„Ein Produktionszentrum ist eine Anhäufung von Produktionsstandorten einer Warengruppe und/oder multipler Produkte in einem zu definierenden geographischen und chronologischen Raum“
In Bezugnahme auf diese Definition soll untersucht werden, inwieweit Produktionszentren in einem vorher definierten Raum (Germania Inferior) – und Zeit (Spätantike – Frühmittelalter) existent waren und welche Rolle sie im Bezug auf das Verhältnis Stadt zu Land gespielt haben. Die Produktgruppe „Glas“ soll in dieser Arbeit einen Schwerpunkt der Betrachtungen bilden. Dabei sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Geklärt werden soll das Verhältnis zwischen Produktionsbetrieben und der Stadt. Hierbei ist im Rheinland der Fokus auf den Kölner Raum gelegt, wo sich für die Glasproduktion entscheidende Aussagen treffen lassen, die so nicht auf den gesamten Raum des Imperium Romanum anzuwenden sind; in diesem speziellen Fall lassen sich jedoch besondere Entwicklungen beschreiben und deuten.
Bei der Auswahl des Themas und der ersten Übersicht ergaben sich folgende Fragestellungen:
- Inwieweit besteht eine Beziehung zwischen den Produktionsbetrieben einerseits und der Stadt andererseits und lässt sich diese unter Berücksichtigung historischer, klimatischer und anderer äußerer Faktoren beschreiben?
- Spielen innere Faktoren für diese Entwicklung eine Rolle?
- Ist diese Beziehung Änderungen unterworfen und welche Faktoren wirken darauf ein?
- Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der Standortwahl des Produktionsbetriebes und der Stadt als solche?
- Welche produktionsspezifischen Faktoren, wie Rohstoffverfügbarkeit und Lagerkapazität, spielen bei der Auswahl eines Standortes eine Rolle?
- In Bezug auf das Verhältnis der spätantiken Abläufe zu den frühmittelalterlichen Abläufen: Kontinuität oder Diskontinuität?
Zur Klärung dieser Fragen sollen einige Punkte genauer betrachtet werden. Das Gesamtbild lässt sich nur als vereinfachtes Modell darstellen, da eine differenzierte Betrachtung den Umfang dieser Arbeit sprengen würde. Einige grundlegende Aussagen werden sich allerdings herauskristallisieren; diese sollen dann dargestellt werden.
Inhalt
I. Einleitung
II. Definitionen
a. rohstoffintensive Waren
b. Produktionszentren
c. geographisches Arbeitsgebiet
d. Spätantike und Frühmittelalter
III. Metallwaren
a. Rohstoffe und deren Gewinnung
b. Metallwaren
IV. Töpfereierzeugnisse
V. Glaswaren
a. Glasherstellung in der Spätantike und im frühen Mittelalter
b. Glasproduktion im Bereich der CCAA
1. Prätorium
2. Eigelstein
3. Helenenstraße
4. Gereonstraße
c. Produktionsstandortwahl für die Glasproduktion in der CCAA
d. Glasproduktion im Hambacher Forst
1. Fundplatz HA 75
2. Fundplatz HA 132
3. Fundplatz HA 500
4. Fundplatz HA 382
5. Fundplatz HA 59
e. Überlegungen zur Chronologie
f. Vergleich spätantiker und frühmittelalterlicher Gläser aus dem Rheinland
g. Die soziale Stellung des Glashandwerkers in der Spätantike
VI. Schlussbetrachtung
VII. Literaturverzeichnis
VIII. Anhang: Tafeln – Abbildungen
I. Einleitung
„Ein Produktionszentrum ist eine Anhäufung von Produktionsstandorten einer Warengruppe und/oder multipler Produkte in einem zu definierenden geographischen und chronologischen Raum“
In Bezugnahme auf diese Definition soll untersucht werden, inwieweit Produktionszentren in einem vorher definierten Raum (Germania Inferior) – und Zeit (Spätantike – Frühmittelalter) existent waren und welche Rolle sie im Bezug auf das Verhältnis Stadt zu Land gespielt haben. Die Produktgruppe „Glas“ soll in dieser Arbeit einen Schwerpunkt der Betrachtungen bilden. Dabei sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Geklärt werden soll das Verhältnis zwischen Produktionsbetrieben und der Stadt. Hierbei ist im Rheinland der Fokus auf den Kölner Raum gelegt, wo sich für die Glasproduktion entscheidende Aussagen treffen lassen, die so nicht auf den gesamten Raum des Imperium Romanum anzuwenden sind; in diesem speziellen Fall lassen sich jedoch besondere Entwicklungen beschreiben und deuten.
