“Seitdem ich zuletzt schrieb, habe ich auch angefangen, fleißig zu studieren. Ihr seid gewiß entsetzt, aber denkt Euch, ich gehe mit einer jungen Italienerin, mit der ich deutsche und italienische Stunden austausche, auf die…Universität!” Was Anna Vietor 1888 in einem Brief voller Begeisterung als ein außerordentliches Phänomen ihrer Familie mitteilt, fügt sich heute selbstverständlich in den universitären Alltag. Dass jedoch das Frauenstudium in Deutschland seit kaum 100 Jahren möglich und noch Mitte des 19. Jahrhunderts das Erlangen des Abiturs für Mädchen im Allgemeinen undenkbar gewesen ist, da sie ihr Glück in “ …der […] “natürlichen Bestimmung” der Frau zur Hausfrau, Gattin und Mutter…” zu finden hatten, das soll hier verdeutlicht werden.
Diese Ausarbeitung wird sich insbesondere mit jenen Prämissen beschäftigen, unter welchen im 19. Jahrhundert die Unterrichtung weiblicher Personen an deutschen Schulen stattgefunden hat und somit einen groben Überblick über anfängliche Leitlinien und Hintergründe darstellen, die zur damaligen Zeit die Mädchenbildung prägten. Vor allem möchte ich in diesem Zusammenhang hervorheben, wie die Lerninhalte dieser Zeit mit der späteren Hausfrauenrolle der Mädchen korrespondierten und darauf vorbereiten sollten. Aufgrund des beschränkten Umfangs werde ich allerdings die häusliche Bildung weiträumig umgehen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Definition von “Frauenbildung” im 19. Jahrhundert
3. Funktionen der Mädchenbildung
3.1 Hausfrau, Gattin und Mutter - die Erschaffung eines Ideals
3.2 Biologistischer Unterbau
3.3 Die Aufgaben der “Weibsbildung”
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
6. Internetquellen
1. Einleitung
“Seitdem ich zuletzt schrieb, habe ich auch angefangen, fleißig zu studieren. Ihr seid gewiß entsetzt, aber denkt Euch, ich gehe mit einer jungen Italienerin, mit der ich deutsche und italienische Stunden austausche, auf die…Universität!”[1]
Was Anna Vietor 1888 in einem Brief voller Begeisterung als ein außerordentliches Phänomen ihrer Familie mitteilt, fügt sich heute selbstverständlich in den universitären Alltag. Dass jedoch das Frauenstudium in Deutschland seit kaum 100 Jahren möglich und noch Mitte des 19. Jahrhunderts das Erlangen des Abiturs für Mädchen im Allgemeinen undenkbar gewesen ist, da sie ihr Glück in “ …der […] “natürlichen Bestimmung” der Frau zur Hausfrau, Gattin und Mutter…”[2] zu finden hatten, das soll hier verdeutlicht werden.
Diese Ausarbeitung wird sich insbesondere mit jenen Prämissen beschäftigen, unter welchen im 19. Jahrhundert die Unterrichtung weiblicher Personen an deutschen Schulen stattgefunden hat und somit einen groben Überblick über anfängliche Leitlinien und Hintergründe darstellen, die zur damaligen Zeit die Mädchenbildung prägten. Vor allem möchte ich in diesem Zusammenhang hervorheben, wie die Lerninhalte dieser Zeit mit der späteren Hausfrauenrolle der Mädchen korrespondierten und darauf vorbereiten sollten. Aufgrund des beschränkten Umfangs werde ich allerdings die häusliche Bildung weiträumig umgehen.
2. Definition von “Frauenbildung” im 19. Jahrhundert
Da die Definition dessen, was im 19. Jahrhundert gemeinhin mit der Bezeichnung “Frauenbildung” verbunden wurde, von der heutigen Definition, die eine spezifische “Frauenbildung” dahingehend zurückweist, dass die Bildung von Mädchen und Frauen der von männlichen Personen in nichts nachsteht, stark abweicht, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass “die Bildung von Frauen und Mädchen” zwar vorgesehen war und darüber Bücher, z.B. von Karl von Raumer, verfasst worden sind, eine vollwertige, im Sinne einer - zumindest potenziell - alle Wissensgebiete umfassenden und der männlichen gleichgestellten Bildung damit allerdings nicht gemeint wurde.
