund, während der Binge-/Purging-Typ zusätzlich eine bulimische Symptomatik zeigt. Die AN wird heute als endokrine Störung auf der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse verstanden. Sie ist mit einer hohen Mortalität verbunden, diese liege „zwischen 0.5 und 1% pro Erkrankungsjahr“ (Zipfel et. al., 2015, S.69). Die Punktprävalenz der Erkrankung beträgt für Frauen von 15-35 Jahren ca. 0.5%; das Verhältnis von Frauen und Männern bei der Erkrankung beträgt 10:1 (Fumi, 2018).
2.) Bulimia nervosa (BN)
Leitsymptom der BN sind wiederkehrende Heißhungerattacken und Essanfälle, bei denen eine große Menge an Nahrung in sehr kurzer Zeit aufgenommen wird, was von den Betroffenen als Kontrollverlust wahrgenommen wird (Fumi, 2018). Außerdem zeigt sich eine andauernde gedankliche Beschäftigung mit Essen. Auch hier gibt es zwei Untertypen: Beim Purging-Typ folgt auf die Essanfälle ein gegensteuerndes Verhalten durch selbst hervorgerufenes Erbrechen oder Einnahme von Abführmittel. Beim non-Purging-Typ finden sich im Anschluss an die Essanfälle restriktives Essverhalten sowie exzessive körperliche Aktivitäten. Die Punktprävalenz für BN liegt für Frauen von 15-35 Jahren mit 1-2% höher als bei AN; das Verhältnis von Frauen und Männern bei der Erkrankung beträgt 20:1 (Fumi, 2018).
3.) Binge-Eating-Störung (BED)
Bei der BED, die erst mit DSM-5 als eigenständiges Krankheitsbild im Rahmen der Essstörungen erscheint (Föcker et al., 2015), zeigen sich, ähnlich wie bei BN, als Leitsymptom Essanfälle, verbunden mit dem Gefühl, die Kontrolle über das Essverhalten zu verlieren. Dabei treten gemeinsam mit den Essanfällen mindestens drei nachfolgende Symptome auf: wesentlich schneller essen als üblich; bis zu einem unangenehmen Völlegefühl essen; große Mengen Nahrung essen, obwohl man sich nicht hungrig fühlt; aus Scham alleine essen; Ekel gegenüber sich selbst; Depressivität und/oder Schuldgefühle wegen übermäßigen Essens. Der Unterschied zur BN besteht darin, dass es kein gegensteuerndes Verhalten der betroffenen Personen gibt. Diese sind meist übergewichtig bis adipös, was zu weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. Für diese Störung liegt die 12-Monats-Prävalenz bei Erwachsenen für Frauen bei 1.6 %, für Männer bei 0.8 %. Im Unterschied zu den meisten anderen Essstörungen ist hier der Anteil der erkrankten Männer deutlich ausgeprägter (DGPM, 2018, S.7). Als Lebenszeitprävalenz wird für diese Störung bei erwachsenen Frauen ca. 2.8%, bei erwachsenen Männern 1,4% angegeben (Wyssen & Munsch, 2018, S.314). Der Verlauf unterscheidet sich dabei zwischen den Geschlechtern kaum, 70% der BN und BED remittieren langfristig, etwa 15% der Patientinnen und Patienten weisen auch nach 10 Jahren noch eine behandlungsbedürftige Essstörung auf (Quadflieg & Fichter, 2015, S.68f.).
Essstörungen neigen unbehandelt zur Chronifizierung und weisen hohe Komorbidität auf. Dabei treten medizinischen Störungen und psychische Erkrankungen auf, vor allem affektive Störungen, Angst- oder Zwangsstörungen, Traumafolgestörungen sowie Substanzmissbrauch und Abhängigkeitsstörungen (Sipos et al., 2017). Schweiger (2015a, S.41) betont, dass eine Essstörungsdiagnose selten eine Ausschlussdiagnose darstelle und entsprechende differenzialdiagnostische Überlegungen notwendig seien.
