Diese Ausarbeitung ist ein Volltext-Skriptum, das als Vorlage eines Vortrags in einem Doktorandenkolleg geschrieben wurde. Dieses Skript ist KEINE Stichwortsammlung, sondern eine vollwertige "Seminararbeit".
Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die methodentheoretischen Grundlagen der Beobachtung und ihrer Variante der teilnehmenden Beobachtung. Im Wesentlichen wurde der Band „Methoden und Techniken“ von Siegfried Lamnek (1995) zu Grunde gelegt. Lamnek nimmt in seinem Grundlagenwerk Bezug zu klassischen Beispielen etablierter Forscher, diskutiert ihre Positionen und Techniken und verbindet diese mit Entwicklungen und Diskussionen, die den Quellen zu Folge einen Zeitraum von gut 60 Jahren qualitativer Forschung abdecken.
Folgende Fragen werden diskutiert: Wodurch zeichnet sich die wissenschaftliche Beobachtung aus (Kap. 1)? Wie fügt sich die Beobachtung in das qualitative Paradigma und wie lässt sich die Qualität der Methode beurteilen (Kap. 2, 3, 4)? Welche Einschränkungen sind zu berücksichtigen (Kap. 5)? Den Schwerpunkt stellt ein Überblick über die methodologischen Eigenschaften dar, der die teilnehmende Beobachtung detaillierter beschreibt (Kap. 6).
Inhaltsverzeichnis
Über diese Ausarbeitung
1 Naive versus wissenschaftliche Beobachtung
2 Teilnehmende Beobachtung aus qualitativer Sicht
3 Beobachtungsformen im Überblick
4 Güte der teilnehmenden Beobachtung
4.1 Qualitätskriterien
4.2 (Un-)Strukturiertheit – Wissenschaftlichkeit
5 Allgemeine Restriktionen der Beobachtung an sich
6 Methodologische Eigenschaften der teilnehmenden Beobachtung
6.1 Methodologische Bedingungen
6.2 Rolle des Beobachters
6.3 Beobachtungsfeld
6.4 Beobachtungseinheit
6.5 Die Beobachtung selbst
6.5.1 Wahrnehmungsfehler
6.5.2 Phasen im Feld
6.5.3 Beobachtungsschema
6.5.4 Feldzugang
6.5.5 Offen oder verdeckt?
6.5.6 Datenaufzeichnung
Literatur
Über dieses Skript
Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die methodentheoretischen Grundlagen der Beobachtung und ihrer Variante der teilnehmenden Beobachtung. Im Wesentlichen wurde der Band „Methoden und Techniken“ von Siegfried Lamnek (1995) zu Grunde gelegt. Lamnek nimmt in seinem Grundlagenwerk Bezug zu klassischen Beispielen etablierter Forscher, diskutiert ihre Positionen und Techniken und verbindet diese mit Entwicklungen und Diskussionen, die den Quellen zu Folge einen Zeitraum von gut 60 Jahren qualitativer Forschung abdecken.
Folgende Fragen werden diskutiert: Wodurch zeichnet sich die wissenschaftliche Beobachtung aus (Kap. 1)? Wie fügt sich die Beobachtung in das qualitative Paradigma und wie lässt sich die Qualität der Methode beurteilen (Kap. 2, 3, 4)? Welche Einschränkungen sind zu berücksichtigen (Kap. 5)? Den Schwerpunkt stellt ein Überblick über die methodologischen Eigenschaften dar, der die teilnehmende Beobachtung detaillierter beschreibt (Kap. 6).
1 Naive versus wissenschaftliche Beobachtung
Die Wissenschaftlichkeit einer Beobachtung resultiert grundlegend aus ihrer Verortung in einem Forschungsprozess – also aus der Stelle und dem Zweck, den sie in einer als wissenschaftlich angelegten Untersuchung einnimmt. Die Eigenschaften der Methode selbst sind somit nachrangig für die Beurteilung der Wissenschaftlichkeit (vgl. Lamnek 1995, 249). Es lassen sich definierte Kriterien benennen, die gemäß Jahoda et al. (vgl. 1966, 77) die wissenschaftliche, systematische Beobachtung von der „naiven“ Alltagsbeobachtung unterscheiden. Diese sind (1) wiederholte Prüfungen und Kontrollen, (2) systematische Aufzeichnung, (3) systematische Planung und (4) Bezugnahme auf einen bestimmten Forschungszweck.