Vielmehr ging es um eine “[…]“wesensgemäße” Bildung für Menschen weiblichen Geschlechts“[…][3], die das Bewältigen der “späteren Lebensaufgaben” unterstützen helfen sollte und mit der eindeutige Funktionen einher gingen, die unter 3.3 detailliert behandelt werden solle.
Darüber hinaus soll hier nur die Ausbildung bürgerlicher Mädchen Erwähnung finden, da die Bildung proletarischer Mädchen eine eigene Kategorie darstellt, die zwar mit der ersteren Anknüpfungspunkte aufweist und mittels der späteren Übertragung des bürgerlichen Frauenbildes auf eben diese Schicht auch unweigerlich mit der höheren Mädchenbildung verbunden ist, die jedoch aufgrund des stark begrenzten Umfangs dieser Arbeit kaum erwähnt werden kann.
3. Funktionen der Mädchenbildung
3.1 Hausfrau, Gattin und Mutter - die Erschaffung eines Ideals
Welchen Ursprungs genau die Idee entstammte, dass sich Frauen Männern unterzuordnen haben, wird nach wie vor in der feministischen Theorie diskutiert und soll hier auch nicht behandelt werden. Allerdings sei kurz darauf verwiesen, dass humanistische Theoretiker wie Rousseau, der den Nutzen der Frau in erster Linie darin sah, dem Mann zu gefallen, ebenso wie Descartes, dessen Trennung von Körper und Geist gerne analog auf Weiblichkeit und Männlichkeit übertragen wurde - mitunter auch nach wie vor wird -, maßgeblich an dieser Herausbildung der Geschlechterdifferenz mitwirkten.[4]
Von besonderem Interesse aber ist in dem hier dargestellten Zusammenhang, wie die stereotype Frauenrolle der Hausfrau, Gattin und Mutter im 19. Jahrhundert geschaffen und zum Ideal der Frau stilisiert worden ist.
Gab es im 18. Jahrhundert noch die vorindustrielle Großfamilie mit Hausvater und -mutter, wurde diese Gemeinschaft mit der allmählichen Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte in den verdienenden Ernährer und die Hausfrau und Mutter aufgespalten.[5]
Feministinnen wie Maria Mies bezeichnen diesen Vorgang, der unweigerlich zur Verdrängung der Frauen aus öffentlich Bereichen führte, als “Hausfrauisierung” deren Zweck u.a. darin bestand, stabile familiäre Gefüge zu schaffen, die auf privater Ebene Zufriedenheit sicherstellen sollten - nicht zuletzt, um eventuelle Unruhen im Öffentlichen, z.B. hervorgerufen durch eine schwierige Wirtschaftslage, abzuschwächen.[6] Um aber zu gewährleisten, dass die Mädchen respektive späteren Ehefrauen ebenfalls zufrieden mit ihrer Situation waren und nicht begannen an ihrer “Bestimmung zur Hausfrau, Gattin und Mutter” zu zweifeln, war es notwendig sie nicht zu überbilden, ihnen möglichst geringen Raum für schöpferische und Phantasie anregende Tätigkeiten zu lassen und auch die Einflüsse der Umwelt so spärlich als möglich zu halten.[7] Neben den spezifischen Unterrichts sowie Erziehungsmethoden, trug besonders die Biologisierung der verschiedenen “Geschlechtscharaktere”[8] zur - von wenigen Ausnahmen abgesehen - allgemeinen Akzeptanz der als natürlich betrachteten Hausfrauenrolle bei.