Bei der Auswahl des Themas und der ersten Übersicht ergaben sich folgende Fragestellungen:
- Inwieweit besteht eine Beziehung zwischen den Produktionsbetrieben einerseits und der Stadt andererseits und lässt sich diese unter Berücksichtigung historischer, klimatischer und anderer äußerer Faktoren beschreiben?
- Spielen innere Faktoren für diese Entwicklung eine Rolle?
- Ist diese Beziehung Änderungen unterworfen und welche Faktoren wirken darauf ein?
- Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der Standortwahl des Produktionsbetriebes und der Stadt als solche?
- Welche produktionsspezifischen Faktoren, wie Rohstoffverfügbarkeit und Lagerkapazität, spielen bei der Auswahl eines Standortes eine Rolle?
- In Bezug auf das Verhältnis der spätantiken Abläufe zu den frühmittelalterlichen Abläufen: Kontinuität oder Diskontinuität?
Zur Klärung dieser Fragen sollen einige Punkte genauer betrachtet werden. Das Gesamtbild lässt sich nur als vereinfachtes Modell darstellen, da eine differenzierte Betrachtung den Umfang dieser Arbeit sprengen würde. Einige grundlegende Aussagen werden sich allerdings herauskristallisieren; diese sollen dann dargestellt werden.
II. Definitionen
a. rohstoffintensive Waren
Zur Erzeugung rohstoffintensiver Waren werden Rohstoffe benötigt, die sich in die Kategorien primäre und sekundäre Rohstoffe aufteilen lassen, wobei primäre Rohstoffe als solche zu definieren sind, welche im Produktionsprozess zu handelsfähigen Produkten verarbeitet werden; sekundäre Rohstoffe gehen nicht direkt in das erzeugte Produkt ein, sind aber für den Produktionsprozess unerlässlich.[1]
Die Erzeugung rohstoffintensiver Waren impliziert mehrere Probleme, mit denen sich der Erzeuger auseinandersetzen muss. So benötigt er große Margen an spezifischen primären und sekundären Rohstoffen, die über die Verfügbarkeit an den Märkten abgerufen und gelagert werden müssen sowie einen lokalen und/oder überregionalen Absatzmarkt, was eine Anbindung an ein Handelsnetz erfordert. Die Lagerung von Rohstoffen und Erzeugnissen sowie Gefahren im Produktionsprozess (z.B. Brandgefahr durch offenes Feuer) erschweren zudem oftmals die Ansiedlung in Dörfern oder Städten.
b. Produktionszentren
Als Produktionszentren definieren sich punktuelle geographische und chronologische Konzentrationen von Betrieben, welche Produktionsgüter für den regionalen Markt und für den Fernhandel erzeugen. Daher ist eine Anbindung an ein überregionales Verkehrsnetz und die Erreichbarkeit von regionalen Märkten und Fernhandelsplätzen zum Verhandeln der lokalen Erzeugnisse produzierender Betriebe einerseits und die Möglichkeit des Bezugs von primären und sekundären Rohstoffen andererseits sowie Zugriff auf Arbeitskräfte Bedingung für die Existenz von Produktionszentren; diese fallen aufgrund der genannten Bedingungen in der Regel mit Ansiedlungen unterschiedlicher Größe zusammen.
c. geographisches Arbeitsgebiet
Der zu untersuchende Raum beschränkt sich auf das Gebiet der römischen Grenzprovinz Germania inferior[2]. Ein Schwerpunkt bildet dabei die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)[3] und ihr direktes Umland sowie die Gebiete westlich der CCAA im Bereich der Rur und der Nordeifel.