Wiederholte Prüfungen und Kontrollen
Die Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Beobachtung ist regelmäßig zu überprüfen. Hierbei gilt, dass direkt beobachtbare Tatbestände leichter zu überprüfen sind als Sinn- und Bedeutungszusammenhänge, Motive oder Einstellungen, auf die durch die Beobachtung geschlossen wird.
Systematische Aufzeichnung
Die Systematisierung der Beobachtung dient der Vermeidung von Fehlern, die sich bei der naiven ad hoc Beobachtung einstellen können. Das Aufgezeichnete dient dem Zweck, allgemeine Urteile zu ermöglichen und nicht eine Ansammlung von Merkwürdigkeiten abzuliefern.
Systematische Planung
Aus den Kriterien der Prüf- und Kontrollierbarkeit sowie dem Erfordernis einer systematischen Aufzeichnung leitet sich die Notwendigkeit einer systematischen Vorbereitung der Beobachtung ab. Sie darf nicht dem Zufall überlassen werden, was einerseits der Forschungsökonomie andererseits der Erfüllung der erstgenannten Kriterien widerspräche.
Bezugnahme auf einen bestimmten Forschungszweck
„Die wissenschaftliche Beobachtung unterscheidet sich von der nichtwissenschaftlichen vor allem durch die Stelle und den Zweck, die sie innerhalb der miteinander zusammenhängenden Tätigkeiten erfüllt, aus denen eine wissenschaftliche Untersuchung besteht, nicht aber durch irgendeine Eigenschaft des Beobachtens selbst.“ (Jahoda et al., 1966, 77)
Wird die Beobachtung unter Einhaltung der beschriebenen Kriterien durchgeführt (diese gelten gleichermaßen im quantitativen wie im qualitativen Paradigma), können wissenschaftlich verwertbare Informationen durch die Methode der Beobachtung gewonnen werden.
2 Teilnehmende Beobachtung aus qualitativer Sicht
Lamnek (1995, 255) charakterisiert den Prototyp der teilnehmenden Beobachtung aus Sicht des qualitativen Paradigmas wie folgt: „Die prototypische Form der Beobachtung ist unstrukturiert (nicht standardisiert), offen, teilnehmend, tendenziell aktiv teilnehmend, direkt und im Feld.“ (Herv. i. O.) Die Elemente eines theoretischen Extremtypus des quantitativen Paradigmas stünden diametral zu dieser Form. Die nicht standardisierte Form der teilnehmenden Beobachtung entspricht laut Lamnek am ehesten dem interpretativen Paradigma der qualitativen Sozialforschung (vgl. ebd.). Die folgenden chronologisch geordneten Definitionen geben Aufschluss über das Wesen und wesentliche Probleme der teilnehmenden Beobachtung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Definitionen von Harder & Lindeman (1933) und Bruyn (1963) verweisen auf das Problem von Identifikation und Distanz des Forschers: „Der Teilnehmer ist einmal ein ‚objektiv’ beobachtender Forscher und zum anderen ein Mensch mit Gefühlen und Gedanken, der als Teilnehmer an den Handlungen der beobachteten Personen teilnimmt.“ (Lamnek 1995, 255) Mit dem Verhältnis von Identifikation und Distanz wird eines von zwei zentralen Problemen angesprochen. Das zweite grundlegende Problem ist die technische Schwierigkeit, das subjektiv Wahrgenommene möglichst unverzerrt zu protokollieren und einer unverzerrten Auswertung zugänglich zu machen (vgl. ebd., 257; siehe unten).
Gibt es angesichts dieser grundlegenden Einschränkungen Kriterien, die zur Qualitäts-beurteilung der teilnehmenden Beobachtung herangezogen werden können? Und können derartige Kriterien in der Praxis der Methode auch erfüllt werden?
3 Beobachtungsformen im Überblick
Die Beobachtung lässt sich anhand wesentlicher Dimensionen als wissenschaftliche Methode gestalten. Neben der Beobachterrolle als teilnehmend und nicht teilnehmend sind diese die Wissenschaftlichkeit (vgl. Kap. 1), der Grad der Standardisierung (vgl. Kap. 4.2), die Transparenz (vgl. Kap. 6.5.5), die Beobachterrolle (vgl. Kap. 6.2), der Partizipationsgrad (vgl. ebd.), der Realitätsbezug und die Natürlichkeit der Situation (vgl. Kap. 6.1). Folgende tabellarische Übersicht entstammt Lamnek 1995 (254).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die teilnehmende Beobachtung ist folglich eine Form der Beobachtung, die – in Kombination mit weiteren Ausformungen – anhand des Kriteriums der Beobachterrolle gebildet wird.