3.2 Biologistischer Unterbau
“Nach Männer Weise in der Wißenschaft [sic!] gründlich zu sein, darnach [sic!] könnte nur ein ganz unweibliches Mädchen streben, und nur vergebens streben, da ihr Kraft und Talent des Mannes mangelt.”[9]
Die Begründungen, welche im 19. Jahrhundert die eingeschränkte Bildung von Mädchen rechtfertigten, basieren - wie das obige Zitat verdeutlicht - in wesentlichen Teilen auf der als minderwertig bzw. minderleistungsfähig proklamierten “biologischen Ausgestaltung” von Frauen. Eine der häufig gebrauchten Erklärungen war beispielsweise das kleinere Gehirn weiblicher Personen, das sie zwangsläufig in ihrer Denkfähigkeit einzuschränken galt; ebenso diente die Figur des “zu zarten Nervenkostüms” von Mädchen oftmals als Beweis der Unfähigkeit zur höheren Bildung.[10] Diese Thesen fanden auch durch die Wissenschaft Bestätigung. So schrieb z.B. der Volkskundler Wilhelm Heinrich Riehl: “Nicht gezwungen durch äußere Unterdrückung, sondern weil sie es ihrer Natur nach gar nicht anders kann und mag, tritt die Frau unter die Autorität des Mannes. So war es seit die Welt stehet und so wird es bleiben.”[11]
In Kombination mit dieser “wissenschaftlichen” Argumentationslinie finden sich des Weiteren biblische Motive - das beginnt im Grunde genommen bereits bei der Schaffung Evas aus Adams Rippe-, welche die Minderwertigkeit der Weiblichkeit unterschreiben.
Obgleich diese Ausführungen nicht direkt selbst als Funktionen der Mädchenbildung betrachtet werden können, zeigen sie durchaus eindeutig die den Mädchen zugedachten Funktionen an, deren Erfüllung schließlich auch durch die Unterrichtsinhalte gefestigt werden sollte. Allerdings muss in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass die Biologie zwar als Begründung der schlechteren Bildbarkeit der Mädchen benutzt wurde, jedoch nichtsdestoweniger Anstrengungen unternommen worden sind, den Mädchen “Gehorsam” und “Sittsamkeit” an zu erziehen. Es ist also, auch vor den Hintergrund der bereits dargestellten Erfindung der “Hausfrau”, davon auszugehen, dass das öffentlich genutzte, biologische Motiv durchaus bewusst die Grundlage für die weitere - wie Riehl meint, am besten ewig wehrende - soziale Unterordnung der Frauen gewesen ist.[12] Mehr als es das quasi “von Beginn an” gewesen wäre , sollte die Unterordnung vielmehr zur Natur der Frau werden.[13]
[...]
[1] Anna Vietor zitiert nach: Drechsel, Wiltrud Ulrike (Hg.): Höhere Töchter: Zur Sozialisation bürgerlicher Mädchen im 19. Jahrhundert. Bremen, 2001, S. 162.
[2] Spieker, Ira: Bürgerliche Mädchen im 19. Jahrhundert: Erziehung und Bildung in Göttingen 1806 - 1866. Göttingen, 1990, S. 76.
[3] Simmel, Monika: Erziehung zum Weibe: Mädchenbildung im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main, 1980, S. 9.
[4] Vgl.: Spieker, 1990, S. 70 ff..
[5] Vgl.: Spieker, 1990, S. 47f..
[6] Vgl.: Mies, Maria: Patriarchat und Kapital. Zürich, 1990, S. 126 ff..
[7] Vgl.: Spieker, 1990, S. 48ff..
[8] Hausen, Karin, zit. nach: Spieker, 1990, S. 76.
[9] Raumer, Karl von: „Die Erziehung der Mädchen“. Stuttgart, 1853, Nachdruck: Paderborn, 1988, S. 82.
[10] Vgl.: Kleinau, Elke u. Opitz, Claudia: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Band 2: Vom Vormärz bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main, 1996, S. 301.
[11] Riehl, Wilhelm Heinrich. Zitiert nach: Spieker, 1990, S.84.
[12] Vgl.: Ladj-Teichmann, Dagmar: Weibliche Bildung im 19. Jahrhundert: Fesselung von Kopf, Hand und Herz? In: Brehmer, Ilse u.a (Hrsg.): Frauen in der Geschichte IV. „Wissen heißt leben…“: Beitr. Zur Bildungsgeschichte von Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. Düsseldorf, 1983 S. 219 ff..
[13] Vgl.: Ladj-Teichmann, 1983, S. 228.
- Citation du texte
- Nina Schumacher (Auteur), 2006, Hausfrau, Gattin und Mutter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122358
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