Die Zeit des hohen Mittelalters wird unbestritten in hohem Maße von der Persönlichkeit des Papstes beherrscht. Im 13. Jahrhundert erreicht die päpstliche Macht ihren Höhepunkt und selten fand ein Papst bei seinen Zeitgenossen fast einmütig eine so positive Beurteilung wie Innozenz III., dessen Pontifikat von 1198 bis 1216 das neue Jahrhundert einläutete. Die Zeit Innozenz’ III. und der folgenden Päpste war eine Zeit der inneren und äußeren Stärke, die die Kirche gewinnt. Das spannungsgeladene Verhältnis von regnum und sacerdotium, welches im 12. Jahrhundert in besonderem Maße durch die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Königtum geprägt war, schien sich im folgenden Jahrhundert aufzulösen. Das Anliegen des Investiturstreites – die vom Kaiser unbeeinflusste Wahl der Bischöfe – wird voll erreicht. Die Bedrohung päpstlicher Freiheit durch die Verbindung des Römischen Reiches mit Sizilien wird mit dem Tod des letzten Staufers 1268 ausgeschaltet. Auch die Ketzergefahr wird beseitigt, und das Aufkommen neuer Proteste durch die Inquisition erschwert.
Bezüglich der zunehmenden Entfremdung von der Theologie als Wissenschaft und der mystischen Gotteserkenntnis konnte ebenso vermittelnd gehandelt werden. Bereits Innozenz III. war es ein großes Anliegen, der „gefährlichen Bedrohung der Einheit und Wahrheit der Christenheit“ entgegenzuwirken. Die sich neu bildenden Orden der Franziskaner und Dominikaner bieten sich all denen an, die eine zu starke Verweltlichung und mangelnde Glaubensunterweisung als ein Übel der Zeit erkennen. Zudem stellen diese beiden Orden überragende Gelehrte der Geisteswissenschaft, die im 13. Jahrhundert zur Vollendung der klassischen Periode mittelalterlicher Geisteskultur (Hochscholastik) beigetragen haben.
Diese Hoch-Zeit pontifikaler Machtausübung, ihre geschichtlichen und theologischen Hintergründe und Auswirkungen, aber auch ihre zunehmende erneute Abschwächung im Laufe des Jahrhunderts sollen im Folgenden in Umrissen dargestellt werden. Es soll ein Überblick über die inner- und außerkirchliche Entwicklung gegeben werden, die in dieser Zeit des 13. Jahrhunderts jedoch kaum voneinander zu trennen sind. Die Rolle des Papstes sowie die Periode der Hochscholastik bilden dabei den Schwerpunkt dieser Arbeit.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Papsttum auf der Höhe seiner Macht: Innozenz III. (1198 – 1216)
3. Die Bettelorden
3.1 Die Dominikaner
3.2 Die Franziskaner
4. Die Nachfolger Innozenz’ III
5. Die Blütezeit der Scholastik und der abendländischen Universität
5.1 Die Scholastik im Überblick
5.2 Die wissenschaftliche Neuorientierung im 13. Jahrhundert
5.2.1 Wissenschaft wird neu organisiert: Entstehung der Universitäten
5.2.2 Theologische Herausforderungen
5.3 Hochscholastischer Neuansatz
5.4 Die Sünden- und Gnadenlehre im Hochmittelalter Die Bedeutung der Sakramente
6. Nachwort
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Zeit des hohen Mittelalters wird unbestritten in hohem Maße von der Persönlichkeit des Papstes beherrscht. Im 13. Jahrhundert erreicht die päpstliche Macht ihren Höhepunkt[1] und selten fand ein Papst bei seinen Zeitgenossen fast einmütig eine so positive Beurteilung wie Innozenz III., dessen Pontifikat von 1198 bis 1216 das neue Jahrhundert einläutete. Die Zeit Innozenz’ III. und der folgenden Päpste war eine Zeit der inneren und äußeren Stärke, die die Kirche gewinnt. Das spannungsgeladene Verhältnis von regnum und sacerdotium, welches im 12. Jahrhundert in besonderem Maße durch die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Königtum geprägt war, schien sich im folgenden Jahrhundert aufzulösen. Das Anliegen des Investiturstreites – die vom Kaiser unbeeinflusste Wahl der Bischöfe – wird voll erreicht. Die Bedrohung päpstlicher Freiheit durch die Verbindung des Römischen Reiches mit Sizilien wird mit dem Tod des letzten Staufers 1268 ausgeschaltet. Auch die Ketzergefahr wird beseitigt, und das Aufkommen neuer Proteste durch die Inquisition erschwert.