Die Kriterien für die getroffene Auswahl lagen in der relativ guten Aufarbeitung sowie der Stellung der CCAA in der provinzialrömischen Glasproduktion, ferner ihre Rolle als Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum[4] mit exzellenter Anbindung an die bestehende Infrastruktur (Straßen- und Wegenetz sowie die Lage am Rhein). Im Bereich der Nordeifel finden sich Belege für die Gewinnung von Erzen und deren Verarbeitung. Das dichte Netz von Vici mit Töpfereistandorten in den römischen Nordprovinzen lässt diese nicht als Kriterium zur Auswahl zu[5].
d. Spätantike und Frühmittelalter
Die Begriffe Spätantike und Frühmittelalter sind nicht für alle geographischen Räume in Mitteleuropa pauschal anwendbar und bedürfen stets einer gesonderten Definition, um das Verständnis für historische Veränderungen in Mikroregionen begreifbar zu machen.
Für das Arbeitsgebiet Germania inferior lassen sich die Zeitintervalle wie folgt sinnvoll festlegen: In den 50er Jahren des dritten Jahrhunderts n. Chr. überschritten westgermanische Stämme[6], welche als Franken bezeichnet wurden, an mehreren Stellen den Rheinlimes und plünderten das niederrheinische Hinterland.[7] Die Einfälle hielten in den folgenden Jahrzehnten an und führten immer wieder zu Verwüstungen.[8] Als Beginn der Spätantike am Niederrhein lässt sich somit die Mitte des dritten Jahrhunderts n. Chr. definieren. Das Ende der Spätantike und der Beginn des Frühmittelalters decken sich mit dem Abzug der römischen Truppen und der vorangegangenen Einnahme Kölns um das Jahr 455 n. Chr.[9] Der Untergang von Köln wurde bereits im Jahr 355 n. Chr. eingeleitet, als es fränkischen Truppen gelang, die CCAA für zehn Monate in ihren Besitz zu bringen: „Indicabat autem Coloniam Agrippinam, ampli nominis urbem in secunda Germania, pertinaci barbarorum obsidione reseratam magnis viribus et deletam.“[10]. Von diesem Schlag hat sich die civitas nicht mehr erholen können und fiel in der Mitte des fünften Jahrhunderts n. Chr. endgültig in fränkische Hände[11]: „In illis diebus coeperunt Franci Agripinam civitatem super Renum vocaveruntque eam Coloniam, quasi coloni inhabitarent in eam. Multo populo Romanorum a parte Egidii illic interfecerunt; ipse Egidius fugiens evasit.“[12] Der Zeitpunkt der fränkischen Übernahme setzt eine historische Zäsur, welche einen neuen Zeitabschnitt einläutet und somit als Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter zu sehen ist.
III. Metallwaren
a. Rohstoffe und deren Gewinnung
Für die Erzeugung von Metallwaren wurden primäre und sekundäre Rohstoffe benötigt. Die Rolle der primären Rohstoffe nahmen Erze und Erzerzeugnisse in Form von Rohmetallen (z.B. in Barrenform) ein; als sekundäre Rohstoffe lassen sich in erster Linie Holz und eingeschränkt Kohle als Brennstoffe sowie Wasser ansprechen.[13]
Als Abbaugebiet für Erze kommt im Arbeitsgebiet der Raum zwischen Köln und Aachen sowie die Nordeifel in Frage, im gesamten Raum wurden verschiedene Erzvorkommen für Eisen, Kupfer, Blei sowie für Galmei[14] festgestellt.[15] Verschiedene, in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts durchgeführte Prospektionen im Kreis Düren, westlich von Köln, führten zu dem Ergebnis, dass sich dort Reste von 59 römischen Siedlungsstätten lokalisieren ließen; in etwa der Hälfte der untersuchten Fundplätze fanden sich Reste von Brauneisenerzschlacke.[16] Ferner fanden sich Hinweise auf Eisenerzabbau (14), Kupferabbau (2), Galmei- und Bleibergbau (jeweils 1). Es handelt sich dabei um Pingenfunde, nur in zwei Fällen fanden sich Bergwerksschächte. Hinzu kommen eine ganze Reihe von Nachweisen für Verhüttungsplätze (99), nachgewiesen durch Reste von Rennfeueröfen sowie Schlackereste. Es fehlen jedoch Hinweise auf Meiler oder Holzkohlelagerstätten, wobei ein Einsatz von Holzkohle aufgrund der benötigten Verhütungstemperaturen trotzdem angenommen werden kann; ebenso ist der Einsatz von Steinkohle möglich.[17]