Mit 31-97% ist der Anteil von Patientinnen, die neben ihrer Essstörung auch die Lebenszeitdiagnose einer Major Depression oder Dysthymie zeigen hoch. Auch Angststörungen kommen bei 35-70% der Patientinnen mit Essstörungen vor. Die Prävalenz eines komorbiden Substanzgebrauches bzw. einer Substanzabhängigkeit bewegt sich zwischen 3-52% (Schweiger, 2015b, S.158f.).
Sheehan & Herman (2015) weisen darauf hin, dass BED-Erkrankte neben kardiovaskulären Störungen häufiger auch Depressionen und Angsterkrankungen aufweisen.
Succurro et al. (2015) stellten in einer Studie an n=115 übergewichtigen und fettleibigen Teilnehmenden fest, dass BED-Patientinnen und Patienten ein ungünstiges metabolisches und inflammatorisches Profil aufwiesen, bei dem die Werte für High-Density-Lipoproteine signifikant niedriger und die Werte für glykiertes Hämoglobin (p < 0,01), Harnsäure (p < 0,05), Erythrozytensedimentationsrate (p < 0,001), hochempfindliches C-reaktives Protein (p < 0,01) wie auch die Anzahl der weißen Blutkörperchen (p < 0,01) erhöht waren. Höhere Nüchterninsulinwerte (p < 0,01) und eine höhere Insulinresistenz (p < 0,01) wurden ebenfalls beobachtet. Die Autoren sehen die ermittelten Werte im Zusammenhang mit dem charakteristischen Essverhalten der Studienteilnehmenden und deutlich erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
d) food-craving
Unter food-craving versteht man Verhalten, das besonders der Bulimia nervosa und der Binge-Eating-Störung zu Grunde liegt und sich in Form eines subjektiv unabwendbar empfundenen Verlangens nach Nahrungsaufnahme oder nach einer bestimmten Art oder Menge von Nahrung äußert, unabhängig von tatsächlich vorhandenem Energie- oder Nährstoffdefizit des Körpers.
Richard et al. (2017) stellten fest, dass nahrungsbezogenes Denken, food-craving und tatsächlicher Konsum von Nahrung im täglichen Leben stark miteinander verbunden erscheinen und von der Mehrheit der Menschen regelmäßig erlebt werden. Sie fanden dabei jedoch interindividuelle Unterschiede in Häufigkeit und Intensität, insbesondere bei Menschen, die food-craving nicht nur als vorübergehenden Zustand erleben („state food-craving“), sondern als regelmäßiges Erleben im Sinne einer Eigenschaft der Person („trait food-craving“) (Richard et al., 2017, p.216).
Zusammenhänge hoher Ausprägungen des food-craving bestehen mit Übergewicht, Adipositas und allgemein pathologischem Essverhalten. Food-craving kann als zentraler Ansatzpunkt für therapeutische Interventionen in diesem Bereich angesehen werden (Meule, 2014).
1.2. Klopftechniken: Vorgehensweise und Wirkhypothesen
Die Entwicklung der Klopftechniken (dargestellt nach: Bohne, 2021) begann mit dem Beklopfen von Akupunkturpunkten zur Behandlung körperlicher Beschwerden und Stress durch Goodheart. Er strebte eine somatische Verarbeitung psychischer Reize an, für die er die Anfangs- und Endpunkte der Energiebahnen (Meridiane) aus der traditionellen chinesischen Medizin nutzte. Die Integration dieser Klopfakupressur in psychotherapeutische Verfahren erfolgte durch Callahan und Diamond, die ein sehr genaues Protokoll in Art und Reihenfolge der zu stimulierenden Punkte sowie deren Zuordnung zu bestimmten Symptomen entwickelten. Die so entstandene Vorgehensweise wurde unter dem Begriff Thought-Field-Therapy (TFT) vermittelt (Callahan, 1985). Später entwickelten sich Varianten, die auf Veränderungen im Ablauf basieren. Bedeutsam erscheint davon die Variante von Gallo. Dieser integrierte die Arbeit an dysfunktionalen Kognitionen und unbewusster Abwehr in das bisherige System und nannte seinen Ansatz Energy Diagnostic and Treatment Methods (EDxTM); für eine aktuelle Darstellung siehe Gallo, 2005, pp.147-170.