4 Güte der teilnehmenden Beobachtung
4.1 Qualitätskriterien
Die teilnehmende Beobachtung wurde bislang grob als offene und flexible Methode beschrieben. Dies bleibt natürlich nicht frei von Kritik. Hasemann bspw. bezeichnet sie als „naive anekdotische Verhaltensbeschreibung“ (1964, 816), die eher das wiedergebe, was der Forscher glaubt, beobachtet oder bemerkt zu haben. Die Ergebnisse würden von den subjektiven Einstellungen des Forschers geprägt und verzerrt, weshalb aus dieser unkontrollierten Form der Datengewinnung sachliche Feststellungen kaum möglich seien.
Friedrichs & Lüdtke zufolge könne die „vermeintlich geringe Reichweite der teilnehmenden Beobachtung“ (1971, 25) nur durch eine Standardisierung zu Gunsten höherer Validität verbessert werden. Zwar folgert Lamnek, dass dies „eine Reihe von Bedingungen voraus[setzt], welche die bisherige, allgemein gehandhabte, Anwendung der teilnehmenden Beobachtung erheblich einschränken würden und der Methodologie qualitativer Sozialforschung zuwiderlaufen“ (1995, 258), doch sollen die Qualitätskriterien nach Friedrichs & Lüdtke hier kurz vorgestellt und kommentiert werden (vgl. Friedrichs & Lüdtke 1971, 26-28).
Wiederholbarkeit
Durch Simultan- oder Parallelbeobachtung sollte dem Prinzip der Wiederholbarkeit Rechnung getragen werden. Dies lässt sich bei sozialen Situationen kaum ermöglichen, weshalb mehrere Beobachter entweder das gleiche Feld beobachten, oder aber mehrere vergleichbare soziale Felder untersucht werden.
Trennung von Forscher und Beobachter
Der Forscher hat sein Beobachtungsfeld und die Beobachtungseinheiten klar zu strukturieren, damit der Beobachter eine optimale Beobachtung durchführen kann. Um Verzerrungen durch die Subjektivität des Forschers zu vermeiden – dieser verfolgt über die gewonnenen Informationen und deren Auswertung stets ein spezifisches Ziel –, ist dieser folglich vom Beobachter zu trennen. (Anmerkung: Was wird hierdurch gewonnen? Der Beobachter, der nicht zugleich Forscher ist, ist ebenfalls ein bewusst oder unbewusst verzerrendes Subjekt.) Durch diese Trennung kann eine Distanz des Forschers bis hin zur Entfremdung gegenüber dem Forschungsobjekt resultieren.
Überschaubarkeit der Beobachtungsobjekte
Gefordert wird ein Beobachtungsfeld, das wenige verschiedene Situationen und Personen aufweist und anderen Situationen gegenüber abgeschlossen ist. Diese Forderung kann gemäß Lamnek (vgl. 1995, 258) auch vom qualitativ arbeitenden Sozialforscher geteilt werden, da dieser, im Anspruch, sein Feld ganzheitlich und systematisch zu untersuchen, stets ein überschaubares und abgegrenztes Feld auswählen wird.
Beobachtungsschema
Ein Beobachtungsschema umfasst Kategorien der Beobachtung, Indikatoren u.ä. Es ist „der Plan, der angibt, was und wie, wo zu beobachten ist. Es definiert die Zahl und Art der Beobachtungseinheiten, deren besonders relevante Dimensionen und gibt Beispiele für die Sprache, in der beobachtet werden soll“ (Friedrichs & Lüdtke 1971, 51). Unter dem qualitativen Paradigma lehnt Lamnek diesen stark an quantitativer Logik orientierten Grundsatz kategorisch ab (vgl. 1995, 283), was seiner Auffassung nach einer wissenschaftlichen, systematischen und an theoretischen Interessen und Vorstellungen orientierten Untersuchung jedoch nicht entgegensteht.
Rolle des Beobachters
Durch die Teilnahme des Beobachters – unabhängig von seiner konkreten Rolle – wird das Feld verändert. Wichtig ist daher die strategisch beste Positionierung zu finden, in der das Feld am geringsten beeinflusst und die Datengewinnung am besten gewährleistet wird. Der Beobachter hat unter den Gesichtspunkten des Feldeinflusses und des bestmöglichen Informationszugangs abzuwägen, welche Rolle für das Vorhaben geeignet ist.
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- Quote paper
- Florian Lüdeke (Author), 2009, Methodologische Grundlagen der teilnehmenden Beobachtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122049
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