Untersuchungen der Galmeigruben am Schlangenberg bei Stolberg/Rhld. liefern ein Bild des zeitlichen Ablaufs der Galmeigewinnung. Früheste Spuren der Galmeigewinnung reichen bis in das erste Jahrtausend v. Chr. zurück.[18] Anhand von begleitenden siedlungsarchäologischen Beobachtungen kann der Abbau bis zum Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. sicher nachgewiesen werden, ebenso wie für dort vorkommende Bleierze. Eine spätere Überformung des Geländes, bedingt durch neuzeitlichen Bergbau, sowie bisher unzureichende Untersuchungen schließen jedoch Bergbau in der Spätantike und im frühen Mittelalter nicht aus. Hinzuweisen sei auch noch auf Spuren von Metallgewinnung und –verarbeitung in rechtsrheinischen Gebieten zwischen Wupper und Sieg. Jene fallen chronologisch in die römische Zeit, lassen aber keine Rückschlüsse auf deren Ausbeuter zu.[19]
Allgemein wird Erzgewinnung in den linksrheinischen Revieren für die Zeit vom zweiten bis zum fünften Jahrhundert angenommen; sie ist aber noch nicht im Detail geklärt.[20] Da bisher keine Spuren auf weiter verarbeitende Betriebe vorliegen ist anzunehmen, dass das gewonnene Erz nach seiner Verhüttung als Rohmetall in die metallverarbeitenden Betriebe, z.B. in der CCAA gelangt ist. Über die Art des Handels und der Verbindung der Hütten einerseits und der Metallbetriebe andererseits lassen sich aufgrund des Forschungsstandes leider keine genaueren Angaben machen. Sicherlich wird die Erzgewinnung in fränkischer Zeit wieder aufgenommen worden sein. Durch mittelalterliche und neuzeitliche Abbauspuren sind aber konkrete montanarchäologische Aussagen kaum möglich, da frühgeschichtliche Abbauspuren vielerorts zerstört wurden.
b. Metallwaren
Das metallverarbeitende Gewerbe nimmt in der Spätantike einen bedeutenden Platz ein. Es besitzt eine Schlüsselfunktion, welche sich aus dem Umstand der Herstellung einer Vielzahl von Waren ergibt, die für zahlreiche weitere Gewerbe von größter Bedeutung sind. So werden unter anderem Werkzeuge, Waffen und auch Gerätschaften für den Agrarsektor geschaffen.
Innerhalb der CCAA gibt es vergleichsweise geringe Hinweise auf Werkstätten.[21] Wichtigstes Indiz für die Existenz solcher Betriebe sind Schmiedeschlacken, welche allerdings nur durch wenige Befunde überliefert sind. Innerhalb der Stadtmauer deutet nur der Fund eines kleinen Schmelztiegels im Bereich des Prätoriums auf eine mögliche Gießerei hin. Dieser Fund stammt entweder aus der Periode vor dem Bau des ersten Prätoriums (erste Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr.) oder aus der Zeit nach der Niederlegung (um 300 n. Chr.). Vermutlich ist eine frühe Datierung anzusetzen, da nach dem Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. keine brandgefährdeten Produktionsbetriebe mehr innerhalb der Stadtmauer nachweisbar sind. Eine Ausnahme bilden dabei verschiedene Bleihandwerker, die bis in das fünfte Jahrhundert n. Chr. im Bereich des Heumarktes nachweisbar sind.[22]
Weitere metallverarbeitende Betriebe sind extra muros im Norden, Nordwesten und im Süden nachweisbar; diese lassen sich allerdings nicht genau datieren.