Gemeinsam ist den Klopftechniken ein einfaches, stark strukturiertes Vorgehensmodell: Sie lassen Patientinnen und Patienten eine rhythmische Selbstberührung an festgelegten Akupunktur- bzw. Akupressurpunkten durchführen, während Stress, Angst, Ärger, Hilflosigkeit oder andere unangenehme Gefühle wie Scham, Ekel etc. aktuell auftreten oder fokussierend aufgerufen und imaginiert werden. Dazu kommen laut auszusprechende Selbstakzeptanzaffirmationen in Verbindung mit multiplen bilateralen Stimulationen.
1.2.1. Emotional Freedom Techniques
Craig veränderte das System der ursprünglichen Thought-Field-Therapy (TFT) Callahans. Unabhängig von auftretender Symptomatik nahm er sämtliche Meridiane in den Klopfablauf auf, anstatt sie symptomspezifisch anzusteuern. Sein auf diese Weise stark vereinfachtes System nannte er Emotional Freedom Techniques (EFT) und ergänzte es um Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und der Expositionstechniken. Er hielt jedoch weiter an den energetischen Erklärungsmodellen fest (Pfeiffer, 2018; Bohne, 2021). Das Modell Craigs wurde insbesondere durch seine einfache Anwendbarkeit sowie den Verzicht auf jede, beim Ansatz Callahans noch notwendig vorausgesetzte diagnostische Vorkenntnis populär, da es schneller zu erlernen war und sich auf diese Weise auch zur Selbsthilfe eignete.
Der typische Ablauf wird in einem „Mini Manual“ (Church, 2012) zusammengefasst: Zunächst wird im Sinne eines focusing-ähnlich festgestellten situativen Körpererlebens die zugrunde liegende Emotion einer Körperregion zugeordnet und anschließend ein SUD-Wert (Subjective Units of Distress) zwischen 0 und 10 bestimmt. Danach wird eine mit einer angenommenen Polarität des Menschen verbundene „psychologische Umkehr“ korrigiert (Church, 2012, p.26). Dies geschieht mit Hilfe einer mehrfach ausgesprochenen Affirmation, die durch Klopfen an der Handkante begleitet wird. Es erfolgt die mehrfache Stimulation der Akupunkturpunkte, wobei durch begleitend ausgesprochene Sätze oder Satzteile das zu beklopfende negative Gefühl aufrecht erhalten wird. Am Ende des Klopfdurchgangs wird erneut der SUD-Wert bestimmt. Es folgen Wiederholungen des Klopfens, bis der SUD-Wert bei 0 liegt. Falls das nicht eintritt, bietet das Manual entsprechende Anpassungen der Affirmation an, diese erscheinen dann kleinschrittiger (Church, 2012, p.37). Auf die besondere Bedeutung der Fokussierung auf möglichst detailliertes und konkretes emotionales Erleben wird hingewiesen, die Patienten werden ermutigt, das erlernte Klopfen als Selbsthilfeübung bei Bedarf in ihren Lebensalltag zu integrieren.
1.2.2. Prozess- und Embodimentfocussierte Psychologie
Dieser Ansatz ist eine Weiterentwicklung der amerikanischen Ansätze. Bohne nannte ihn zuerst „Prozessorientierte Energetische Psychologie“, die heutige Bezeichnung lautet „Prozess- und Embodimentfocussierte Psychologie“. Mit dem Begriff „Embodimentfocussiert“ will Bohne dabei auf die bidirektionale Wechselwirkung von Körper und Psyche hinweisen, aus welcher die Notwendigkeit erwachse, das körperliche neuronale Netzwerk für die Emotionsregulationsprozesse konsequent miteinzubeziehen (Bohne, 2021, S.16f.). Gegenüber den Erklärungsmodellen der Emotional Freedom Techniques fällt der Verzicht auf umfassende Heilungsversprechen und Erklärungsmuster, insbesondere durch Verlassen des energetischen Paradigmas, sowie die Orientierung an psychotherapeutisch etablierten Standards der Beziehungsgestaltung und an wissenschaftlicher Akzeptanz der Vorgehensweise auf (Hofer-Moser, 2015).
