Diese Hausarbeit dient dem Ziel, die Rolle und Funktion des Europäischen Parlaments in der Europäischen Union genau zu definieren und dabei die Verbindung zwischen Wählern als auch nationalen Akteuren – sowohl staatliche als auch nicht staatliche – und dem Europäischen Parlament zu untersuchen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden zunächst objektive Angaben aus Büchern, Internetseiten und Artikeln zusammengetragen und anschließend mit eigenen Aussagen und Aussagen anderer Politikwissenschaftler kommentiert.
Das Ergebnis dieser Untersuchung lässt sich klar formulieren: die Funktion des Parlaments als gesetzgebende Gewalt, demokratischer Kontrolleur und Befugter über den europäischen Haushalt ist eindeutig festgelegt, die Rolle des Parlaments hingegen verändert sich ständig. Auch wenn die Kompetenzen des Europäischen Parlaments ständig erweitert und die Legitimation kontinuierlich verbessert wird, ist seine Rolle nicht so stark, als dass der europäische Bürger sich und seine Meinung als gut repräsentiert sehen könnte. Dennoch sind dieser einzigartige Versuch und der Wille der Mitgliedsstaaten, in einem so komplexen System wie der Europäischen Union ein Parlament zu schaffen, welches sich unserem Verständnis von einem starken und repräsentativen Parlament immer mehr annähert, äußerst bemerkenswert und soll nicht herabgewürdigt werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Vorwort
II. Aufgaben des Europäischen Parlaments
1) Das Europäische Parlament als gesetzgebende Gewalt
a) Das Mitentscheidungsverfahren
b) Das Anhörungsverfahren
c) Das Zustimmungsverfahren
2) Das Europäische Parlament und die demokratische Kontrolle
a) Die Kontrolle des Europäischen Parlaments über die Europäische Kommission
b) Die Kontrolle des Europäischen Parlaments über den Ministerrat
c) Weitere Formen der demokratischen Kontrolle
3) Die Haushaltsbefugnis des Europäischen Parlaments
III. Die Bedeutung der Fraktionen für das Europäische Parlament
IV. Die Legitimation des Europäischen Parlaments
V. Die Einflussmöglichkeiten der nationalen Staaten und nicht-staatlichen Akteure
VI. Veränderungen für das Europäische Parlament bei Ratifizierung der Europäischen Verfassung
1) Änderungen in den Beschlussverfahren
2) Das neue System der Sitzverteilung
VII. Die zukünftige Rolle des Europäischen Parlaments (Schluss)
VIII. Literaturverzeichnis
IX. Zusammenfassung/ Abstract
I. Vorwort
Die Europäische Union ist weder ein Staat noch eine andere übliche internationale Organisation (Maurer/Wessels 2003: 11), so kommt auch den Organen der Union eine besondere Bedeutung zu, die nicht mit den üblichen staatlichen Institutionen vergleichbar ist. Die Aufgabe der Organe der Europäischen Union ist es, an der Schaffung einer „immer engeren Union der Völker Europas“ (Artikel 1.2 EUV) aktiv mitzuwirken. Dem Europäischen Parlament kommt dabei eine besondere Rolle zu, da es das einige direkt vom Volke gewählte Organ der Europäischen Union ist. Trotz dieser schwierigen Aufgabe war das Parlament zunächst nur mit wenigen Befugnissen ausgestattet, galt gar als „schwaches“ Parlament (Schmidt 1995: 282) und hat sich erst nach und nach zu einem systemprägenden Akteur entwickelt. Welche Funktion hat das Europäische Parlament heute? Welche Kompetenzen und Befugnisse stehen ihm zu? Ist das Europäische Parlament in der Rolle eines Parlaments des europäischen Volkes überhaupt legitimiert? Für die Rolle und Funktion des Parlaments ist allerdings auch von Bedeutung, welche Einflussmöglichkeiten sich für die Bundesrepublik und andere, nicht-staatliche Akteure bieten und inwiefern sich die Rolle des Parlaments im Falle einer Unterzeichnung der EU-Verfassung verändern würde.