Zahlreiche Hinweise für Metallverarbeitung finden sich in den vici und canabae legionis und deckten somit wohl den militärischen Bedarf an Metallerzeugnissen.[23] In der Spätantike existierten diese Formen der Besiedlung kaum noch; Siedlungskerne bildeten nun die ehem. Legionslager, in denen neben einem Teil der Restbesatzung auch die Zivilbevölkerung lebte. Tendenziell lässt sich beobachten, dass sich Metallverarbeitung am ehesten im Bereich von Siedlungen nachweisen lässt, in denen zugleich Truppen stationiert waren. Eine weitere Tendenz zeigt sich in der Spätantike in dem Phänomen der Okkupierung ehemaliger villae rusticae durch Metallhandwerker (z.B. Vettweiß-Froitzheim, Krs. Düren oder Erp, Krs. Euskirchen). Eine mögliche Deutung ist das gezielte Aufsuchen aufgegebener und zerstörter Siedlungsplätze, um das dort vorhandene Altmetall zu recyclen, bedingt durch den Einbruch des Nachschubs an abgebauten Erzen, der sich in der Spätantike im Untersuchungsgebiet abzeichnet.[24]
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Nachweise für Metallverarbeitung im Bereich der Abbaugebiete fehlen, diese aber deshalb nicht ausgeschlossen werden kann. Produktionszentren finden sich im Bereich der CCAA und in verschiedenen vici; die genauen Datierungen und Einordnungen für Aussagen über Qualität und Quantität sind allerdings aufgrund des Forschungsstandes kaum möglich. Das liegt insbesondere in der Zerstörung von Befunden im Mittelalter und der Neuzeit, bedingt durch Siedlungstätigkeiten einerseits und Nutzung der alten Abbaugebiete andererseits. Truppenstandorte werden allgemein von Metallwerkstätten begleitet, was auf den gesteigerten Bedarf des Militärs an Metallwaren zurückzuführen ist. Dabei zeigt sich gerade bei größeren Ansiedlungen, wie etwa die CCAA, dass brandgefährdete Betriebe außerhalb des eigentlichen Wohnraums anzutreffen sind. In der ausgehenden Spätantike und im beginnenden frühen Mittelalter siedeln sich Metallhandwerker in ehemaligen Siedlungen an, um durch Wiederverwertung von Altmetallen die durch Kriegshandlungen und Wirren der fränkischen Einfälle bedingten Rohstoffknappheit auszugleichen. Tendenziell werden nun Metallwaren an dezentralen Punkten für den lokalen Bedarf produziert.[25]
IV. Töpfereierzeugnisse
Die Standortwahl keramischer Werkstätten unterliegt der Beeinflussung zweier wesentlicher Faktoren. Der erste wichtige Punkt ist die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen wie Wasser, Brennstoffe und vor allem der Rohmaterialien; diese bilden die unmittelbaren Produktionsfaktoren. Ferner sind die potentiellen Absatzmöglichkeiten der erzeugten Waren von Bedeutung, sofern der Absatz der Waren über einen lokalen Markt hinaus beabsichtigt ist.
Die Gesamtanzahl der in der Germania inferior erfassten Töpfereistandorte in den vici, civitates und castra lässt auf eine Produktion von Gebrauchswaren für den lokalen Konsum schließen.[26]
Töpfereierzeugnisse sind Produkte des täglichen Bedarfs. Sie werden für unterschiedlichste Verwendungen hergestellt; Scherben und andere Gefäßreste machen in der Regel den Großteil des archäologischen Fundgutes aus. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass Töpfereibetriebe der Spätantike und des frühen Mittelalters auf lokale Tonvorkommen zugriffen. Im Westen der CCAA, unweit des heutigen Ortes Frechen, war ein besonders plastischer, kaolinhaltiger Ton verfügbar, welcher dort gewonnen und in Köln weiter verarbeitet wurde. Die ältesten Nachweise der Verwendung des Frechener Tons reichen bis in das erste Jahrhundert n. Chr. zurück.[27]
Die Töpferwarenproduktion ist im Bereich der CCAA gut fassbar.[28] Seit dem ersten Jahrhundert n. Chr. konzentrieren sich die Töpfereibetriebe im Westen extra muros. Ab der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. bildete die Gefäßkeramik einen Schwerpunkt der Produktpalette, zu der auch Terrakotten und die bekannten Kölner Jagdbecher gehörten.