Bohne entwickelte sein Modell, indem er die ursprünglichen Konzepte durch Berücksichtigung sogenannter Lösungsblockaden (Selbstvorwürfe, Fremdvorwürfe, Erwartungen an andere, Altersregression und parafunktionale Loyalitäten) erweiterte. Für deren psychodiagnostische Abfrage und Transformation entwickelte er den Kognitions-Kongruenz-Test, der durch das Aussprechen bestimmter Sätze und damit verbundener Kognitionen und Emotionen, die mittels Klopfen bearbeitet werden, charakterisiert ist. Zusätzlich integrierte er Vorgehensweisen aus etablierten psychotherapeutischen Verfahren wie genaue Klärung der Patientenanliegen, Auftragsklärung, Lösungsorientierung, und psychotherapeutische Beziehungsgestaltung (Bohne, 2019 und 2021). Damit arbeitet der Ansatz der PEP sowohl an parafunktionalen Emotionen im Sinne von Selbstberuhigung und des Erlebens von Selbstwirksamkeit durch das Klopfen der Akupunkturpunkte als auch an para- bzw. dysfunktionalen Beziehungsmustern im Sinne von Selbstakzeptanz, Selbstliebe und Selbstfürsorge durch die Bearbeitung der Lösungsblockaden und deren Kognitionen.
Obwohl der eigentliche Klopfvorgang der EFT ähnelt, ist er in diesem Konzept lediglich ein Baustein von mehreren, wodurch sich differenziertere Interventionsmöglichkeiten in der therapeutischen Anwendung ergeben. Unterschiede gegenüber dem EFT-Vorgehen bestehen darin, dass aus der einleitenden Korrektur der psychologischen Umkehr eine Selbstbestätigungsübung geworden ist, die eine andere Stimulation in Form einer kreisenden Druckbewegung des sogenannten Selbstbestätigungspunktes im Zusammenhang mit einer positiven Affirmation verwendet. Außerdem wurden neben dem Kognitions-Kongruenz-Test auch Übungen zur Konzentration und Entspannung eingefügt sowie, zur Unterbrechung der Klopfvorgänge Augenbewegungen und Summen/Zählen. Patienten werden ebenfalls angeregt, die Klopfübungen im Sinne der Selbsthilfe in den Lebensalltag zu integrieren. Die Wirkungen des Ansatzes der Prozess- und Embodimentfocussierten Psychologie Bohnes reichen dabei „je nach Blickwinkel und je nach Anwendungsfeld von innovativer und hilfreicher Zusatztechnik bin hin zur eigenständigen Methode“ (Bohne, 2021,S.32f).
Insgesamt fällt die Anschluss- und Integrationsfähigkeit des Ansatzes an bestehende psychotherapeutische Konzepte auf. Bohne bezeichnet seine Methode metaphorisch als psychotherapeutischen Brühwürfel (Bohne, 2019 und 2021), was eine integrierende Verdichtung bereits vorhandener Methoden meint.
1.3. Wirkung der Klopftechniken
Klopftechniken wirken vor allem emotionsregulierend, was ihre von allen Autoren beschriebene hohe und schnelle Wirksamkeit bei Angststörungen und Phobien wie auch bei posttraumatischen Störungen erklärt. Eschenröder beschreibt die Wirkung aus kognitiv-verhaltenstherapeutischer Perspektive mit der Gleichung „Energetische Psychotherapie = Exposition + multiple sensorische Stimulierung + kognitive Umstrukturierung“ (Eschenröder, 2014, S.151).