Bezüglich der zunehmenden Entfremdung von der Theologie als Wissenschaft und der mystischen Gotteserkenntnis konnte ebenso vermittelnd gehandelt werden. Bereits Innozenz III. war es ein großes Anliegen, der „gefährlichen Bedrohung der Einheit und Wahrheit der Christenheit“[2] entgegenzuwirken. Die sich neu bildenden Orden der Franziskaner und Dominikaner bieten sich all denen an, die eine zu starke Verweltlichung und mangelnde Glaubensunterweisung als ein Übel der Zeit erkennen. Zudem stellen diese beiden Orden überragende Gelehrte der Geisteswissenschaft, die im 13. Jahrhundert zur Vollendung der klassischen Periode mittelalterlicher Geisteskultur (Hochscholastik) beigetragen haben.[3]
Diese Hoch-Zeit pontifikaler Machtausübung, ihre geschichtlichen und theologischen Hintergründe und Auswirkungen, aber auch ihre zunehmende erneute Abschwächung im Laufe des Jahrhunderts sollen im Folgenden in Umrissen dargestellt werden. Es soll ein Überblick über die inner- und außerkirchliche Entwicklung gegeben werden, die in dieser Zeit des 13. Jahrhunderts jedoch kaum voneinander zu trennen sind. Die Rolle des Papstes sowie die Periode der Hochscholastik bilden dabei den Schwerpunkt dieser Arbeit.
2. Das Papsttum auf der Höhe seiner Macht: Innozenz III. (1198 – 1216)
Lothar von Segni, der im Alter von noch nicht einmal 38 Jahren am 8. Januar 1198 zum Papst Innozenz III. gewählt wurde, trat sein Amt im Bewusstsein göttlicher Berufung an. Dieses Vertrauen in den göttlichen Willen sowie seine ausgezeichnete theologische Bildung verliehen ihm bis zum Ende seines Pontifikates im Jahre 1216 die „viel bewunderte Sicherheit der Entscheidung und die im wesentlichen gleich bleibende Konsequenz seiner Amtsführung“.[4] Zudem besaß Innozenz III. einen ausgeprägten Sinn für die Politik, der maßgeblich zu seiner Auffassung von der Fülle der Amtsgewalt, die ihm als Papst zukam, beitrug. Von Anfang an entsprach das Pontifikat Innozenz’ III. der umfassenden Weite des Amtes mit dem Anspruch, neben geistlicher auch weltliche Herrschaft zu besitzen. Ihm war es ein Anliegen, nicht nur die römische Kirche und ihren Besitz (das patrimonium Petri), sondern die gesamte Christenheit in Obhut halten zu können. Dabei ging es ihm jedoch weniger – wie die jüngste Forschung häufiger annimmt – um Weltherrschaft und Weltbeherrschung, sondern vielmehr um die aller weltlichen Macht überlegene Würde des Papsttums. Der Papst, der nach damaliger Auffassung genauso wie die Kaiser und Könige ihre Gewalt unmittelbar von Gott erhielt, sah sich als „König unter Königen“[5] mit dem Anspruch, auch in weltliche Rechtsverhältnisse ordnend eingreifen zu können.
Wie kam es zu dieser Vorstellung von der hohen Würde des Papsttums? Die Ordnung der Christenheit war zu dieser Zeit zwei Gewalten anvertraut: der geistlichen, deren Fülle gänzlich dem Papst zukam, und der weltlichen, die einer Pluralität von Trägern (Königen, Fürsten, Magistraten) zustand. Im Hochmittelalter waren die geistliche und weltliche Gewalt jedoch eng miteinander verflochten, die auf diese Weise den Papst, dessen geistliche Gewaltenfülle unumstritten war, als den eigentlichen Monarch der gesamten Christenheit erscheinen ließen. Der Papst trug Verantwortung für die Gesamtheit der Christen (pax et iustitia).
Diese Ordnungsvorstellung führte im 13. Jahrhundert dazu, dass aus dem „Nachfolger Petri“ der „Stellvertreter (vicarius) Christi“ wurde, dessen Weisungsgewalt durch seine ihm von Gott gegebene moralische Macht das gesamte christliche Denken und Handeln beeinflusste und lenkte.
Dieser Vorstellung waren die Ziele und Anliegen Innozenz’ III. unterstellt. Wichtig waren ihm vor allem die Herstellung einer Ordnung im „Kirchenstaat“ und eine Abschirmung gegen expansive Bedrohung des Römischen Reiches von Süden und Norden. Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt seines Pontifikates strebte Innozenz III. eine Intensivierung des Kreuzzugsgedankens und die Förderung des Kreuzzugsvorhabens an, um der immer stärker und gefährlicher werdenden häretischen Bewegung entgegenzuwirken. Diese Ziele waren jedoch nicht neu, sondern durchzogen in unterschiedlichem Maße bereits alle Pontifikate des 12. Jahrhunderts. Innozenz III. greift diese Themen wieder auf. So sieht er sich als Erbe Gregor VIII. (1187), mit dem ihn auch das Ziel der Wiedervereinigung der griechischen und lateinischen Kirche sowie der Rückeroberung verloren gegangener Gebiete der Kreuzfahrerstaaten verband, um optimale Lebensbedingungen durch ein geordnetes kirchliches Dasein wiederherzustellen.
So ruft Innozenz III. im Jahre 1202 zu einem neuen (4.) Kreuzzug auf, der nach der Eroberung Konstantinopels den Anschluss der griechischen an die römische Kirche erzwang.