Im frühen dritten Jahrhundert n. Chr. kam es zu einem gravierenden Einbruch in der Keramikproduktion der CCAA. Hierfür werden verschiedene Lösungsvorschläge angeboten, die zumeist keine befriedigenden Resultate liefern. So existieren keinerlei Belege für die These, vom Partherfeldzug zurückkehrende Militärverbände hätten die Pest in die Germania inferior eingeschleppt.[29] Ferner werden in der Literatur innere und äußere Krisen für den Produktionseinbruch verantwortlich gemacht[30] ; diese lassen sich aber für diese Zeit ebenfalls nicht nachweisen.
Wesentlich wahrscheinlicher ist eine gravierende Änderung im Bereich der ökonomischen Faktoren. So entstanden in ehemaligen Absatzgebieten der Kölner Töpfereien neue Produktionszentren zur Deckung regionaler Nachfragen. Diese Landtöpferzentren konnten vor Ort kostengünstig produzieren und ihre Waren günstiger anbieten, da in der CCAA Rohstoffe wie Ton und Holz erst eingeführt werden mussten und sich der Endpreis dadurch erhöhte; dabei darf auch der Transport der Fertigwaren zu den entfernten Märkten nicht vergessen werden. Als Beispiel kann hier das Töpferdorf Weißenthurm bei Koblenz genannt werden. Ferner wurden aus anderen Provinzen Waren eingeführt, welche die heimischen Erzeugnisse verdrängten; so setzte sich z.B. die eingeführte britannische Ware gegen die lokalen Jagdbecher durch. Umstritten ist allerdings die Abwanderung rheinischer und gallischer Töpfer nach Britannien, die sich so nicht belegen lässt.
Einige Handelskontakte brachen vermutlich auch aufgrund von Krisen in den Absatzgebieten zusammen. Zu nennen sind etwa der Aufstand des Clodius Albinus in der Gallia Belgica oder die Überfälle chaukischer Piraten im Rheinmündungsgebiet, die zwischenzeitlich zur Unterbrechung des Seehandelsweges führten.[31]
Für das dritte Jahrhundert n. Chr. ist im Bereich der CCAA nur ein Töpfereibetrieb nachweisbar; in dieser Zeit war der vorläufige Tiefstand der lokalen Produktion erreicht. Zu dieser Zeit dominierte die Ware aus umliegenden Töpferdörfern das Keramikspektrum in der CCAA. Im vierten Jahrhundert entstanden wieder leistungsfähige Töpfereien, charakteristisch für diese Zeit sind helltonige, meist glattwandige Gefäße mit roter Streifenbemalung. Allerdings brach die Großproduktion in der Mitte des vierten Jahrhunderts erneut ab und sollte sich auch nicht mehr erholen.
Für das fünfte Jahrhundert sind somit keine vergleichbar großen Töpfereibetriebe im Umfeld der CCAA mehr nachweisbar. Es dominiert nun ein neuer, aus der Eifel importierter Keramiktypus, die Mayener Ware. Diese ist bis in das Mittelalter für das gesamte Untersuchungsgebiet dominierend. Ferner zeigen sich im Frühmittelalter Tendenzen zur lokalen Produktion, wohl auch bedingt durch innere und äußere Unruhen und den dadurch immer wieder beeinträchtigten Handel.[32]
V. Glaswaren
Der Schwerpunkt meiner Betrachtungen liegt, wie schon eingangs erwähnt, bei der Betrachtung der Glaswaren, insbesondere ihrer Produktionszentren im Kölner Raum. Betrachtet werden soll dabei das Gebiet der CCAA selber sowie die Glashütten im Hambacher Forst. Dort fanden, bedingt durch den Abbau von Braunkohle im Tagebau, in den letzten drei Jahrzehnten immer wieder kleinere und größere Untersuchungen statt, welche ein differenzierteres Bild der Glasproduktion liefern können.[33]
a. Glasherstellung in der Spätantike und im frühen Mittelalter
Glas gehört zu den ältesten bekannten Werkstoffen. So finden sich seit etwa 1600 v. Chr. Glaserzeugnisse in Mesopotamien, Syrien und Ägypten. Ältere Erzeugnisse sind wahrscheinlich, lassen sich jedoch nicht exakt belegen. Natürlich vorkommende Gläser sollen hier nicht betrachtet werden.