An anderer Stelle spricht er davon, dass die Klopftechniken auf „Kombination von wiederholter kurzfristiger imaginativer Konfrontation, sensorischer Stimulierung und kognitiver Umstrukturierung“ beruhen (Eschenröder, 2018, S.675).
Anfangs wurde die Wirkung des Klopfens vor allem durch Einzelfallstudien belegt, die neben der Frage nach Wirkungen vor allem auch die Frage nach der Integration in etablierte Verfahren der Psychotherapie in den Blick nahmen und entsprechende Kompatibilität nachweisen wollten. Diesen Veröffentlichungen kommt jedoch eine geringe Aussagekraft zu, sie stellen keinen empirischen Nachweis einer Wirksamkeit der Methode dar. Die Berichte über Erfolge des Klopfens wurden in einigen Veröffentlichungen als Placebo-Effekt bezeichnet, die dahinterstehende Methodik als pseudowissenschaftlich, die sie anwendenden therapeutischen Praktiker als Eklektizisten mit mangelndem Verständnis von Evidenzbasierung und einer eher von „magischen Vorstellungen im Bereich der Gesundheit“ (Bördlein, 2013, S.4) geprägten Arbeitsweise.
Zur Wirkung der Klopftechniken existierten zunächst mehrere Wirkhypothesen unterschiedlicher Aussagekraft, die in Anlehnung an Bohne (2010 und 2021) wiedergegeben werden:
a) Energetische Wirkhypothese („Meridiansystem“)
Diese ursprüngliche Wirkhypothese der Klopftechniken geht von einem im System der traditionellen chinesischen Medizin als notwendig erklärten Energiefluss über Meridiane aus, der über Stimulation der Akupunkturpunkte beeinflussbar sei, indem Blockaden oder Dysbalancen beseitigt würden. Aus derzeitigen Modellen westlicher, evidenzbasierter Medizin lassen sich jedoch kaum Anhaltspunkte für eine derartige Hypothese finden.
Eschenröder (2014 und 2018) hält das energetische Paradigma mit gegenwärtigen wissenschaftlichen Methoden für nicht überprüfbar. Anstelle von Meridianen und exakt lokalisierbaren Akupunkturpunkten scheint es sich um reaktive Areale zu handeln, deren Stimulation für die Wirkungen verantwortlich ist (Bohne, 2010, S.79; ähnlich 2021, S.98), eine Wirksamkeit tritt auch auf, wenn man nicht die exakten Punkte beklopft sondern lediglich mehr oder weniger nah daran liegende Bereiche des Körpers. Dazu könnten auch piezoelektrische Effekte innerhalb der Knochen beitragen, da die zu beklopfenden Akupunkturpunkte sich jeweils über Knochengewebe befinden, welches durch das Klopfen einer mechanischen Stimulation unterliege und die auftretende mechanische Energie in elektrische Impulse umwandle (Bohne, 2021, S.95). Die EFT hält an der energetischen Wirkhypothese fest, während PEP sowie andere Ansätze des Klopfens davon abgerückt sind.
b) Hypothese positiver Kontroll-, Selbstwirksamkeit- und Selbstwerterfahrung
Grawe (2004) beschrieb die Vermittlung positiver Kontrollerfahrungen sowie selbstwerterhöhender Erfahrungen als Wirkfaktoren einer psychotherapeutischen Behandlung; die Wirksamkeit eines psychotherapeutischen Verfahrens hänge wesentlich am vermittelten Ausmaß bedürfnisbefriedigender Erfahrungen. Gemäß seiner Konsistenztheorie ist grundsätzlich ein Streben nach Konsistenz bezüglich der neuronalen und psychischen Prozesse anzunehmen. Wenn die vier von ihm vorgestellten Grundbedürfnisse Orientierung und Kontrolle, Lustgewinn/Unlustvermeidung, Bindung und Selbstwerterhöhung nicht oder nicht ausreichend erfüllbar seien, entwickeln Menschen zur Reduktion der auftretenden Inkonsistenzspannung zunächst verhaltensbestimmende motivationale Ziele/Schemata. Dabei unterscheidet Grawe Annäherungsziele, die zur Befriedigung der Grundbedürfnisse entwickelt werden, von Vermeidungszielen, die der Sicherung und dem Schutz der Grundbedürfnisse dienen. Den Zustand nicht befriedigter motivationaler Ziele bezeichnet er als Inkongruenz, welche durch die positive Erfahrung von Orientierung und Kontrolle sowie Selbstwerterhöhung reduziert werden könnte (Grawe, 2004).
