Ich werde in der vorliegenden Arbeit untersuchen, welche Probleme sich für Laudine als Herrscherin ergeben, warum sie so schnell die Ehe mit Iwein eingeht und wie sich ihre Eheabsicht und -motivation grundsätzlich von der Iweins unterscheidet, um sie als Person und damit ihr Handeln wenn auch nicht unproblematischer, so doch transparenter zu machen.
Gliederung
1. Einführung
2. Die trauernde Witwe – Herrscherin
3. Die Motivation zur Ehe
4. Geselle – Herre
5. Das Turnier
6. Die Jahresfrist
7. Der Eid
8. Die Schuld
9. Fazit
10. Literaturverzeichnis
1. Einführung
Der Iwein, Hartmanns zweiter Artusroman, ist vielfach überliefert, 15 vollständige Handschriften und 17 Fragmente beweisen seine Beliebtheit vom Anfang des 13. bis weit in das 16. Jahrhundert hinein.
Viele wissenschaftliche Arbeiten beschäftigen sich mit dem Epos, das wie Hartmanns Erstlingswerk auf alten französischen Sagenstoff zurückgreift, der von Crétien de Troyes schriftlich fixiert wurde.
Bereits der Titel des Epos’ verweist auf einen Mann, auch wenn Hartmann diesen nicht selbst gegeben hat, gibt er doch einen Hinweis auf das Rezeptionsverhalten: Viele Werke der Sekundärliteratur beschäftigen sich mit der Person des Iwein, vergleichen ihn mit dem Löwenritter Crétiens oder untersuchen Hartmanns Ritterideal.
Das Thema unseres Proseminars sind jedoch die „Frauengestalten im Mittelalter“, so möchte ich mich einer anderen Figur des Epos zuwenden, die in der Forschungsliteratur oft nur stiefmütterlich behandelt und negativ bewertet wird. Die Rede ist von der Frau, die den Mörder ihres Gatten heiratet: Laudine.
„Laudine handelte genau so, wie es ihrem Rollenverständnis entsprechen musste.“[1]
Diese These Mertens’ ist in der Sekundärliteratur nicht unumstritten, die Figur der Laudine wird in der Forschung oft als herzlose, kühl berechnende Frau dargestellt und kritisch betrachtet. Die schnelle Heirat mit dem Mörder ihres Mannes wird als unmoralisch und berechnend interpretiert „nur um die öffentliche Meinung sorgt sich Laudine noch“[2], die Zwangslage entschuldige „nicht die leicht getröstete Witwe.“[3], „Ihr haftet, in ihrem Zorn, auch in ihrer raschen Liebe, etwas Unheimliches an“[4]. Kurz: „Undurchsichtig und problematisch bleibt sie bis zuletzt.“[5]
Ich werde in der vorliegenden Arbeit untersuchen, welche Probleme sich für Laudine als Herrscherin ergeben, warum sie so schnell die Ehe mit Iwein eingeht und wie sich ihre Eheabsicht und -motivation grundsätzlich von der Iweins unterscheidet, um sie als Person und damit ihr Handeln wenn auch nicht unproblematischer, so doch transparenter zu machen.
2. Die trauernde Witwe – Herrscherin
Der Leser lernt Laudine als eine um ihren Gatten Askalon trauernde Witwe kennen, Hartmann beschreibt ihre Reaktion auf dessen Tod: „vor jâmer si zebrach / ir hâr unde diu cleider“ (V. 1310 f), die Königin leidet so sehr, dass sie sich selbst Schmerzen zufügt und in Ohnmacht fällt während sie Askalons Totenbahre folgt. Am Grab ihres Liebsten stellt sie die Frage, welchen Sinn ihr Leben nun noch habe: „waz sol ich, swenne ich dîn enbir? / waz sol mir guot unde lîp?“ (V. 1464 ff)
Einerseits drückt sich so die Trauer einer liebenden Frau, andererseits die existentiellen Probleme einer Herrscherin aus.
Denn nachdem sie Witwe geworden ist, ist sie nicht in der Lage ihr Land vor möglichen Angriffen zu schützen, da sie als Frau nicht waffenfähig ist. Sie muss sich also tatsächlich Sorgen um „guot unde lîp“ machen.