Da es sich als äußerst schwierig gestaltet hat, aktuelle Bücher zu diesem sich jährlich verändernden Themengebiet zu finden, wurde bei der Ausarbeitung auch auf Artikel der Stiftung für Wissenschaft und Politik sowie auf die offizielle Internetseite der Europäischen Union zurückgegriffen. Insbesondere die Tatsache, dass andere Internetseiten sich inhaltlich stark widersprachen, zeigt, dass die Ausgestaltung des europäischen Systems äußerst umfangreich und kompliziert ist. Am Ende soll dennoch eine Antwort auf die Frage gefunden werden, welche Rolle das Europäische Parlament in der Europäischen Union einnimmt.
II. Aufgaben des Europäischen Parlaments
Das Europäische Parlament ist das einzige Organ im EU-System, dass direkt gewählt wird und dadurch den demokratischen Willen der 380 Millionen EU-Bürger repräsen-tieren soll. Seine Internationalität wird gut durch die Arbeitsorte des Europäischen Parlaments verdeutlicht: der Sitz des Parlaments befindet sich in Straßburg (Frankreich), wo die monatlichen Plenartagungen abgehalten werden, die parlamentarische Ausschüsse sowie zusätzliche Plenartagungen finden hingegen in Brüssel (Belgien) statt und das Generalsekretariat, und somit die Verwaltung, befindet sich in Luxemburg. Dem Parlament gehören zurzeit maximal 732 Abgeordnete an.
Der Ursprung des heutigen Europäischen Parlaments bestand in einer parlamen-tarischen Versammlung bestehend aus der Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Euro-päischen Atomgemeinschaft (EURATOM), in die Vertreter der nationalen Parla-mente entsandt wurden. Eine Direktwahl zu dieser Versammlung wurde 1979 eingeführt. Die Versammlung wurde erst am 1. Juli 1987 durch die in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte (EEA) zu einem Parlament. Trotz seines Namens „Parlament“ war und ist Rolle und Funktion des Europäischen Parlaments stark umstritten und Gegenstand vielfältiger Diskussionen. Zunächst nur mit wenig Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten ausgestattet, hat sich das Parlament aus seiner „Alibi“-Funktion (Maurer/Wessels 2003: 11) heraus hin zu einem zentralen Akteur im EU-System mit immer weitreichenderen Befug-nissen entwickelt, der insbesondere seine Interessensvertretung durch Diskussionen und Beratungen mit anderen Organen der EU wahrnimmt. Durch die Verträge von Maastricht (1993), Amsterdam (1999) und Nizza (2003) wurden nicht nur formale Dinge wie die Sitzverteilung im Parlament[1] reformiert, sondern auch die Rechte des Europäischen Parlaments ständig ausgeweitet.
Das Europäische Parlament hat heute drei wesentliche Aufgaben:
1. es teilt sich die gesetzgebende Gewalt mit dem Rat
2. es übt eine demokratische Kontrolle über alle Organe der EU und insbesondere
über die Kommission aus
3. es teilt sich die Haushaltsbefugnis mit dem Rat
1) Das Europäische Parlament als gesetzgebende Gewalt
Durch die direkte Wahl des Parlaments soll die demokratische Legitimierung des europäischen Rechts gewährleistet werden. Dennoch hat das Europäische Parlament keine entscheidende Gesetzgebungsfunktionen (Tömmel 2003: 78). Um diesem Missstand entgegenzuwirken, findet eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommission und Parlament in einem frühzeitigen Stadium der Gesetzgebung statt, damit sich die Positionen annähern können oder zumindest gekannt werden (Westlake 1994: 37). Die jeweiligen Positionen des Parlaments entstehen also nicht nur durch politische Abwägungsprozesse zwischen den Parteien und Parteienfraktionen, sondern auch durch Auseinandersetzung mit anderen europäischen Organen (Tömmel 2003: 124). Die Vorbereitungen für Entscheidungen des Parlaments werden in Ausschüssen getroffen, die sich auch in Unterausschüssen aufgliedern können, so dass Diskussionen im Parlament immer auf einer von den Ausschüssen erarbeiteten Grundlage stattfinden können[2].
Es gibt drei Gesetzgebungsverfahren für Gesetzesvorlagen der Europäischen Union: das „Mitentscheidungsverfahren“, das „Anhörungsverfahren“ und das „Zustimmungsverfahren“.
a) Das Mitentscheidungsverfahren
Das häufigste Gesetzgebungsverfahren ist das Mitentscheidungsverfahren nach Art.251 EGV und gilt in vielfältigen Bereichen, zum Beispiel in dem des Binnenmarktes.