1209 kommt es schließlich zum Beginn der so genannten Albigenserkreuzzüge, die in Südfrankreich geführt wurden, wo die Stadt Albi einer häretischen Bewegung den Namen gab, die auch als Katharertum bezeichnet wird. Die Albigenser / Katharer waren keine Monotheisten wie die Christen: Sie glaubten zwar an Jesus, sahen in ihm aber nicht den Erlöser. Zentral war ihnen die Vorstellung zweier göttlicher Prinzipien – eines guten, geistigen und eines schlechten, materiellen (Dualismus). Die Katharer lehnten sowohl die römische Kirche als auch die Lehre von der Dreifaltigkeit ab. Ihrem Selbstverständnis nach waren sie eine schismatische Bewegung, die zwar christlich blieb, sich aber von der Kirche absetzte und eine Gegenkirche mit eigenen Bischöfen, Diakonen usw. errichtete.[6] Innozenz III. sah in ihnen Häretiker, die es zu bekämpfen galt. Bis 1229 schließlich waren die meisten Ketzer vernichtet. Einen durchschlagenden Erfolg gegenüber der sich noch weiter ausbreitenden Häresie hat das Pontifikat Innozenz’ III. jedoch nicht aufzuweisen. Seinen Nachfolgern war das Problem noch lange eine ständige und schwer zu meisternde Aufgabe.
Die Kreuzzüge können jedoch keinesfalls als Erfüllung des Pontifikatsprogramms angesehen werden. Innozenz III. plante ein Generalkonzil (4. Laterankonzil) als Zusammenfassung seiner bisherigen Reformtätigkeit, die sich in einem Gesetzeswerk fixieren und kommenden Zeiten konstruktive Impulse geben sollte. Das Konzil sollte dazu beitragen, ein für die ganze Kirche angemessenes und verpflichtendes Modell zur Erneuerung zu schaffen. So wurde die gesamte Kirche am 1. November 1215 aufgefordert, in Rom zusammenzukommen. Das Einladungsschreiben Innozenz’ III. hatte das Programm der Synode eindeutig umrissen: das Wohl der gesamten Christenheit sollte im Vordergrund stehen, innerkirchliche Reformbestimmungen sollten die Ordnung der Kirche wiederherstellen. Die Anwesenheit von mehr als 400 Bischöfen, 800 Äbten, Gesandten der Könige von Deutschland, Frankreich, England, Aragón und Ungarn bestätigte die Bemühungen des Papstes, „den päpstlichen Primat bis an die äußersten Grenzen der Christenheit zur praktischen Geltung zu bringen.“[7] Konkrete bedeutsame Themen des Konzils waren die Ansage des Kreuzzuges, die Reinheit des Glaubens und die Erneuerung der Kirchenzucht (u. a. die Vorschrift, wenigstens einmal im Jahr zu beichten und zu kommunizieren), Vorschriften für Juden (Ausgehverbot in der Karwoche, Tragen besonderer Kleidung) sowie die Lehre von der Eucharistie, wobei hier zum ersten Mal der Begriff der Transsubstantiation[8] eingeführt wurde. Zudem wurde schließlich jedwede Häresie aufs Schärfste verurteilt und Maßnahmen gegen sie formuliert und vor allem die Zusammenarbeit der geistlichen und weltlichen Gewalten bei ihrer Unterdrückung betont.
[...]
[1] Vgl. Roland Fröhlich (1980): Grundkurs Kirchengeschichte. Freiburg im Breisgau. S. 97.
[2] Hans-Georg Beck u. a. (1968): Die mittelalterliche Kirche. Vom kirchlichen Hochmittelalter bis zum Vorabend der Reformation. In: Handbuch der Kirchengeschichte. Band III. Hrsg. von Hubert Jedin. Freiburg im Breisgau. S. 170.
[3] Vgl. Hans-Georg Beck u.a.: Die mittelalterliche Kirche. S. 318.
[4] Hans-Georg Beck u. a. (1968): Die mittelalterliche Kirche. S. 174.
[5] Ebd.
[6] Vgl. Nikolas Jaspert (22004): Die Kreuzzüge. In: Geschichte kompakt. Hrsg. von Martin Kintzinger u.a. Darmstadt. S. 129.
[7] Hans-Georg Beck u. a. (1968): Die mittelalterliche Kirche. S. 209.
[8] Der Begriff der Transsubstantiation bezeichnet den Übergang von einer Substanz in eine andere. Nach diesem seit dem 4. Laterankonzil von 1215 festgelegten Begriff vollzieht sich in der katholischen Messe durch das priesterliche Wort die Wesensverwandlung von Brot und Wein in Christi Leib und Blut, wobei sie ihre äußere Gestalt beibehalten.
- Arbeit zitieren
- Tino Wiesinger (Autor:in), Dipl.-Geogr. Jan-Patrick Witte (Autor:in), 2007, Kirchen- und Theologiegeschichte von 1198 - 1303, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122106
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.