Technisch erzeugtes Glas besteht in seinem einfachsten Aufbau zumeist aus Siliziumoxidtetraedern. Siliziumoxid wird im ungeordneten Zustand als Quarz bezeichnet und ist der häufigste Bestandteil von Strandsanden und Sandstein. Die Schmelztemperatur für Quarzsande liegt höher als 1700 Grad Celsius und ist daher ohne temperatursenkende Zumischungen kaum zu gebrauchen.[34] Der genaue technische Ablauf ist komplex und würde den Umfang dieser Arbeit sprengen. Daher sollen die Bestandteile nur kurz zusammengefasst werden.
Wichtigster Bestandteil des Glases ist Siliziumoxid in der Form von Quarzsanden, wobei grobkörnige und verunreinigte Sande für den Produktionsprozess ungeeignet sind. Sind Sande auch nur minimal z.B. mit Eisenoxid verunreinigt, erhält das erzeugte Glas eine natürliche Farbnuance (bei einem Anteil von Eisenoxid > 0,1% im Sand wird das Glas grünlich). Daher sind Vorkommen reiner Sande noch bis in das neunzehnte Jahrhundert begehrte Rohstoffe.
Als Flussmittel werden im Herstellungsprozess Alkalien benötigt. Diese kamen z.B. in den Natronseen Nordafrikas als Natursoda vor oder konnten aus der Asche von Meerespflanzen gewonnen werden (Salicornia). Pflanzenasche als Sodalieferant war in der gesamten Mittelmeerwelt bis zur Neuzeit ein unentbehrlicher Rohstoff.
Ein weiterer Bestandteil bildet Kalk, der als Härtungsmittel dient. Flusssande enthielten oftmals Kalk; dieser wurde aber vermutlich auch in Form gemahlener Meeresmuscheln beigefügt.
Als Färbemittel dienten Metalloxide; diese waren den antiken Glasschmelzern bekannt. Ferner wurden Glasreste und Produktionsabfälle mit eingeschmolzen; sie dienten einerseits als Schmelzbeschleuniger und andererseits zum Einsparen von Rohstoffen. Der Nachteil ist allerdings der Verlust der Kontrolle über die genaue Zusammensetzung der Gläser (bei zugekauften Fremdbruch).[35]
b. Glasproduktion in Bereich der CCAA
Das Glas erzeugende Gewerbe zählt zu den bekanntesten Wirtschaftszweigen in der CCAA. Drei Produktionsstandorte sind archäologisch erfasst und dokumentiert, weitere werden vermutet.[36] Hinzu kommen große Mengen an Glasfunden in der gesamten Region.[37] Dabei sind besonders die Fundstellen Luxemburgerstraße, und die Nekropolen aus dem Bereich der Jacobstraße und von St. Severin zu erwähnen. Viele der geborgenen Fundstücke sind im Römisch-Germanischen Museum in Köln ausgestellt, ebenso wie die großen Kölner Privatsammlungen Merkens und Niessen.[38]
Der Beginn der Eigenproduktion von Glaswaren wird bereits für die vorclaudische Zeit angenommen, wobei diese von syrischen bzw. jüdischen Handwerkern, die im Strom der Legionen mit in die Germania Inferior gelangten,[39] angelegt wurden und somit ein Techniktransfer stattfand, der die CCAA zu einem der bedeutendsten Glasproduktionszentren nördlich der Alpen machen sollte.
[...]
[1] So ist z.B. Sand ein primärer Rohstoff im Prozess der Glasherstellung. Brennstoffe lassen sich in der Regel den sekundären Rohstoffen zuordnen. Einige Formen der gehandelten Rohstoffe können allerdings sowohl primäre als auch sekundäre Rollen einnehmen. Dazu zählt etwa Holz; jenes kann direkt zu handelsfähigen Produkten verarbeitet werden (z.B. Löffel, Schüsseln oder etwa Baumaterial) oder als Brennstoff in der Produktion dienen.
[2] Siehe Karte I.
[3] Das heutige Köln.
[4] Vgl. Hassel/Künzl 1975, 339.
[5] Vgl. Czysz 2008, 34-37.