Das Mitentscheidungsverfahren nach Art.251 EGV
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Wessels 2004: 103)
Das Mitentscheidungsverfahren sorgt dafür, dass die Position des Europäischen Parlaments vom Ministerrat (im Folgenden „Rat“) nicht ignoriert werden kann, da es in allen Phasen der Gesetzesfindung ein Vetorecht für das Parlament vorsieht. Dieses Verfahren sorgt für eine Stärkung des Europäischen Parlaments, da es nicht nur Gesetzesvorlagen ablehnen, sondern durch die Möglichkeit von dem Veto-Recht Gebrauch zu machen auch den Rat zu einer Kompromisslösung drängen kann (Tömmel 2003: 76). Der Nachteil dieses Verfahren liegt in dem starken Druck zur Kompromiss- und Konsensfindung, der auf den Parteien im Europäischen Parlament liegt, da ihre Veto-Position nur mit absoluter Mehrheit einsetzbar ist (Tömmel 2003: 76).
b) Das Anhörungsverfahren
Auch im Falle des Anhörungsverfahrens, das zum Beispiel bei Änderungen bestehender Verträge angewendet wird, übermittelt die Kommission ihren Vorschlag an Rat und Parlament. Offiziell bittet jedoch der Rat das Parlament sowie andere Einrichtungen wie den Wirtschafts- und Sozialausschuss[3] und den Ausschuss der Regionen[4] um ihre Stellungnahmen.
Anhörungen können sowohl obligatorisch als auch optional sein. Wenn eine Anhörung aufgrund von Rechtsgrundlagen obligatorisch ist, so kann ein Vorschlag nur dann angenommen werden kann, wenn das Parlament eine Stellungnahme abgibt. Wenn die Anhörung hingegen optional ist, kann die Kommission den Rat dazu anregen, das Parlament mit einzubeziehen. Wenn das Parlament durch den Rat konsultiert wurde, kann es in jedem Fall entweder den Vorschlag der Kommission billigen, ihn ablehnen oder Änderungen beantragen. Wenn das Parlament Änderungen fordert, kann die Kommission die Stellungnahme des Europäischen Parlaments ganz oder teilweise in ihren Vorschlag übernehmen. Wird die Stellungnahme des Parlaments berücksichtigt, übermittelt die Kommission einen geänderten Vorschlag an den Rat. Dieser prüft den geänderten Vorschlag und hat dann die Möglichkeit ihn in der ihm vorliegenden Form zu verabschieden oder ihn nochmals zu verändern. Ändert der Rat den Vorschlag der Kommission, so ist Einstimmigkeit erforderlich. In einigen Gebieten wie den steuerlichen Vorschriften muss der Beschluss des Rates auch bei Annahme des Vorschlags ohne Änderung einstimmig gefasst werden.
Die Einflussmöglichkeiten des Europäischen Parlaments sind beim Anhörungsverfahren als gering einzustufen, da der Rat auch bei obligatorischen Anhörungen nicht dazu verpflichtet ist, die Position des Parlaments zu berücksichtigen. Das Parlament hat demnach nur dann die Möglichkeit entscheidend am Gesetzgebungsverfahren teilzuhaben, wenn es bereits im Vorfeld versucht, die Kommission bei der Erstellung ihres Vorschlags zu beeinflussen. Im Falle einer Berücksichtigung der Position des Parlaments durch die Kommission, erhält so der Entwurf der Kommission gegenüber dem Rat ein wesentlich stärkeres politisches Gewicht.
c) Das Zustimmungsverfahren
Beim Zustimmungsverfahren[5] ist der Rat verpflichtet, die Zustimmung des Europäischen Parlaments einzuholen. Ansonsten läuft das Zustimmungsverfahren nach demselben Muster wie das Anhörungsverfahren ab, ohne dass das Parlament die Option einer Vorschlagsänderung hat. Eine Annahme des Vorschlags erfordert eine absolute Mehrheit im Parlament.
Obwohl das Europäische Parlament keinen direkten Einfluss auf den Inhalt des Gesetzesentwurfes ausüben kann, ist seine Stellung beim Zustimmungsverfahren deutlich stärker als beim Anhörungsverfahren, da es über die endgültige Annahme oder Ablehnung eines Entwurfes entscheidet und somit ein indirektes Vetorecht besitzt. Der Rat ist dadurch zur Konsensfindung angehalten.