Nach Bohne gehen die Klopftechniken davon aus, dass die Behandelten durch die eigene Aktivität beim Klopfen einen wesentlichen Beitrag zur Symptombeseitigung leisten könnten, was im Sinne einer Kompetenzzuschreibung zu verstehen sei (Bohne, 2010, S.75 und 2021, S.93). Auch die Selbstbestätigungsaffirmationen seien in dieser Richtung wirksam. Insgesamt könnten die Klopftechniken als Befriedigung der von Grawe genannten Grundbedürfnisse und somit als positive Erfahrungen der Behandelten bezüglich ihrer motivationalen Ziele aufgefasst werden und in diesem Sinn eine Reduktion von Inkongruenz bewirken.
c) Neurobiologische Wirkhypothese
Diese Wirkhypothese arbeitet mit der Annahme neuronaler Plastizität als grundsätzlicher Fähigkeit des Gehirns, in Abhängigkeit von äußeren oder inneren Einflüssen Nervenzellen, Synapsen und Hirnareale zu verändern oder zu reorganisieren (Karnath & Thier, 2012, S.813). Die Aktivierung unterschiedlicher neuronaler Zentren in kurzer Zeit durch bifokal-multisensorische Reize wirke dabei perturbierend auf Erlebnisverarbeitung und Reorganisation der neuronalen Netzwerke und würde zur Bildung entsprechend veränderter Netzwerke beitragen (Bohne, 2010, S.74). Für sein weiterentwickeltes Modell hält Bohne fest:
Während die Behandlung belastender Emotionen vermutlich direkt auf die emotionsverarbeitenden Bereiche des Gehirns, das limbische System, hier vor allem die Amygdalae und vermutlich auf den anterioren cingulären Kortex (ACC) zu wirken scheint, zielt die Behandlung der dysfunktionalen Beziehungsmuster und Glaubenssätze durch Selbstakzeptanzaffirmationen eher auf sprachassoziierte, bewusstseinsfähige und motivationale, also cortikale (vor allem wohl dorsolaterale präfrontale und orbitofrontale) Strukturen. (Bohne, 2010, S.73).
d) Embodimentfocussierte (haptisch-taktile) und neurohumorale Wirkhypothese
Diese Wirkhypothese beinhaltet die Vermutung, „dass durch das Klopfen die Endorphinsekretion und gegebenenfalls die Sekretion von Serotonin im limbischen System zu einer Veränderung des emotionalen Erlebens führen“ (Bohne, 2010, S.74).
Andrade, der mit Bifocal Multi-Sensory Activation (BMSA) eine eigene Variante der Klopftechniken begründete, beschreibt den Vorgang des Klopfens als „neurohumorale Aktivierung durch multisensorische Stimuli“ (Andrade, 2012, S.133) gemäß zweier Komponenten: zum einen fokussierende Reaktivierung der Erinnerung, durch welche diese erst zugänglich und bearbeitbar wird, zum anderen eine zeitgleich stattfindende sensorische Überladung, durch die afferent modulierte Signale gesendet werden, die zwar sensorische Signale darstellen, jedoch keine spezifische emotionale Bedeutung haben. Diese Signale würden zu einer Desorganisation der mit der Erinnerung verbundenen emotionalen Muster führen und die Kopplung zwischen Auslöser und Reaktionsmuster aufheben.
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- Citar trabajo
- Christian Ott (Autor), 2021, Emotionsregulation durch bifokal-multisensorische Techniken am Beispiel von Essstörungen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1223610
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