Lunete, ihre Dienerin, erkennt die Problematik der Situation und hat mit Iwein, der ihr am englischen Hof geholfen hatte, bereits einen neuen Ehemann und Landesverteidiger an der Hand: „vil starke ranc dar nâch ir muot / daz er herre wurde dâ.“ (V. 1786 f)
In ihrer rational-analytischen Art fordert sie ihre Freundin und Herrin auf, den Schmerz der Trauer mit Vernunft zu tragen und einen neuen Landesherren zu suchen um ihre eigene Macht zu schützen und zu erhalten. „irn welt iuwern brunnen unde daz lant / unde iuwer êre verlöuiesen, / sô müezet ir ettewen kiesen / der in iu vriste unde bewar.“ (V. 1825 ff)
Lunete wählt das Wort müezen und beschreibt so einen Zwang, darüber hinaus benutzt sie den Imperativ und fordert so ihre Herrin direkt zum Handeln auf: Es gibt für sie keine andere Alternative als die Hochzeit mit Iwein einzugehen, da er der einzige ist, der ihr Königreich verteidigen kann. Dieser Zwang wird durch den unmittelbar bevorstehenden Angriff König Artus’, von dem Lunete zu berichten weiß, noch verschärft.
Zunächst ist die Königin über Lunetes Ratschlag entsetzt und west ihn zurück, doch durch die Tragik und Dringlichkeit der Situation kann sich auch Laudine der logischen Argumentation ihrer Ratgeberin nicht entziehen, wünscht sich doch zunächst „nur“ einen Quellenhüter „daz er mînem lande / guoten vride baere / unde doch mîn man niht waere.“ (V.1914 ff)
Lunete widerspricht, indem sie bezweifelt, dass jemand die Pflicht der Landes-verteidigung ohne den Lohn der Ehe übernehmen werde, appelliert an Ehre und Herrschaft zu denken und überzeugt Laudine schließlich Iwein zu heiraten. Dieser hat ihren Mann besiegt, ist damit der bessere Kämpfer und bessere Verteidiger des Landes und des Brunnens.
Diese Argumentation muss die Herrscherin überzeugen, die Tragik der Situation liefert eine Entschuldigung für Iweins Handeln: „mîn herre wolt in hân erslagen“ (V. 2045), so konnte er gar nicht anders als sich verteidigen, „daz er sluoc, des gienc im nôt.“ (V 2050)
3. Die Motivation zur Ehe
Mit Laudine beschreibt Hartmann die Problematik einer adligen Frau, die zwischen Mariage de convenience und Mariage d’inclination nicht wählen kann, sondern so handelt, wie es ihr die Situation vorschreibt.
Die Königin hat ihren zukünftigen Gatten noch nie gesehen, „Im Augenblick kann für Laudine von persönlicher Liebe noch keine Rede sein.“[6], trotzdem erklärt sie sich – mangels Alternative – schnell mit der politischen Heirat einverstanden, nachdem sie sich vergewissert hat, dass der Mann alle Kriterien für eine gute Partie erfüllt: „hât er die geburt unde tugent / unde dâ zuo die jugent, / daz er mir ze herre zimt“ (V. 2089 ff). Sobald sie erfährt, dass es sich bei dem Mann um Iwein, den großen Ritter handelt, von dem sie schon viel Gutes gehört hat, kann sie es gar nicht abwarten ihn zu sehen.
Als Iwein seiner Königin zum ersten Mal gegenübersteht, wirft er sich ihr sogleich zu Füßen und bekennt seine Schuld und Reue, Laudine ist klar die handlungstreibende Kraft von der die Aktivität ausgeht.
Sie erklärt rational ihre Situation, man meint Lunete durch ihren Mund sprechen zu hören: „ des muoz ich in vil kurzen tagen / mir einen herren kiesen / ode daz lant verliesen.“ (V. 2318 ff) Klar und deutlich legt sie ihre Motivation offen, handelt überlegt als Herrscherin, die alles tun muss um ihr Land zu schützen.
Mehr noch, sie ergreift die Initiative indem sie – für eine Frau damals noch ungewöhnlicher als heute – selbst um die Hand des Mannes anhält nachdem sie ihm ihre Situation dargelegt hat (V. 2333) Es handelt sich bei diesem Antrag jedoch nicht um ein Liebesgeständnis, sondern um das förmliche Angebot einer politisch motivierten Zweckheirat.
[...]
[1] Mertens, S. 23.
[2] Schröder, S. 13.
[3] Ebd.
[4] Wehrli, S. 288.
[5] Cane, S. 38.
[6] Mertens, S.15.
- Citar trabajo
- Lena Otter (Autor), 2005, Laudine – "gesellin unde herrin", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122098
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