Auch wenn das Europäische Parlament nicht einziges Legislativorgan ist, hat es neben den Gesetzgebungsverfahren auch andere Möglichkeiten zur Ausübung seiner gesetzgebenden Gewalt. So erörtert das Parlament, welche neuen Rechtsvorschriften zweckmäßig wären oder kann von der Kommission die Vorlage von Vorschlägen verlangen.
2) Das Europäische Parlament und die demokratische Kontrolle
Das Europäische Parlament nimmt seine Rolle als demokratischer Kontrolleur gegenüber den anderen europäischen Organen war, hat dabei jedoch insbesondere gegenüber dem Rat keine weitgehenden Kontrollrechte.
a) Die Kontrolle des Europäischen Parlaments über die Europäische Kommission
Allgemein übt das Europäische Parlament seine Kontrolle gegenüber der dem Parlament rechenschaftspflichtigen Kommission durch regelmäßige Prüfung der Kommissionsberichte (Gesamtbericht, Berichte über die Ausführung des Haushaltsplans und die Anwendung des Gemeinschaftsrechts usw.) aus. Außerdem stimmt es der Benennung der Kommissionsmitglieder zu oder lehnt sie ab und kann ihnen nach Vorlage des jährlichen Tätigkeitsberichtes der gesamten Kommission mit Zweidrittelmehrheit das Misstrauen aussprechen und so die gesamte Kommission zum Rücktritt zwingen. Zusätzlich hat es die Möglichkeit zu Durchführungen von Anhörungen aller künftigen neuen Mitglieder und des Präsidenten der Kommission vor der Einsetzung einer neuen Kommission; eine Einsetzung ohne Billigung des Parlaments ist nicht möglich. Dadurch, dass einzelne Abgeordnete des Parlaments regelmäßig schriftliche oder mündliche Anfragen an die Kommission richten und Mitglieder der Kommission ihrerseits an Plenartagungen des Parlaments und Sitzungen der parlamentarischen Ausschüsse teilnehmen, wird ein ständiger Dialog zwischen Parlament und Kommission ermöglicht. Bei Missständen hat das Parlament außerdem die Möglichkeit, diesen in Untersuchungsausschüssen nachzugehen.
Die Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments gegenüber der Kommission sind relativ begrenzt und bestehen in erster Linie aus indirekten Kontrollmechanismen wie Berichterstattungen und Anhörungsverfahren. Dennoch hat es zumindest die Möglichkeit, Verfehlungen durch das Misstrauensvotum zu ahnden. Nachteilig ist hierbei, dass nur die Kommission als Ganzes und nicht einzelne Mitglieder oder Funktionäre zur Rechenschaft gezogen werden können.
[...]
[1] Sitzverteilung wurde im Vertrag von Nizza neu gestaltet: für die Wahl 2004 wurde eine Anpassung der Sitzverteilung an die Bevölkerungsgröße vorgenommen, was zu einer Erhöhung der Repräsentativität beiträgt. Deutschland stimmt demnach weiterhin über 99 Sitze ab, die Bürger der anderen Staaten werden weniger Vertreter entsenden
[2] Jeder Abgeordnete ist Mitglied in mindestens zwei Ausschüssen, wobei in einem die Hauptarbeit liegt.
[3] Der Wirtschafts- und Sozialausschuss muss vom Rat auf Vorschlag der Kommission gehört werden (Art.257-262 EGV). Er setzt sich aus 317 Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie weiteren Interessengruppierungen (Landwirte, Kaufleute, Vertreter von kleinen und mittleren Unternehmen usw.) bzw. Experten zusammen.
[4] siehe unten: „Die Einflussmöglichkeiten der nationalen Staaten und nicht-staatlichen Akteure“
[5] das Zustimmungsverfahren gilt beispielsweise im Bereich aller wichtigen nationalen Abkommen der Europäischen Gemeinschaft und beim Beitritt neuer Mitgliedstaaten in die Europäische Union (Art.49 EUV sowie Art.300 III EGV)
- Citar trabajo
- Kerstin Zuber (Autor), 2005, Rolle und Funktion des Europäischen Parlaments, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121959
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