[6] Brukterer, Chamaver, Chattwarier und Ampsivarier.
[7] Kunow 2002, 81 f.
[8] Steuer 1980, 16f., 25f.
[9] Steuer 1980, 38.
[10] Ammianus Marcellinus 15, 8 (ed. 1940, 174): Ein Bote aber meldete: Köln, eine Stadt von bedeutendem Ansehen in Niedergermanien, sei von den Barbaren hartnäckig belagert, mit starken Kräften geöffnet und zerstört worden.
[11] Hellenkemper 2002, 461 f.
[12] Liber Historie Francorum 8 (ed. MGH Krusch 1888, 250): In jenen Tagen nehmen die Franken die Stadt Köln am Rhein und nannten sie Colonia, als ob sie wie Pächter in ihr wohnten. Viele Römer vom Anhang des Aegidius wurden getötet; Aegidius selbst konnte sich durch Flucht retten.
[13] Zur Gewinnung und Nutzung von Bodenschätzen siehe auch: Rothenhöfer 2005, 77-87, 96-99.
[14] Ein schwefelfreies Zinkerz, in römischer Zeit wichtig für die Herstellung von Messing (http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/MineralData?mineral=Galmei).
[15] Siehe Karte II.
[16] Siehe Karte III.
[17] Gechter 1993, 161 ff.
[18] Löhr/Zedelius 1980, 93-99. Fußnote 169 – 5.
[19] Wegener 1993, 169 ff.
[20] Gechter 1993, 164.
[21] Siehe Karte IV.
[22] Rothenhöfer 2005, 119 ff.
[23] Gechter 2001, 167.
[24] Rothenhöfer, 123 f.
[25] Rothenhöfer, 124 f.
[26] Rothenhöfer 2005, 125.
[27] Riedel 2002, 489; Rothenhöfer 2005, 126.
[28] Siehe Karte IV.
[29] Das Einschleppen der Pest oder einer ähnlichen Krankheit wurde bisher in der Literatur kontrovers diskutiert. Zeitgenössische historische Überlieferungen existieren nicht. Vertreter der These der Pest sind u. a. Matthias Riedel (Riedel 1982, 39; These: Eine Pestepidemie verheerenden Ausmaßes versetzte der Wirtschaft der CCAA einen schweren Schlag), Binsfeld (Binsfeld 1964, 31; These: Pest und wachsender Konkurrenzdruck führte zum Niedergang der Keramikproduktion) und Doppelfeld (Doppelfeld 1975, 67ff; These: Pest war der Auslöser für die Kölner Produktionskrise, welche auf Dauer nur den Keramik erzeugenden Betrieben geschadet hat).
[30] Als Erklärungsmuster wird hier gerne die Krise der 60er Jahre des zweiten Jahrhunderts nach Christus angeführt, die letztlich in den Parther- und Markomannenkriegen endete. Die Abwägung solcher Krisenmodelle finden sich bei Witschel 1999, 9.ff; dort wird die Frage diskutiert, inwieweit sich lokale Krisen überregional auswirken können, sowie die Übertragung von Krisenmodellen und deren Hang zu kausalen Fehlern.
[31] Rothenhöfer 2005, 147 ff.
[32] Riedel 2002, 492 f.; Röthenhofer 2005, 148, 151.
[33] Für das Untersuchungsgebiet Hambacher Forst liegen eine Vielzahl an Publikationen unterschiedlichen Umfangs vor. Erwähnenswert seien hier vorab die Publikationen von Gaitzsch (Gaitzsch 1995, 93-95; Gaitzsch 1997, 72-74; Gaitzsch 2002, 272-274), Rech (Rech 1982, 349-388), Rothenhöfer (Rothenhöfer 2005, 163-174) und Seibel (Seibel 1998).
[34] Wedepohl 1993, 3f.
[35] Seibel 1998, 21ff.
[36] Siehe Karte IV.
[37] Rothenhöfer 2005, 163.
[38] V. Saldern 2004, 594.
[39] V. Saldern 2004, 598.
- Arbeit zitieren
- Marco Chiriaco (Autor:in), 2008, Produktionszentren rohstoffintensiver Waren und die Stadt in Spätantike und Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122255
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